Lot Nr. 726


Ludwig Wilding *


(Grünstadt 1927–2010 Buchholz in der Nordheide)
“Stereo-Objekt STI 80/15”, 1976, auf dem rückseitigen Klebeetikett betitelt, signiert und datiert Wilding 1976, Gummibänder gespannt auf schwarz gefasster Holzleiste über Filzstift auf Papierstreifen, collagiert, 80 x 80 x 15 cm, Künstlerrahmen, (PS)

Provenienz:
Privatsammlung, Rheinland - direkt vom Künstler

„Die Wirklichkeit der Objekte ist denkbar einfach: schwarze Linien, Gummibänder, weißer Karton … . Die Wirklichkeit des Sehens macht die Mittel der Simplizität vergessen“ (Heinz Spielmann) (1)

„Das Verfahren der stereoskopischen Interferenz beruht auf dem Prinzip der räumlichen Überlagerung von Linienrastern. Wenn die Frequenzen der vorderen und der hinteren Ebene so gesteuert werden, daß sich für das jeweilige Auge das entsprechende Ergänzungsbild ergibt, entsteht der Eindruck einer real wirkenden räumlichen Dimension.“ (Ludwig Wilding) (2)

Bereits in den Arbeiten aus den späten 40er Jahren, noch während seines Studiums der Kunstgeschichte an der Universität Mainz, geht Ludwig Wilding scheinbar zufällig gestreuten Linienstrukturen nach. Eine Konkretisierung der Arbeit mit der Linie erfolgt während seines Studiums bei Willi Baumeister in Stuttgart, dort setzt er sich intensiv mit den Flächenmodulationen und konstruktiven Flächenaufteilungen auseinander, eine Arbeitsweise, die er in den folgenden Jahren beibehält und spezifiziert. Die illusionistischen Räume werden in Wildings Werken aus der bloßen Linie geformt, zunächst auf einer Fläche, in den folgenden Jahren in der Zuordnung einer mit Linien versehenen transparenten Ebene zu einer geschlossenen Ebene mit Linien anderer Anordnung. Die kleinsten Verschiebungen von verschiedenen Parallelen bewirken die Illusion von Raum und Bewegung. Die gegenständliche Realität und Simplizität erfährt jeder Betrachter neu und durch seine eigene Bewegung – entweder muss er mit der Hand transparente Folien verschieben oder er selbst muss seinen Betrachterstandpunkt verändern, um die auf die Physiologie des Sehens gestützte Raumillusion wirksam werden zu lassen. Die Subjektivität wird mit Hilfe der physiologischen Gesetze objektiviert, so dass die Raumsuggestion, nicht nur subjektiv zu erfahren, sondern auch objektiv zu ermitteln ist. Die Objekte lassen sich nicht ohne Konstruktion und Rationalität verwirklichen, jedoch begnügen sie sich nicht mit bloßem Konstruktionsdenken. Bei der Arbeit „Stereoobjekt STi 80/15“, wird die Raumillusion durch die vier unterschiedlichen Ebenen, von 5 mm bis 85 mm, innerhalb der Rahmenebene verstärkt. Ludwig Wilding setzt durchgängige längsrechteckige Streifen mit identischer Linierung und mit unterschiedlicher Breite in den starren Objektkasten ein. Die darüber gespannten schwarzen Gummibänder werden in einem Abstand von 5 mm bis 85 mm über das Linienraster gesetzt, womit eine dreidimensionale optische Interferenz suggeriert wird. Jede Abweichung der Systematik von präziser geometrischer Technik und exakter Metrik kann eine gravierende Störung der optischen Interferenz zur Folge haben, was zu einer völligen Zerstörung der optischen Wahrnehmung des Werkes führt. Der Raum wird durch das bloße Sehen hergestellt, wobei das Auge die primäre Funktion des Sehens behält. Jedoch macht die Wirklichkeit unseres Sehens die Simplizität der Mittel mit denen die Raumsuggestion und Raumillusion hervorgerufen wird vergessen. Die Wirkung des „Steroobjekts STi 80/15“ ist vollkommen und wird durch die eigene Bewegung immer wieder neu vom Betrachter erfahren.

