Lot Nr. 227


Maria Lassnig *


Maria Lassnig * - Zeitgenössische Kunst I

(Kappel, Kärnten, 1919–2014 Wien)
„Innerhalb und außerhalb der Leinwand I“, 1984/85, Öl auf Leinwand, 120 x 100 cm, gerahmt

Verzeichnet in:
Christa Murken, Maria Lassnig. Ihr Leben und ihr malerisches Werk. Ihre kunstgeschichtliche Stellung in der Malerei des 20. Jahrhunderts (mit einem Werkverzeichnis der Gemälde -1987), Verlag Murken-Altrogge, 1990, WV-Nr. 388

Ausgestellt und abgebildet (ganzseitige Farbabb.):
Maria Lassnig. Innerhalb und außerhalb der Leinwand, Reinhard Onnasch Galerie, Berlin 1987;
Maria Lassnig. Mit dem Kopf durch die Wand, Neue Bilder. Kunstmuseum Luzern, Luzern 1989;
Neue Galerie Graz am Landesmuseum Joanneum, Graz 1989;
Kunstverein Hamburg, Hamburg 1989,
Sezession, Wien 1989
Ritter Verlag, Klagenfurt 1989, S. 45

Im Katalog farbig abgebildet:
Maria Lassnig. Der Ort der Bilder, Neue Galerie Graz, Universalmuseum Joanneum/ Deichtorhallen Hamburg. Internationale Kunst und Fotografie, Verlag der Buchhandlung Walther König, 2012, Abb. III.1 zum Gespräch zwischen Oswald Wiener und Silvia Eiblmayr, moderiert von Peter Pakesch
Maria Lassnig, Tate Liverpool, 2016, S. 110 (ganzseitige Farbabb.)

Provenienz:
Barbara Gross Galerie, München
Privatsammlung, Deutschland

Man hat mich so lange unterbewertet, dass ich die jetzige Bewertung gar nicht bewerten kann.
Maria Lassnig

ÜBER DIE UMSETZUNG VON KÖRPEREMPFINDEN AUF EINE FLÄCHE - MARIA LASSNING

Die Umsetzung geht über den Weg der Vorstellung und die ist variabel wie das pulsierende Blut und trägt optisch gewonnene Überreste mit sich, die Optik der Erinnerungsbilder, des Sonnenlichts oder der Glühbirne durch die geschlossenen Augenlider.
Die Vorstellung kann ich mir als Bild innerhalb meines Kopfes erklären, bei dem es meist einiger Anstrengung bedarf um seine gewahr zu werden. Man weiß auch nicht genau, ist es der Einbildung entsprungen oder eine gerichtete Willensanstrengung. Fantasie möchte ich sie auf keinen Fall nennen, weil es ein sehr nüchterner Vorgang ist und keine Überhitzung des Gemütes.
Bei der Umsetzung dieses Vorstellungsbildes hängt es von meiner psychischen Stärke ab, ob ich noch von der äußeren lang bekannten Wirklichkeit abhänge.
Bei all der Variabilität, der Möglichkeiten der Umsetzung, muß man einfach dem stärksten Impuls folgen, so muß man immerfort wählen.
Aber was steht hinter dem Wort Körperempfindung? Und wieviel Vivisektion verträgt eine Kunst, soviel wie eine Liebe?
Nicht ausgeforscht, weil Worte fehlen, weil scheinbar zu subjektiv, weil der Spitzfindigkeit angeklagt?
Es ist sicher, ich male und zeichne nicht den „Gegenstand“ Körper (wenn dann gab es Ausnahmen wie bei meinem amerikanischen Realismus oder jetzt bei den drastischen Bildern) – sondern ich male Empfindungen vom Körper.
Eine Empfindung ist genauso möglich oder unmöglich herzeigbar auf einer Fläche wie z.B. ein Ton. Möglicherweise ist dies schon bei einer Berührung, weil sie örtlich begrenzter auszumachen ist. Ist ein Gedanke herzeigbar, abzuziehen wie eine Haut?
Die Empfindung zu orten ist schon schwer (jeder Arzt weiß das) – daß man an die Wirklichkeit anstoßt.
Dann hat man den Wunsch, diese Orte, die ja eine gewisse Ausdehnung haben, zu umgrenzen, sie einzuschließen (ich nannte es immer „Wolken umzäunen“), so wird eine Form daraus.
Wie ich schon längst sagte, sind diese Orte variabel, je nach der Konzentrationskraft, die man auf eine Stelle des Körpers wirft, sind diese Orte zeitlich da, verschwinden, tauchen wo anders auf, da ist nur möglich, eine Resultierende dazwischen zu finden und diese Resultierende ist dann das meist Willkürliche an dieser Anstrengung. Aber die Willkür ist zugleich die Freiheit und Freude des Kunstausübenden.
Bei der Verbindung der Orte mit Linien (oder auch weniger gezielt mit Flächen) entsteht eine Form.
Nun hat alles eine Form; eine Wolke, auch ein Strich hat seine Dicke, Länge, Druckkraft, seine Glätte oder Struppigkeit, also seine Form, und ebenso jeder Fleck, Schmutz oder Farbfleck hat eine Struktur. – Bei der Wahl sollte der Künstler wohl keine Wahl der Ratio haben, sondern etwas wählen MÜSSEN.
Es gibt Dinge, die keine Sprache haben, nicht vorkommen sprachlich. Manche sprechen dann vom Geheimnis oder wie Kant es nennt: das „Unvorstellbare“ ist auch das Unnennbare.
Aber das betrifft mich hier eigentlich nicht, ich benenne ja: Knie, Wange, Hüftpunkt etc. und stelle es mehr real oder mehr abstrakt dar. Nur wie, das ist die Wahl, also ist meine Wahl das Geheimnis und nicht dasselbe zu wählen wie vorher, sondern etwas anderes, immer etwas anderes.
An der Veränderlichkeit die Statik, die Dauer zu finden, ist eine Herausforderung der Kunst.
Ich kann also besser die Möglichkeiten der Umsetzung beschreiben als die Umsetzung selbst.
Die Verschiedenheit der Umsetzung IST die Umsetzung.
Maria Lassning, Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Ritter Verlag, 1999

