Lot Nr. 2


Kommentar zur Augustinusregel,


Kommentar zur Augustinusregel, - Autographen

Frühneuhochdeutsche Übersetzung des bekannten, in der Regel dem Hugo von St. Victore zugeschriebenen Textes. Handschrift in niederdeutscher Schriftsprache(Westfalen?), 1 Viertel 15. Jh., Pergament, I + 58 + I* Blätter, 18 x 12,5/13 cm, Schriftspiegel: 13/13,5 x 9/9,5 cm, zwei Spalten, 28 Zeilen, sehr geübter Schreiber, der sich einer sehr sorgfältigen Bastarda bedient. Fol. 58r nennt er sich im Kolophon: broder Johannes van Brubach de dit boech screyf. Originaler Koperteinband. Durchgehend rubriziert (rote Strichelung von Satzanfängen, Paragraphenzeichen, rot unterstrichene Zitate); Incipitseite (fol. 1r) mit einer kleineren und einer großen roten Lombarde mit sehr sorgfältigem und charakteristischem Fleuronnée.

Der Text wurde im Mittelalter mehrfach ins Deutsche/Niederländische übersetzt. Eine Erstbestimmung des bisher unbekannten Überlieferungsträgers macht die Zugehörigkeit zu jener Übersetzung wahrscheinlich, die im Rookloster bei Brüssel entstand (Textvergleich mit Darmstadt, ULB, Hs 983). Von diesem Überlieferungszweig sind bisher nur vier Handschriften bekannt. Selbst die Leithandschrift in Kopenhagen scheint keineswegs älter zu sein als der hier angebotene Überlieferungsträger. Zum Text vgl. Igna Marion Kramp (Hg.), Mittelalterliche und frühneuzeitliche deutsche Übersetzungen des pseudo-hugonischen Kommentars zur Augustinerregel (Corpus Victorinum, Textus historici 2), Münster 2008. Auf fol. 58v folgen drei kurze Exempel (unbestimmt); das letzte durch den Verlust des letzten Blattes der letzten Lage unvollständig. Diese Fülltexte offenbar vom Schreiber des Haupttextes jedoch ohne Rubrizierung.

Der Schreiber, Johannes van Brubach, ist auch aus einer anderen Handschrift bekannt. Auf fol. 68r von Den Haag, Koninklijke Nederlandse Akademie van Wetenschappen, Cod. XXVI, nennt er sich am Ende von Legenda maior, minor und Testament des hl. Franziskus. Die Datierung dieses Codex, Anfang 15. Jh., sichert unsere Datierung, die kunsthistorisch und paläographische begründet ist, auch historisch ab.
Der bis auf den Rücken (und einen Verschlussknopf?) vollständige originale Koperteinband (sogar das [alt ergänzte?] Verschlussband aus hellem Leder an der Klappe noch vorhanden) ist bemerkenswert. Vorderdeckel und Vorsatzblatt lose; Buchblock und HD nur noch durch einen Bindfaden verbunden. Der fehlende Rücken macht die originale Bindung auf vier Bünde, selten bei diesem Einbandtypus, sichtbar. Unbeschnitten; die Einstichlöcher für die Reglierung oben, unten und seitlich erhalten.
Der bemerkenswerte Fleuronnée-Dekor auf fol. 1r ist gut einzuordnen, da die Entwicklung des Fleuronnée in Holland und angrenzenden Regionen vorbildlich aufgearbeitet ist. Die einfachen ausgesparten Linien aus dem großen roten Buchstabenkörper weisen in die Frühphase der eigenständigen Entwicklung des Fleuronnée im niederländischen Raum. Auch das schwarz gezeichnete Binnen- und Besatzfleuronnée, belegt mit seiner spiegelsymmetrischen Anordnung und den reinen Knospenmotiven die frühe Entstehung des Codex. Späteres Fleuronnée dieser Region weist fast durchgängig zusätzlich Blattmotive auf.
Provenienz: Der Text wurde für einen Nonnenkonvent (statt Bruder jeweils Schwester) verfasst. Der zeitnahe Vermerk auf fol. Iv Dyt boeck zolen haben de zuester by Camp ghezlossen bezieht sich wohl auf das Beginenhaus bei der Zisterzienserabtei Kamp (Nordrhein-Westfalen). Um 1700 in der Sammlung des Johann Kraft Hiegell (Mainz 1658–1736 Koblenz); vgl. den Vermerk auf dem Spiegel des VD: Ex Musaeo Hiegelliano ML (ligiert) 1724; identische Angaben auch in zwei 1937 bei Karl & Faber versteigerten Handschriften (Kat. 15, Lot 4 [heute: München, BSB, Cgm 7960] und 62). Cod. 2739 der Österreichischen Nationalbibliothek mit seinen berühmten Tauler-Predigten weist dieselben Vorbesitzer (Beginen Kamp und Hiegell) auf.

Dr. Martin Roland, M.A.S. – Wien, im April 2015

Provenienz: Europäische Privatsammlung.

