Lot Nr. 123


Carlo Canella


Carlo Canella - Alte Meister

(Verona 1800–1879 Mailand)
Blick vom Portico des Dogenpalastes in Venedig auf den Markusplatz und den Campanile,
signiert,
Öl auf Leinwand, 89 x 133,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, Mailand;
dort vom jetzigen Besitzer erworben

Wir danken Fernando Mazzocca für die Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Die hohe Qualität, die kompositionelle Originalität und das ikonografische Interesse am Bildthema machen das vorliegende Gemälde nicht nur zu einer der in der italienischen Malerei des 19. Jahrhunderts ungewöhnlichsten Darstellungen einer der begehrtesten und am häufigsten wiedergegebenen Ansichten, sondern auch zu einer der wichtigsten Bildschöpfungen Carlo Canellas, die zweifellos als sein Hauptwerk gelten kann. Gegenüber anderen Werken des Meisters handelt es sich hier um das am weitesten ausgereifte: Er gelangt darin zu einer außergewöhnlichen Synthese seiner größten Vorzüge sowohl als Veduten- wie auch als Genremaler, der die Gepflogenheiten des zeitgenössischen Lebens aufmerksam und mit großem Einfühlungsvermögen umsetzt.

In Werken wie diesem zeigt sich die vollkommene Unabhängigkeit vom Einfluss seines älteren Bruders, Giuseppe Canella (Verona 1788–1847 Mailand), mit dem er die Angewohnheit teilte, anstelle einer Signatur einen prominent platzierten Hund ins Bild zu setzen. Im vorliegenden Gemälde ist er im Vordergrund zwischen den Säulen des Dogenpalastes zu erkennen, welche den Blick auf die Piazza begrenzen und rahmen. Die Alten und Neuen Prokuratien umschließen die Szene zu den Rändern hin, in der Ferne erscheinen Campanile und Palazzo Reale. Rechts, ebenfalls vom Säulengang begrenzt, ist die rechte Seite der Basilika zu sehen. Auf dem an der rechten Säule angebrachten Aushang sind die Buchstaben „LLA“ zu lesen, die als weitere versteckte Signatur fungieren.

Abgesehen von der narrativen Lebendigkeit der dargestellten Figuren fällt bei der vorliegenden Ansicht der ungewöhnliche Blickwinkel ins Auge. Die Komposition erinnert an ein weiteres Schlüsselwerk der Periode von ähnlichem Format: an den Blick auf den Domplatz vom Coperto dei Figini, 1842 ausgeführt von Angelo Inganni im Rahmen eines Auftrags von Vizekönig Ranieri für den Palazzo Reale in Mailand (siehe F. Mazzocca [Hrsg.], Angelo Inganni 1807–1880. Un pittore bresciano nella Milano romantica, Ausstellungskatalog, Mailand 1998, S. 94, 203/204). Wie im vorliegenden Gemälde hat der Künstler auch dort einen Platz und den Lebensalltag der Menschen von einem Säulengang aus beobachtet, nämlich vom Coperto dei Figini in Mailand, welcher später der nach der Vereinigung Italiens erfolgten Stadterneuerung und den damit verbundenen Ausbauarbeiten zum Opfer gefallen ist.

