Lot Nr. 74


Giovanni Francesco Barbieri, il Guercino


(Cento 1591–1666 Bologna) Rinaldo hält Armida ab, sich mit einem Pfeil zu töten, (1664) Öl auf Leinwand 113,5 x 153,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Ugucione (Odoccione) Pepoli, 1664;
Sammlung Girolamo Manfrin, Venezia, ca. 1795–1897;
Versteigert: Giulio Sambone, Mailand 1897;
Europäische Privatsammlung

Literatur: G. Nicoletti, Pinacoteca Manfrin a Venezia, Venedig 1872, p. 23, n. 103 (als Guercino); Catalogo della Galleria Manfrin. Quadri di celebri autori italiani e olandesi, Milano 1897, p. 27 n. 38 (Sale Giulio Sambon, Milan, as Guercino); B. Ghelfi, Il libro dei conti del Guercino, 1629–1666, Bologna 1997, p. 197, no. 587.

Gutachten: Wir danken Professor Nicolas Turner für die volle Bestätigung der Zuschreibung an Giovanni Francesco Barbieri, Il Guercino (schriftliche Mitteilung).

Dieses schöne, neu entdeckte halbfigurige Gemälde von Guercino stellt Rinaldo dar, der Armida abhält, sich mit einem Pfeil selbst zu töten. Es ist das letzte bekannte Werk mit profanem Sujet, das Guercino malte und als solches ein sehr wichtiger Beitrag zu seinem Oevre. Die Liebenden Rinaldo und Armida sind die Hauptfiguren des italienischen Epos ‘Das befreite Jerusalem’ von Torquato Tasso (1544–1595), eine idealisierte Erzählung des ersten Kreuzzuges. Rinaldo ist ein christlicher Prinz, Armida eine schöne Zauberin, die vom Teufel geschickt wurde, um sich mit den Sarazenen zu verbünden und mit ihrer Magie die Pläne der Kreuzfahrer zunichte zu machen. Das Werk beschließt die fruchtbare Tätigkeit Guercinos als Maler profaner Themen, die er bereits 50 Jahre zuvor mit der Freskierung der Casa Pannini, einer kleinen Villa außerhalb von Cento, zwischen 1615–17, begann Zufälligerweise wurde einer der Räume mit Geschichten von Rinaldo und Armida ausgeschmückt. Die vorletzte Szene zeigt Rinaldo, der Armida zurückhält - das gleiche Sujet wie im vorliegenden Bild (1). Diese Fresken wurden abgenommen und befinden sich heute in der Pinacoteca Civica in Cento. Das vorliegende Bild mit Rinaldo und Armida findet wie folgt in Guercinos Rechnungsbuch Erwähnung, mit Datum 24. Oktober 1664: ‘Dal Ill: mo Sig: r Co: odoccione Peppoli si e auto per il quadro di Rinaldo e Armida Ducatoni Cento. Che fanno L 500 - che sono Scudi 125 (2). Zur selben Zeit beauftragte Conte Pepoli ein Bild mit ‘puttini’, was zu einer weiteren möglichen Erwähnung des Gemäldes durch seinen Biographen, den Conte Carlo Cesare Malvasia, im Jahr 1664 führt. Malvasia berichtet über die Vereinbarungen des Malers:’Diverse figure per li signori Pepoli, e mezze figure, e puttini’. Mit den ‘mezze figure’, den Halbfiguren könnte das Bild mit Rinaldo and Armida gemeint sein(3). Das Gemälde galt lange Zeit als verloren und seine Wiederentdeckung ist von großem Interesse für das Verständnis der Stilentwicklung der späten Schaffensperiode Guercinos. Die Präzision der Zeichnung und ausgezeichnete Beherrschung der malerischen Ausführung lassen es kaum glauben, dass der Künstler bereits 73 Jahre alt war, als er das Bild malte. Trotz seines fortgeschrittenen Alters und einer schweren Krankheit etwa drei Jahre zuvor, die er laut Malvasia fast nicht überlebt hätte, ist die Qualität so hoch wie in den besten seiner Spätwerke(4). Was die Anordnung der Figuren, Farbgebung, Licht und Gesamtkonzept betrifft, steht dem vorliegenden Gemälde das große Altarbild mit Thomas von Aquin für die Kirche San Domenico in Bologna am nächsten, das in den Jahren 1663–63 entstand und sich immer noch vor Ort befindet(5). Man kann einige interessante Analogien erkennen, etwa bei Kopfhaltung und Gesichtsausdruck von Dominikus und Armida. Zudem haben einige der Engel im Altarbild schlaffe, in die Länge gezogene Gliedmaßen wie Armidas lange, ausgestreckte Arme. In beiden Gemälden sind die Falten der Draperie nicht so tief wie in den oft dramatisch beleuchteten Gewändern der Figuren in Guercinos Gemälden der 1630er und 40er Jahre, sondern leicht abgeflacht und vereinfacht in beinahe abstrakte Muster. Das vorliegende Gemälde war gedacht als Galeriebild und sollte den Betrachter in seinen Bann ziehen. In Kontrast zu den gleichmäßig ausgeleuchteten Darstellungen und gedämpften pastelligen Schattierungen vieler seiner religiösen Spätwerke wird die Drammatik von Armidas versuchtem Selbstmord verstärkt durch den düsteren Hintergrund.
