Lot Nr. 604


Enrico Castellani *


Enrico Castellani * - Zeitgenössische Kunst, Teil 1

(Castelmassa, Rovigo 1930 geb.)
Superficie bianca, 1986, am Keilrahmen signiert, betitelt und datiert Enrico Castellani 1986, Acryl auf Leinwand, 100 x 100 cm, auf Keilrahmen (AR)

Fotozertifikat:
Archivio Fondazione Enrico Castellani, Mailand, Archiv-Nr. 86–001, vom Künstler signiert

Provenienz:
Der Künstler
Totah Gallery, London/New York
Galleria Valeria Belvedere, Mailand
Europäische Privatsammlung

Ausgestellt:
New York, Albert Totah Gallery, Enrico Castellani, Mai – Juni 1987
London, Edward Totah Gallery, Dezember 1987, Ausst.-Kat. Nr. 5

Literatur:
Renata Wirz, Federico Sardella (Hrsg.), Enrico Castellani. Catalogo ragionato. 1955–2005, Skira, Mailand 2012, Bd. II, S. 480, Nr. 596 mit Abb.

Enrico Castellani ist allgemein als einer von Italiens wichtigsten lebenden Künstlern bekannt, ein Protagonist einer der glücklichsten und leidenschaftlichsten künstlerischen Bewegungen der Nachkriegszeit.
Nach dem Studium der Architektur an der Belgischen Académie Royale des Beaux-Arts und der École supérieure des Arts de la Ville, begann er recht bald, die Grenzen der Malerei, Bildhauerei und Architektur auszutesten, auf der Suche nach etwas Neuem, das das Potential hätte, die existierenden Kategorisierungen von Kunst zu überwinden.
1959 stellte Castellani seine Superfici nere erstmals aus. Seit damals arbeitete er mit monochromen Leinwänden, die er über Muster von hervorstehenden Nägeln spannte, bevor er zu malen begann.
Diese reliefartigen Oberflächen erzeugen bei jeder Betrachtung unterschiedliche Licht- und Schatteneffekte durch die sich abwechselnden vertieften und erhabenen Bereiche und schaffen so ein perfektes Gleichgewicht der entgegenwirkenden Kräfte. Die Absicht des Künstlers, keine konventionellen Mittel der traditionellen Malerei zu verwenden und sein Bestreben, so wenig wie möglich der Leinwand „hinzuzufügen“, veranlassten Kritiker und Künstler wie Donald Judd, Castellani zum Pionier des Minimalismus zu erklären.

