Lot Nr. 1258


Fritz Wotruba *


(Wien 1907–1975) “Figurenfries”, 1973, in 4 Teilen, Bronze, gold-kupferfarbene Patina (jeder Teil hat eine andere Patina, Teil 1: 48 x 107 cm, Tiefe ca. 7 cm / Teil 2: 46,5 x 40,5 cm, Tiefe ca. 6 cm / Teil 3: 47,5 x 49 cm, Tiefe ca. 7 cm / Teil 4: 46,5 x 107,5 cm, Tiefe ca. 7 cm, (K)

Jürg Janett: Fritz Wotruba, Werkverzeichnis, Skulpturen, Reliefs, Bühnen- und Architekturmodelle, Erker-Verlag, St. Gallen 2002, Seite 197, Nr. 186 - dort der Vermerk: Auflagenabgüsse aller 4 Teile in Bronze. Das Gußbuch sagt über deren Anzahl nichts aus. - Die Bronzeabgüsse weisen deutlich mehr Löcher auf als die Gipsmodelle.

Provenienz:
Familienbesitz, Wien - direkt vom Künstler
Elias Canetti WIE ES DA IST
Es ist eine alte und unzerstörbare Vorstellung, daß der Plastiker am Beginn steht. Wer vom Schöpfer spricht, denkt zuerst an das Formen von Geschöpfen im Raum. Keine andere Kunst hat das Ansehen des Ursprungs so sehr bewahrt. Die uralten Ansichten von der eiligen Entstehung des Menschen durch die Tätigkeit überlegener Hände mögen ihre Verbindlichkeit für viele verloren haben: Der Glanz, der die entschlossene und einsame Figur des Bildhauers umfließt, von den Göttern selbst geborgt, hat diese überlebt. Wer unter den Werken Fritz Wotrubas steht, spürt, daß dieser Glanz, allen bedrohlichen Prophezeihungen zum Trotz, nicht so bald erlöscht wird.
Das Hauptanliegen der Bildhauerei ist der Beginn. Er ist nicht mehr so einfach, wie er einmal war. Eine unendlich lange Geschichte hat sich zwischen uns und den Anfang geschoben, und täglich werden neue greifbare Reste ans Licht gefördert, die sie bezeugen. Der Beginn ist in die Zeit eines sehr archaischen, eines ungefügen und noch zu Wenigem geschickten Menschen zurückverlegt worden. Eine andere Methode der Förderung hat im einzelnen lebenden Menschen selbst Ursprüngliches zutage gebracht. Mächtige Instinkte, unbeirrbar und ungebrochen wie im Tier, sind bei ihren Namen genannt und anerkannt worden. Sie sind dem Beginn noch näher als die Ausgrabungen der Archäologen. Auf einem ganz anderen, dritten Wege, der vom animalischen Menschen absieht, sind die elementaren visuellen Formen, deren unser Geist sich bedient, klargestellt, gereinigt und in ihre unzweifelhaften Rechte wieder eingesetzt worden.
Ich sehe die Bedeutung Fritz Wotrubas darin, daß er alle diese scheinbar separaten Anfänge, an die wir heute geraten sind, in sich konfrontiert und als neue Einheit gestaltet, ohne auf die legendären Rechte als Schöpfer zu verzichten. Seine Werke haben die Wucht des Archaischen und die Spannung unserer stärksten Instinkte. Ihre Formen sind die elementaren der Moderne. Sein Gegenstand aber ist noch immer die Gestalt. Es ist in sie alles einbezogen, was an Einsicht, Ahnung und Schicksal dazugekommen ist. Es ist nicht die traditionelle, entleerte und nichtssagende Gestalt abgestorbener Perioden. Es ist unsere Gestalt, der Beginn, als wäre er heute. ...
aus: Wotruba, Figur als Widerstand, Verlag Galerie Welz, Salzburg 1977

