Lot Nr. 50


Andrea Vaccaro


Andrea Vaccaro - Alte Meister

(Neapel 1604–1670)
Susanna und die beiden Alten,
monogrammiert links unten: AV (ligiert),
Öl auf Leinwand, 153,5 x 206 cm, gerahmt

Provenienz:
Fürsten Esterhazy;
Sammlung Friedrich Jakob Gsell (1812–1871), Wien;
dessen Auktion, Georg Plach, Wien, 14. März 1872, Los 516;
erworben von der Galerie Hugo Othmar Miethke, Wien;
Anonyme Auktion, Dorotheum, Wien, 2. März 1939, Los 97;
dort vom Großvater des jetzigen Besitzers erworben;
Privatsammlung, Wien

Literatur:
G. F. Waagen, Die vornehmsten Kunstdenkmäler in Wien, I, Wien 1866, S. 321;
T. v. Frimmel, Lexikon der Wiener Gemäldesammlungen, München 1914, Bd. G-L, S. 106, Anm. 516

Wir danken Sebastian Schütze für die Bestätigung der Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes nach dessen Prüfung im Original und für seine Hilfe bei der Recherche der Provenienz und der Literatur.

Außerdem danken wir Wolfgang Prohaska, der die Zuschreibung unabhängig davon nach Untersuchung des Gemäldes im Original bestätigt hat.

Darüber hinaus danken wir Riccardo Lattuada, der die Zuschreibung unabhängig davon auf Grundlage einer hochauflösenden Digitalfotografie anerkannt hat.

Das vorliegende Gemälde mit Susanna und den Alten weist Andrea Vaccaro als einen der herausragendsten neapolitanischen Barockmaler aus. Durch die 2012 erschienene Monografie von Anna K. Tuck-Scala wurde die große Bedeutung Vaccaros für die neapolitanische Malerei seiner Zeit noch einmal hervorgehoben (Andrea Vaccaro, Naples, 1604–1670, His Documented Life and Art, Neapel 2012). Vaccaros Malstil stand unter dem Einfluss Caravaggios, besonders in seinen Chiaroscuro-Effekten und in der naturalistischen Wiedergabe seiner Figuren; jedoch inspirierte sich der Künstler ab 1630 auch an den Werken Guido Renis, Van Dycks und Pietro Novellis. Vaccaro hatte beachtlichen Erfolg in Neapel und führte auch viele Werke für spanische Auftraggeber aus. Der elegante Malstil Bernardo Cavallinos, mit dem Vaccaro in der zweiten Hälfte der 1640er-Jahre in Kontakt kam, übte ebenfalls Einfluss auf sein Werk aus. Zwischen 1650 und 1670 war die Kunst Vaccaros neben jener des führenden Massimo Stanzione und des aufstrebenden jungen Luca Giordano für die neapolitanische Malerei prägend. In seinem Spätwerk spiegeln sich die leuchtenden Farben Luca Giordanos und das Wechselspiel zwischen Licht und Schatten Mattia Pretis wieder. Vaccaro war stets in der Lage, mit den wichtigsten künstlerischen Strömungen seiner Zeit Schritt zu halten.

Sebastian Schütze datiert das vorliegende Bild in die späte Schaffenszeit des Künstlers. Riccardo Lattuada schlägt eine Datierung in die 1650er-Jahre vor und vergleicht es mit dem Gemälde Susanna und die Alten aus der Sammlung D’Avalos (heute im Museo di Capodimonte, Neapel). Die Alten befinden sich darin jeweils zur Rechten und zur Linken Susannas, die hier noch mehr ins Zentrum der Komposition gerückt ist, und die Brunnenfigur in Form eines wasserspeienden Putto findet sich links im Bild wieder. Die Aufmerksamkeit konzentriert sich wie im vorliegenden Bild auf den ausdrucksvollen Wechsel der Gesten und Blicke der wenigen Figuren. Ein ähnlicher Dialog zwischen den Figuren lässt sich im Gemälde Die heilige Martha tadelt Maria Magdalena wegen ihrer Eitelkeit ausmachen (unbekannter Aufenthaltsort, abgebildet in der Fototeca Zeri, no. 50495, siehe M. Izzo, Nicola Vaccaro, 1640–1709, Un artista a Napoli tra Barocco e Arcadia, Todi 2009, S. 95). Analogien zeigen sich auch im Altargemälde der Kirche Santa Maria della Providenza in Neapel, speziell in der Figur Gottvaters mit jener des bärtigen Alten im vorliegenden Bild (siehe A. K. Tuck-Scala, Andrea Vaccaro, Naples, 1604–1670, His Documented Life and Art, Neapel 2012, Nr. 11, S. 95). Einen vergleichbaren Bildaufbau findet man im Gemälde Lot und seine Töchter, das am 5. Dezember 2012 bei Sotheby’s, London versteigert wurde (Los 22).