Die beiden Gemälde sind ungefähr im selben Zeitraum entstanden: Auf dem Bild Canellas weisen die Gewänder auf eine Ausführung in der zweiten Hälfte der 1830er-Jahre oder zu Beginn der folgenden Dekade. Es gehört daher einer Periode an, als der Ruf des Künstlers bereits gefestigt war und seine Werke sehr gefragt waren. Ab dieser Zeit präsentierte er seine Werke mit großer Regelmäßigkeit in den Jahresausstellungen der Accademia di Brera in Mailand und der Accademia di Belle Arti di Verona (A. Scotti, in: A. M. Brizio/M. Rosci [Hrsg.], Mostra dei Maestri di Brera 1776–1859, Ausstellungskatalog, Mailand 1975, S. 258/259; D. Modonesi, in: B. Brugnoli [Hrsg.], Pittura a Verona del primo Ottocento e metà Novecento, Verona 1986, S. 164–167; I. Marelli, in: E. Castelnuovo [Hrsg.], La pittura in Italia. L’Ottocento, Mailand 1990, Bd. II, S. 731). Sein Erfolg war derart groß, dass man ihn 1879 in einem Nachruf in der Veroneser Zeitung L’Arena mit den folgenden Worten pries: „Chi ricorda le splendide Esposizioni di Brera anteriori al 1848 sa a qual grado di valentia erano salite le opera dei Canella e in quanta considerazione fossero tenute e come si pagassero“ [„Jene, die sich der glänzenden Ausstellungen der Brera vor 1848 erinnern, wissen, zu welch meisterlichen Höhen Canellas Werke aufgestiegen waren, welche Wertschätzung man ihnen entgegenbrachte, und wie viel man dafür bezahlte.“] Ein Beleg für das enge Band zwischen den Brüdern Canella ist ein Porträt aus dem Jahr 1837, in dem Carlo Giuseppe bei der Arbeit in seinem Atelier dargestellt hat (Galleria d’Arte Moderna, Mailand; F. Mazzocca, in: S. Marinelli/G. Mazzariol/F. Mazzocca [Hrsg.], Il Veneto e l’Austria. Vita e cultura artistica nelle città venete 1814–1866, Ausstellungskatalog, Mailand 1989, S. 140/141).

Im vorliegenden Gemälde, für das sich der Künstler einer außergewöhnlichen Perspektive bedient hat, um alle Ecken des berühmten Platzes mit seinen Baudenkmälern festzuhalten, offenbart sich Canella auch als brillanter Interpret der Tradition der sogenannten „Stadtmalerei“ [„pittura urbana“]. Den Begriff prägte Defendente Sacchi, der führende Kritiker der Romantik, am Beispiel Vincenzo Migliaras. In den 1830er- und 1840er-Jahren brachten es hier vor allem Inganni und die Brüder Canella zu herausragenden Bildschöpfungen. Im vorliegenden Werk verleiht das goldene Licht jenseits der Schattenzone im Vordergrund einem gewöhnlichen Tag in Venedig eine magische Atmosphäre; der Himmel ist leicht von Wolken durchzogen, und unter den Säulengängen, auf der Piazza und um die Bauwerke entfaltet sich der langsame Rhythmus des Lebensalltags. Die besondere Beobachtungsgabe des Malers zeigt sich sowohl in der Darstellung der größeren Figuren im Vordergrund als auch in den kleineren Hintergrundfiguren, den sogenannten macchiette, deren Größe stetig abnimmt, wodurch das allmähliche Zurücktreten der Bildpläne deutlich wird. Die kleinen Figuren werden mit sparsamsten Pinseltupfern definiert, in denen sich die Gabe des Künstlers offenbart, jedes Detail, sei es das eines Gebäudes, eines Gewandes oder einer menschlichen Gestalt, festzuhalten. Dargeboten wird eine lebendig gestaltete Bandbreite venezianischer Kostüme und Gebräuche in Form der beiden jungen Burschen mit ihren Fischkörben im mittleren Vordergrund; der Frau mit den kupfernen Wassereimern, die sie in typischer Art und Weise auf der Schulter balanciert; der orientalisch gekleideten Gestalt am Fuße des hohen Mastes, von dem eine breite Fahne weht; sowie den eleganten, modisch gewandeten Figuren beim Spaziergang. Aus einer nicht enden wollenden Detailflut ergibt sich die geordnete Komplexität dieser wunderbaren narrativen Szene. Ein vergleichbar beschreibendes und gelungenes Gemälde sollte erst mit der Schilderung einer Begebenheit der Cinque Giornate di Milano folgen, die sich heute zusammen mit anderen Werken Canellas in der Galleria d’Italia befindet (siehe F. Mazzocca [Hrsg.], Porta Tosa in Milano il 22 marzo 1848; Da Canova a Boccioni. Le collezioni della Fondazione Carplo e di Intesa Sanpaolo, Mailand 2011, S. 58, 191/192).

