Gut gesehen, gut gesammelt im Josephinum

Historische wissenschaftliche Instrumente
de oculis: Die Sammlung Aichmair im Josephinum Wien

Ab 11. März werden im Josephinum in der Ausstellung de oculis neben den historisch bedeutenden Beständen des Josephinums auch erstmals Objekte aus der umfangreichen Sammlung des Augenarztes Hermann Aichmair gezeigt, die dieser dem Josephinum als Schenkung überlassen hat.

Die Sammlung Aichmair

Die Sammlung Aichmair mit über 600 Einzelobjekten entstand über ein halbes Jahrhundert und ist die größte Privatsammlung, die je ins Josephinum gelangt ist. Sie umspannt einen Zeitrahmen vom 18. Jahrhundert bis zum Ende des 20. Jahrhunderts und gliedert sich unter dem Übergriff „Auge“ in mehrere Gruppen: Diagnose Diagnostik, optische Sehbehelfe, Volkskunst, Chirurgie, Lehrmodelle und persönliche Objekte.

Carl Reiner, Augenphantom, Wien um 1930

Die Sehbehelfe, mit denen in erster Linie Brillen gemeint sind, stammen aus den unterschiedlichsten Epochen und sind in allen möglichen denkbaren Variationen vorhanden. Optische Brillen sind ebenso Teil der Sammlung wie Sonnenbrillen, Schutzbrillen, Scherzbrillen und Brillenetuis. Die Brille ist sowohl praktisches als auch modisches Accessoire und kann aus verschiedenen Materialien wie Perlmutt, Horn, Schildpatt, Holz, gebläutem Stahl, Silber oder sogar Gold sein. Der Berufsstand „Mechanicus und Opticus“ erzeugte neben Brillen meist noch Mikroskope, Ferngläser und andere optische Geräte. In Wien ist dieses Handwerk im 19. Jahrhundert mit großen Namen wie Friedrich Voigtländer, Simon Plössl oder Jacob Waldstein verbunden.
Die große Anzahl der von Hermann Aichmair gesammelten Exemplare zeigt die große Vielfalt, die mehrere Jahrhunderte Brillengeschichte in Europa und Asien hervorgebracht hat haben.

Die Sammlung beinhaltet auch monokulare und binokulare Ferngläser, Lupengläser und Mikroskope.

Augenspiegel nach Helmholtz und Rekoss, ab 1852
Augenspiegel nach Helmholtz und Rekoss, ab 1852

Bildliche Darstellungen zum Thema Auge fließen auch in die Volkskunde ein. Diese volkskundlichen Objekte nehmen in der Sammlung Aichmair eine besondere Stellung ein. Hervorzuheben ist eine schöne Sammlung Votivbilder, hauptsächlich Augenvotive. Votivgaben sind Bilder oder Objekte, die nach erfolgter Heilung von einer Krankheit als eine Art symbolisches Opfer, oft aus einem Gelübde heraus an die Kirche, meist in Verbindung mit einer Wallfahrt, geschenkt wurden. Für geheilte Krankheiten des Auges wurde üblicherweise ein stilisiertes Augenpaar dargestellt.
In manchen Gegenden des alpenländischen Raumes war es auch üblich, plastische Augenvotive aus Wachs herzustellen. Die Sammlung Aichmair beherbergt nicht nur drei solche Augenpaare sondern auch Gussformen (Modeln) aus Holz um diese herzustellen. Das Auge als Symbol findet sich natürlich seit Jahrtausenden in verschiedensten Kulturen, meist als Symbol für einen Gott, Allwissenheit, Vorhersehung, Licht etc. Als Auge Gottes in geschnitzter Form oder Amulett gegen den bösen Blick hat es sich in mehreren Exemplaren in dieser Sammlung erhalten.

Die Gruppe chirurgischer ophthalmologischer Instrumente besteht aus Instrumenten des 19. Jahrhunderts bis zu Instrumenten, die Prof. Hermann Aichmair während seiner langen beruflichen Laufzeit persönlich benutzt hat. Als Lehrmodell für Operierende wurde früher das Augenphantom verwendet, bei dem unter Benutzung von tierischen Augen Operationen geübt werden konnten.  Um das Auge genauer zu verstehen, wurden auch im 19. Jahrhundert Modelle aus Glas und Gips, Papiermaché oder Wachs hergestellt.

Die Instrumentensammlung des Josephinums

Opthalmologisches Besteck nach Jaques Daviel, zur Kataraktbehandlung durch Linsenextraktion, nach 1735

Die ophthalmologische Sammlung im Josephinum ist gemessen an ihrer Größe und Geschichte wohl die bedeutendste ihrer Art. Das liegt sowohl an der Stellung der Wiener Augenklinik im 19. Jahrhundert als auch an der frühen Idee, eine Sammlung ophthalmologischer Bücher, Zeichnungen, Instrumente, Präparate und Modelle anzulegen und zugänglich zu machen. So schreibt Georg Joseph Beer, der 1812 die Wiener Augenklinik begründete, im November des Jahres 1813: „Um meinen Zuhörern aber auch hinlängliche Gelegenheit zum Nachlesen der trefflichen ophthalmologischen Schriften zu verschaffen, legte ich mit dem Anfang des gegenwärtigen Schuljahres den Grund zu einer ophthalmologischen Büchersammlung, aus welcher  jeder wirkliche Theilnehmer der Augenklinik […] sowohl die wichtigsten älteren als neueren ophthalmologischen Schriftsteller […] auf einige Zeit mit nach Hause erhalten soll.“

Beer war bestrebt, die Sammlung ständig durch Anschaffung neuer Bücher und Zeichnungen zu erweitern. Er selbst war ein begnadeter Zeichner und viele seiner Werke es haben sich erhalten.

