Lot Nr. 56 -


Charles Mellin


Charles Mellin - Alte Meister

(Nancy um 1602–1649 Rom)
Porträt des Coriolano Orsucci,
im Brief links unten beschriftet,
Öl auf Leinwand, 230 x 145,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Europäische Privatsammlung;
dort vom jetzigen Besitzer erworben

Ausgestellt:
London, Heim Gallery, French Paintings & Sculptures of the 17th Century, 12. Juni – 15. August 1968, Nr. 10 (als Charles Mellin);
Rom, Museo Nazionale di Castel Sant’Angelo, Il Principe Romano. Ritratti dell’Aristocrazia Pontificia nell’Età Barocca, 12. Oktober – 2. Dezember 2007, Nr. XV (als Charles Mellin);
Tivoli, Villa d’Este, Ritratto Barocco, dipinti del ‘600 e ‘700 nelle raccolte private, 3. Juli – 2. November 2008, Nr. 11 (als Charles Mellin)

Literatur:
French Paintings & Sculptures of the 17th Century, hrsg. von A. S. Ciechanowiecki, Ausstellungskatalog, London 1968, S. 7, Nr. 10, Abb. S. 10 (als Charles Mellin);
S. Laveissière, Le «Maître du Pseudo-Borro»: Charles Mellin?, in: Jahrbuch der Berliner Museen, Berlin 1990, S. 200, Anm. 46 (als nicht von Mellin);
Charles Mellin un Lorrain entre Rome et Naples, hrsg. von P. Malgouyres, Ausstellungskatalog, Paris 2007, S. 174/175, 282/283, R37 (unter „zurückgewiesene Werke“);
F. Petrucci, Pittura di Ritratto a Roma. Il Seicento, Rom 2007, Bd. I, S. 160/161, Abb. 236, Bd. II, S. 349, Bd. III, S. 660, Abb. 448 (als Charles Mellin);
F. Petrucci, in: Il Principe Romano. Ritratti dell’Aristocrazia Pontificia nell’Età Barocca, hrsg. von F. Petrucci/M. E. Tittoni, Ausstellungskatalog, Rom 2007, S. 58/59 (als Charles Mellin);
Ritratto Barocco, dipinti del ‘600 e ‘700 nelle raccolte private, hrsg. von F. Petrucci, Ausstellungskatalog, Rom 2008, S. 50/51 (als Charles Mellin)

Nach einer abwechslungsreichen Beurteilungsgeschichte wurde das Gemälde erstmals bei einer Ausstellung in London 1968 als Werk Charles Mellins ausgestellt. Die Zuschreibung dieses maßgeblichen Porträts wurde von Francesco Petrucci mehrmals bestätigt. Zwar war Mellin den Quellen zufolge zweifellos eine maßgebliche Künstlerpersönlichkeit in diesem Genre der Malerei, doch harrt sein künstlerisches Schaffen größtenteils noch der Wiederentdeckung.

Das vorliegende Gemälde zeigt einen ganzfigurig dargestellten Herrn, der nach der spanischen Mode der ersten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts gekleidet ist. In der Rechten hält er einen Hut, in der Linken einen Brief. Petrucci (siehe Literatur) hat darauf hingewiesen, dass sich zu den Füßen des Dargestellten eine Art Kartusche mit folgender Inschrift findet: Al sig.re Coriolano Or/succi Nro Sig. Guard./C. Messin. Petrucci sieht darin einen Hinweis auf den Künstlernamen, der hier in einer anderen und auch in mehreren Quellen anzutreffenden Schreibweise als „Messin“ erscheint. Was die Identität des Dargestellten betrifft, wurde sein Name in der Vergangenheit als „Coriolano Orsini“ gelesen, obgleich das Wappen links oben im Hintergrund nicht mit jenem der römischen Adelsfamilie übereinstimmt. Wie Petrucci kürzlich ausgeführt hat, kann das Wappenzeichen, das einen Adler über einem Halbmond zeigt, der Familie Orsucci aus Lucca zugeordnet werden. Bei dem Dargestellten müsste es sich demnach um den aus Lucca stammenden Kaufmann Coriolano Orsucci (1592–1655) handeln.

