Heiliger Kunstfrühling: Wiener Moderne

Brooch Josef Hoffmann wiener moderne flowers

Die kommende Jugendstil Auktion am 30. Mai 2018 im Dorotheum gibt Einblick in das Schaffen großer Künstler der Wiener Moderne, wie Josef Hoffmann, Koloman Moser, Otto Wagner, Dagobert Peche oder Michael Powolny.

Dorotheum-Expertin Magda Pfabigan spricht über die Wiener Moderne und die Kunst der Wiener Werkstätte, beispielhaft dafür die Brosche oder die Kette mit Anhänger von Josef Hoffmann.

Blühende Broschen

Brosche Blumen Gold Hoffmann Wiener Moderne
Josef Hoffmannm Brosche, Wiener Werkstätte, vor 1912
Schätzwert €150.000 – 300.000

Pioniere der „Wiener Moderne“: Bei den frühen Schmuckentwürfen von Josef Hoffmann und Koloman Moser dominieren noch geschwungene Linien sowie stark stilisierte gegenständliche Motive wie Vögel, Bohnenschoten oder Fische. Das änderte sich ab 1904/05. Entsprechend den Kriterien für das Kunstgewerbe der Wiener Werkstätte wurde auch der Schmuck stärker geometrisiert und bei Hoffmann zudem symmetrisch. Charakteristisch für die Broschen ist, dass Rahmen die Binnenmotive – hier eine stilisierte Blume mit unterschiedlich gestalteten Blättern – fassen. Bei der angebotenen Brosche von Josef Hoffmann wird diese Einfassung mehrfach vorgenommen, der plastische Charakter zudem durch die Beifügung vereinzelter Perlbänder im Rahmen sowie durch die Verwendung des sich erhebenden Perlmutts und der Mondsteine verstärkt.

Die Wiener Moderne

„Wiener Moderne“ bezeichnete jene Strömungen in Literatur, Kunst, Architektur und Musik, die das Wiener Kulturleben der vorigen Jahrhundertwende nachhaltig bestimmten. Den Geist des Aufbruchs und der Avantgarde verkörpern vier ihrer bedeutendsten Protagonisten, die das gemeinsame Todesjahr 1918 eint: Gustav Klimt, Egon Schiele, Otto Wagner und Koloman Moser.

Ein Gespräch mit Jugendstil-Expertin Magda Pfabigan

Dorotheum myART MAGAZINE: Was markiert Ihrer Meinung nach den Beginn der sogenannten „Wiener Moderne“?
Magda Pfabigan: Wiens „Heiliger Kunstfrühling“ begann 1897 mit der Genehmigung des Baus der von Joseph Maria Olbrich geplanten Secession. Für die erste Ausstellung 1898 galt für den Präsidenten der Künstler-Vereinigung, Gustav Klimt, und andere Mitglieder, dass „unsere Kunst unaufhaltsam anders (und) wahre Schönheit im reinsten Augenblick der Bedürfnisse“ gesucht werde. Allerdings etablierte sich im Kontext einer „inter- national balance of cultural power“ Wien im Fin de Siècle als Zentrum einer eher skeptischen Moderne, die mit einer kulturellen Abgrenzung einherging.

Wie sah der Wiener „Hang zum Gesamtkunstwerk“ aus?
Ausgehend von der Tatsache, dass die künstlerisch tätigen Gründer der Wiener Werkstätte, Josef Hofmann und Koloman Moser, im Jahr 1903 beabsichtigten, dem Modernen, handwerklich Perfekten und zudem Zweckmäßigen zum Durchbruch zu ver helfen, ermöglichten sie in Österreich, „Moderne“ als Gesamtkunstwerk zu leben. Es folgten weitgefächerte. Ausdrucksformen: Auf der einen Seite waren dies Luxusgüter einer großbürgerlichen Gesellschaft, und auf der anderen war es das künstlerische Bekenntnis einer Zeit, die die Einheit von „Kunst und Leben“ wiederherstellen wollte.

Hat die Wiener Moderne noch Relevanz? Wie lassen sich Industrialisierung und der Begriff von Schönheit in Einklang bringen?
Das Wien der Jahrhundertwende war ein Laboratorium, ein Experimentierfeld der Moderne. Das Modische an der Moderne bedeutete früher einen Zugewinn, der er auch heute noch aktuell ist: an Subjektivität und Individualität, in der durch Geld regulierten Verfügbarkeit von Waren. Hier wurden Konflikte angerissen, die das gesamte 20. Jahrhundert lang aktuell bleiben sollten, grundlegend vor allem: Was bedeutet Schönheit in einer sich industrialisierenden Welt? Ist sie ein Hilfsmittel der Veredelung des Menschen oder ist der an der Vergangenheit orientierte Schönheitsbegriff des Historismus nur ein für die Erfüllung des Lebens hinderliches Ornament?