22.11.2017 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 295.800,-
Schätzwert:
EUR 180.000,- bis EUR 320.000,-

Maria Lassnig *


(Kappel, Kärnten, 1919–2014 Wien)
„Innerhalb und außerhalb der Leinwand I“, 1984/85, Öl auf Leinwand, 120 x 100 cm, gerahmt

Verzeichnet in:
Christa Murken, Maria Lassnig. Ihr Leben und ihr malerisches Werk. Ihre kunstgeschichtliche Stellung in der Malerei des 20. Jahrhunderts (mit einem Werkverzeichnis der Gemälde -1987), Verlag Murken-Altrogge, 1990, WV-Nr. 388

Ausgestellt und abgebildet (ganzseitige Farbabb.):
Maria Lassnig. Innerhalb und außerhalb der Leinwand, Reinhard Onnasch Galerie, Berlin 1987;
Maria Lassnig. Mit dem Kopf durch die Wand, Neue Bilder. Kunstmuseum Luzern, Luzern 1989;
Neue Galerie Graz am Landesmuseum Joanneum, Graz 1989;
Kunstverein Hamburg, Hamburg 1989,
Sezession, Wien 1989
Ritter Verlag, Klagenfurt 1989, S. 45

Im Katalog farbig abgebildet:
Maria Lassnig. Der Ort der Bilder, Neue Galerie Graz, Universalmuseum Joanneum/ Deichtorhallen Hamburg. Internationale Kunst und Fotografie, Verlag der Buchhandlung Walther König, 2012, Abb. III.1 zum Gespräch zwischen Oswald Wiener und Silvia Eiblmayr, moderiert von Peter Pakesch
Maria Lassnig, Tate Liverpool, 2016, S. 110 (ganzseitige Farbabb.)

