Lot Nr. 1139


Carry Hauser


(Wien 1895-1985 Rekawinkel, NÖ)"Trude mit Schleier" (Frau des Künstlers), monogrammiert, datiert CH 29, Öl auf Sperrholz, 57,5 x 48,5 cm, gerahmt, (K)

Auf der Rückseite Reste eines Klebezettels: Galerie Remm... Leipzig C1, Tröndlinring 3 Ausgestellt und im Katalog abgebildet: Carry Hauser 1895-1985, Frauenbad, Baden bei Wien,1989, Siete 74, Nr. 30 Provenienz: Privatbesitz, Wien DER MALER CARRY HAUSER Franz Theodor Csokor Im Anfang von Carry Hausers Malerschaft stand seine Lehrzeit an der Kunstgewerbeschule, diesem Tempel der österreichischen Lukasgilde. Denn aus ihr kam beinahe wohl alles, was in der Geschichte der Gegenwartskunst aus Österreich mitzählt. Ein Wiener Künstler, der vor dem Kriege eine staatliche Schule besuchen wollte - oder mußte (da sie immerhin noch billiger kam als der Unterricht privater Meister), hatte nur eine Wahl und Möglichkeit zu zeitgerechter Ausbildung, die ihm die konservative Akadamie nicht bot: die von allerlei Wagemut erfüllte Kunstgewerbeschule am Stubenring. Freie Entwicklung der künstlerischen Individualität verbürgten ihre Lehrmethoden; sie wurde freilich eine gewisse Gefahr dort, wo Kunst nicht mehr unmittelbare Zweckverhaftung bedeutete, sondern zum Werk und Wert an sich strebte. Kunstgewerbliche Reminiszenzen zeigen sich in Kokoschkas Frühwerken, etwa die gobelinhaften "Träumenden Knaben", Egon Schiele, der Hochbegabte und allzufrüh Dahingeschiedene, kam zeitlebens nie ganz aus den Canevas kunstgewerblicher Komplexe, und auch Carry Hauser hat diese Erinnerungen an jene Jugendschule schwer aus seinen Bildern gerodet, und erst die blutige Cäsur des Krieges riß ihn aus solch zäher Verwurzelung. Fünf Jahre Schrecken aller Art, ein Feldzug, der ihn bis nach Asien hinabführte - das machte ihn frei von dem musivischen Ressentiment, seit Klimt und Kolo Moser behaftet blieben. Romantiker des Gehirnes, der er vom Ursprung war, folgte er nun endlich ganz und ungehemmt seinem eigentlichsten Trieb, der ihn ins Visionäre wies. Und von dort - auf dem Umweg über soziologische Typisierungen - geriet er ("vorderhand" sei gesagt, da die Entwicklung des hochbegabten Künstlers noch lange nicht abgeschlossen scheint) ins Religiöse. Carry Hauser gestaltendes Empfinden trat als "anima candida" in die Erscheinungswelt. Er ampfing sie nicht so sehr als Gegenständlichkeit, vielmehr als typisierende Vergeistigung dieses Konkreten, als Dämonologie um ein dauerndes Zentrum, das er in der Menschheitsidee und deren verewigtem Ausdruck und Zeichen - der Gottheit - findet. Seine Figuren teilen sich (denn Landschaft an sich fesselt ihn nur selten) in solche, die noch am Körper leiden, und in solche, die ihn schon zu unirdischer Transparenz geläutert und derart überwunden haben. Es ist der gotische Weg zu Gott, der der Weg dieses jungen Künstlers ist. Sein religiöser Hang genügt sich aber nicht an den blauen Blumen der Nazarener, er bedeutet keine absolute Wirklichkeitsflucht, wie etwa bei Overbeck und den Seinen; Hauser empfindet wahrhaft religiös. Und darum bleibt er keineswegs taub für die Not der Zeit, und soziale Empörung flammt bei aller Gläubigkeit dennoch als heißer revolutionärer Protest aus seinen Werken. Für alle Enterbten dieses Daseins wirbt sein Werk; sein Heiland ist der der Mühseligen und Beladenen, und darüber hinaus noch der hadernde Erlöser, der das furchtbare Wort gesprochen hat vom Nadelöhr und vom Reichen und der in göttlichem Zorne die Wechsler aus dem Tempel peitschen konnte. Kämpferische Empörung und religiöse Lyrik -sie sprechen schon aus den großen leuchtenden Farben seiner Gemälde, darin Blau und Gelb vorherrschen; unsichtbare Gerüste stehen hinter ihnen. Gebaut sind seine Bilder, Dome eines Herzens, das sich an die Welt und Gott verbunden weiß. Denn dieser Romantiker seiner Kunst empfindet, wie seine namenlosen Vorläufer in den Dombauhütten des Mittelalters, Wesen und Erscheinungen des gesamten Lebens, all seine Wünsche und Leiden unter dem Wissen und Willen einer unerforschlichen Gottheit, die sich aber nur denen offenbart, die mühselig und beladen sind und reinen Herzens dabei. Erschienen: Österreichische Kunst, 1. Jg., Heft 2, 1927

