Lot Nr. 572 #


Pieter Lastman (Amsterdam 1583–1633)


Pieter Lastman (Amsterdam 1583–1633) - Alte Meister

Der barmherzige Samariter, Öl auf Leinwand, 102 x 128 cm, gerahmt

Provenienz:
wahrscheinlich identisch mit dem in Pieter Lastmans Inventar vom 07.07.1632 genannten “Samaritaen Lastman”;
möglicherweise Auktion Harry Phillips, London, 29./30.01.1806, Lot 84 (P. Lastman, ‘The Good Samaritan’);
Belgische Privatsammlung (seit dem frühen 20. Jahrhundert)

Pieter Lastman war der bedeutendste holländische Historienmaler seiner Generation. Geprägt durch einen mehrjährigen Italienaufenthalt und die Begegnung mit Adam Elsheimer und Peter Paul Rubens in Rom, entwickelte er eine Bildsprache, die von entscheidender Wirkung auf die niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts und nicht zuletzt auf seinen berühmtesten Schüler Rembrandt war. Das vorliegende Gemälde zeigt das im Lukas-Evangelium überlieferte Gleichnis vom barmherzigen Samariter, das Jesus einem Schriftgelehrten erzählte, um ihm ein Beispiel für Nächstenliebe zu geben. Das Gleichnis berichtet von einem Reisenden, der überfallen, beraubt und schwer verletzt am Weg zurückgelassen wird. Ein Priester und ein Levit ziehen ungerührt an dem Opfer vorüber, der Samariter aber versorgt den Verletzten und bringt ihn in eine Herberge (Lk 10, 30–35). Das Bild wird beherrscht von dem hell beleuchteten, bloßen Körper des Verletzten, zu dem sich der Samariter herunterbeugt. Links steht sein Pferd im Schatten, nach rechts öffnet sich die Landschaft, in der man zwei Figuren erkennt, den Priester in der Ferne und weiter vorne den Leviten.

Das Gemälde war bis vor kurzem unbekannt und fügt dem Oeuvre Lastmans ein bedeutendes Werk hinzu. Wahrscheinlich ist es mit einem Gemälde dieses Themas identisch, das sich 1632, ein Jahr vor Lastmans Tod, in seinem Haus in Amsterdam befand. Da außer dem jüngst aufgetauchten Bild kein weiteres Werk Lastmans mit diesem Sujet bekannt ist, ist die Identifizierung mit dem vorliegenden Gemälde sehr wahrscheinlich. Der barmherzige Samariter ist auf Leinwand gemalt, einem Bildträger, den Lastman nur für großformatige Werke verwendete (etwa die “Schlacht an der milvischen Brücke”, Kunsthalle, Bremen, vgl. C. T. Seifert, Pieter Lastman, Studien zu Leben und Werk, mit einem kritischen Verzeichnis der Werke mit Themen aus der antiken Mythologie und Historie, Petersberg 2011, S. 174, Abb. 184). Ungewöhnlich sind auch der große Maßstab der Figuren und deren nahsichtige Platzierung dicht am vorderen Bildrand. Obgleich das Bild keine Signatur (mehr?) trägt, kann an der Zuschreibung an Pieter Lastman kein Zweifel bestehen. Die typische Behandlung der Figuren und deren orientalisierende Kleidung ebenso wie die Landschaft und das krautige Repoussoir rechts finden sich ähnlich in zahlreichen Werken Lastmans (etwa “Abraham und die drei Engel”, 1616, Gemäldegalerie Alte Meister, Kassel). Zudem findet sich dasselbe Pferd mit nur wenig abgewandeltem Zaumzeug in Lastmans “Jephtas Heimkehr aus der Schlacht” (um 1614/ 17, Museum Briner und Kern Winterthur). Kompositorisch ist das Werk mit anderen Bildern vergleichbar, in denen Lastman Szenen mit nur zwei oder drei Figuren darstellte, etwa “Abraham verstösst Hagar” (1612, Kunsthalle, Hamburg) oder “Ruth und Naemi” (1614, Niederländisches Landesmuseum, Hannover). Eine Datierung des “Barmherzigen Samariters” um 1612/15 erscheint sinnvoll. Das Thema ist in der holländischen Malerei selten, hat aber eine breite Bildtradition in der Bibelillustration und Druckgraphik des 16. Jahrhunderts. Auch Lastmans jüngerer Bruder Claes (1586-1625) schuf, wohl um 1610/15, einen Kupferstich (Hollstein 2) nach diesem Gleichnis (vgl. Seifert, op. cit., S. 59, Abb. 45). Pieter Lastman zog für seine Bildgestaltung einen vor 1612 von Philips Galle in Antwerpen herausgegebenen Kupferstich nach einem Entwurf von Johannes Stradanus (Jan van der Straet) heran (New Hollstein 47, Abb. 1). Die Figurengruppe - man vergleiche die Stellung der Figuren zueinander, die Haltung des Samariters und die Lage der Beine des Opfers - und das aus der Frontalen leicht nach rechts gedrehte Pferd (obgleich leicht nach links versetzt) machen deutlich, dass Lastman dieses Blatt bekannt war. Weiterhin scheint Lastman auch Cornelis Corts Kupferstich (New Hollstein 190) nach Tizians “Tityus” verwendet zu haben. Die dramatischere Haltung des Verletzten, sein muskulöserer Leib und der abgewinkelte linke Arm mit der geballten Hand (bei Tizian der rechte) können durch diesen Stich inspiriert sein. Der Rückgriff auf druckgraphische Vorlagen und auf Werke Tizians ist wiederholt in Arbeiten Lastmans zu beobachten (Dr. Christian Tico Seifert). Wir danken Herrn Dr. Christian Seifert für seine Katalogisierung dieses Bildes.