Das Verschleiern von Rinaldos Augenausdruck durch den Schatten, der durch den Helm entsteht, zwingt den Betrachter, Armidas von Emotionen bewegtes Gesicht zu betrachten, ihre blasse Figur, die durch Komposition und dunklen Hintergrund aus dem Bild hervortritt. In diesem neu entdeckten Bild überrascht die Fülle an meisterlich ausgeführten Details. Guercino triumphiert bravourös über malerische Herausforderungen wie etwa Rinaldos glänzenden, gefiederten Helm und Armidas abgelegte Rüstung, ihren Köcher mit Pfeilen (obgleich ohne Bogen), ihrem Schwert und Harnisch, alles zusammen aufgetürmt zu einer Waffentrophäe unten rechts im Bild. Wie bereits erwähnt, war einer der Räume in der Casa Pannini, das sogenannte ‘Venuszimmer’, ursprünglich mit neun Fresken der Geschichte von Rinaldo und Armida dekoriert, die sich jetzt in der Pinacoteca Civica in Cento befinden. In Guercinos Bild ‘Rinaldo hält Armida zurück’, das sich in der Casa Pannini befand, erscheinen die beiden Protagonisten ganzfigurig in einer offenen Landschaft. Rinaldo hält Armida zurück, indem er von hinten auf sie zukommt und ihren rechten Unterarm mit seiner rechten Hand hält. Ihr Köcher mit Pfeilen und der Bogen liegen am Boden zu ihren Füßen. Im vorliegenden Bild steht Rinaldo seitlich von Armida, um ihre furchtbaren Absichten zu vereiteln. Aber trotz dieser Unterschiede in der Behandlung des Sujets gibt es einige interessante Gemeinsamkeiten, insbesondere in Bezug auf die Körperhaltung und die Beleuchtung Armidas. Im frühen Fresko neigt sie ebenso leicht kokett ihren Kopf nach rechts und streckt ihre beiden Arme zur Seite aus, als ob sie fliegen wollte. Sogar ihre Kleidung ist ähnlich, etwa die hohe Taille und die umgebundene Schärpe. Ihr Gesicht wird jeweils von links beleuchtet, sodass ihre rechte Körperhälfte verschattet ist. Es gibt zwei erhaltene Vorzeichnungen zum Thema ‘Rinaldo hält Armida ab.’
Die erste befindet sich in der Christ Church Picture Gallery, Oxford, (Abb. 2) und steht eher mit dem vorliegenden Gemälde in Zusammenhang. Diese Zeichnung in Feder und Tusche wurde von Denis Mahon, Massimo Pulini und anderen (6) zunächst mit einem Gemälde der Schule von Guercino im Palazzo Montecitorio in Rom in Verbindung gebracht, welches sich derzeit im Depot des Museums Capodimonte in Neapel befindet. Dieses basiert auf einem noch immer verschollenen Gemälde Guercinos. Die Zeichnung ist typisch für Guercinos kraftvolle, schnell gezeichnete Studien seiner späten Schaffenszeit. Interessanterweise zeigt die Christ Church Studie die Figuren fast ganzfigurig, die obere Körperhälfte Armidas ist entblößt, woraus man schließen könnte, dass Pepoli zuerst ein ganzfiguriges Bild in Auftrag gegeben hat, was aber später vom Meister krankheitsbedingt abgelehnt wurde. Wie im ausgeführten Gemälde steht Rinaldo seitlich von Armida, auf gleicher Ebene, fast wie bei einem Tanz, und er hält Armida ab von ihrem ungestümen Versuch, sich selbst Schaden zuzufügen. Bezeichnenderweise macht er dies mit beiden Armen, wie im Gemälde. Naturgemäß bildet das Innehalten in in ihrer Tat eine Klimax im Epos: ‘già la fera punta al petto stende’. Obwohl zweifellos von Guercino, ist ein direkter Zusammenhang zwischen dem vorliegenden, neu entdeckten Gemälde und der zweiten Zeichnung weniger deutlich. Diese Rötelzeichnung befindet sich in der Brera in Mailand (Abb. 1) und wurde von Denis Mahon und Prisco Bagni als eine Studie zu dem verlorenen Bild identifiziert(7). Rinaldo hält hier Armidas Unterarm mit nur einer Hand, sein Unterarm ist eher unter dem von Armida als nicht darüber. Sie beugt ihren linken Arm und stützt ihn auf ihre Taille, weist also kaum zurück auf die Waffen hinter ihr. Diese beiden Charakteristika finden sich im römischen Bild, welches unter Guercinos Aufsicht entstand, sehr wahrscheinlich zur gleichen Zeit, als der Meister sein eigenes Bild dieses Themas ausführte.