25.04.2017 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 186.000,-
Schätzwert:
EUR 150.000,- bis EUR 200.000,-

Carlo Canella


(Verona 1800–1879 Mailand)
Blick vom Portico des Dogenpalastes in Venedig auf den Markusplatz und den Campanile,
signiert,
Öl auf Leinwand, 89 x 133,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, Mailand;
dort vom jetzigen Besitzer erworben

Wir danken Fernando Mazzocca für die Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Die hohe Qualität, die kompositionelle Originalität und das ikonografische Interesse am Bildthema machen das vorliegende Gemälde nicht nur zu einer der in der italienischen Malerei des 19. Jahrhunderts ungewöhnlichsten Darstellungen einer der begehrtesten und am häufigsten wiedergegebenen Ansichten, sondern auch zu einer der wichtigsten Bildschöpfungen Carlo Canellas, die zweifellos als sein Hauptwerk gelten kann. Gegenüber anderen Werken des Meisters handelt es sich hier um das am weitesten ausgereifte: Er gelangt darin zu einer außergewöhnlichen Synthese seiner größten Vorzüge sowohl als Veduten- wie auch als Genremaler, der die Gepflogenheiten des zeitgenössischen Lebens aufmerksam und mit großem Einfühlungsvermögen umsetzt.

In Werken wie diesem zeigt sich die vollkommene Unabhängigkeit vom Einfluss seines älteren Bruders, Giuseppe Canella (Verona 1788–1847 Mailand), mit dem er die Angewohnheit teilte, anstelle einer Signatur einen prominent platzierten Hund ins Bild zu setzen. Im vorliegenden Gemälde ist er im Vordergrund zwischen den Säulen des Dogenpalastes zu erkennen, welche den Blick auf die Piazza begrenzen und rahmen. Die Alten und Neuen Prokuratien umschließen die Szene zu den Rändern hin, in der Ferne erscheinen Campanile und Palazzo Reale. Rechts, ebenfalls vom Säulengang begrenzt, ist die rechte Seite der Basilika zu sehen. Auf dem an der rechten Säule angebrachten Aushang sind die Buchstaben „LLA“ zu lesen, die als weitere versteckte Signatur fungieren.

Abgesehen von der narrativen Lebendigkeit der dargestellten Figuren fällt bei der vorliegenden Ansicht der ungewöhnliche Blickwinkel ins Auge. Die Komposition erinnert an ein weiteres Schlüsselwerk der Periode von ähnlichem Format: an den Blick auf den Domplatz vom Coperto dei Figini, 1842 ausgeführt von Angelo Inganni im Rahmen eines Auftrags von Vizekönig Ranieri für den Palazzo Reale in Mailand (siehe F. Mazzocca [Hrsg.], Angelo Inganni 1807–1880. Un pittore bresciano nella Milano romantica, Ausstellungskatalog, Mailand 1998, S. 94, 203/204). Wie im vorliegenden Gemälde hat der Künstler auch dort einen Platz und den Lebensalltag der Menschen von einem Säulengang aus beobachtet, nämlich vom Coperto dei Figini in Mailand, welcher später der nach der Vereinigung Italiens erfolgten Stadterneuerung und den damit verbundenen Ausbauarbeiten zum Opfer gefallen ist.