Otto Wagner
Schreibtisch, Entwurf 1906
für die Postsparkasse
Ausführung Fa. Thonet
erzielter Preis € 35.100

Besonders manifest werden diese Fragen
in der Architektur Otto Wagners.
Was macht ihn so modern?
Otto Wagner hat lange Zeit die klassische Affassung eines Architekten vertreten: Die Bildungsreise nach Italien ist sozusagen die Hochschule des Architekten. Dass er zusätzlich Häuser und das von ihm entworfene Kunsthandwerk baute und verkaufte und zu Werbezwecken selbst bewohnte und nutzte, war ihm gleichzeitig die „andere Hochschule“. Er testete: Kann etwas – und damit war er in der Moderne angelangt – schön sein, was nicht praktisch ist? Hier setzte ein ornamentales Wiener Projekt ein: Schönheit zu retten, aber nicht in einer abgeklärten Nische, sondern als Bestandteil des Alltags.

Wunschbild Gesamtkunstwerk: Inwieweit fand eine Zusammenarbeit zwischen Künstlern statt? Und was ist bei heutigen Käufern sehr beliebt?
Nicht nur gab es eine enge Zusammenarbeit zwischen Moser und Hoffmann, auch mit Klimt und Wagner wurde kooperiert. Moser schuf etwa für Otto Wagners Kirche am Steinhof die Glasfenster. Möbel, möglichst im Originalzustand, von Moser und Wagner sind gleichermaßen sehr begehrt.

Können die Positionen von Kolo Moser
und Josef Hoffmann auf dem Kunstmarkt verglichen werden?
Bedingt durch den frühzeitigen Austritt Koloman Mosers aus der Wiener Werkstätte um 1908 existieren von ihm weitaus weniger Werke als von Josef Hofmann. Auch durch Mosers eingeschränkte Tätigkeit änderte sich der Formenkanon vom rein geometrischen zu einem dekorativeren und oralen Stil.
Die Nachfrage nach Arbeiten von Kolo Moser und auch die erzielten Preise sind mindestens mit denen von Josef Hofmann gleichzusetzen.

Josef Hoffmann
Anhänger mit Kette in
originaler Schmuckschatulle
Wiener Werkstätte, 1903
Schätzwert
€ 90.000 – 150.000

1918, das Todesjahr der bedeutendsten Protagonisten der Wiener Moderne, ist gleichzeitig ein markantes Jahr in der Geschichte Österreichs. Ist das Zufall?
Es ist bemerkenswert, dass vier Pioniere der Moderne, Wagner, Klimt, Moser und Schiele, zeitgleich mit dem schützenden Kokon der Donaumonarchie starben. Stefan Zweig hat in seinem Buch „Die Welt von Gestern“ jene letzten Jahre vor dem Ersten Weltkrieg, der mit einer katastrophalen Niederlage Österreichs endete und die vormalige Großmacht in einen Kleinstaat verwandelte, als das Goldene Zeit- alter einer machtgeschützten Sicherheit gepriesen. In dieser Sicherheit war aber auch ein Freiraum gegeben, der die internationale Moderne noch heute bereichert.

 

Das Gespräch führte Marie-Sophie Engel, Kunsthistorikerin im Dorotheum.

Dorotheum-Jugendstil-Expertin Magda Pfabigan

Magda Pfabigan hat lang jährige Erfahrung im Museums – und Auktionsbereich, seit Mai 2017 ist sie als Expertin für Jugendstil und angewandte Kunst des 20. Jahrhunderts im Dorotheum tätig. Den Fokus auch auf eine internationale Ausrichtung des Jugendstils zu legen ist ihr wichtig, ihr Forschungsschwerpunkt liegt bei der Wiener Werkstätte.

AUKTION

Jugendstil und Kunsthandwerk des 20. Jahrhunderts
30. Mai 2018, 14 Uhr
Palais Dorotheum Wien

Für Informationen zu den Stücken der Wiener Moderne, kontaktieren Sie unsere Expertin!

Information: Magda Pfabigan, Expertin für Jugendstil und Art Déco

 

Titelbild:
Josef Hoffmannm Brosche, Wiener Werkstätte, vor 1912
Schätzwert €150.000 – 300.000

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