Lot Nr. 525


Giovanni Francesco Barbieri, gen. Guercino


Giovanni Francesco Barbieri, gen. Guercino - Alte Meister

(Cento 1591–1666 Bologna)
Der heilige Petrus,
Öl auf Leinwand, 107 x 88 cm, gerahmt

Provenienz:
Europäische Privatsammlung

Literatur:
B. Ghelfi (Hg.), Il Libro dei Conti del Guercino, 1629–1666, Venedig 1997, S. 139, Nr. 389

Wir danken Nicholas Turner, der die Zuschreibung nach Prüfung des Gemäldes im Original bestätigt hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung.

Bei dem vorliegenden Werk handelt es sich um die „mezza figura del San Pietro Apostolo“, für die Francesco Guiduzzi am 4. April 1648 den Betrag von 60 Dukaten bzw. 75 Scudi bezahlte – Guercinos Standardpreis für ein Gemälde auf Leinwand dieses Formats (siehe Literatur). Guiduzzi trat als Agent eines unbekannten Mäzens, eines gewissen „Gentiluomo Venetiano“, auf, dessen Identität im Dunklen bleibt. Camillo Manzitti hat in Erwägung gezogen, dass es sich bei dem anonymen venezianischen Aufraggeber, der den halbfigurigen Heiligen Petrus bestellte, um Abbate Panico handeln könnte, der 1644 das halbfigurige Gemälde des Heiligen Paulus, welches sich heute in der Sammlung Mainetti in Rom befindet, bezahlte (siehe L. Salerno, I dipinti del Guercino, Rom 1988, S. 208), zumal die beiden Bilder einander größenmäßig in etwa entsprechen. Der Auffassung Turners zufolge scheinen die beiden Gemälde jedoch nicht zueinander zu gehören; der Heilige Paulus ist sitzend und weiter in den Hintergrund gerückt dargestellt als der stehende Heilige Petrus des vorliegenden Gemäldes, sodass die beiden Figuren einander eigentlich nicht ergänzen.

Stilistisch fügt sich das vorliegende Gemälde genau in Guercinos mittlere Bologneser Zeit (1642–1666), wofür die bemerkenswerte Ähnlichkeit zur seitenverkehrten halbfigurigen Darstellung des Heiligen Josef in der Pinacoteca Nazionale, Bologna, spricht (siehe N. Turner, The Paintings of Guercino, Rom 2017, S. 652, Nr. 363). Die Übereinstimmung mit der Haltung des Heiligen Petrus ist augenfällig: das nach oben geneigte Haupt mit dem ähnlich flachen Gesicht und Bart, der andächtige Blick, die leichte Drehung der Schultern in den Bildraum, und die in tiefer Frömmigkeit auf die Brust gelegte Hand.

Beim vorliegenden Heiligen Petrus ist der lebhafte Farbkontrast zwischen Ultramarinblau und Orangebraun im Gewand des Heiligen eines der auffälligsten Merkmale. Eine weitere Fassung des Heiligen Petrus, auf der er ebenfalls als Halbfigur dargestellt ist und die nahezu dieselben Maße aufweist (113 x 92,5 cm), befand sich 1991 mit einer Zuschreibung an Guercino auf dem Pariser Kunstmarkt, wo sie von Guy und Hélène Motais de Narbonne erworben wurde (Auktion, Ader-Tajan, Paris, 18. Dezember 1991, Lot 11). Im Jahr 2010 war diese als Werk Guercinos in einer Ausstellung im Louvre vertreten (siehe S. Loire, in: Musée du Louvre. La Collection Motais de Narbonne: Tableaux français et italiens des XVIIe et XVIIIe siècles, Ausstellungskatalog, hg. von S. Loire/H. Loyrette, Paris 2010, Nr. 39, als Guercino). Die Wiederentdeckung des vorliegenden Bildes wirft die Frage auf, wie das Vorhandensein so vieler Versionen in Guercinos gemaltem Oeuvre zu deuten ist. Die Verwendung von kostspieligem Ultramarin für das Gewand des heiligen Petrus in beiden Fassungen verwundert. Turner argumentiert, dass es sich bei der Motais-de-Narbonne-Fassung um einen „Versuchsballon“ für das vorliegende Bild gehandelt haben könnte, der danach in der Werkstatt überarbeitet wurde. Ein Hinweis dafür wäre die linke Hand des Heiligen mit dem Schlüssel, die auf der Motais-de-Narbonne-Fassung nicht ganz zu Ende ausgeführt ist; auch das Fehlen von Glanzlichtern im Bereich des lockigen Haars des Heiligen, die sich auf der vorliegenden Fassung sehr wohl finden, spricht dafür, dass das andere Bild nicht vollendet wurde.

