Lot Nr. 37


Giovanni Francesco Barbieri, gen. il Guercino


Giovanni Francesco Barbieri, gen. il Guercino - Alte Meister

(Cento 1591–1666 Bologna)
Bildnis des Kardinals Bernardino Spada,
Öl auf Leinwand, 60 x 43 cm, gerahmt

Provenienz:
wohl Sammlung Borghese, Rom;
Sammlung Bradford De Wolf, USA;
im Erbgang an Francis Colt de Wolf Junior (1926–1994) und seine Frau, Fürstin Dorota Drucka Lubecka (1930–2006);
deren Auktion, Doyle, New York, 16. Mai 2007, Lot 66 (als italienische Schule, 17. Jahrhundert);
Privatsammlung, Rom

Ausgestellt:
Rom, Galleria Spada, Un Inedito del Guercino, Ritratti allo specchio del Cardinale Bernardino Spada, 9. April – 30. Juni 2008;
Tivoli, Villa d’Este, Ritratto Barocco, Dipinti del ‘600 e ‘700 nelle Raccolte Private, 3. Juli – 2. November 2008;
Rom, Palazzo Barberini – Galleria Nazionale d’Arte Antica, Da Guercino a Caravaggio, Sir Denis Mahon e l’Arte Italiana del XVII secolo, 26. September 2014 – 8. Februar 2015

Literatur:
C. Strinati, M. L. Vicini, A. Emiliani, C. Falcucci, in: Un Inedito del Guercino, Ritratti allo specchio del Cardinale Bernardino Spada, hrsg. von M. L. Vicini, Ausstellungskatalog, Rom 2008, S. 7–9, 10, 13–20, 26–27, 28 (als Guercino);
Ritratto Barocco, Dipinti del ‘600 e ‘700 nelle Raccolte Private, hrsg. von F. Petrucci, Ausstellungskatalog, Tivoli 2008, S. 36–38 (als Guercino);
A. Emiliani, Studio per un inedito del Guercino, il ritratto di Bernardino Spada, in: I Cento Cinquant’Anni della Cassa di Risparmio di Cento, hrsg. von A. Lazzarini und G. Campanili, Bologna 2009, S. 77–80 (als Guercino);
M. L. Vicini, in: Da Guercino a Caravaggio, Sir Denis Mahon e l’Arte Italiana del XVII secolo, hrsg. von A. Coliva, M. Gregori, S. Androsov, Ausstellungskatalog, Rom 2014, S. 130–131 (als Guercino);
N. Turner, The Paintings of Guercino. A revised and expanded catalogue raisonné, Ugo Bozzi, Rom (Publikation in Vorbereitung, als Guercino)

Bei dem vorliegenden Gemälde handelt es sich um Guercinos kleinformatige Ölskizze für das halbfigurige Porträt von Kardinal Bernardino Spada (1594–1661), das sich heute in der Galleria Spada in Rom befindet. Im letzten Jahr seiner Amtszeit als päpstlicher Gesandter von Bologna – eine Position, die er von 1627 bis 1631 bekleidete – entsandte er zwei Hofbeamte nach Cento, um ein Gemälde mit dem heiligen Lukas abzuholen und Guercino mit nach Bologna zu bringen, wo er den Kardinal porträtieren sollte („perché facesse il suo ritratto“).

Bei dieser Gelegenheit fertigte der Künstler vermutlich die vorliegende Ölskizze (sowie mehrere Vorzeichnungen) an, zumal es unwahrscheinlich ist, dass er das große Porträt vor Ort in Bologna gemalt hat: Die Leinwand wäre vor allem in nassem Zustand zu groß gewesen, um zwischen Bologna und Cento hin- und hertransportiert zu werden, und zudem führte der Künstler Bilder dieser Art in der Regel in seinem Atelier aus. Die technische Untersuchung der vorliegenden Leinwand hat gezeigt, dass sie niemals beschnitten wurde, was darauf schließen lässt, dass Guercino sie von ihrer Größer her problemlos zu den wenigen erforderlichen Porträtsitzungen mit sich führen konnte, um nach dem Modell daran zu arbeiten. Diese vermutete Zweckbestimmung wird durch eine gewisse Grobheit im Farbauftrag im Bereich der scharlachroten Robe, die vergleichsweise lockere Pinselführung, die betonteren Helldunkelkontraste (vor allem im Gesicht) und das Fehlen jeglicher Feinarbeit unterstrichen. Es handelt sich somit um eine sehr unmittelbare Malweise, die symptomatisch ist für ein vor Ort ausgeführtes Gemälde. Bei einem Gemälde, das über einen längeren Zeitraum und unter Atelierbedingungen entstanden ist, wären diese Bereiche subtiler moduliert ausgefallen.