Die beiden Gemälde sind ungefähr im selben Zeitraum entstanden: Auf dem Bild Canellas weisen die Gewänder auf eine Ausführung in der zweiten Hälfte der 1830er-Jahre oder zu Beginn der folgenden Dekade. Es gehört daher einer Periode an, als der Ruf des Künstlers bereits gefestigt war und seine Werke sehr gefragt waren. Ab dieser Zeit präsentierte er seine Werke mit großer Regelmäßigkeit in den Jahresausstellungen der Accademia di Brera in Mailand und der Accademia di Belle Arti di Verona (A. Scotti, in: A. M. Brizio/M. Rosci [Hrsg.], Mostra dei Maestri di Brera 1776–1859, Ausstellungskatalog, Mailand 1975, S. 258/259; D. Modonesi, in: B. Brugnoli [Hrsg.], Pittura a Verona del primo Ottocento e metà Novecento, Verona 1986, S. 164–167; I. Marelli, in: E. Castelnuovo [Hrsg.], La pittura in Italia. L’Ottocento, Mailand 1990, Bd. II, S. 731). Sein Erfolg war derart groß, dass man ihn 1879 in einem Nachruf in der Veroneser Zeitung L’Arena mit den folgenden Worten pries: „Chi ricorda le splendide Esposizioni di Brera anteriori al 1848 sa a qual grado di valentia erano salite le opera dei Canella e in quanta considerazione fossero tenute e come si pagassero“ [„Jene, die sich der glänzenden Ausstellungen der Brera vor 1848 erinnern, wissen, zu welch meisterlichen Höhen Canellas Werke aufgestiegen waren, welche Wertschätzung man ihnen entgegenbrachte, und wie viel man dafür bezahlte.“] Ein Beleg für das enge Band zwischen den Brüdern Canella ist ein Porträt aus dem Jahr 1837, in dem Carlo Giuseppe bei der Arbeit in seinem Atelier dargestellt hat (Galleria d’Arte Moderna, Mailand; F. Mazzocca, in: S. Marinelli/G. Mazzariol/F. Mazzocca [Hrsg.], Il Veneto e l’Austria. Vita e cultura artistica nelle città venete 1814–1866, Ausstellungskatalog, Mailand 1989, S. 140/141).

Im vorliegenden Gemälde, für das sich der Künstler einer außergewöhnlichen Perspektive bedient hat, um alle Ecken des berühmten Platzes mit seinen Baudenkmälern festzuhalten, offenbart sich Canella auch als brillanter Interpret der Tradition der sogenannten „Stadtmalerei“ [„pittura urbana“]. Den Begriff prägte Defendente Sacchi, der führende Kritiker der Romantik, am Beispiel Vincenzo Migliaras. In den 1830er- und 1840er-Jahren brachten es hier vor allem Inganni und die Brüder Canella zu herausragenden Bildschöpfungen. Im vorliegenden Werk verleiht das goldene Licht jenseits der Schattenzone im Vordergrund einem gewöhnlichen Tag in Venedig eine magische Atmosphäre; der Himmel ist leicht von Wolken durchzogen, und unter den Säulengängen, auf der Piazza und um die Bauwerke entfaltet sich der langsame Rhythmus des Lebensalltags. Die besondere Beobachtungsgabe des Malers zeigt sich sowohl in der Darstellung der größeren Figuren im Vordergrund als auch in den kleineren Hintergrundfiguren, den sogenannten macchiette, deren Größe stetig abnimmt, wodurch das allmähliche Zurücktreten der Bildpläne deutlich wird. Die kleinen Figuren werden mit sparsamsten Pinseltupfern definiert, in denen sich die Gabe des Künstlers offenbart, jedes Detail, sei es das eines Gebäudes, eines Gewandes oder einer menschlichen Gestalt, festzuhalten. Dargeboten wird eine lebendig gestaltete Bandbreite venezianischer Kostüme und Gebräuche in Form der beiden jungen Burschen mit ihren Fischkörben im mittleren Vordergrund; der Frau mit den kupfernen Wassereimern, die sie in typischer Art und Weise auf der Schulter balanciert; der orientalisch gekleideten Gestalt am Fuße des hohen Mastes, von dem eine breite Fahne weht; sowie den eleganten, modisch gewandeten Figuren beim Spaziergang. Aus einer nicht enden wollenden Detailflut ergibt sich die geordnete Komplexität dieser wunderbaren narrativen Szene. Ein vergleichbar beschreibendes und gelungenes Gemälde sollte erst mit der Schilderung einer Begebenheit der Cinque Giornate di Milano folgen, die sich heute zusammen mit anderen Werken Canellas in der Galleria d’Italia befindet (siehe F. Mazzocca [Hrsg.], Porta Tosa in Milano il 22 marzo 1848; Da Canova a Boccioni. Le collezioni della Fondazione Carplo e di Intesa Sanpaolo, Mailand 2011, S. 58, 191/192).


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 25.04.2017 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 15.04. - 25.04.2017


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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