Experte: Mag. Andreas Löbbecke Mag. Andreas Löbbecke
+43-1-515 60-389

books@dorotheum.at

01.06.2015 - 15:00

Erzielter Preis: **
EUR 21.000,-
Rufpreis:
EUR 12.000,-

Kommentar zur Augustinusregel,


Frühneuhochdeutsche Übersetzung des bekannten, in der Regel dem Hugo von St. Victore zugeschriebenen Textes. Handschrift in niederdeutscher Schriftsprache(Westfalen?), 1 Viertel 15. Jh., Pergament, I + 58 + I* Blätter, 18 x 12,5/13 cm, Schriftspiegel: 13/13,5 x 9/9,5 cm, zwei Spalten, 28 Zeilen, sehr geübter Schreiber, der sich einer sehr sorgfältigen Bastarda bedient. Fol. 58r nennt er sich im Kolophon: broder Johannes van Brubach de dit boech screyf. Originaler Koperteinband. Durchgehend rubriziert (rote Strichelung von Satzanfängen, Paragraphenzeichen, rot unterstrichene Zitate); Incipitseite (fol. 1r) mit einer kleineren und einer großen roten Lombarde mit sehr sorgfältigem und charakteristischem Fleuronnée.

Der Text wurde im Mittelalter mehrfach ins Deutsche/Niederländische übersetzt. Eine Erstbestimmung des bisher unbekannten Überlieferungsträgers macht die Zugehörigkeit zu jener Übersetzung wahrscheinlich, die im Rookloster bei Brüssel entstand (Textvergleich mit Darmstadt, ULB, Hs 983). Von diesem Überlieferungszweig sind bisher nur vier Handschriften bekannt. Selbst die Leithandschrift in Kopenhagen scheint keineswegs älter zu sein als der hier angebotene Überlieferungsträger. Zum Text vgl. Igna Marion Kramp (Hg.), Mittelalterliche und frühneuzeitliche deutsche Übersetzungen des pseudo-hugonischen Kommentars zur Augustinerregel (Corpus Victorinum, Textus historici 2), Münster 2008. Auf fol. 58v folgen drei kurze Exempel (unbestimmt); das letzte durch den Verlust des letzten Blattes der letzten Lage unvollständig. Diese Fülltexte offenbar vom Schreiber des Haupttextes jedoch ohne Rubrizierung.

Der Schreiber, Johannes van Brubach, ist auch aus einer anderen Handschrift bekannt. Auf fol. 68r von Den Haag, Koninklijke Nederlandse Akademie van Wetenschappen, Cod. XXVI, nennt er sich am Ende von Legenda maior, minor und Testament des hl. Franziskus. Die Datierung dieses Codex, Anfang 15. Jh., sichert unsere Datierung, die kunsthistorisch und paläographische begründet ist, auch historisch ab.
Der bis auf den Rücken (und einen Verschlussknopf?) vollständige originale Koperteinband (sogar das [alt ergänzte?] Verschlussband aus hellem Leder an der Klappe noch vorhanden) ist bemerkenswert. Vorderdeckel und Vorsatzblatt lose; Buchblock und HD nur noch durch einen Bindfaden verbunden. Der fehlende Rücken macht die originale Bindung auf vier Bünde, selten bei diesem Einbandtypus, sichtbar. Unbeschnitten; die Einstichlöcher für die Reglierung oben, unten und seitlich erhalten.
Der bemerkenswerte Fleuronnée-Dekor auf fol. 1r ist gut einzuordnen, da die Entwicklung des Fleuronnée in Holland und angrenzenden Regionen vorbildlich aufgearbeitet ist. Die einfachen ausgesparten Linien aus dem großen roten Buchstabenkörper weisen in die Frühphase der eigenständigen Entwicklung des Fleuronnée im niederländischen Raum. Auch das schwarz gezeichnete Binnen- und Besatzfleuronnée, belegt mit seiner spiegelsymmetrischen Anordnung und den reinen Knospenmotiven die frühe Entstehung des Codex. Späteres Fleuronnée dieser Region weist fast durchgängig zusätzlich Blattmotive auf.
Provenienz: Der Text wurde für einen Nonnenkonvent (statt Bruder jeweils Schwester) verfasst. Der zeitnahe Vermerk auf fol. Iv Dyt boeck zolen haben de zuester by Camp ghezlossen bezieht sich wohl auf das Beginenhaus bei der Zisterzienserabtei Kamp (Nordrhein-Westfalen). Um 1700 in der Sammlung des Johann Kraft Hiegell (Mainz 1658–1736 Koblenz); vgl. den Vermerk auf dem Spiegel des VD: Ex Musaeo Hiegelliano ML (ligiert) 1724; identische Angaben auch in zwei 1937 bei Karl & Faber versteigerten Handschriften (Kat. 15, Lot 4 [heute: München, BSB, Cgm 7960] und 62). Cod. 2739 der Österreichischen Nationalbibliothek mit seinen berühmten Tauler-Predigten weist dieselben Vorbesitzer (Beginen Kamp und Hiegell) auf.

Dr. Martin Roland, M.A.S. – Wien, im April 2015

Provenienz: Europäische Privatsammlung.

Experte: Mag. Andreas Löbbecke Mag. Andreas Löbbecke
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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
stamps@dorotheum.at

+43 1 515 60 323
Auktion: Autographen
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 01.06.2015 - 15:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 23.05. - 01.06.2015


** Kaufpreis exkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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