(1) & (2)Ludwig Wilding Retrospektive 1949-1987, Kaiserslautern 1987, S. 15 und S. 139

Expertin: Dr. Petra Maria Schäpers Dr. Petra Maria Schäpers

petra.schaepers@dorotheum.de

26.11.2014 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 42.500,-
Schätzwert:
EUR 35.000,- bis EUR 45.000,-

Ludwig Wilding *


(Grünstadt 1927–2010 Buchholz in der Nordheide)
“Stereo-Objekt STI 80/15”, 1976, auf dem rückseitigen Klebeetikett betitelt, signiert und datiert Wilding 1976, Gummibänder gespannt auf schwarz gefasster Holzleiste über Filzstift auf Papierstreifen, collagiert, 80 x 80 x 15 cm, Künstlerrahmen, (PS)

Provenienz:
Privatsammlung, Rheinland - direkt vom Künstler

„Die Wirklichkeit der Objekte ist denkbar einfach: schwarze Linien, Gummibänder, weißer Karton … . Die Wirklichkeit des Sehens macht die Mittel der Simplizität vergessen“ (Heinz Spielmann) (1)

„Das Verfahren der stereoskopischen Interferenz beruht auf dem Prinzip der räumlichen Überlagerung von Linienrastern. Wenn die Frequenzen der vorderen und der hinteren Ebene so gesteuert werden, daß sich für das jeweilige Auge das entsprechende Ergänzungsbild ergibt, entsteht der Eindruck einer real wirkenden räumlichen Dimension.“ (Ludwig Wilding) (2)

Bereits in den Arbeiten aus den späten 40er Jahren, noch während seines Studiums der Kunstgeschichte an der Universität Mainz, geht Ludwig Wilding scheinbar zufällig gestreuten Linienstrukturen nach. Eine Konkretisierung der Arbeit mit der Linie erfolgt während seines Studiums bei Willi Baumeister in Stuttgart, dort setzt er sich intensiv mit den Flächenmodulationen und konstruktiven Flächenaufteilungen auseinander, eine Arbeitsweise, die er in den folgenden Jahren beibehält und spezifiziert. Die illusionistischen Räume werden in Wildings Werken aus der bloßen Linie geformt, zunächst auf einer Fläche, in den folgenden Jahren in der Zuordnung einer mit Linien versehenen transparenten Ebene zu einer geschlossenen Ebene mit Linien anderer Anordnung. Die kleinsten Verschiebungen von verschiedenen Parallelen bewirken die Illusion von Raum und Bewegung. Die gegenständliche Realität und Simplizität erfährt jeder Betrachter neu und durch seine eigene Bewegung – entweder muss er mit der Hand transparente Folien verschieben oder er selbst muss seinen Betrachterstandpunkt verändern, um die auf die Physiologie des Sehens gestützte Raumillusion wirksam werden zu lassen. Die Subjektivität wird mit Hilfe der physiologischen Gesetze objektiviert, so dass die Raumsuggestion, nicht nur subjektiv zu erfahren, sondern auch objektiv zu ermitteln ist. Die Objekte lassen sich nicht ohne Konstruktion und Rationalität verwirklichen, jedoch begnügen sie sich nicht mit bloßem Konstruktionsdenken. Bei der Arbeit „Stereoobjekt STi 80/15“, wird die Raumillusion durch die vier unterschiedlichen Ebenen, von 5 mm bis 85 mm, innerhalb der Rahmenebene verstärkt. Ludwig Wilding setzt durchgängige längsrechteckige Streifen mit identischer Linierung und mit unterschiedlicher Breite in den starren Objektkasten ein. Die darüber gespannten schwarzen Gummibänder werden in einem Abstand von 5 mm bis 85 mm über das Linienraster gesetzt, womit eine dreidimensionale optische Interferenz suggeriert wird. Jede Abweichung der Systematik von präziser geometrischer Technik und exakter Metrik kann eine gravierende Störung der optischen Interferenz zur Folge haben, was zu einer völligen Zerstörung der optischen Wahrnehmung des Werkes führt. Der Raum wird durch das bloße Sehen hergestellt, wobei das Auge die primäre Funktion des Sehens behält. Jedoch macht die Wirklichkeit unseres Sehens die Simplizität der Mittel mit denen die Raumsuggestion und Raumillusion hervorgerufen wird vergessen. Die Wirkung des „Steroobjekts STi 80/15“ ist vollkommen und wird durch die eigene Bewegung immer wieder neu vom Betrachter erfahren.

(1) & (2)Ludwig Wilding Retrospektive 1949-1987, Kaiserslautern 1987, S. 15 und S. 139

Expertin: Dr. Petra Maria Schäpers Dr. Petra Maria Schäpers

petra.schaepers@dorotheum.de


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Zeitgenössische Kunst, Teil 1
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 26.11.2014 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 15.11. - 26.11.2014


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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