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

17.10.2012 - 18:00

Schätzwert:
EUR 100.000,- bis EUR 150.000,-

Pieter Lastman (Amsterdam 1583–1633)


Der barmherzige Samariter, Öl auf Leinwand, 102 x 128 cm, gerahmt

Provenienz:
wahrscheinlich identisch mit dem in Pieter Lastmans Inventar vom 07.07.1632 genannten “Samaritaen Lastman”;
möglicherweise Auktion Harry Phillips, London, 29./30.01.1806, Lot 84 (P. Lastman, ‘The Good Samaritan’);
Belgische Privatsammlung (seit dem frühen 20. Jahrhundert)

Pieter Lastman war der bedeutendste holländische Historienmaler seiner Generation. Geprägt durch einen mehrjährigen Italienaufenthalt und die Begegnung mit Adam Elsheimer und Peter Paul Rubens in Rom, entwickelte er eine Bildsprache, die von entscheidender Wirkung auf die niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts und nicht zuletzt auf seinen berühmtesten Schüler Rembrandt war. Das vorliegende Gemälde zeigt das im Lukas-Evangelium überlieferte Gleichnis vom barmherzigen Samariter, das Jesus einem Schriftgelehrten erzählte, um ihm ein Beispiel für Nächstenliebe zu geben. Das Gleichnis berichtet von einem Reisenden, der überfallen, beraubt und schwer verletzt am Weg zurückgelassen wird. Ein Priester und ein Levit ziehen ungerührt an dem Opfer vorüber, der Samariter aber versorgt den Verletzten und bringt ihn in eine Herberge (Lk 10, 30–35). Das Bild wird beherrscht von dem hell beleuchteten, bloßen Körper des Verletzten, zu dem sich der Samariter herunterbeugt. Links steht sein Pferd im Schatten, nach rechts öffnet sich die Landschaft, in der man zwei Figuren erkennt, den Priester in der Ferne und weiter vorne den Leviten.