30.04.2019 - 17:00

Erzielter Preis: **
EUR 125.300,-
Schätzwert:
EUR 30.000,- bis EUR 50.000,-

Giovanni Francesco Barbieri, gen. Guercino


(Cento 1591–1666 Bologna)
Der heilige Petrus,
Öl auf Leinwand, 107 x 88 cm, gerahmt

Provenienz:
Europäische Privatsammlung

Literatur:
B. Ghelfi (Hg.), Il Libro dei Conti del Guercino, 1629–1666, Venedig 1997, S. 139, Nr. 389

Wir danken Nicholas Turner, der die Zuschreibung nach Prüfung des Gemäldes im Original bestätigt hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung.

Bei dem vorliegenden Werk handelt es sich um die „mezza figura del San Pietro Apostolo“, für die Francesco Guiduzzi am 4. April 1648 den Betrag von 60 Dukaten bzw. 75 Scudi bezahlte – Guercinos Standardpreis für ein Gemälde auf Leinwand dieses Formats (siehe Literatur). Guiduzzi trat als Agent eines unbekannten Mäzens, eines gewissen „Gentiluomo Venetiano“, auf, dessen Identität im Dunklen bleibt. Camillo Manzitti hat in Erwägung gezogen, dass es sich bei dem anonymen venezianischen Aufraggeber, der den halbfigurigen Heiligen Petrus bestellte, um Abbate Panico handeln könnte, der 1644 das halbfigurige Gemälde des Heiligen Paulus, welches sich heute in der Sammlung Mainetti in Rom befindet, bezahlte (siehe L. Salerno, I dipinti del Guercino, Rom 1988, S. 208), zumal die beiden Bilder einander größenmäßig in etwa entsprechen. Der Auffassung Turners zufolge scheinen die beiden Gemälde jedoch nicht zueinander zu gehören; der Heilige Paulus ist sitzend und weiter in den Hintergrund gerückt dargestellt als der stehende Heilige Petrus des vorliegenden Gemäldes, sodass die beiden Figuren einander eigentlich nicht ergänzen.

Stilistisch fügt sich das vorliegende Gemälde genau in Guercinos mittlere Bologneser Zeit (1642–1666), wofür die bemerkenswerte Ähnlichkeit zur seitenverkehrten halbfigurigen Darstellung des Heiligen Josef in der Pinacoteca Nazionale, Bologna, spricht (siehe N. Turner, The Paintings of Guercino, Rom 2017, S. 652, Nr. 363). Die Übereinstimmung mit der Haltung des Heiligen Petrus ist augenfällig: das nach oben geneigte Haupt mit dem ähnlich flachen Gesicht und Bart, der andächtige Blick, die leichte Drehung der Schultern in den Bildraum, und die in tiefer Frömmigkeit auf die Brust gelegte Hand.

Beim vorliegenden Heiligen Petrus ist der lebhafte Farbkontrast zwischen Ultramarinblau und Orangebraun im Gewand des Heiligen eines der auffälligsten Merkmale. Eine weitere Fassung des Heiligen Petrus, auf der er ebenfalls als Halbfigur dargestellt ist und die nahezu dieselben Maße aufweist (113 x 92,5 cm), befand sich 1991 mit einer Zuschreibung an Guercino auf dem Pariser Kunstmarkt, wo sie von Guy und Hélène Motais de Narbonne erworben wurde (Auktion, Ader-Tajan, Paris, 18. Dezember 1991, Lot 11). Im Jahr 2010 war diese als Werk Guercinos in einer Ausstellung im Louvre vertreten (siehe S. Loire, in: Musée du Louvre. La Collection Motais de Narbonne: Tableaux français et italiens des XVIIe et XVIIIe siècles, Ausstellungskatalog, hg. von S. Loire/H. Loyrette, Paris 2010, Nr. 39, als Guercino). Die Wiederentdeckung des vorliegenden Bildes wirft die Frage auf, wie das Vorhandensein so vieler Versionen in Guercinos gemaltem Oeuvre zu deuten ist. Die Verwendung von kostspieligem Ultramarin für das Gewand des heiligen Petrus in beiden Fassungen verwundert. Turner argumentiert, dass es sich bei der Motais-de-Narbonne-Fassung um einen „Versuchsballon“ für das vorliegende Bild gehandelt haben könnte, der danach in der Werkstatt überarbeitet wurde. Ein Hinweis dafür wäre die linke Hand des Heiligen mit dem Schlüssel, die auf der Motais-de-Narbonne-Fassung nicht ganz zu Ende ausgeführt ist; auch das Fehlen von Glanzlichtern im Bereich des lockigen Haars des Heiligen, die sich auf der vorliegenden Fassung sehr wohl finden, spricht dafür, dass das andere Bild nicht vollendet wurde.


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 30.04.2019 - 17:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 20.04. - 30.04.2019


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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