Wir danken Professor Nicolas Turner für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Provenienz: Im Jahr 1664 bezahlte Ugucione (Odoccione) Pepoli Guercino für ein Gemälde mit Rinaldo und Armida(Guercino Rechnungsbuch, 24. Oktober 1664 ‘Dal Ill: mo Sig: r Co: Odoccione Peppoli si e auto per il quadro di Rinaldo e Armida Ducatoni Cento. Che fanno L 500 - che sono Scudi Wahrscheinlich blieb es in Bologna bis es von Girolamo Manfrin im späten 18. Jahrhundert erworben wurde. Zwischen ca. 1795 und 1897 war das Gemälde in der Manfrin Sammlung, Venedig (der Sammlungsstempel war auf der Rückseite der doublierten Leinwand). Girolamo Manfrin (Zara 1742 – 1801 Venedig) kaufte das Bild in Bologna vor 1801 (seinem Todesjahr), aber sicherlich nach 1794, da das Gemälde nicht im Katalog der Sammlung aus dem Jahr 1794 aufscheint. Man weiß aus seiner Korrespondenz, dass Girolamo Manfrin mit dem bolognesischen Kunsthändler Giovanni Maria Sasso (ca. 1735–1803) in Kontakt war. Das vorliegende Gemälde ist angeführt im Inventar der Sammlung von Nicoletti und ist wie folgt beschrieben als äGio. Francesco Barbieri, detto il Guercino da Cento: Rinaldo che trattiene il braccio ad Armida, mentre questa sta per trafiggersi il seno denudato con un dardo. Mezze figure grandi al vero’. Die berühmte Manfrin Sammlung befand sich im Palazzo Priuli Manfrin in Cannaregio, Venedig und beinhaltete Meisterwerke von Tizian, Giorgione, Jacopo Bassano und Tintoretto. Girolamo Manfrin wurde von einem Kunsthändler namens Giovanni Antonio Armano wie folgt beschrieben: “l’unico che spenda in belle arti a Venezia’, sein spezielles Interesse galt der Malerei. (8) Manfrin erwarb sein Vermögen durch den Handel mit Tabak und wurde von Pius VII im Jahr 1801 zum Marquis ernannt. 1788kaufte er den Palazzo der Familie Priuli, um seine wachsende Sammlung unterzubringen und eröffnete eine Galerie, die Moschini 1806 wie folgt beschreibt: ‘dè più sperti pennelli, incominciando dà pittori primi ed a nostri giorni discendendo; ed era di lui pensiero, se la morte non lo avesse troppo presto mietuto, di offerire di mano in mano tele de diversi tempi e delle diverse scuole, perchè vi si potessero a un colpo d’occhio riconoscere gli scapiti i vantaggi, che nella varie età, ebbe quest’arte’ (9). 1897 organisierte der Kunsthändler Giulio Sambon eine Auktion in Mailand, um Teile der Manfrin Sammlung zu verkaufen. Das Gemälde ist im Auktionskatalog angeführt als Guercino ‘Rinaldo trattiene il braccio ad Armida mentre questa sta per trafiggersi con un dardo’. (10)