Das Gemälde war bis vor kurzem unbekannt und fügt dem Oeuvre Lastmans ein bedeutendes Werk hinzu. Wahrscheinlich ist es mit einem Gemälde dieses Themas identisch, das sich 1632, ein Jahr vor Lastmans Tod, in seinem Haus in Amsterdam befand. Da außer dem jüngst aufgetauchten Bild kein weiteres Werk Lastmans mit diesem Sujet bekannt ist, ist die Identifizierung mit dem vorliegenden Gemälde sehr wahrscheinlich. Der barmherzige Samariter ist auf Leinwand gemalt, einem Bildträger, den Lastman nur für großformatige Werke verwendete (etwa die “Schlacht an der milvischen Brücke”, Kunsthalle, Bremen, vgl. C. T. Seifert, Pieter Lastman, Studien zu Leben und Werk, mit einem kritischen Verzeichnis der Werke mit Themen aus der antiken Mythologie und Historie, Petersberg 2011, S. 174, Abb. 184). Ungewöhnlich sind auch der große Maßstab der Figuren und deren nahsichtige Platzierung dicht am vorderen Bildrand. Obgleich das Bild keine Signatur (mehr?) trägt, kann an der Zuschreibung an Pieter Lastman kein Zweifel bestehen. Die typische Behandlung der Figuren und deren orientalisierende Kleidung ebenso wie die Landschaft und das krautige Repoussoir rechts finden sich ähnlich in zahlreichen Werken Lastmans (etwa “Abraham und die drei Engel”, 1616, Gemäldegalerie Alte Meister, Kassel). Zudem findet sich dasselbe Pferd mit nur wenig abgewandeltem Zaumzeug in Lastmans “Jephtas Heimkehr aus der Schlacht” (um 1614/ 17, Museum Briner und Kern Winterthur). Kompositorisch ist das Werk mit anderen Bildern vergleichbar, in denen Lastman Szenen mit nur zwei oder drei Figuren darstellte, etwa “Abraham verstösst Hagar” (1612, Kunsthalle, Hamburg) oder “Ruth und Naemi” (1614, Niederländisches Landesmuseum, Hannover). Eine Datierung des “Barmherzigen Samariters” um 1612/15 erscheint sinnvoll. Das Thema ist in der holländischen Malerei selten, hat aber eine breite Bildtradition in der Bibelillustration und Druckgraphik des 16. Jahrhunderts. Auch Lastmans jüngerer Bruder Claes (1586-1625) schuf, wohl um 1610/15, einen Kupferstich (Hollstein 2) nach diesem Gleichnis (vgl. Seifert, op. cit., S. 59, Abb. 45). Pieter Lastman zog für seine Bildgestaltung einen vor 1612 von Philips Galle in Antwerpen herausgegebenen Kupferstich nach einem Entwurf von Johannes Stradanus (Jan van der Straet) heran (New Hollstein 47, Abb. 1). Die Figurengruppe - man vergleiche die Stellung der Figuren zueinander, die Haltung des Samariters und die Lage der Beine des Opfers - und das aus der Frontalen leicht nach rechts gedrehte Pferd (obgleich leicht nach links versetzt) machen deutlich, dass Lastman dieses Blatt bekannt war. Weiterhin scheint Lastman auch Cornelis Corts Kupferstich (New Hollstein 190) nach Tizians “Tityus” verwendet zu haben. Die dramatischere Haltung des Verletzten, sein muskulöserer Leib und der abgewinkelte linke Arm mit der geballten Hand (bei Tizian der rechte) können durch diesen Stich inspiriert sein. Der Rückgriff auf druckgraphische Vorlagen und auf Werke Tizians ist wiederholt in Arbeiten Lastmans zu beobachten (Dr. Christian Tico Seifert). Wir danken Herrn Dr. Christian Seifert für seine Katalogisierung dieses Bildes.

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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 17.10.2012 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 06.10. - 17.10.2012