Die Surma, deren Siedlungsgebiet von den Mursi nur durch den Omo-Fluss getrennt ist, haben ebenfalls den Brauch, dass ihre Frauen große Unterlippen-Scheiben tragen - ganz ähnlich wie die Mursi. Die Unterlippen-Scheiben (oder Lippen-Teller) der Surma unterscheiden sich von jenen der Mursi nur dadurch, dass die Lippenscheiben der Surma zumeist halbrund gestaltet sind, die der Mursi sind rund. Auch der soziale und historische Hintergrund dieses Brauches ist sehr ähnlich wie bei den Mursi (siehe Kat.-Nr. 127). Vorliegende Surma-Scheibe aus Elfenbein trägt an ihrer Oberseite einen wulstigen Rand, die Unterseite ist glatt. Sie hat eine schöne, honiggelb-braune Patina durch das natürliche Nachdunkeln des Elfenbeins, sowie ein feines, altersbedingtes Krakelee an beiden Seiten. Entlang ihres äußeren Randes verläuft eine umlaufende Rille, zum Einlegen der Unterlippe. Die Surma-Scheibe zeigt nur einige, minimale Risse am Rand des Bogens und einen kleinen, frühen Abbruch an einer Ecke (bereits rund und 'weich' abgeschliffen). Unterlippen-Scheiben der Surma aus Elfenbein sind, wie auch jene der Mursi, heute sehr selten zu finden. Seit ca. Mitte des 20. Jh. sollen keine Scheiben aus Elfenbein hergestellt worden sein. Seither fertigen auch die Surma ihre Lippenscheiben aus Ton oder aus Holz. Und auch bei den Surma verschwindet dieser alte Brauch zusehends. H: 6,2 cm; B: 10,5 cm; 1,7 cm dick. 1. Drittel 20. Jh.. (ME)ASA

Provenienz: Von einem Reisenden vor Jahren in Südwest-Äthiopien erworben. Jetzt: Österreichische Privatsammlung.

Zusatzabbildung:
EINE Frau der Surma mit „Lippen-Teller“ in ihrer Unterlippe. Im Tal des Omo-Flusses, Süd-Athiopien.
Foto aus: „AFRICA. Musica y arte“ von Elena Martinez-Jacquet & David Serra