Fußnoten/Footnotes: (1) P. Bagni, Guercino a Cento, Le decorazioni di Casa Pannini, Bologna, 1984, p. 164, fig. 129. For a general discussion of the decoration of this room, see pp. 141 ff. (2) B. Ghelfi, Il libro dei conti del Guercino, 1629–1666, Bologna, 1997, p. 197, no. 587. (3) C. C. Malvasia, Felsina Pittrice, Vite dei Pittori Bolognesi, Bologna, 1841, II, p. 272. (4) Malvasia, 1841, II, p. 271mentions that, in November, 1661, the painter: ‘fu sovrapreso da un grandissimo mal di punta, che stette quasi per morire, ma con l’aiuto di molte cavate di sangue si riebbeö (5) L. Salerno, I dipinti del Guercino, Rome, 1988, p. 402, no. 342. (6) Oxford: Christ Church Picture Gallery: inv. no. 0578; pen and brown ink. 235 x 192 (J. Byam Shaw, Drawings by Old Masters at Christ Church, Oxford, Oxford, 1976, I, p. 261, repr. II, fig. 602). See also D. Mahon, a cura di, Guercino, Poesia e Sentimento nella Pittura del ‘600, exh. cat., Palazzo Reale, Milan, September, 2003 to January, 2004, p. 236, under no. 78. (7) P. Bagni, Disegni emiliani dei secoli XVII - XVIII della Pinacoteca di Brera, a cura di Daniele Pescarmona, Milan 1995, no. 24, p. 109, inv. no.15; red chalk; 200 x 245 mm. (8) L. Borean, Il caso Manfrin in Il collezionismo d’arte a Venezia. Il Settecento, a cura di L. Borean e S. Mason, Venezia 2009, pp. 193–216. (9) G. Moschini, Della letteratura veneziana del secolo XVIII fino ai nostri giorni, Venezia 1806–1808, vol. 2, 1806, p. 107. (10) Catalogo della Galleria Manfrin. Quadri di celebri autori italiani e olandesi, Milano 1897 (Sale Giulio Sambon, Milan, as Guercino), p. 27 n. 38.