Obwohl die vorliegende Skizze kleiner ist als das Porträt des Kardinals in der Galleria Spada (96,8 x 87,8 cm), ist die Größe des Kopfes, des Biretts, des Kragens und anderer Details mehr oder weniger maßstabsgetreu, was nahelegt, dass der Kopf direkt von der Skizze auf die vorbereitete Malfläche der größeren Leinwand übertragen werden konnte. Das ausgeführte Porträt beinhaltet weitere Verbesserungen, etwa den Aufschlag am Kragen über der linken Schulter, der aus dem Schatten hervortritt und erweitert wurde; betroffen ist auch das rechte Ohr des Kardinals, das nun unter dem ansprechender ausgeführten und eher braunen als schwarzen Haar hervorlugt; schließlich sind da auch noch das gegenüber der Skizze weichere Glanzlicht entlang des Nasenrückens und im Ausgleich die stärker gehöhte Stirn des Kardinals im ausgeführten Gemälde.

Bei den Porträtsitzungen fertigte Guercino auch mehrere Zeichnungen des Kardinals an, von denen sich die eindringlichste im Teylers Museum, Haarlem, erhalten hat (Inv. Nr. H 103; siehe C. van Tuyll, Guercino (1591–1666): Drawings from Dutch Collections, Haarlem 1991, Nr. 22, mit Abb.). Dort ist der stehende Prälat ganzfigurig dargestellt und weist mit Daumen und Zeigefinger der erhobenen rechten Hand auf einen bestimmten Punkt. Eine weitere ganzfigurige Studie des stehenden Kardinals befindet sich Louvre, Paris, wobei der Kopf auf einem separaten Blatt Papier gezeichnet ist (Inv. Nr. RF 34506; siehe C. Loisel, Dessin bolonais du XVIIe siècle, II, Musée du Louvre, Paris 2013, Nr. 595, mit Abb.).

Diese Studien legen nahe, dass der Kardinal in einer frühen Phase Guercino um ein ganzfiguriges Porträt gebeten hatte, analog zu seinem prächtigen Bildnis von Guido Reni von 1630/31, das sich heute ebenfalls in der Galleria Spada in Rom befindet und auf dem er in ganzer Gestalt sichtbar an seinem Schreibtisch sitzt. Seite an Seite mit diesem an der Wand der Galerie scheint Guercinos halbfiguriges Porträt vergleichsweise zurückhaltend. Von den beiden Darstellungen zeigt die Guercinos den Kardinal in einem einfühlsameren Licht: Hinter all den Symbolen seines hohen kirchlichen Amtes wird auch ein gewöhnlicher Mensch sichtbar.

Kardinal Bernardino Spada (Brisighella 1594 – Rom 1661) war einer der gebildetsten, kultiviertesten und fortschrittlichsten Kunstsammler im Rom des 17. Jahrhunderts, der die von Caravaggio eingeführten Neuerungen ebenso schätzte wie den Bologneser Klassizismus. Als Förderer der Künste war Kardinal Spada sowohl mit Guido Reni als auch mit Guercino bekannt. Nach seiner Nuntiatur in Paris war er päpstlicher Gesandter in Bologna (1627–1631). Während dieser Zeit saß er beiden großen emilianischen Malern Modell, und beide Porträts befinden sich in der Galleria Spada, Rom.

Wir danken Nicolas Turner für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes. Er wird es als zur Gänze eigenhändiges Werk in sein in Vorbereitung befindliches überarbeitetes und erweitertes Werkverzeichnis aufnehmen (siehe Literatur).