Durch die Limitierung seiner kompositorischen Variation und das Festhalten an einer strengen Monochromie, schafft Castellani Werke, die nach dem vollkommen Unpersönlichen trachten und nicht begehren, gelesen, interpretiert oder betrachtet zu werden, sondern schlichtweg das sind, was für das Auge sichtbar ist: „spezifische Objekte“, um Donald Judds Worte zu verwenden.
Das ist auch der Grund, warum Castellani zu jenen Künstlern gehört, deren Namen in die Kunstgeschichte eingehen als Wegbereiter und führende Figuren in der Festlegung neuer Definitionen von Malerei, dem Einsatz von Bewegung und Licht und der Verwendung von Raum als Subjekt und Material ebenso wie dem Untersuchen der Beziehung zwischen Natur, Technologie und der Menschheit.
Diese Arbeit aus 1997 kondensiert und vereint alle Grundsätze von Castellanis Poesie auf perfekte Weise: das Essenzhafte der Formen, eine Hervorhebung der objektartigen, physischen Dimension künstlerischen Schaffens, und seine vollkommene Unpersönlichkeit.
Eine schneeweiße Leinwand und eine nahezu unberührte Oberfläche: einzig entlang des gesamten Randes der Leinwand verläuft eine Reihe von Nägeln, die eine Art „Rahmen“ innerhalb der Leinwand selbst schafft und einen Effekt extremer Eleganz und minimalistischer Raffiniertheit erzeugt.
Es ist in gewisser Weise die zusammenfassende Darstellung von Castellanis Arbeit, in der Geometrie und Anordnung ein außergewöhnliches Ausmaß erreichen: Das Bild zeugt von der strengen Orientierung des Künstlers an den reinen Formen des Minimalismus (weit entfernt von seinen viel markanteren „optischen“ Effekten, die häufig durch das Abwechseln voller und leerer Flächen erzeugt werden), der ihn stark mit der künstlerischen Suche anderer, wie unter anderem LeWitt oder Judd, verbindet.
Dennoch wird die von den Minimalisten vielgesuchte emotionale Distanziertheit in diesem Fall durch etwas aufgewogen, was den Betrachter anlockt, seine Aufmerksamkeit erweckt und ihn dazu einlädt, den Raum, der scheinbar von einem Rahmen aus Nägeln umfriedet ist, zu betrachten und betreten. Der Betrachter wird unweigerlich dazu veranlasst, etwas hinter diesem Rahmen und dieser Leinwand zu imaginieren, das – zwar nicht durch die „Verletzung“ einer Schneide (wie im Werk Fontanas) oder gänzlich ausgespart (wie viele seiner minimalistischen Künstlerkollegen das taten) – in sich die Illusion, gewissermaßen die Metapher eines unendlichen Raums, den Castellani mit seinen geliebten Nägeln umrahmt, verbirgt.
Das erinnert an den Effekt, den James Turrell – der die Neuordnung des Minimalismus in den späten 1980ern anführte – mit dem Himmel in seinem Werk Skyspace I (1974) erzielte: ein quadratischer Raum mit einer großen quadratischen Öffnung in der Decke, in der wiederum der Himmel von einem schmalen Streifen weißer Decke umrahmt wird. Eine symbolhafte Architektur, in der sich die Zyklen des Kosmos und dieser transformierenden Erfahrung „fortwährend“ widerspiegeln.

Scheinbar: wirklich leer, schweigend, indifferent. Fast stumpfsinnig. Tatsächlich: voll Spannungen mit tausend leisen Stimmen. Erwartungsvoll. Etwas erschrocken, da sie vergewaltigt werden kann.
(Wassily Kandinsky)

01.06.2016 - 19:00

Erzielter Preis: **
EUR 383.640,-
Schätzwert:
EUR 250.000,- bis EUR 350.000,-

Enrico Castellani *


(Castelmassa, Rovigo 1930 geb.)
Superficie bianca, 1986, am Keilrahmen signiert, betitelt und datiert Enrico Castellani 1986, Acryl auf Leinwand, 100 x 100 cm, auf Keilrahmen (AR)

Fotozertifikat:
Archivio Fondazione Enrico Castellani, Mailand, Archiv-Nr. 86–001, vom Künstler signiert

Provenienz:
Der Künstler
Totah Gallery, London/New York
Galleria Valeria Belvedere, Mailand
Europäische Privatsammlung

Ausgestellt:
New York, Albert Totah Gallery, Enrico Castellani, Mai – Juni 1987
London, Edward Totah Gallery, Dezember 1987, Ausst.-Kat. Nr. 5

Literatur:
Renata Wirz, Federico Sardella (Hrsg.), Enrico Castellani. Catalogo ragionato. 1955–2005, Skira, Mailand 2012, Bd. II, S. 480, Nr. 596 mit Abb.

Enrico Castellani ist allgemein als einer von Italiens wichtigsten lebenden Künstlern bekannt, ein Protagonist einer der glücklichsten und leidenschaftlichsten künstlerischen Bewegungen der Nachkriegszeit.
Nach dem Studium der Architektur an der Belgischen Académie Royale des Beaux-Arts und der École supérieure des Arts de la Ville, begann er recht bald, die Grenzen der Malerei, Bildhauerei und Architektur auszutesten, auf der Suche nach etwas Neuem, das das Potential hätte, die existierenden Kategorisierungen von Kunst zu überwinden.
1959 stellte Castellani seine Superfici nere erstmals aus. Seit damals arbeitete er mit monochromen Leinwänden, die er über Muster von hervorstehenden Nägeln spannte, bevor er zu malen begann.
Diese reliefartigen Oberflächen erzeugen bei jeder Betrachtung unterschiedliche Licht- und Schatteneffekte durch die sich abwechselnden vertieften und erhabenen Bereiche und schaffen so ein perfektes Gleichgewicht der entgegenwirkenden Kräfte. Die Absicht des Künstlers, keine konventionellen Mittel der traditionellen Malerei zu verwenden und sein Bestreben, so wenig wie möglich der Leinwand „hinzuzufügen“, veranlassten Kritiker und Künstler wie Donald Judd, Castellani zum Pionier des Minimalismus zu erklären.

