Lot Nr. 33


Giovanni Francesco Barbieri, gen. Guercino


Giovanni Francesco Barbieri, gen. Guercino - Alte Meister

(Cento 1591–1666 Bologna)
Der büßende heilige Hieronymus als Halbfigur,
Öl auf Leinwand, 118 x 102 cm, gerahmt

Provenienz:
vermutlich Monsignor Cesare Raccagna di Brisighella;
Sammlung Ruffo della Scaletta, Messina, bis 1908;
im Erbgang an den heutigen Besitzer

Wir danken Nicholas Turner, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes nach dessen Prüfung im Original bestätigt hat.

Guercinos Komposition wurde spiegelverkehrt in einem undatierten Stich (siehe Abb. 1.) des Neffen des Künstlers, Gianfrancesco Mucci (1621–1665), festgehalten (publiziert bei P. Bagni, Il Guercino e i suoi incisori, Rom 1988, S. 120, Abb. 158). Bagni ging fälschlicherweise davon aus, dass das Sujet auf einer verlorenen Zeichnung Guercinos beruht. Die Inschrift „inV[enit]“ unten links weist Guercino als Urheber der Bilderfindung aus. Der in Cento geborene Mucci zog 1642 zusammen mit einem Großteil von Guercinos Hausstand nach Bologna. Es scheint, dass er nur zwei Jahre als Stecher tätig war – 1640 und etwas sporadischer im darauffolgenden Jahr. Der Stich ist Marcantonio Bassenghi gewidmet, einem der Nachkommen einer alten und damals erst kurz davor in den Adelsstand erhobenen Bologneser Familie. Der Widmende war Virgilio Sirani, ein Bologneser Mitbürger und Verwandter einer Familie von Apothekern und Malern, der auch Elisabetta Sirani angehörte.

Der Stil von Guercinos Büßendem heiligen Hieronymus legt nahe, dass das Bild um 1640 gemalt wurde, kurz bevor der Künstler nach Bologna übersiedelte – ein Datum, das sich auch mit Muccis kurzer Tätigkeit als Stecher decken würde. Ein paar geringfügige Unterschiede zwischen Gemälde und Stich sind zur erkennen, beispielsweise im wolkenbedeckten Himmel, der im Gemälde, vielleicht absichtlich, klar belassen wurde. Es ist belegt, dass Guercino in diesem Zeitraum zwei halfigurige Darstellungen des heiligen Hieronymus schuf: eine für Monsignor Cesare Raccagna di Brisighella, dem Vizelegaten von Ferrara (siehe Il libro dei conti del Guercino, 1629–1666, Nuova Alfa Editoriale, 1997, S. 106, Nr. 240) und für einen Herrn namens „Ma[gnifi]co M[esser] Sebastiano Butricella di Cento“ (siehe ebd., S. 105, Nr. 237). Jeder von ihnen bezahlte 50 Dukaten für sein Bild, was genau jenem Betrag entspricht, den Guercino für ein halfiguriges Gemälde in Rechnung stellte.

Bei dem von Monsignor Raccagna beauftragten Büßenden heiligen Hieronymus mag es sich um jenen handeln, der sich heute in einer amerikanischen Privatsammlung befindet (siehe D. Stone, Guercino, catalogo completo, Florenz 1991, S. 192, Nr. 176). Es ist gut möglich, dass der vorliegende Büßende heilige Hieronymus jener ist, der für Butricella gemalt wurde, der vielleicht auch als Mittelsmann fungiert hatte. Vor dem Büßenden heiligen Hieronymus hatte er eine Madonna mit Kind und nur wenige Monate danach das Brustbild eines Heiligen Johannes bestellt, die er nach Modena schickte (siehe Il libro dei conti del Guercino, 1629–1666, Nuova Alfa Editoriale, 1997, Nr. 18–82, 237 und 248). In Anbetracht der Verbindung von Guercino, Mucci und Butricella zu Cento und dem bevorstehenden Umzug des Malers und des Stechers nach Bologna sprechen die Umstände für diese Annahme.

Bei dem halbfigurigen Gemälde des Büßenden heiligen Hieronymus, das am 31. Januar 2013 bei Sotheby’s, New York, mit einer Zuschreibung an Guercino versteigert wurde (Los 244) und dessen Komposition jener des vorliegenden Bildes zwar genau entspricht, dessen Malweise aber weniger ausgeführt ist, handelt es sich um die maßstabsgetreue vorbereitende Skizze des Malers.

Eine Zeichnung von Guercino (Feder und Tinte auf braunem Papier; 181 x 194 mm, Abb. 2), welche aus der Poggi und Esterhazy Sammlung stammt und sich heute im Szépművészeti Múzeum, Budapest, befindet, steht in Zusammenhang mit dem vorliegenden Gemälde (siehe A. Czere, 17th Century Italian Drawings in the Budapest Museum of Fine Arts, Budapest, 2004, Nr. 181, datiert gemäß stilistischen Merkmalen auf die Mitte der 1640er; es wurde vorgeschlagen, dass die Zeichnung für eine noch nicht identifizierte halbfigurige Komposition gemacht wurde).

Wir danken Nicholas Turner für die Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.



Additional images:
Fig. 1: Gianfrancesco Mucci (Cento 1621-1665), Saint Jerome, after Guercino, circa 1640-41, engraving
Fig. 2: Guercino, Saint Jerome, 1644–1646, pen, brown ink on brown paper, 181 × 194 mm, inv. no. 2478 (acquired from Esterházy Collection, 1871)
© Museum of Fine Arts, Budapest, 2016

19.04.2016 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 198.200,-
Schätzwert:
EUR 100.000,- bis EUR 150.000,-

Giovanni Francesco Barbieri, gen. Guercino


(Cento 1591–1666 Bologna)
Der büßende heilige Hieronymus als Halbfigur,
Öl auf Leinwand, 118 x 102 cm, gerahmt

Provenienz:
vermutlich Monsignor Cesare Raccagna di Brisighella;
Sammlung Ruffo della Scaletta, Messina, bis 1908;
im Erbgang an den heutigen Besitzer

Wir danken Nicholas Turner, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes nach dessen Prüfung im Original bestätigt hat.

