Lot Nr. 756


Franz West *


(Wien 1947–2012)
“Tuttlschupfer”, 1995–1999, Holz, Kunststoff, Gaze, Papiermaché, Malerei von Herbert Brandl (nur die rosa Farbe soll von Franz West sein), 25 x 76,5 x 13,7 cm, auf einem Franz West Sockel (nicht für diese Skulptur konzipiert), Karton, Gaze, Gips, Stoff, Dispersion, 40 x 125 x 33 cm, (K)

Registriert:
Franz West Privatstiftung Archiv, Wien

Provenienz:
Privatbesitz, Wien-direkt vom Künstler

Auf Sicht
Am Beginn meines skulpturalen Äußerns meinte ich, es müsste ordentlich, von allen Seiten, oben, unten makellos, harmonisch oder disharmonisch “aussehen”. Alle Perspektiven müssen Teil eines makellosen Ganzen sein, die bei der Erstellung einer nicht-euklidischen Skulptur von selbst entstehen. Hässliche oder unpassende Stellen müssten den ansehnlichen Teil harmonisch ergänzen. Und dieses ansehnliche Ganze sollte in seiner Makellosigkeit verharren (ewiger Wert). Dieser Gedanke entspricht vielleicht einer Vorstellung von klassischer Skulptur (Diskuswerfer, Dornenauszieher): in sich ruhende geschlossene Gesamtheit-”edle Einfalt, stille Größe”. Geht man aber mit diesem Anspruch an die Ausführung, müsste man die interessantesten Stellen der Gesamtharmonie opfern. Bei der klassischen Bildhauerei sollte doch immer ein Vorgegebenes verhunzt oder idealisiert werden (Satyre oder Götter wie Spitzensportler oder Sandler). Ich arbeitete, als ich gerade mit den Skulpturen begann, voluntaristisch als Maler und Anstreicher. Dort wurde von mir verlangt, “auf Sicht” zu arbeiten, das hieß der Kundschaft den Eindruck zu vermitteln, jede Stelle, das Ganze sei säuberlich gearbeitet. Doch die Wirklichkeit=der Zeitdruck lässt das nicht zu, es musste so gearbeitet werden, dass der Eindruck eines vollkommenen Anstrichs entstand und Ecken und Nischen, die nicht auffallen, nur flüchtig retuschiert. Der schöne Schein, der vom Maler und Anstreicher dauerhaft herzustellen erwartet wird, ist auch bei den Skulpturen eine Selbstverständlichkeit, aber auch nur lückenhaft produzierbar, wie soeben erläutert. Dieses Prinzip der Undurchführbarkeit bei den Skulpturen heißt: das Unreproduzierbare des Momentanen, nicht Konstruierbaren fortführen zu wollen. (So wie Autoren öfters beteuern, ihre Texte entstünden erst beim Schreiben.) Dies in die bildenden Künste übertragen, wo doch kein kontemplatives Tun mehr denkbar ist, ergibt nicht Konstruierbares, das, wenn es einer Gesamtratio unterworfen wird, damit für immer verloren [ist], ließe man es nicht als eigentlichen Sinn des Gebildes so...

Franz West aus: Franz West schrieb, Texte von 1975–2010, Hans Ulrich Obrist und Ines Turian, Verlag der Buchhandlung Walther König, 2005

Expertin: Mag. Elke Königseder Mag. Elke Königseder
+43-1-515 60-358

elke.koenigseder@dorotheum.at

10.06.2015 - 19:00

Erzielter Preis: **
EUR 81.250,-
Schätzwert:
EUR 60.000,- bis EUR 80.000,-

Franz West *


(Wien 1947–2012)
“Tuttlschupfer”, 1995–1999, Holz, Kunststoff, Gaze, Papiermaché, Malerei von Herbert Brandl (nur die rosa Farbe soll von Franz West sein), 25 x 76,5 x 13,7 cm, auf einem Franz West Sockel (nicht für diese Skulptur konzipiert), Karton, Gaze, Gips, Stoff, Dispersion, 40 x 125 x 33 cm, (K)

Registriert:
Franz West Privatstiftung Archiv, Wien

Provenienz:
Privatbesitz, Wien-direkt vom Künstler

Auf Sicht
Am Beginn meines skulpturalen Äußerns meinte ich, es müsste ordentlich, von allen Seiten, oben, unten makellos, harmonisch oder disharmonisch “aussehen”. Alle Perspektiven müssen Teil eines makellosen Ganzen sein, die bei der Erstellung einer nicht-euklidischen Skulptur von selbst entstehen. Hässliche oder unpassende Stellen müssten den ansehnlichen Teil harmonisch ergänzen. Und dieses ansehnliche Ganze sollte in seiner Makellosigkeit verharren (ewiger Wert). Dieser Gedanke entspricht vielleicht einer Vorstellung von klassischer Skulptur (Diskuswerfer, Dornenauszieher): in sich ruhende geschlossene Gesamtheit-”edle Einfalt, stille Größe”. Geht man aber mit diesem Anspruch an die Ausführung, müsste man die interessantesten Stellen der Gesamtharmonie opfern. Bei der klassischen Bildhauerei sollte doch immer ein Vorgegebenes verhunzt oder idealisiert werden (Satyre oder Götter wie Spitzensportler oder Sandler). Ich arbeitete, als ich gerade mit den Skulpturen begann, voluntaristisch als Maler und Anstreicher. Dort wurde von mir verlangt, “auf Sicht” zu arbeiten, das hieß der Kundschaft den Eindruck zu vermitteln, jede Stelle, das Ganze sei säuberlich gearbeitet. Doch die Wirklichkeit=der Zeitdruck lässt das nicht zu, es musste so gearbeitet werden, dass der Eindruck eines vollkommenen Anstrichs entstand und Ecken und Nischen, die nicht auffallen, nur flüchtig retuschiert. Der schöne Schein, der vom Maler und Anstreicher dauerhaft herzustellen erwartet wird, ist auch bei den Skulpturen eine Selbstverständlichkeit, aber auch nur lückenhaft produzierbar, wie soeben erläutert. Dieses Prinzip der Undurchführbarkeit bei den Skulpturen heißt: das Unreproduzierbare des Momentanen, nicht Konstruierbaren fortführen zu wollen. (So wie Autoren öfters beteuern, ihre Texte entstünden erst beim Schreiben.) Dies in die bildenden Künste übertragen, wo doch kein kontemplatives Tun mehr denkbar ist, ergibt nicht Konstruierbares, das, wenn es einer Gesamtratio unterworfen wird, damit für immer verloren [ist], ließe man es nicht als eigentlichen Sinn des Gebildes so...

Franz West aus: Franz West schrieb, Texte von 1975–2010, Hans Ulrich Obrist und Ines Turian, Verlag der Buchhandlung Walther König, 2005

Expertin: Mag. Elke Königseder Mag. Elke Königseder
+43-1-515 60-358

elke.koenigseder@dorotheum.at


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Zeitgenössische Kunst, Teil 1
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 10.06.2015 - 19:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 30.05. - 10.06.2015


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

Es können keine Kaufaufträge über Internet mehr abgegeben werden. Die Auktion befindet sich in Vorbereitung bzw. wurde bereits durchgeführt.