Provenienz: Ugucione (Odoccione) Pepoli, 1664; Sammlung Girolamo Manfrin, Venezia, ca. 1795–1897; Versteigert: Giulio Sambone, Mailand 1897; Europäische Privatsammlung Literatur: G. Nicoletti, Pinacoteca Manfrin a Venezia, Venedig 1872, p. 23, n. 103 (

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
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21.04.2010 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 1.042.300,-
Schätzwert:
EUR 400.000,- bis EUR 600.000,-

Giovanni Francesco Barbieri, il Guercino


(Cento 1591–1666 Bologna) Rinaldo hält Armida ab, sich mit einem Pfeil zu töten, (1664) Öl auf Leinwand 113,5 x 153,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Ugucione (Odoccione) Pepoli, 1664;
Sammlung Girolamo Manfrin, Venezia, ca. 1795–1897;
Versteigert: Giulio Sambone, Mailand 1897;
Europäische Privatsammlung

Literatur: G. Nicoletti, Pinacoteca Manfrin a Venezia, Venedig 1872, p. 23, n. 103 (als Guercino); Catalogo della Galleria Manfrin. Quadri di celebri autori italiani e olandesi, Milano 1897, p. 27 n. 38 (Sale Giulio Sambon, Milan, as Guercino); B. Ghelfi, Il libro dei conti del Guercino, 1629–1666, Bologna 1997, p. 197, no. 587.

Gutachten: Wir danken Professor Nicolas Turner für die volle Bestätigung der Zuschreibung an Giovanni Francesco Barbieri, Il Guercino (schriftliche Mitteilung).

