Lot Nr. 555 -


Stefano Magnasco


Stefano Magnasco - Alte Meister

(Genua um 1632–1672)
Die Vision des heiligen Ludwig IX. von Frankreich,
Öl auf Leinwand, 136 x 113 cm, gerahmt

Provenienz:
Auktion, Genua, 1977;
Privatsammlung, Genua bis 2018;
Kunstmarkt;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Literatur:
G. Biavati Frabetti, Preliminari per Stefano Magnasco, in: Paragone, 1984, Nr. 409, S. 29f., Anm. 45, Tafel 27;
C. Manzitti, Magnasco Stefano, in: La Pittura in Italia. Il Seicento, Mailand 1989, S. 797;
F. Lamera, Stefano Magnasco, in: E. Gavazza et al., La pittura in Liguria, Il secondo Seicento, Genua 1990, S. 427;
G. Biavati, in: Genova nell’ Étà Barocca, Ausstellungskatalog, Bologna 1992, S. 220

Wir danken Anna Orlando für ihre Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes. Orlando datiert das Werk um 1656–1660 (schriftliche Mitteilung).

Giuliana Biavati, von der die erste kritische Studie zu Stefano Magnasco stammt (siehe Literatur 1984), war die Erste, die für das vorliegende Gemälde, das viele Bezüge zur genuesischen Kultur aufweist, die auch hier ins Auge gefasste Datierung vorgeschlagen hat. Die Komposition entspricht der in Genua nach 1650 übernommenen Typologie des Altarbilds. Die Darstellung des Engels folgt einer dem späten genuesischen Manierismus entliehenen Formel. Sie kontrastiert mit der höchst eigenwilligen Erscheinung des knienden Heiligen, der mit der gesamten Intensität eines Porträts ins Bild gesetzt zu sein scheint. Diese Figur weist Ähnlichkeiten mit Werken der genuesischen Porträtkunst von van Dyck bis Carbone auf.

Der Heilige ist in kostbare Gewänder gehüllt und trägt einen Hermelinkragen. Die pastose Malweise macht dieses Werk vielleicht zu dem am meisten dem Wesen des Barocks entsprechenden Bild im gesamten Œuvre des Künstlers. Selbst die zerknitterten Seiten des auf dem Boden liegenden Buches ‒ vermutlich das Libro dei Mestieri, für dessen Entstehung Propst Stefano Boileau verantwortlich war, der im Auftrag Ludwigs des Heiligen Königs handelte ‒ werden durch das Bad im göttlichen Licht belebt. Die sich jenseits des Gesimses in der Öffnung zur Landschaft hin rechts staffelnden Bilder evozieren möglicherweise die Niederlage des Königs beim Kreuzzug oder die Bakterienruhr, der er 1270 vor Tunis zum Opfer fiel. Stefano Magnasco bediente sich oft dieser Form untergeordneter Episoden, um seine Werke erzählerisch einzubetten. Diese komplexe bildliche und kulturelle Schichtung lässt vermuten, dass das vorliegende Gemälde einer relativ späten Periode im Schaffen des Künstlers zuzurechnen ist.

Das ungewöhnliche Thema des vorliegenden Gemäldes könnte auf einen besonderen Auftrag verweisen. Im Seicento erwarben Franzosen häufig Patronanzrechte für Kapellen in Genua, wobei sie franziskanischen Kirchen den Vorzug gaben, und widmeten diese ihrem Schutzherrn Ludwig dem Heiligen; in Rom war es gleich eine ganze Kirche: San Luigi dei Francesi. In der genuesischen Kirche Annunziata del Vasto zum Beispiel wurde die heute noch bestehende Kapelle San Luigi dei Francesi 1662 von der Familie Invrea erworben. Dieser Zeitpunkt könnte auch als Datierung für das vorliegende Gemälde Stefano Magnascos zutreffen. Wahrscheinlich war es als Altarbild für eine französische Kapelle in einer franziskanischen Kirche in Genua oder ‒ wenn man seinen Abmessungen Gewicht einräumt ‒ für eine der Handwerkergilden der Stadt gedacht, die Ludwig den Heiligen zu ihrem Schutzpatron erkoren hatten. Beispiele für solche Zünfte waren die der Zimmerer und Maurer, der Kurzwarenhersteller, der Schneider und Sticker, der Band- und Knopfmacher, der Hersteller sakralen Schmucks sowie der Fischer, Barbiere und Perückenmacher.