Dass in Beers Augenklinik schon 1818 eine Lehr- und Studiensammlung neben einer historischen chirurgischen Instrumenten-Sammlung angelegt war, ist einem zeitgenössischen Bericht einer Wien-Reise von Johann Christian Juengken (ab 1834 Direktor der ophthalmologischen Klinik der Charité in Berlin) zu entnehmen: „In […] dem Operations- und Hörsaale […] befinden sich die Sammlungen […]; sie bestehen: 1. In einer zwar kleinen, aber gewählten Büchersammlung, besonders älterer klassischer Schriften […]. 2. In einer Sammlung anatomischer und pathologischer Präparate des Auges […]. 3. Gehört hierher noch eine Sammlung von Augeninstrumenten, welche besonders dem geschichtlichen Studium der Instrumentalhilfe gewidmet ist.“ Beers Schwiegersohn, Friedrich Jäger von Jaxtthal zeigte besonderes Interesse am „geschichtlichen Studium der Instrumentalkunde“ und dürfte einen bedeutenden Anteil an der Entstehung dieser Sammlung gehabt haben. Nachdem Anton von Rosas seinem ehemaligen Lehrmeister Beer als Leiter der Augenklinik nachfolgte, erweiterte er nicht nur die Bibliothek und die historische Instrumentensammlung, sondern kaufte auch eine höchst beeindruckende Sammlung von Wachsmoulagen von Johann Nepomuk Hoffmayr an. Diese Modelle, die in geschnitzte und blattvergoldete Rahmen montiert sind, zeigen die verschiedenen Krankheiten am Auge.

Kinesiskop nach Purkyne, Ferdinand Durst, Prag um 1860

Die komplette Sammlung der Augenklink im dritten Hof des Wiener allgemeinen Krankenhauses befand sich in genau 12 Schränken und wird um 1840 folgendermaßen beschrieben: „1) eine vollständige Sammlung von Augengläsern, Augenphantome, eine Augen-Dampfbad-Maschine, Augenschirme, eine Volta’sche Säule u.s.w.; 2) eine systematisch geordnete Sammlung historisch merkwürdiger und jetzt gebräuchlicher Operations-Instrumente von den besten Meistern, namentlich Malliard und Schleifer in Wien, verfertigt; 3) Zeichnungen interessanter Augenkrankheiten, an dieser Klink beobachtet, größtentheils von Prof. Beer verfertigt; 4) 30 Wachspräparate von Hofmayer in Wein, ungemein schön gearbeitet; 5) eine im Entstehen begriffene Sammlung für vergleichende Anatomie, 80 Präparate; 6) theils getrocknete, theils in Weingeist bewahrte anatomische und pathologische Präparate des Auges, worunter besonders gelungene Einspritzungen und Nervenpräparate von Dr. Hyrtl; 7) eine bedeutende Bibliothek […]“

1859 wird die Sammlung als „okulistisches anatomisch-pathologisch-komparatives Museum“ und „okulistische Instrumenten- und Büchersammlung“ bezeichnet. In den folgenden Jahrzehnten wächst die Sammlung stetig und erst 1969 werden Teile der Instrumentensammlung von Wolfgang Funder publiziert. Die I. Universitäts-Augenklinik gibt die Sammlung schließlich im Jahr 1976 als Dauerleihgabe in die Sammlungen des Josephinums. Damals wurden insgesamt 319 Instrumente und Instrumentenkästen, die Wachsmodelle von Hoffmayr, sämtliche Bücher und Zeichnungen übergeben und inventarisiert.

Ophthalmometer nach Helmholtz, Moritz Meyerstein, Göttingen um 1870
Ophthalmometer nach Helmholtz, Moritz Meyerstein, Göttingen um 1870

Sie bilden noch heute den Kernbestand der ophthalmologischen Sammlung des Josephinums: Die Instrumentensammlung besteht aus einer umfangreichen Sammlung Augenspiegel ab 1852, 32 Kassetten mit mehreren Dutzend ophthalmologischer Operationsinstrumenten aus dem 18. und 19. Jahrhundert und einigen Operationsbestecken in aufwändig gestalteten Lederetuis, manche aus dem Besitz von Prof. Beer.

Zusammen mit den kürzlich erhaltenen Wachsmodellen zur Entwicklung des menschlichen Auges nach Hochstetter aus der Werkstatt F. Ziegler zeigen sie die große Vielfalt dieser unschätzbaren Sammlung zur Geschichte der Augenheilkunde in Wien.

Interventionen von zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern

Als Teil der Ausstellung werden außerdem Interventionen von sechs zeitgenössischen Künstlern und Künstlerinnen präsentiert, deren Arbeiten auf unterschiedliche Weise das Auge und das Sehen im weiteren Sinne behandeln: Nadja Bournonville, Kerstin von Gabain, Zenita Komad, Eva Kot’átková, Anja Manfredi und Nadim Vardag.

Literatur
Beer 1813
Juengkens 1820
Schmiedl 1843
Deutscher Universitäts-Almanach für 1859, Fernau, Leipzig 1859
Funder 1969

 

de oculis
11. März bis 8. Oktober 2016
im Josephinum Wien

 

Auktion  Historische wissenschaftliche Instrumente, Modelle und Globen im Dorotheum

Die Auktion Historische wissenschaftliche Instrumente, Modelle und Globen am 31. März 2016 bietet eine gute Möglichkeit um die eigene Sammlung zu erweitern, eine neue zu starten oder einfach den Katalog durchzublättern und Interessantes und Wissenswertes zu entdecken.

Historische wissenschaftliche Instrumente, Modelle und Globen
Donnerstag, 31. März 2016, 17 Uhr
Besichtigung ab 25. März 2016
Palais Dorotheum

 

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