25.04.2017 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 161.600,-
Schätzwert:
EUR 150.000,- bis EUR 200.000,-

Giovanni Francesco Barbieri, gen. il Guercino


(Cento 1591–1666 Bologna)
Bildnis des Kardinals Bernardino Spada,
Öl auf Leinwand, 60 x 43 cm, gerahmt

Provenienz:
wohl Sammlung Borghese, Rom;
Sammlung Bradford De Wolf, USA;
im Erbgang an Francis Colt de Wolf Junior (1926–1994) und seine Frau, Fürstin Dorota Drucka Lubecka (1930–2006);
deren Auktion, Doyle, New York, 16. Mai 2007, Lot 66 (als italienische Schule, 17. Jahrhundert);
Privatsammlung, Rom

Ausgestellt:
Rom, Galleria Spada, Un Inedito del Guercino, Ritratti allo specchio del Cardinale Bernardino Spada, 9. April – 30. Juni 2008;
Tivoli, Villa d’Este, Ritratto Barocco, Dipinti del ‘600 e ‘700 nelle Raccolte Private, 3. Juli – 2. November 2008;
Rom, Palazzo Barberini – Galleria Nazionale d’Arte Antica, Da Guercino a Caravaggio, Sir Denis Mahon e l’Arte Italiana del XVII secolo, 26. September 2014 – 8. Februar 2015

Literatur:
C. Strinati, M. L. Vicini, A. Emiliani, C. Falcucci, in: Un Inedito del Guercino, Ritratti allo specchio del Cardinale Bernardino Spada, hrsg. von M. L. Vicini, Ausstellungskatalog, Rom 2008, S. 7–9, 10, 13–20, 26–27, 28 (als Guercino);
Ritratto Barocco, Dipinti del ‘600 e ‘700 nelle Raccolte Private, hrsg. von F. Petrucci, Ausstellungskatalog, Tivoli 2008, S. 36–38 (als Guercino);
A. Emiliani, Studio per un inedito del Guercino, il ritratto di Bernardino Spada, in: I Cento Cinquant’Anni della Cassa di Risparmio di Cento, hrsg. von A. Lazzarini und G. Campanili, Bologna 2009, S. 77–80 (als Guercino);
M. L. Vicini, in: Da Guercino a Caravaggio, Sir Denis Mahon e l’Arte Italiana del XVII secolo, hrsg. von A. Coliva, M. Gregori, S. Androsov, Ausstellungskatalog, Rom 2014, S. 130–131 (als Guercino);
N. Turner, The Paintings of Guercino. A revised and expanded catalogue raisonné, Ugo Bozzi, Rom (Publikation in Vorbereitung, als Guercino)

Bei dem vorliegenden Gemälde handelt es sich um Guercinos kleinformatige Ölskizze für das halbfigurige Porträt von Kardinal Bernardino Spada (1594–1661), das sich heute in der Galleria Spada in Rom befindet. Im letzten Jahr seiner Amtszeit als päpstlicher Gesandter von Bologna – eine Position, die er von 1627 bis 1631 bekleidete – entsandte er zwei Hofbeamte nach Cento, um ein Gemälde mit dem heiligen Lukas abzuholen und Guercino mit nach Bologna zu bringen, wo er den Kardinal porträtieren sollte („perché facesse il suo ritratto“).

Bei dieser Gelegenheit fertigte der Künstler vermutlich die vorliegende Ölskizze (sowie mehrere Vorzeichnungen) an, zumal es unwahrscheinlich ist, dass er das große Porträt vor Ort in Bologna gemalt hat: Die Leinwand wäre vor allem in nassem Zustand zu groß gewesen, um zwischen Bologna und Cento hin- und hertransportiert zu werden, und zudem führte der Künstler Bilder dieser Art in der Regel in seinem Atelier aus. Die technische Untersuchung der vorliegenden Leinwand hat gezeigt, dass sie niemals beschnitten wurde, was darauf schließen lässt, dass Guercino sie von ihrer Größer her problemlos zu den wenigen erforderlichen Porträtsitzungen mit sich führen konnte, um nach dem Modell daran zu arbeiten. Diese vermutete Zweckbestimmung wird durch eine gewisse Grobheit im Farbauftrag im Bereich der scharlachroten Robe, die vergleichsweise lockere Pinselführung, die betonteren Helldunkelkontraste (vor allem im Gesicht) und das Fehlen jeglicher Feinarbeit unterstrichen. Es handelt sich somit um eine sehr unmittelbare Malweise, die symptomatisch ist für ein vor Ort ausgeführtes Gemälde. Bei einem Gemälde, das über einen längeren Zeitraum und unter Atelierbedingungen entstanden ist, wären diese Bereiche subtiler moduliert ausgefallen.