Die vorliegende Komposition zeichnet sich besonders durch die sorgfältige Ausgewogenheit in der Verteilung der Bildelemente, die feine Wiedergabe von Texturen und Inkarnaten und die zurückhaltende Intensität von Stimmung und Emotionen aus. Die Figuren nehmen den Vordergrund ein und werden behutsam durch die Landschaft und Architekturelemente eingerahmt. Der caravaggeske Hintergrund bildet eine dunkle Kulisse für die Szene. Die kühlen Grautöne des Puttos kontrastieren wirkungsvoll mit den Inkarnattönen Susannas, die idealisiert in eleganter Pose dargestellt ist. Auch die beiden Alten in schweren Gewändern stehen in Gegensatz zur unbekleideten Frauenfigur. Ein kurioses, ausgefallenes Detail ist die Lupe eines der Alten. Durch die naturalistische Erscheinung der Alten wird die idealisierte Schönheit der weiblichen Figur hervorgehoben. Die Bewegungen der Figuren zeugen von Vaccaros Kenntnis der Anatomie und Fertigkeit beim Zeichnen bewegter Körperhaltungen. Durch gekonnte Lichteffekte wird eine überzeugende Dreidimensionalität geschaffen. Die Maltechnik zeichnet sich durch breite, offene Pinselstriche und reichen Farbauftrag aus. Das vorliegende, in seiner Komposition einzigartige Gemälde dürfte vermutlich für einen privaten Auftraggeber entstanden sein und war aufgrund seiner beachtlichen Maße wohl für die Wand eines Palazzos bestimmt.

Im 19. Jahrhundert war das Gemälde Teil der Sammlung Friedrich Jakob Gsell, der mit dem Wollhandel ein großes Vermögen erworben hatte und sich so bereits frühzeitig aus dem Geschäft zurückziehen konnte. Er ließ sich in Wien nieder und begründete hier ab 1849 eine bedeutende private Gemäldesammlung, die Galerie Gsell. Bei seinem Tod umfasste die Sammlung allein 600 Ölgemälde. Gsell hegte die Hoffnung auf eine Stiftung seiner Sammlung an seine Heimatstadt Straßburg oder die Stadt Wien. Diese zerschlug sich jedoch nach seinem Tod und die Gemälde der Galerie Gsell wurden ab dem 14. März 1872 über mehrere Tage durch eine große, vom bedeutenden Wiener Kunsthändler Georg Plach im Künstlerhaus Wien durchgeführte Auktion verkauft.

19.04.2016 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 271.400,-
Schätzwert:
EUR 100.000,- bis EUR 150.000,-

Andrea Vaccaro


(Neapel 1604–1670)
Susanna und die beiden Alten,
monogrammiert links unten: AV (ligiert),
Öl auf Leinwand, 153,5 x 206 cm, gerahmt

Provenienz:
Fürsten Esterhazy;
Sammlung Friedrich Jakob Gsell (1812–1871), Wien;
dessen Auktion, Georg Plach, Wien, 14. März 1872, Los 516;
erworben von der Galerie Hugo Othmar Miethke, Wien;
Anonyme Auktion, Dorotheum, Wien, 2. März 1939, Los 97;
dort vom Großvater des jetzigen Besitzers erworben;
Privatsammlung, Wien

Literatur:
G. F. Waagen, Die vornehmsten Kunstdenkmäler in Wien, I, Wien 1866, S. 321;
T. v. Frimmel, Lexikon der Wiener Gemäldesammlungen, München 1914, Bd. G-L, S. 106, Anm. 516

Wir danken Sebastian Schütze für die Bestätigung der Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes nach dessen Prüfung im Original und für seine Hilfe bei der Recherche der Provenienz und der Literatur.

Außerdem danken wir Wolfgang Prohaska, der die Zuschreibung unabhängig davon nach Untersuchung des Gemäldes im Original bestätigt hat.

Darüber hinaus danken wir Riccardo Lattuada, der die Zuschreibung unabhängig davon auf Grundlage einer hochauflösenden Digitalfotografie anerkannt hat.

Das vorliegende Gemälde mit Susanna und den Alten weist Andrea Vaccaro als einen der herausragendsten neapolitanischen Barockmaler aus. Durch die 2012 erschienene Monografie von Anna K. Tuck-Scala wurde die große Bedeutung Vaccaros für die neapolitanische Malerei seiner Zeit noch einmal hervorgehoben (Andrea Vaccaro, Naples, 1604–1670, His Documented Life and Art, Neapel 2012). Vaccaros Malstil stand unter dem Einfluss Caravaggios, besonders in seinen Chiaroscuro-Effekten und in der naturalistischen Wiedergabe seiner Figuren; jedoch inspirierte sich der Künstler ab 1630 auch an den Werken Guido Renis, Van Dycks und Pietro Novellis. Vaccaro hatte beachtlichen Erfolg in Neapel und führte auch viele Werke für spanische Auftraggeber aus. Der elegante Malstil Bernardo Cavallinos, mit dem Vaccaro in der zweiten Hälfte der 1640er-Jahre in Kontakt kam, übte ebenfalls Einfluss auf sein Werk aus. Zwischen 1650 und 1670 war die Kunst Vaccaros neben jener des führenden Massimo Stanzione und des aufstrebenden jungen Luca Giordano für die neapolitanische Malerei prägend. In seinem Spätwerk spiegeln sich die leuchtenden Farben Luca Giordanos und das Wechselspiel zwischen Licht und Schatten Mattia Pretis wieder. Vaccaro war stets in der Lage, mit den wichtigsten künstlerischen Strömungen seiner Zeit Schritt zu halten.

