Lot Nr. 568


Giambattista Tiepolo (Venedig 1696–1770 Madrid)


Giambattista Tiepolo (Venedig 1696–1770 Madrid) - Alte Meister

Das Martyrium des heiligen Sebastian, Öl auf Leinwand, 88,9 x 45,7 cm, gerahmt

Provenienz:
M. Rothschild, London, bis 1925 (laut Beschriftung auf der Montierung eines Fotos, Witt Library, London);
Thomas Agnew & Sons Ltd, bis 1950;
europäische Privatsammlung;
Auktion, Christie’s, London, 14. April 2011, Los 90, als „Umkreis Giovanni Battista Tiepolo“.

Literatur:
B. L. Brown, Giambattista Tiepolo: The Master of the Oil Sketch, Fort Worth, 1993, S. 195 unter Nr. 19, Anm. 9 (als „Replik“)

Wir danken Dr. George Knox und Dr. Beverly Louise Brown, die die Zuschreibung des vorliegenden Werks an Giambattista Tiepolo bestätigt haben.

Im Jahr 1739 vollendete Tiepolo das Altarbild Das Martyrium des hl. Sebastian für das Augustiner Priorat in Dießen, Deutschland. Eine kleinere Ölskizze dieser Komposition, heute im Cleveland Museum, befand sich früher ebenfalls im Besitz des Priorats in Dießen (wo sie bis 1850 verblieb). Offenbar hatte Tiepolo sie von Venedig an seine Auftraggeber geschickt, um deren Zustimmung einzuholen.

Knox bemerkt nach der kürzlich erfolgten Reinigung des vorliegenden Gemäldes: „Die Umstände und der Zeitpunkt des Auftrags liegen ziemlich im Dunkeln, doch die Skizzen und das fertige Ölbild wurden in Venedig gemalt. Es scheint, dass Tiepolo zunächst nicht von der Form und den Größenverhältnissen des gewünschten Altarbilds – in etwa ein Doppelquadrat mit geschwungenem oberem Abschluss – in Kenntnis gesetzt worden war. Die Ölskizze in Cleveland weist Proportionen im Verhältnis 5:3 auf. Die vorliegende Skizze berücksichtigt hingegen die tatsächlichen Größenverhältnisse des Doppelquadrats. Keine von beiden weist jedoch den gebogten Abschluss auf. Angesichts der deutlich erkennbaren Qualität beider Skizzen könnte man meinen, dass die Skizze in Cleveland ein früheres bozzetto für den Auftrag darstellt, dem die vorliegende Fassung als eher formales modello, das zur Vorlage an den Auftraggeber bestimmt war, folgte.“

Während Knox weiters vermutet, dass der Künstler beide Ölskizzen zwecks Einholung der Zustimmung nach Dießen geschickt haben könnte, besteht alternativ dazu die Möglichkeit, dass er das vorliegende detailliertere modello in Venedig zurückbehalten haben könnte, um auf dessen Grundlage das Altarbild auszuführen, und das bozzetto als Entscheidungshilfe für den Kunden für ausreichend gehalten hat. Brown, die die Zuschreibung an Giambattista Tiepolo nach Prüfung des Original im Juni 2011 bestätigt hat, schlägt als weitere Möglichkeit vor, dass es sich bei diesem Werk um ein eigenhändiges ricordo von Tiepolos Altarbild handeln könnte. Ein sorgfältiger Vergleich des vorliegenden Bildes mit dem bozzetto in Cleveland zeigt zahlreiche Verbesserungen und Änderungen. Dies ist am deutlichsten in der Anatomie der Beine und Füße der Putti oben links erkennbar (die in der Version in Cleveland etwas ‚hölzern‘ wirken) sowie in der Qualität und Klarheit der Kopfgruppe rechts der Mitte. Es sind noch viele weitere kleine Unterschiede erkennbar, etwa in der Modellierung von Sebastians Torso (wo das Helldunkel im vorliegenden Gemälde komplexer erscheint) und bei der Feder des Kopfbandes des Bogenschützen rechts unten, die in der Version in Cleveland weniger überzeugend ist.

Wie Brown ausführt, erinnert die Drehbewegung von Sebastians Körper an Tizians berühmte Fassung des Themas im Altarbild für Averoldi (Santi Nazaro e Celso, Brescia). Auf beiden Darstellungen erscheint Sebastian an einen Baum gefesselt und mit gedrehtem Oberkörper und gewundenen Armen und Beinen; jedoch hebt der Heilige in Tiepolos Werk den Kopf himmelwärts.

Abgesehen von dem kleineren bozzetto in Cleveland gibt es noch vier mit dem Auftrag in Zusammenhang stehende Vorzeichnungen: eine Kompositionsstudie, ehemals in der Sammlung von Erzbischof Széptychkis (Lemberg), zeigt den Heiligen stärker nach rechts gewendet; eine Figurenstudie des hl. Sebastian in Feder und Tinte befindet sich im Szépmüvészeti Museum (Budapest); eine Fassung der gesamten Komposition in Rötel, bei der jedoch die Figur im linken Vordergrund fehlt, wird im Martin von Wagner Museum (Würzburg) aufbewahrt; und eine Studie in Feder und brauner Tinte, die gegenüber dem Altarbild einige Veränderungen aufweist, befand sich ehemals in der Sammlung Guggenheim in Venedig.