Ikonografie und Stil des vorliegenden Gemäldes legen eine Entstehungszeit nach 1660 nahe. Ludwig der Heilige starb, wie erwähnt, vor Tunis an einer Seuche: Im rechten Hintergrund sind mögliche Hinweise auf die Epidemie auszunehmen, die damals auch in Genua wütete. Der Auftrag, dieses Thema zum Gegenstand einer Komposition zu machen, mag mit diesem Ereignis in Zusammenhang stehen.

Stefano Magnasco, der Vater Alessandros, wurde um 1635 in Genua geboren und lernte bei Valerio Castello. Um die Zeit, in der 1656 in Genua die Seuche ausbrach, ging der Künstler nach Rom, wo er bis 1660 blieb. Das Schaffen aus seinem letzten Lebensjahrzehnt (1660‒1672) konfrontiert uns mit einer völlig gewandelten Bildsprache: Die weiche Pinselführung, die ihm Valerio Castello vermittelt hatte, gab Magnasco zugunsten einer größeren skulpturalen Plastizität bei der Darstellung der Formen und klar mit Umrisslinien umgrenzten Farbfeldern auf. Der Einfluss seiner in Rom gemachten Erfahrungen zeigt sich in seiner stärkeren Neigung zu ausgeklügelten Kompositionen und einer beinahe skulpturalen Anordnung der Figuren.

30.04.2019 - 17:00

Erzielter Preis: **
EUR 27.592,-
Schätzwert:
EUR 20.000,- bis EUR 30.000,-

Stefano Magnasco


(Genua um 1632–1672)
Die Vision des heiligen Ludwig IX. von Frankreich,
Öl auf Leinwand, 136 x 113 cm, gerahmt

Provenienz:
Auktion, Genua, 1977;
Privatsammlung, Genua bis 2018;
Kunstmarkt;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Literatur:
G. Biavati Frabetti, Preliminari per Stefano Magnasco, in: Paragone, 1984, Nr. 409, S. 29f., Anm. 45, Tafel 27;
C. Manzitti, Magnasco Stefano, in: La Pittura in Italia. Il Seicento, Mailand 1989, S. 797;
F. Lamera, Stefano Magnasco, in: E. Gavazza et al., La pittura in Liguria, Il secondo Seicento, Genua 1990, S. 427;
G. Biavati, in: Genova nell’ Étà Barocca, Ausstellungskatalog, Bologna 1992, S. 220

Wir danken Anna Orlando für ihre Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes. Orlando datiert das Werk um 1656–1660 (schriftliche Mitteilung).

Giuliana Biavati, von der die erste kritische Studie zu Stefano Magnasco stammt (siehe Literatur 1984), war die Erste, die für das vorliegende Gemälde, das viele Bezüge zur genuesischen Kultur aufweist, die auch hier ins Auge gefasste Datierung vorgeschlagen hat. Die Komposition entspricht der in Genua nach 1650 übernommenen Typologie des Altarbilds. Die Darstellung des Engels folgt einer dem späten genuesischen Manierismus entliehenen Formel. Sie kontrastiert mit der höchst eigenwilligen Erscheinung des knienden Heiligen, der mit der gesamten Intensität eines Porträts ins Bild gesetzt zu sein scheint. Diese Figur weist Ähnlichkeiten mit Werken der genuesischen Porträtkunst von van Dyck bis Carbone auf.