Sebastian Schütze datiert das vorliegende Bild in die späte Schaffenszeit des Künstlers. Riccardo Lattuada schlägt eine Datierung in die 1650er-Jahre vor und vergleicht es mit dem Gemälde Susanna und die Alten aus der Sammlung D’Avalos (heute im Museo di Capodimonte, Neapel). Die Alten befinden sich darin jeweils zur Rechten und zur Linken Susannas, die hier noch mehr ins Zentrum der Komposition gerückt ist, und die Brunnenfigur in Form eines wasserspeienden Putto findet sich links im Bild wieder. Die Aufmerksamkeit konzentriert sich wie im vorliegenden Bild auf den ausdrucksvollen Wechsel der Gesten und Blicke der wenigen Figuren. Ein ähnlicher Dialog zwischen den Figuren lässt sich im Gemälde Die heilige Martha tadelt Maria Magdalena wegen ihrer Eitelkeit ausmachen (unbekannter Aufenthaltsort, abgebildet in der Fototeca Zeri, no. 50495, siehe M. Izzo, Nicola Vaccaro, 1640–1709, Un artista a Napoli tra Barocco e Arcadia, Todi 2009, S. 95). Analogien zeigen sich auch im Altargemälde der Kirche Santa Maria della Providenza in Neapel, speziell in der Figur Gottvaters mit jener des bärtigen Alten im vorliegenden Bild (siehe A. K. Tuck-Scala, Andrea Vaccaro, Naples, 1604–1670, His Documented Life and Art, Neapel 2012, Nr. 11, S. 95). Einen vergleichbaren Bildaufbau findet man im Gemälde Lot und seine Töchter, das am 5. Dezember 2012 bei Sotheby’s, London versteigert wurde (Los 22).

Die vorliegende Komposition zeichnet sich besonders durch die sorgfältige Ausgewogenheit in der Verteilung der Bildelemente, die feine Wiedergabe von Texturen und Inkarnaten und die zurückhaltende Intensität von Stimmung und Emotionen aus. Die Figuren nehmen den Vordergrund ein und werden behutsam durch die Landschaft und Architekturelemente eingerahmt. Der caravaggeske Hintergrund bildet eine dunkle Kulisse für die Szene. Die kühlen Grautöne des Puttos kontrastieren wirkungsvoll mit den Inkarnattönen Susannas, die idealisiert in eleganter Pose dargestellt ist. Auch die beiden Alten in schweren Gewändern stehen in Gegensatz zur unbekleideten Frauenfigur. Ein kurioses, ausgefallenes Detail ist die Lupe eines der Alten. Durch die naturalistische Erscheinung der Alten wird die idealisierte Schönheit der weiblichen Figur hervorgehoben. Die Bewegungen der Figuren zeugen von Vaccaros Kenntnis der Anatomie und Fertigkeit beim Zeichnen bewegter Körperhaltungen. Durch gekonnte Lichteffekte wird eine überzeugende Dreidimensionalität geschaffen. Die Maltechnik zeichnet sich durch breite, offene Pinselstriche und reichen Farbauftrag aus. Das vorliegende, in seiner Komposition einzigartige Gemälde dürfte vermutlich für einen privaten Auftraggeber entstanden sein und war aufgrund seiner beachtlichen Maße wohl für die Wand eines Palazzos bestimmt.

Im 19. Jahrhundert war das Gemälde Teil der Sammlung Friedrich Jakob Gsell, der mit dem Wollhandel ein großes Vermögen erworben hatte und sich so bereits frühzeitig aus dem Geschäft zurückziehen konnte. Er ließ sich in Wien nieder und begründete hier ab 1849 eine bedeutende private Gemäldesammlung, die Galerie Gsell. Bei seinem Tod umfasste die Sammlung allein 600 Ölgemälde. Gsell hegte die Hoffnung auf eine Stiftung seiner Sammlung an seine Heimatstadt Straßburg oder die Stadt Wien. Diese zerschlug sich jedoch nach seinem Tod und die Gemälde der Galerie Gsell wurden ab dem 14. März 1872 über mehrere Tage durch eine große, vom bedeutenden Wiener Kunsthändler Georg Plach im Künstlerhaus Wien durchgeführte Auktion verkauft.


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 19.04.2016 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 09.04. - 19.04.2016


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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