Expertin: Mag. Elke Königseder Mag. Elke Königseder
+43-1-515 60-358

elke.koenigseder@dorotheum.at

28.11.2012 - 18:00

Schätzwert:
EUR 45.000,- bis EUR 65.000,-

Fritz Wotruba *


(Wien 1907–1975) “Figurenfries”, 1973, in 4 Teilen, Bronze, gold-kupferfarbene Patina (jeder Teil hat eine andere Patina, Teil 1: 48 x 107 cm, Tiefe ca. 7 cm / Teil 2: 46,5 x 40,5 cm, Tiefe ca. 6 cm / Teil 3: 47,5 x 49 cm, Tiefe ca. 7 cm / Teil 4: 46,5 x 107,5 cm, Tiefe ca. 7 cm, (K)

Jürg Janett: Fritz Wotruba, Werkverzeichnis, Skulpturen, Reliefs, Bühnen- und Architekturmodelle, Erker-Verlag, St. Gallen 2002, Seite 197, Nr. 186 - dort der Vermerk: Auflagenabgüsse aller 4 Teile in Bronze. Das Gußbuch sagt über deren Anzahl nichts aus. - Die Bronzeabgüsse weisen deutlich mehr Löcher auf als die Gipsmodelle.

Provenienz:
Familienbesitz, Wien - direkt vom Künstler
Elias Canetti WIE ES DA IST
Es ist eine alte und unzerstörbare Vorstellung, daß der Plastiker am Beginn steht. Wer vom Schöpfer spricht, denkt zuerst an das Formen von Geschöpfen im Raum. Keine andere Kunst hat das Ansehen des Ursprungs so sehr bewahrt. Die uralten Ansichten von der eiligen Entstehung des Menschen durch die Tätigkeit überlegener Hände mögen ihre Verbindlichkeit für viele verloren haben: Der Glanz, der die entschlossene und einsame Figur des Bildhauers umfließt, von den Göttern selbst geborgt, hat diese überlebt. Wer unter den Werken Fritz Wotrubas steht, spürt, daß dieser Glanz, allen bedrohlichen Prophezeihungen zum Trotz, nicht so bald erlöscht wird.
Das Hauptanliegen der Bildhauerei ist der Beginn. Er ist nicht mehr so einfach, wie er einmal war. Eine unendlich lange Geschichte hat sich zwischen uns und den Anfang geschoben, und täglich werden neue greifbare Reste ans Licht gefördert, die sie bezeugen. Der Beginn ist in die Zeit eines sehr archaischen, eines ungefügen und noch zu Wenigem geschickten Menschen zurückverlegt worden. Eine andere Methode der Förderung hat im einzelnen lebenden Menschen selbst Ursprüngliches zutage gebracht. Mächtige Instinkte, unbeirrbar und ungebrochen wie im Tier, sind bei ihren Namen genannt und anerkannt worden. Sie sind dem Beginn noch näher als die Ausgrabungen der Archäologen. Auf einem ganz anderen, dritten Wege, der vom animalischen Menschen absieht, sind die elementaren visuellen Formen, deren unser Geist sich bedient, klargestellt, gereinigt und in ihre unzweifelhaften Rechte wieder eingesetzt worden.
Ich sehe die Bedeutung Fritz Wotrubas darin, daß er alle diese scheinbar separaten Anfänge, an die wir heute geraten sind, in sich konfrontiert und als neue Einheit gestaltet, ohne auf die legendären Rechte als Schöpfer zu verzichten. Seine Werke haben die Wucht des Archaischen und die Spannung unserer stärksten Instinkte. Ihre Formen sind die elementaren der Moderne. Sein Gegenstand aber ist noch immer die Gestalt. Es ist in sie alles einbezogen, was an Einsicht, Ahnung und Schicksal dazugekommen ist. Es ist nicht die traditionelle, entleerte und nichtssagende Gestalt abgestorbener Perioden. Es ist unsere Gestalt, der Beginn, als wäre er heute. ...
aus: Wotruba, Figur als Widerstand, Verlag Galerie Welz, Salzburg 1977

Expertin: Mag. Elke Königseder Mag. Elke Königseder
+43-1-515 60-358

elke.koenigseder@dorotheum.at


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Klassische Moderne
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 28.11.2012 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 17.11. - 28.11.2012