Dieses schöne, neu entdeckte halbfigurige Gemälde von Guercino stellt Rinaldo dar, der Armida abhält, sich mit einem Pfeil selbst zu töten. Es ist das letzte bekannte Werk mit profanem Sujet, das Guercino malte und als solches ein sehr wichtiger Beitrag zu seinem Oevre. Die Liebenden Rinaldo und Armida sind die Hauptfiguren des italienischen Epos ‘Das befreite Jerusalem’ von Torquato Tasso (1544–1595), eine idealisierte Erzählung des ersten Kreuzzuges. Rinaldo ist ein christlicher Prinz, Armida eine schöne Zauberin, die vom Teufel geschickt wurde, um sich mit den Sarazenen zu verbünden und mit ihrer Magie die Pläne der Kreuzfahrer zunichte zu machen. Das Werk beschließt die fruchtbare Tätigkeit Guercinos als Maler profaner Themen, die er bereits 50 Jahre zuvor mit der Freskierung der Casa Pannini, einer kleinen Villa außerhalb von Cento, zwischen 1615–17, begann Zufälligerweise wurde einer der Räume mit Geschichten von Rinaldo und Armida ausgeschmückt. Die vorletzte Szene zeigt Rinaldo, der Armida zurückhält - das gleiche Sujet wie im vorliegenden Bild (1). Diese Fresken wurden abgenommen und befinden sich heute in der Pinacoteca Civica in Cento. Das vorliegende Bild mit Rinaldo und Armida findet wie folgt in Guercinos Rechnungsbuch Erwähnung, mit Datum 24. Oktober 1664: ‘Dal Ill: mo Sig: r Co: odoccione Peppoli si e auto per il quadro di Rinaldo e Armida Ducatoni Cento. Che fanno L 500 - che sono Scudi 125 (2). Zur selben Zeit beauftragte Conte Pepoli ein Bild mit ‘puttini’, was zu einer weiteren möglichen Erwähnung des Gemäldes durch seinen Biographen, den Conte Carlo Cesare Malvasia, im Jahr 1664 führt. Malvasia berichtet über die Vereinbarungen des Malers:’Diverse figure per li signori Pepoli, e mezze figure, e puttini’. Mit den ‘mezze figure’, den Halbfiguren könnte das Bild mit Rinaldo and Armida gemeint sein(3). Das Gemälde galt lange Zeit als verloren und seine Wiederentdeckung ist von großem Interesse für das Verständnis der Stilentwicklung der späten Schaffensperiode Guercinos. Die Präzision der Zeichnung und ausgezeichnete Beherrschung der malerischen Ausführung lassen es kaum glauben, dass der Künstler bereits 73 Jahre alt war, als er das Bild malte. Trotz seines fortgeschrittenen Alters und einer schweren Krankheit etwa drei Jahre zuvor, die er laut Malvasia fast nicht überlebt hätte, ist die Qualität so hoch wie in den besten seiner Spätwerke(4). Was die Anordnung der Figuren, Farbgebung, Licht und Gesamtkonzept betrifft, steht dem vorliegenden Gemälde das große Altarbild mit Thomas von Aquin für die Kirche San Domenico in Bologna am nächsten, das in den Jahren 1663–63 entstand und sich immer noch vor Ort befindet(5). Man kann einige interessante Analogien erkennen, etwa bei Kopfhaltung und Gesichtsausdruck von Dominikus und Armida. Zudem haben einige der Engel im Altarbild schlaffe, in die Länge gezogene Gliedmaßen wie Armidas lange, ausgestreckte Arme. In beiden Gemälden sind die Falten der Draperie nicht so tief wie in den oft dramatisch beleuchteten Gewändern der Figuren in Guercinos Gemälden der 1630er und 40er Jahre, sondern leicht abgeflacht und vereinfacht in beinahe abstrakte Muster. Das vorliegende Gemälde war gedacht als Galeriebild und sollte den Betrachter in seinen Bann ziehen. In Kontrast zu den gleichmäßig ausgeleuchteten Darstellungen und gedämpften pastelligen Schattierungen vieler seiner religiösen Spätwerke wird die Drammatik von Armidas versuchtem Selbstmord verstärkt durch den düsteren Hintergrund.
Das Verschleiern von Rinaldos Augenausdruck durch den Schatten, der durch den Helm entsteht, zwingt den Betrachter, Armidas von Emotionen bewegtes Gesicht zu betrachten, ihre blasse Figur, die durch Komposition und dunklen Hintergrund aus dem Bild hervortritt. In diesem neu entdeckten Bild überrascht die Fülle an meisterlich ausgeführten Details. Guercino triumphiert bravourös über malerische Herausforderungen wie etwa Rinaldos glänzenden, gefiederten Helm und Armidas abgelegte Rüstung, ihren Köcher mit Pfeilen (obgleich ohne Bogen), ihrem Schwert und Harnisch, alles zusammen aufgetürmt zu einer Waffentrophäe unten rechts im Bild. Wie bereits erwähnt, war einer der Räume in der Casa Pannini, das sogenannte ‘Venuszimmer’, ursprünglich mit neun Fresken der Geschichte von Rinaldo und Armida dekoriert, die sich jetzt in der Pinacoteca Civica in Cento befinden. In Guercinos Bild ‘Rinaldo hält Armida zurück’, das sich in der Casa Pannini befand, erscheinen die beiden Protagonisten ganzfigurig in einer offenen Landschaft. Rinaldo hält Armida zurück, indem er von hinten auf sie zukommt und ihren rechten Unterarm mit seiner rechten Hand hält. Ihr Köcher mit Pfeilen und der Bogen liegen am Boden zu ihren Füßen. Im vorliegenden Bild steht Rinaldo seitlich von Armida, um ihre furchtbaren Absichten zu vereiteln. Aber trotz dieser Unterschiede in der Behandlung des Sujets gibt es einige interessante Gemeinsamkeiten, insbesondere in Bezug auf die Körperhaltung und die Beleuchtung Armidas. Im frühen Fresko neigt sie ebenso leicht kokett ihren Kopf nach rechts und streckt ihre beiden Arme zur Seite aus, als ob sie fliegen wollte. Sogar ihre Kleidung ist ähnlich, etwa die hohe Taille und die umgebundene Schärpe. Ihr Gesicht wird jeweils von links beleuchtet, sodass ihre rechte Körperhälfte verschattet ist. Es gibt zwei erhaltene Vorzeichnungen zum Thema ‘Rinaldo hält Armida ab.’
Die erste befindet sich in der Christ Church Picture Gallery, Oxford, (Abb. 2) und steht eher mit dem vorliegenden Gemälde in Zusammenhang. Diese Zeichnung in Feder und Tusche wurde von Denis Mahon, Massimo Pulini und anderen (6) zunächst mit einem Gemälde der Schule von Guercino im Palazzo Montecitorio in Rom in Verbindung gebracht, welches sich derzeit im Depot des Museums Capodimonte in Neapel befindet. Dieses basiert auf einem noch immer verschollenen Gemälde Guercinos. Die Zeichnung ist typisch für Guercinos kraftvolle, schnell gezeichnete Studien seiner späten Schaffenszeit. Interessanterweise zeigt die Christ Church Studie die Figuren fast ganzfigurig, die obere Körperhälfte Armidas ist entblößt, woraus man schließen könnte, dass Pepoli zuerst ein ganzfiguriges Bild in Auftrag gegeben hat, was aber später vom Meister krankheitsbedingt abgelehnt wurde. Wie im ausgeführten Gemälde steht Rinaldo seitlich von Armida, auf gleicher Ebene, fast wie bei einem Tanz, und er hält Armida ab von ihrem ungestümen Versuch, sich selbst Schaden zuzufügen. Bezeichnenderweise macht er dies mit beiden Armen, wie im Gemälde. Naturgemäß bildet das Innehalten in in ihrer Tat eine Klimax im Epos: ‘già la fera punta al petto stende’. Obwohl zweifellos von Guercino, ist ein direkter Zusammenhang zwischen dem vorliegenden, neu entdeckten Gemälde und der zweiten Zeichnung weniger deutlich. Diese Rötelzeichnung befindet sich in der Brera in Mailand (Abb. 1) und wurde von Denis Mahon und Prisco Bagni als eine Studie zu dem verlorenen Bild identifiziert(7). Rinaldo hält hier Armidas Unterarm mit nur einer Hand, sein Unterarm ist eher unter dem von Armida als nicht darüber. Sie beugt ihren linken Arm und stützt ihn auf ihre Taille, weist also kaum zurück auf die Waffen hinter ihr. Diese beiden Charakteristika finden sich im römischen Bild, welches unter Guercinos Aufsicht entstand, sehr wahrscheinlich zur gleichen Zeit, als der Meister sein eigenes Bild dieses Themas ausführte.