Provenienz:
Barbara Gross Galerie, München
Privatsammlung, Deutschland

Man hat mich so lange unterbewertet, dass ich die jetzige Bewertung gar nicht bewerten kann.
Maria Lassnig

ÜBER DIE UMSETZUNG VON KÖRPEREMPFINDEN AUF EINE FLÄCHE - MARIA LASSNING

Die Umsetzung geht über den Weg der Vorstellung und die ist variabel wie das pulsierende Blut und trägt optisch gewonnene Überreste mit sich, die Optik der Erinnerungsbilder, des Sonnenlichts oder der Glühbirne durch die geschlossenen Augenlider.
Die Vorstellung kann ich mir als Bild innerhalb meines Kopfes erklären, bei dem es meist einiger Anstrengung bedarf um seine gewahr zu werden. Man weiß auch nicht genau, ist es der Einbildung entsprungen oder eine gerichtete Willensanstrengung. Fantasie möchte ich sie auf keinen Fall nennen, weil es ein sehr nüchterner Vorgang ist und keine Überhitzung des Gemütes.
Bei der Umsetzung dieses Vorstellungsbildes hängt es von meiner psychischen Stärke ab, ob ich noch von der äußeren lang bekannten Wirklichkeit abhänge.
Bei all der Variabilität, der Möglichkeiten der Umsetzung, muß man einfach dem stärksten Impuls folgen, so muß man immerfort wählen.
Aber was steht hinter dem Wort Körperempfindung? Und wieviel Vivisektion verträgt eine Kunst, soviel wie eine Liebe?
Nicht ausgeforscht, weil Worte fehlen, weil scheinbar zu subjektiv, weil der Spitzfindigkeit angeklagt?
Es ist sicher, ich male und zeichne nicht den „Gegenstand“ Körper (wenn dann gab es Ausnahmen wie bei meinem amerikanischen Realismus oder jetzt bei den drastischen Bildern) – sondern ich male Empfindungen vom Körper.
Eine Empfindung ist genauso möglich oder unmöglich herzeigbar auf einer Fläche wie z.B. ein Ton. Möglicherweise ist dies schon bei einer Berührung, weil sie örtlich begrenzter auszumachen ist. Ist ein Gedanke herzeigbar, abzuziehen wie eine Haut?
Die Empfindung zu orten ist schon schwer (jeder Arzt weiß das) – daß man an die Wirklichkeit anstoßt.
Dann hat man den Wunsch, diese Orte, die ja eine gewisse Ausdehnung haben, zu umgrenzen, sie einzuschließen (ich nannte es immer „Wolken umzäunen“), so wird eine Form daraus.
Wie ich schon längst sagte, sind diese Orte variabel, je nach der Konzentrationskraft, die man auf eine Stelle des Körpers wirft, sind diese Orte zeitlich da, verschwinden, tauchen wo anders auf, da ist nur möglich, eine Resultierende dazwischen zu finden und diese Resultierende ist dann das meist Willkürliche an dieser Anstrengung. Aber die Willkür ist zugleich die Freiheit und Freude des Kunstausübenden.
Bei der Verbindung der Orte mit Linien (oder auch weniger gezielt mit Flächen) entsteht eine Form.
Nun hat alles eine Form; eine Wolke, auch ein Strich hat seine Dicke, Länge, Druckkraft, seine Glätte oder Struppigkeit, also seine Form, und ebenso jeder Fleck, Schmutz oder Farbfleck hat eine Struktur. – Bei der Wahl sollte der Künstler wohl keine Wahl der Ratio haben, sondern etwas wählen MÜSSEN.
Es gibt Dinge, die keine Sprache haben, nicht vorkommen sprachlich. Manche sprechen dann vom Geheimnis oder wie Kant es nennt: das „Unvorstellbare“ ist auch das Unnennbare.
Aber das betrifft mich hier eigentlich nicht, ich benenne ja: Knie, Wange, Hüftpunkt etc. und stelle es mehr real oder mehr abstrakt dar. Nur wie, das ist die Wahl, also ist meine Wahl das Geheimnis und nicht dasselbe zu wählen wie vorher, sondern etwas anderes, immer etwas anderes.
An der Veränderlichkeit die Statik, die Dauer zu finden, ist eine Herausforderung der Kunst.
Ich kann also besser die Möglichkeiten der Umsetzung beschreiben als die Umsetzung selbst.
Die Verschiedenheit der Umsetzung IST die Umsetzung.
Maria Lassning, Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Ritter Verlag, 1999


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Zeitgenössische Kunst I
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 22.11.2017 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 11.11. - 21.11.2017


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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