Der Heilige ist in kostbare Gewänder gehüllt und trägt einen Hermelinkragen. Die pastose Malweise macht dieses Werk vielleicht zu dem am meisten dem Wesen des Barocks entsprechenden Bild im gesamten Œuvre des Künstlers. Selbst die zerknitterten Seiten des auf dem Boden liegenden Buches ‒ vermutlich das Libro dei Mestieri, für dessen Entstehung Propst Stefano Boileau verantwortlich war, der im Auftrag Ludwigs des Heiligen Königs handelte ‒ werden durch das Bad im göttlichen Licht belebt. Die sich jenseits des Gesimses in der Öffnung zur Landschaft hin rechts staffelnden Bilder evozieren möglicherweise die Niederlage des Königs beim Kreuzzug oder die Bakterienruhr, der er 1270 vor Tunis zum Opfer fiel. Stefano Magnasco bediente sich oft dieser Form untergeordneter Episoden, um seine Werke erzählerisch einzubetten. Diese komplexe bildliche und kulturelle Schichtung lässt vermuten, dass das vorliegende Gemälde einer relativ späten Periode im Schaffen des Künstlers zuzurechnen ist.

Das ungewöhnliche Thema des vorliegenden Gemäldes könnte auf einen besonderen Auftrag verweisen. Im Seicento erwarben Franzosen häufig Patronanzrechte für Kapellen in Genua, wobei sie franziskanischen Kirchen den Vorzug gaben, und widmeten diese ihrem Schutzherrn Ludwig dem Heiligen; in Rom war es gleich eine ganze Kirche: San Luigi dei Francesi. In der genuesischen Kirche Annunziata del Vasto zum Beispiel wurde die heute noch bestehende Kapelle San Luigi dei Francesi 1662 von der Familie Invrea erworben. Dieser Zeitpunkt könnte auch als Datierung für das vorliegende Gemälde Stefano Magnascos zutreffen. Wahrscheinlich war es als Altarbild für eine französische Kapelle in einer franziskanischen Kirche in Genua oder ‒ wenn man seinen Abmessungen Gewicht einräumt ‒ für eine der Handwerkergilden der Stadt gedacht, die Ludwig den Heiligen zu ihrem Schutzpatron erkoren hatten. Beispiele für solche Zünfte waren die der Zimmerer und Maurer, der Kurzwarenhersteller, der Schneider und Sticker, der Band- und Knopfmacher, der Hersteller sakralen Schmucks sowie der Fischer, Barbiere und Perückenmacher.

Ikonografie und Stil des vorliegenden Gemäldes legen eine Entstehungszeit nach 1660 nahe. Ludwig der Heilige starb, wie erwähnt, vor Tunis an einer Seuche: Im rechten Hintergrund sind mögliche Hinweise auf die Epidemie auszunehmen, die damals auch in Genua wütete. Der Auftrag, dieses Thema zum Gegenstand einer Komposition zu machen, mag mit diesem Ereignis in Zusammenhang stehen.

Stefano Magnasco, der Vater Alessandros, wurde um 1635 in Genua geboren und lernte bei Valerio Castello. Um die Zeit, in der 1656 in Genua die Seuche ausbrach, ging der Künstler nach Rom, wo er bis 1660 blieb. Das Schaffen aus seinem letzten Lebensjahrzehnt (1660‒1672) konfrontiert uns mit einer völlig gewandelten Bildsprache: Die weiche Pinselführung, die ihm Valerio Castello vermittelt hatte, gab Magnasco zugunsten einer größeren skulpturalen Plastizität bei der Darstellung der Formen und klar mit Umrisslinien umgrenzten Farbfeldern auf. Der Einfluss seiner in Rom gemachten Erfahrungen zeigt sich in seiner stärkeren Neigung zu ausgeklügelten Kompositionen und einer beinahe skulpturalen Anordnung der Figuren.


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 30.04.2019 - 17:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 20.04. - 30.04.2019


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer(für Lieferland Österreich)

Es können keine Kaufaufträge über Internet mehr abgegeben werden. Die Auktion befindet sich in Vorbereitung bzw. wurde bereits durchgeführt.