Guercinos Komposition wurde spiegelverkehrt in einem undatierten Stich (siehe Abb. 1.) des Neffen des Künstlers, Gianfrancesco Mucci (1621–1665), festgehalten (publiziert bei P. Bagni, Il Guercino e i suoi incisori, Rom 1988, S. 120, Abb. 158). Bagni ging fälschlicherweise davon aus, dass das Sujet auf einer verlorenen Zeichnung Guercinos beruht. Die Inschrift „inV[enit]“ unten links weist Guercino als Urheber der Bilderfindung aus. Der in Cento geborene Mucci zog 1642 zusammen mit einem Großteil von Guercinos Hausstand nach Bologna. Es scheint, dass er nur zwei Jahre als Stecher tätig war – 1640 und etwas sporadischer im darauffolgenden Jahr. Der Stich ist Marcantonio Bassenghi gewidmet, einem der Nachkommen einer alten und damals erst kurz davor in den Adelsstand erhobenen Bologneser Familie. Der Widmende war Virgilio Sirani, ein Bologneser Mitbürger und Verwandter einer Familie von Apothekern und Malern, der auch Elisabetta Sirani angehörte.

Der Stil von Guercinos Büßendem heiligen Hieronymus legt nahe, dass das Bild um 1640 gemalt wurde, kurz bevor der Künstler nach Bologna übersiedelte – ein Datum, das sich auch mit Muccis kurzer Tätigkeit als Stecher decken würde. Ein paar geringfügige Unterschiede zwischen Gemälde und Stich sind zur erkennen, beispielsweise im wolkenbedeckten Himmel, der im Gemälde, vielleicht absichtlich, klar belassen wurde. Es ist belegt, dass Guercino in diesem Zeitraum zwei halfigurige Darstellungen des heiligen Hieronymus schuf: eine für Monsignor Cesare Raccagna di Brisighella, dem Vizelegaten von Ferrara (siehe Il libro dei conti del Guercino, 1629–1666, Nuova Alfa Editoriale, 1997, S. 106, Nr. 240) und für einen Herrn namens „Ma[gnifi]co M[esser] Sebastiano Butricella di Cento“ (siehe ebd., S. 105, Nr. 237). Jeder von ihnen bezahlte 50 Dukaten für sein Bild, was genau jenem Betrag entspricht, den Guercino für ein halfiguriges Gemälde in Rechnung stellte.

Bei dem von Monsignor Raccagna beauftragten Büßenden heiligen Hieronymus mag es sich um jenen handeln, der sich heute in einer amerikanischen Privatsammlung befindet (siehe D. Stone, Guercino, catalogo completo, Florenz 1991, S. 192, Nr. 176). Es ist gut möglich, dass der vorliegende Büßende heilige Hieronymus jener ist, der für Butricella gemalt wurde, der vielleicht auch als Mittelsmann fungiert hatte. Vor dem Büßenden heiligen Hieronymus hatte er eine Madonna mit Kind und nur wenige Monate danach das Brustbild eines Heiligen Johannes bestellt, die er nach Modena schickte (siehe Il libro dei conti del Guercino, 1629–1666, Nuova Alfa Editoriale, 1997, Nr. 18–82, 237 und 248). In Anbetracht der Verbindung von Guercino, Mucci und Butricella zu Cento und dem bevorstehenden Umzug des Malers und des Stechers nach Bologna sprechen die Umstände für diese Annahme.

Bei dem halbfigurigen Gemälde des Büßenden heiligen Hieronymus, das am 31. Januar 2013 bei Sotheby’s, New York, mit einer Zuschreibung an Guercino versteigert wurde (Los 244) und dessen Komposition jener des vorliegenden Bildes zwar genau entspricht, dessen Malweise aber weniger ausgeführt ist, handelt es sich um die maßstabsgetreue vorbereitende Skizze des Malers.

Eine Zeichnung von Guercino (Feder und Tinte auf braunem Papier; 181 x 194 mm, Abb. 2), welche aus der Poggi und Esterhazy Sammlung stammt und sich heute im Szépművészeti Múzeum, Budapest, befindet, steht in Zusammenhang mit dem vorliegenden Gemälde (siehe A. Czere, 17th Century Italian Drawings in the Budapest Museum of Fine Arts, Budapest, 2004, Nr. 181, datiert gemäß stilistischen Merkmalen auf die Mitte der 1640er; es wurde vorgeschlagen, dass die Zeichnung für eine noch nicht identifizierte halbfigurige Komposition gemacht wurde).

Wir danken Nicholas Turner für die Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.



Additional images:
Fig. 1: Gianfrancesco Mucci (Cento 1621-1665), Saint Jerome, after Guercino, circa 1640-41, engraving
Fig. 2: Guercino, Saint Jerome, 1644–1646, pen, brown ink on brown paper, 181 × 194 mm, inv. no. 2478 (acquired from Esterházy Collection, 1871)
© Museum of Fine Arts, Budapest, 2016


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 19.04.2016 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 09.04. - 19.04.2016


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

Es können keine Kaufaufträge über Internet mehr abgegeben werden. Die Auktion befindet sich in Vorbereitung bzw. wurde bereits durchgeführt.