Expertin: Mag. Elke Königseder Mag. Elke Königseder
+43-1-515 60-358

elke.koenigseder@dorotheum.at

20.05.2010 - 19:00

Schätzwert:
EUR 28.000,- bis EUR 35.000,-

Carry Hauser


(Wien 1895-1985 Rekawinkel, NÖ)"Trude mit Schleier" (Frau des Künstlers), monogrammiert, datiert CH 29, Öl auf Sperrholz, 57,5 x 48,5 cm, gerahmt, (K)

Auf der Rückseite Reste eines Klebezettels: Galerie Remm... Leipzig C1, Tröndlinring 3 Ausgestellt und im Katalog abgebildet: Carry Hauser 1895-1985, Frauenbad, Baden bei Wien,1989, Siete 74, Nr. 30 Provenienz: Privatbesitz, Wien DER MALER CARRY HAUSER Franz Theodor Csokor Im Anfang von Carry Hausers Malerschaft stand seine Lehrzeit an der Kunstgewerbeschule, diesem Tempel der österreichischen Lukasgilde. Denn aus ihr kam beinahe wohl alles, was in der Geschichte der Gegenwartskunst aus Österreich mitzählt. Ein Wiener Künstler, der vor dem Kriege eine staatliche Schule besuchen wollte - oder mußte (da sie immerhin noch billiger kam als der Unterricht privater Meister), hatte nur eine Wahl und Möglichkeit zu zeitgerechter Ausbildung, die ihm die konservative Akadamie nicht bot: die von allerlei Wagemut erfüllte Kunstgewerbeschule am Stubenring. Freie Entwicklung der künstlerischen Individualität verbürgten ihre Lehrmethoden; sie wurde freilich eine gewisse Gefahr dort, wo Kunst nicht mehr unmittelbare Zweckverhaftung bedeutete, sondern zum Werk und Wert an sich strebte. Kunstgewerbliche Reminiszenzen zeigen sich in Kokoschkas Frühwerken, etwa die gobelinhaften "Träumenden Knaben", Egon Schiele, der Hochbegabte und allzufrüh Dahingeschiedene, kam zeitlebens nie ganz aus den Canevas kunstgewerblicher Komplexe, und auch Carry Hauser hat diese Erinnerungen an jene Jugendschule schwer aus seinen Bildern gerodet, und erst die blutige Cäsur des Krieges riß ihn aus solch zäher Verwurzelung. Fünf Jahre Schrecken aller Art, ein Feldzug, der ihn bis nach Asien hinabführte - das machte ihn frei von dem musivischen Ressentiment, seit Klimt und Kolo Moser behaftet blieben. Romantiker des Gehirnes, der er vom Ursprung war, folgte er nun endlich ganz und ungehemmt seinem eigentlichsten Trieb, der ihn ins Visionäre wies. Und von dort - auf dem Umweg über soziologische Typisierungen - geriet er ("vorderhand" sei gesagt, da die Entwicklung des hochbegabten Künstlers noch lange nicht abgeschlossen scheint) ins Religiöse. Carry Hauser gestaltendes Empfinden trat als "anima candida" in die Erscheinungswelt. Er ampfing sie nicht so sehr als Gegenständlichkeit, vielmehr als typisierende Vergeistigung dieses Konkreten, als Dämonologie um ein dauerndes Zentrum, das er in der Menschheitsidee und deren verewigtem Ausdruck und Zeichen - der Gottheit - findet. Seine Figuren teilen sich (denn Landschaft an sich fesselt ihn nur selten) in solche, die noch am Körper leiden, und in solche, die ihn schon zu unirdischer Transparenz geläutert und derart überwunden haben. Es ist der gotische Weg zu Gott, der der Weg dieses jungen Künstlers ist. Sein religiöser Hang genügt sich aber nicht an den blauen Blumen der Nazarener, er bedeutet keine absolute Wirklichkeitsflucht, wie etwa bei Overbeck und den Seinen; Hauser empfindet wahrhaft religiös. Und darum bleibt er keineswegs taub für die Not der Zeit, und soziale Empörung flammt bei aller Gläubigkeit dennoch als heißer revolutionärer Protest aus seinen Werken. Für alle Enterbten dieses Daseins wirbt sein Werk; sein Heiland ist der der Mühseligen und Beladenen, und darüber hinaus noch der hadernde Erlöser, der das furchtbare Wort gesprochen hat vom Nadelöhr und vom Reichen und der in göttlichem Zorne die Wechsler aus dem Tempel peitschen konnte. Kämpferische Empörung und religiöse Lyrik -sie sprechen schon aus den großen leuchtenden Farben seiner Gemälde, darin Blau und Gelb vorherrschen; unsichtbare Gerüste stehen hinter ihnen. Gebaut sind seine Bilder, Dome eines Herzens, das sich an die Welt und Gott verbunden weiß. Denn dieser Romantiker seiner Kunst empfindet, wie seine namenlosen Vorläufer in den Dombauhütten des Mittelalters, Wesen und Erscheinungen des gesamten Lebens, all seine Wünsche und Leiden unter dem Wissen und Willen einer unerforschlichen Gottheit, die sich aber nur denen offenbart, die mühselig und beladen sind und reinen Herzens dabei. Erschienen: Österreichische Kunst, 1. Jg., Heft 2, 1927

Expertin: Mag. Elke Königseder Mag. Elke Königseder
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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Klassische Moderne
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 20.05.2010 - 19:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 05.05. - 20.05.2010