Wir danken Professor Nicolas Turner für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Provenienz: Im Jahr 1664 bezahlte Ugucione (Odoccione) Pepoli Guercino für ein Gemälde mit Rinaldo und Armida(Guercino Rechnungsbuch, 24. Oktober 1664 ‘Dal Ill: mo Sig: r Co: Odoccione Peppoli si e auto per il quadro di Rinaldo e Armida Ducatoni Cento. Che fanno L 500 - che sono Scudi Wahrscheinlich blieb es in Bologna bis es von Girolamo Manfrin im späten 18. Jahrhundert erworben wurde. Zwischen ca. 1795 und 1897 war das Gemälde in der Manfrin Sammlung, Venedig (der Sammlungsstempel war auf der Rückseite der doublierten Leinwand). Girolamo Manfrin (Zara 1742 – 1801 Venedig) kaufte das Bild in Bologna vor 1801 (seinem Todesjahr), aber sicherlich nach 1794, da das Gemälde nicht im Katalog der Sammlung aus dem Jahr 1794 aufscheint. Man weiß aus seiner Korrespondenz, dass Girolamo Manfrin mit dem bolognesischen Kunsthändler Giovanni Maria Sasso (ca. 1735–1803) in Kontakt war. Das vorliegende Gemälde ist angeführt im Inventar der Sammlung von Nicoletti und ist wie folgt beschrieben als äGio. Francesco Barbieri, detto il Guercino da Cento: Rinaldo che trattiene il braccio ad Armida, mentre questa sta per trafiggersi il seno denudato con un dardo. Mezze figure grandi al vero’. Die berühmte Manfrin Sammlung befand sich im Palazzo Priuli Manfrin in Cannaregio, Venedig und beinhaltete Meisterwerke von Tizian, Giorgione, Jacopo Bassano und Tintoretto. Girolamo Manfrin wurde von einem Kunsthändler namens Giovanni Antonio Armano wie folgt beschrieben: “l’unico che spenda in belle arti a Venezia’, sein spezielles Interesse galt der Malerei. (8) Manfrin erwarb sein Vermögen durch den Handel mit Tabak und wurde von Pius VII im Jahr 1801 zum Marquis ernannt. 1788kaufte er den Palazzo der Familie Priuli, um seine wachsende Sammlung unterzubringen und eröffnete eine Galerie, die Moschini 1806 wie folgt beschreibt: ‘dè più sperti pennelli, incominciando dà pittori primi ed a nostri giorni discendendo; ed era di lui pensiero, se la morte non lo avesse troppo presto mietuto, di offerire di mano in mano tele de diversi tempi e delle diverse scuole, perchè vi si potessero a un colpo d’occhio riconoscere gli scapiti i vantaggi, che nella varie età, ebbe quest’arte’ (9). 1897 organisierte der Kunsthändler Giulio Sambon eine Auktion in Mailand, um Teile der Manfrin Sammlung zu verkaufen. Das Gemälde ist im Auktionskatalog angeführt als Guercino ‘Rinaldo trattiene il braccio ad Armida mentre questa sta per trafiggersi con un dardo’. (10)