Obwohl die vorliegende Skizze kleiner ist als das Porträt des Kardinals in der Galleria Spada (96,8 x 87,8 cm), ist die Größe des Kopfes, des Biretts, des Kragens und anderer Details mehr oder weniger maßstabsgetreu, was nahelegt, dass der Kopf direkt von der Skizze auf die vorbereitete Malfläche der größeren Leinwand übertragen werden konnte. Das ausgeführte Porträt beinhaltet weitere Verbesserungen, etwa den Aufschlag am Kragen über der linken Schulter, der aus dem Schatten hervortritt und erweitert wurde; betroffen ist auch das rechte Ohr des Kardinals, das nun unter dem ansprechender ausgeführten und eher braunen als schwarzen Haar hervorlugt; schließlich sind da auch noch das gegenüber der Skizze weichere Glanzlicht entlang des Nasenrückens und im Ausgleich die stärker gehöhte Stirn des Kardinals im ausgeführten Gemälde.

Bei den Porträtsitzungen fertigte Guercino auch mehrere Zeichnungen des Kardinals an, von denen sich die eindringlichste im Teylers Museum, Haarlem, erhalten hat (Inv. Nr. H 103; siehe C. van Tuyll, Guercino (1591–1666): Drawings from Dutch Collections, Haarlem 1991, Nr. 22, mit Abb.). Dort ist der stehende Prälat ganzfigurig dargestellt und weist mit Daumen und Zeigefinger der erhobenen rechten Hand auf einen bestimmten Punkt. Eine weitere ganzfigurige Studie des stehenden Kardinals befindet sich Louvre, Paris, wobei der Kopf auf einem separaten Blatt Papier gezeichnet ist (Inv. Nr. RF 34506; siehe C. Loisel, Dessin bolonais du XVIIe siècle, II, Musée du Louvre, Paris 2013, Nr. 595, mit Abb.).

Diese Studien legen nahe, dass der Kardinal in einer frühen Phase Guercino um ein ganzfiguriges Porträt gebeten hatte, analog zu seinem prächtigen Bildnis von Guido Reni von 1630/31, das sich heute ebenfalls in der Galleria Spada in Rom befindet und auf dem er in ganzer Gestalt sichtbar an seinem Schreibtisch sitzt. Seite an Seite mit diesem an der Wand der Galerie scheint Guercinos halbfiguriges Porträt vergleichsweise zurückhaltend. Von den beiden Darstellungen zeigt die Guercinos den Kardinal in einem einfühlsameren Licht: Hinter all den Symbolen seines hohen kirchlichen Amtes wird auch ein gewöhnlicher Mensch sichtbar.

Kardinal Bernardino Spada (Brisighella 1594 – Rom 1661) war einer der gebildetsten, kultiviertesten und fortschrittlichsten Kunstsammler im Rom des 17. Jahrhunderts, der die von Caravaggio eingeführten Neuerungen ebenso schätzte wie den Bologneser Klassizismus. Als Förderer der Künste war Kardinal Spada sowohl mit Guido Reni als auch mit Guercino bekannt. Nach seiner Nuntiatur in Paris war er päpstlicher Gesandter in Bologna (1627–1631). Während dieser Zeit saß er beiden großen emilianischen Malern Modell, und beide Porträts befinden sich in der Galleria Spada, Rom.

Wir danken Nicolas Turner für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes. Er wird es als zur Gänze eigenhändiges Werk in sein in Vorbereitung befindliches überarbeitetes und erweitertes Werkverzeichnis aufnehmen (siehe Literatur).


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 25.04.2017 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 15.04. - 25.04.2017


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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