Durch die Limitierung seiner kompositorischen Variation und das Festhalten an einer strengen Monochromie, schafft Castellani Werke, die nach dem vollkommen Unpersönlichen trachten und nicht begehren, gelesen, interpretiert oder betrachtet zu werden, sondern schlichtweg das sind, was für das Auge sichtbar ist: „spezifische Objekte“, um Donald Judds Worte zu verwenden.
Das ist auch der Grund, warum Castellani zu jenen Künstlern gehört, deren Namen in die Kunstgeschichte eingehen als Wegbereiter und führende Figuren in der Festlegung neuer Definitionen von Malerei, dem Einsatz von Bewegung und Licht und der Verwendung von Raum als Subjekt und Material ebenso wie dem Untersuchen der Beziehung zwischen Natur, Technologie und der Menschheit.
Diese Arbeit aus 1997 kondensiert und vereint alle Grundsätze von Castellanis Poesie auf perfekte Weise: das Essenzhafte der Formen, eine Hervorhebung der objektartigen, physischen Dimension künstlerischen Schaffens, und seine vollkommene Unpersönlichkeit.
Eine schneeweiße Leinwand und eine nahezu unberührte Oberfläche: einzig entlang des gesamten Randes der Leinwand verläuft eine Reihe von Nägeln, die eine Art „Rahmen“ innerhalb der Leinwand selbst schafft und einen Effekt extremer Eleganz und minimalistischer Raffiniertheit erzeugt.
Es ist in gewisser Weise die zusammenfassende Darstellung von Castellanis Arbeit, in der Geometrie und Anordnung ein außergewöhnliches Ausmaß erreichen: Das Bild zeugt von der strengen Orientierung des Künstlers an den reinen Formen des Minimalismus (weit entfernt von seinen viel markanteren „optischen“ Effekten, die häufig durch das Abwechseln voller und leerer Flächen erzeugt werden), der ihn stark mit der künstlerischen Suche anderer, wie unter anderem LeWitt oder Judd, verbindet.
Dennoch wird die von den Minimalisten vielgesuchte emotionale Distanziertheit in diesem Fall durch etwas aufgewogen, was den Betrachter anlockt, seine Aufmerksamkeit erweckt und ihn dazu einlädt, den Raum, der scheinbar von einem Rahmen aus Nägeln umfriedet ist, zu betrachten und betreten. Der Betrachter wird unweigerlich dazu veranlasst, etwas hinter diesem Rahmen und dieser Leinwand zu imaginieren, das – zwar nicht durch die „Verletzung“ einer Schneide (wie im Werk Fontanas) oder gänzlich ausgespart (wie viele seiner minimalistischen Künstlerkollegen das taten) – in sich die Illusion, gewissermaßen die Metapher eines unendlichen Raums, den Castellani mit seinen geliebten Nägeln umrahmt, verbirgt.
Das erinnert an den Effekt, den James Turrell – der die Neuordnung des Minimalismus in den späten 1980ern anführte – mit dem Himmel in seinem Werk Skyspace I (1974) erzielte: ein quadratischer Raum mit einer großen quadratischen Öffnung in der Decke, in der wiederum der Himmel von einem schmalen Streifen weißer Decke umrahmt wird. Eine symbolhafte Architektur, in der sich die Zyklen des Kosmos und dieser transformierenden Erfahrung „fortwährend“ widerspiegeln.

Scheinbar: wirklich leer, schweigend, indifferent. Fast stumpfsinnig. Tatsächlich: voll Spannungen mit tausend leisen Stimmen. Erwartungsvoll. Etwas erschrocken, da sie vergewaltigt werden kann.
(Wassily Kandinsky)


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Zeitgenössische Kunst, Teil 1
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 01.06.2016 - 19:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 21.05. - 01.06.2016


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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