Fußnoten/Footnotes: (1) P. Bagni, Guercino a Cento, Le decorazioni di Casa Pannini, Bologna, 1984, p. 164, fig. 129. For a general discussion of the decoration of this room, see pp. 141 ff. (2) B. Ghelfi, Il libro dei conti del Guercino, 1629–1666, Bologna, 1997, p. 197, no. 587. (3) C. C. Malvasia, Felsina Pittrice, Vite dei Pittori Bolognesi, Bologna, 1841, II, p. 272. (4) Malvasia, 1841, II, p. 271mentions that, in November, 1661, the painter: ‘fu sovrapreso da un grandissimo mal di punta, che stette quasi per morire, ma con l’aiuto di molte cavate di sangue si riebbeö (5) L. Salerno, I dipinti del Guercino, Rome, 1988, p. 402, no. 342. (6) Oxford: Christ Church Picture Gallery: inv. no. 0578; pen and brown ink. 235 x 192 (J. Byam Shaw, Drawings by Old Masters at Christ Church, Oxford, Oxford, 1976, I, p. 261, repr. II, fig. 602). See also D. Mahon, a cura di, Guercino, Poesia e Sentimento nella Pittura del ‘600, exh. cat., Palazzo Reale, Milan, September, 2003 to January, 2004, p. 236, under no. 78. (7) P. Bagni, Disegni emiliani dei secoli XVII - XVIII della Pinacoteca di Brera, a cura di Daniele Pescarmona, Milan 1995, no. 24, p. 109, inv. no.15; red chalk; 200 x 245 mm. (8) L. Borean, Il caso Manfrin in Il collezionismo d’arte a Venezia. Il Settecento, a cura di L. Borean e S. Mason, Venezia 2009, pp. 193–216. (9) G. Moschini, Della letteratura veneziana del secolo XVIII fino ai nostri giorni, Venezia 1806–1808, vol. 2, 1806, p. 107. (10) Catalogo della Galleria Manfrin. Quadri di celebri autori italiani e olandesi, Milano 1897 (Sale Giulio Sambon, Milan, as Guercino), p. 27 n. 38.

Provenienz: Ugucione (Odoccione) Pepoli, 1664; Sammlung Girolamo Manfrin, Venezia, ca. 1795–1897; Versteigert: Giulio Sambone, Mailand 1897; Europäische Privatsammlung Literatur: G. Nicoletti, Pinacoteca Manfrin a Venezia, Venedig 1872, p. 23, n. 103 (

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 21.04.2010 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 10.04. - 21.04.2010


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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