Das vorliegende Porträt verrät Mellins große Begabung als Maler. Hinsichtlich Format und Komposition ist es mit dem berühmten, ebenfalls Mellin zugeschriebenen Bildnis des sogenannten Pseudo-Borro in der Berliner Gemäldegalerie vergleichbar, ebenso mit dem Bildnis Giovan Battista Siris in der Scottish National Gallery, Edinburgh. Aufgrund des „disegno, tono su tono, che traspare nei riflessi della veste nera“ [der „Zeichnung, die, Ton um Ton, durch die Reflexe der schwarzen Kleidung scheint“] (siehe Literatur), zieht Petrucci zudem stilistische Vergleiche zwischen dem vorliegenden Coriolano Orsucci und dem signierten Porträt Sigismondo Chigis im Palazzo Chigi in Ariccia. In dem seinem Testaments beigeschlossenen Inventar lassen die dort zahlreich angeführten Porträts, die es zum Teil noch aufzufinden gilt, auf die große Umtriebigkeit des französischen Künstlers in diesem Genre schließen (siehe Malgouyres 2008, S. 319/320).

Charles Mellin wurde in Rom, wo er abgesehen von einem Aufenthalt in Neapel von 1643 bis 1647 fast ausschließlich tätig war, „Carlo Lorenese“ genannt. In den 1620er-Jahren trat er in die Werkstatt Simon Vouets ein, der ihn in die Familie Barberini und deren Entourage einführte, zu der auch Gelehrte wie Cassiano dal Pozzo gehörten. Mellin erlangte auch die Protektion hochgeschätzter Künstler wie des Cavalier d’Arpino und Domenichinos, welcher ihm in den 1630er-Jahren wichtige Aufträge verschaffte, darunter die Ausstattung der Cappella della Vergine in San Luigi dei Francesi sowie des Chors der Kirche von Montecassino. Mellins Gemälde der Frühzeit zeichnen sich durch einen Caravaggismus aus, der sich unter dem Einfluss seines Lehrmeisters Vouet mit einer theatralisch-dekorativen Eleganz paarte. Spätere Werke standen unter dem Eindruck des klassischen Malstils Guido Renis, Nicolas Poussins, Annibale Carraccis und Giovanni Lanfrancos. Dabei blieb er nichtsdestotrotz offen gegenüber barocken Innovationen im Porträtschaffen Gian Lorenzo Berninis.

17.10.2017 - 18:00

Schätzwert:
EUR 80.000,- bis EUR 120.000,-

Charles Mellin


(Nancy um 1602–1649 Rom)
Porträt des Coriolano Orsucci,
im Brief links unten beschriftet,
Öl auf Leinwand, 230 x 145,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Europäische Privatsammlung;
dort vom jetzigen Besitzer erworben

Ausgestellt:
London, Heim Gallery, French Paintings & Sculptures of the 17th Century, 12. Juni – 15. August 1968, Nr. 10 (als Charles Mellin);
Rom, Museo Nazionale di Castel Sant’Angelo, Il Principe Romano. Ritratti dell’Aristocrazia Pontificia nell’Età Barocca, 12. Oktober – 2. Dezember 2007, Nr. XV (als Charles Mellin);
Tivoli, Villa d’Este, Ritratto Barocco, dipinti del ‘600 e ‘700 nelle raccolte private, 3. Juli – 2. November 2008, Nr. 11 (als Charles Mellin)

Literatur:
French Paintings & Sculptures of the 17th Century, hrsg. von A. S. Ciechanowiecki, Ausstellungskatalog, London 1968, S. 7, Nr. 10, Abb. S. 10 (als Charles Mellin);
S. Laveissière, Le «Maître du Pseudo-Borro»: Charles Mellin?, in: Jahrbuch der Berliner Museen, Berlin 1990, S. 200, Anm. 46 (als nicht von Mellin);
Charles Mellin un Lorrain entre Rome et Naples, hrsg. von P. Malgouyres, Ausstellungskatalog, Paris 2007, S. 174/175, 282/283, R37 (unter „zurückgewiesene Werke“);
F. Petrucci, Pittura di Ritratto a Roma. Il Seicento, Rom 2007, Bd. I, S. 160/161, Abb. 236, Bd. II, S. 349, Bd. III, S. 660, Abb. 448 (als Charles Mellin);
F. Petrucci, in: Il Principe Romano. Ritratti dell’Aristocrazia Pontificia nell’Età Barocca, hrsg. von F. Petrucci/M. E. Tittoni, Ausstellungskatalog, Rom 2007, S. 58/59 (als Charles Mellin);
Ritratto Barocco, dipinti del ‘600 e ‘700 nelle raccolte private, hrsg. von F. Petrucci, Ausstellungskatalog, Rom 2008, S. 50/51 (als Charles Mellin)