17.10.2012 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 39.980,-
Schätzwert:
EUR 60.000,- bis EUR 80.000,-

Giambattista Tiepolo (Venedig 1696–1770 Madrid)


Das Martyrium des heiligen Sebastian, Öl auf Leinwand, 88,9 x 45,7 cm, gerahmt

Provenienz:
M. Rothschild, London, bis 1925 (laut Beschriftung auf der Montierung eines Fotos, Witt Library, London);
Thomas Agnew & Sons Ltd, bis 1950;
europäische Privatsammlung;
Auktion, Christie’s, London, 14. April 2011, Los 90, als „Umkreis Giovanni Battista Tiepolo“.

Literatur:
B. L. Brown, Giambattista Tiepolo: The Master of the Oil Sketch, Fort Worth, 1993, S. 195 unter Nr. 19, Anm. 9 (als „Replik“)

Wir danken Dr. George Knox und Dr. Beverly Louise Brown, die die Zuschreibung des vorliegenden Werks an Giambattista Tiepolo bestätigt haben.

Im Jahr 1739 vollendete Tiepolo das Altarbild Das Martyrium des hl. Sebastian für das Augustiner Priorat in Dießen, Deutschland. Eine kleinere Ölskizze dieser Komposition, heute im Cleveland Museum, befand sich früher ebenfalls im Besitz des Priorats in Dießen (wo sie bis 1850 verblieb). Offenbar hatte Tiepolo sie von Venedig an seine Auftraggeber geschickt, um deren Zustimmung einzuholen.

Knox bemerkt nach der kürzlich erfolgten Reinigung des vorliegenden Gemäldes: „Die Umstände und der Zeitpunkt des Auftrags liegen ziemlich im Dunkeln, doch die Skizzen und das fertige Ölbild wurden in Venedig gemalt. Es scheint, dass Tiepolo zunächst nicht von der Form und den Größenverhältnissen des gewünschten Altarbilds – in etwa ein Doppelquadrat mit geschwungenem oberem Abschluss – in Kenntnis gesetzt worden war. Die Ölskizze in Cleveland weist Proportionen im Verhältnis 5:3 auf. Die vorliegende Skizze berücksichtigt hingegen die tatsächlichen Größenverhältnisse des Doppelquadrats. Keine von beiden weist jedoch den gebogten Abschluss auf. Angesichts der deutlich erkennbaren Qualität beider Skizzen könnte man meinen, dass die Skizze in Cleveland ein früheres bozzetto für den Auftrag darstellt, dem die vorliegende Fassung als eher formales modello, das zur Vorlage an den Auftraggeber bestimmt war, folgte.“

Während Knox weiters vermutet, dass der Künstler beide Ölskizzen zwecks Einholung der Zustimmung nach Dießen geschickt haben könnte, besteht alternativ dazu die Möglichkeit, dass er das vorliegende detailliertere modello in Venedig zurückbehalten haben könnte, um auf dessen Grundlage das Altarbild auszuführen, und das bozzetto als Entscheidungshilfe für den Kunden für ausreichend gehalten hat. Brown, die die Zuschreibung an Giambattista Tiepolo nach Prüfung des Original im Juni 2011 bestätigt hat, schlägt als weitere Möglichkeit vor, dass es sich bei diesem Werk um ein eigenhändiges ricordo von Tiepolos Altarbild handeln könnte. Ein sorgfältiger Vergleich des vorliegenden Bildes mit dem bozzetto in Cleveland zeigt zahlreiche Verbesserungen und Änderungen. Dies ist am deutlichsten in der Anatomie der Beine und Füße der Putti oben links erkennbar (die in der Version in Cleveland etwas ‚hölzern‘ wirken) sowie in der Qualität und Klarheit der Kopfgruppe rechts der Mitte. Es sind noch viele weitere kleine Unterschiede erkennbar, etwa in der Modellierung von Sebastians Torso (wo das Helldunkel im vorliegenden Gemälde komplexer erscheint) und bei der Feder des Kopfbandes des Bogenschützen rechts unten, die in der Version in Cleveland weniger überzeugend ist.

Wie Brown ausführt, erinnert die Drehbewegung von Sebastians Körper an Tizians berühmte Fassung des Themas im Altarbild für Averoldi (Santi Nazaro e Celso, Brescia). Auf beiden Darstellungen erscheint Sebastian an einen Baum gefesselt und mit gedrehtem Oberkörper und gewundenen Armen und Beinen; jedoch hebt der Heilige in Tiepolos Werk den Kopf himmelwärts.

Abgesehen von dem kleineren bozzetto in Cleveland gibt es noch vier mit dem Auftrag in Zusammenhang stehende Vorzeichnungen: eine Kompositionsstudie, ehemals in der Sammlung von Erzbischof Széptychkis (Lemberg), zeigt den Heiligen stärker nach rechts gewendet; eine Figurenstudie des hl. Sebastian in Feder und Tinte befindet sich im Szépmüvészeti Museum (Budapest); eine Fassung der gesamten Komposition in Rötel, bei der jedoch die Figur im linken Vordergrund fehlt, wird im Martin von Wagner Museum (Würzburg) aufbewahrt; und eine Studie in Feder und brauner Tinte, die gegenüber dem Altarbild einige Veränderungen aufweist, befand sich ehemals in der Sammlung Guggenheim in Venedig.


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 17.10.2012 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 06.10. - 17.10.2012


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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