Nach einer abwechslungsreichen Beurteilungsgeschichte wurde das Gemälde erstmals bei einer Ausstellung in London 1968 als Werk Charles Mellins ausgestellt. Die Zuschreibung dieses maßgeblichen Porträts wurde von Francesco Petrucci mehrmals bestätigt. Zwar war Mellin den Quellen zufolge zweifellos eine maßgebliche Künstlerpersönlichkeit in diesem Genre der Malerei, doch harrt sein künstlerisches Schaffen größtenteils noch der Wiederentdeckung.

Das vorliegende Gemälde zeigt einen ganzfigurig dargestellten Herrn, der nach der spanischen Mode der ersten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts gekleidet ist. In der Rechten hält er einen Hut, in der Linken einen Brief. Petrucci (siehe Literatur) hat darauf hingewiesen, dass sich zu den Füßen des Dargestellten eine Art Kartusche mit folgender Inschrift findet: Al sig.re Coriolano Or/succi Nro Sig. Guard./C. Messin. Petrucci sieht darin einen Hinweis auf den Künstlernamen, der hier in einer anderen und auch in mehreren Quellen anzutreffenden Schreibweise als „Messin“ erscheint. Was die Identität des Dargestellten betrifft, wurde sein Name in der Vergangenheit als „Coriolano Orsini“ gelesen, obgleich das Wappen links oben im Hintergrund nicht mit jenem der römischen Adelsfamilie übereinstimmt. Wie Petrucci kürzlich ausgeführt hat, kann das Wappenzeichen, das einen Adler über einem Halbmond zeigt, der Familie Orsucci aus Lucca zugeordnet werden. Bei dem Dargestellten müsste es sich demnach um den aus Lucca stammenden Kaufmann Coriolano Orsucci (1592–1655) handeln.

Das vorliegende Porträt verrät Mellins große Begabung als Maler. Hinsichtlich Format und Komposition ist es mit dem berühmten, ebenfalls Mellin zugeschriebenen Bildnis des sogenannten Pseudo-Borro in der Berliner Gemäldegalerie vergleichbar, ebenso mit dem Bildnis Giovan Battista Siris in der Scottish National Gallery, Edinburgh. Aufgrund des „disegno, tono su tono, che traspare nei riflessi della veste nera“ [der „Zeichnung, die, Ton um Ton, durch die Reflexe der schwarzen Kleidung scheint“] (siehe Literatur), zieht Petrucci zudem stilistische Vergleiche zwischen dem vorliegenden Coriolano Orsucci und dem signierten Porträt Sigismondo Chigis im Palazzo Chigi in Ariccia. In dem seinem Testaments beigeschlossenen Inventar lassen die dort zahlreich angeführten Porträts, die es zum Teil noch aufzufinden gilt, auf die große Umtriebigkeit des französischen Künstlers in diesem Genre schließen (siehe Malgouyres 2008, S. 319/320).

Charles Mellin wurde in Rom, wo er abgesehen von einem Aufenthalt in Neapel von 1643 bis 1647 fast ausschließlich tätig war, „Carlo Lorenese“ genannt. In den 1620er-Jahren trat er in die Werkstatt Simon Vouets ein, der ihn in die Familie Barberini und deren Entourage einführte, zu der auch Gelehrte wie Cassiano dal Pozzo gehörten. Mellin erlangte auch die Protektion hochgeschätzter Künstler wie des Cavalier d’Arpino und Domenichinos, welcher ihm in den 1630er-Jahren wichtige Aufträge verschaffte, darunter die Ausstattung der Cappella della Vergine in San Luigi dei Francesi sowie des Chors der Kirche von Montecassino. Mellins Gemälde der Frühzeit zeichnen sich durch einen Caravaggismus aus, der sich unter dem Einfluss seines Lehrmeisters Vouet mit einer theatralisch-dekorativen Eleganz paarte. Spätere Werke standen unter dem Eindruck des klassischen Malstils Guido Renis, Nicolas Poussins, Annibale Carraccis und Giovanni Lanfrancos. Dabei blieb er nichtsdestotrotz offen gegenüber barocken Innovationen im Porträtschaffen Gian Lorenzo Berninis.


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 17.10.2017 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 07.10. - 17.10.2017