Lot Nr. 197


Wagner, Richard,


Wagner, Richard, - Autographen, Handschriften, Urkunden

deutscher Komponist, 1819 - 1883. E. B. m. U., Luzern, 7. 9. 1868, 5 S., leicht gebräunt, kl.-8vo. Adressblatt auf Kuvert montiert.

An den Dirigenten Hans Richter: "Liebster Freund und Geselle! (Im Thal!). Ihr Brief hat mich sehr erfreut. Für Sie habe ich keine Sorge, denn Sie sind, zu allen Ihren Begabungen, ernst und nicht zerstreut, und so muß es sein: nur ob man gegen Sie sich ordentlich benähme, machte mir Sorge. Sind Sie nun wirklich angesteller Musikdirektor?? - Ihre Nachrichten über Kindermann und Sigl sind ganz angenehm. Nur ist's bei mir überhaupt jetzt mit der Freude an den "Meistersingern" vorbei. Gern hätte ich den Erfolg dieser Arbeit dazu bemüht, auf die anderen Theater einen ernstlichen Einfluß zu gewinnen, und die Oper demnach nur denjenigen Theatern erlaubt, welche mir für die unentstellte Wiedergabe derselben hätten Gewähr leisten können. Nun hätte sich aber nicht ein einziges Theater dazu fähig oder willig gefunden: unmöglich kann ich nun aber dem Verleger den Streich spielen, die Oper überall zu verbieten, und da ich dieß schon bei den besten Theatern von Anfang herein nicht kann, so habe ich mich nun entschlossen, alle Bedingungen fahren, und die Sache gehen zu lassen, wie eben Alles gehen muß. Nun bekümmere ich mich aber auch nicht mit einem Athemzug mehr darum, und betrachte das Werk für mich als todt. Am widerwärtigsten ist mir das ganze Wien von A bis Z. So bin ich denn auch von keiner günstigen Stimmung: an produktive Arbeit werde ich wohl sobald nicht wieder gehen. Ich hab eben viel und manches satt! - Das Original der Partitur der "Walküre" seien Sie so gut an Herrn Rath Düsslipp für den König, dessen Eigenthum es ist, wieder zurückzustellen. Die Copie senden Sie mir hierher zu: wollen Sie jedoch noch zum Zeitvertreib darin lesen, so behalten Sie auch noch so lange. Wenn Sie mit dem bisherigen Copisten in gutem Vernehmen geblieben sind, möchte ich eigentlich gern sofort auch die Copie meiner neuesten Partitur, des jungen Siegfried, davon ich jetzt selbst eine Reinschrift für den König mache, unter Ihrer Aufsicht und Garantie vornehmen lassen. Ich könnte Ihnen davon sogleich schon 100 Seiten zuschicken. Bitte hierüber um Ihre Meinung. Auch möchte ich meine musikalische Bibliothek etwas vervollständigen. Sie könnten daher bei Falter und Sohn (Neureuter) mit folgende Bestellung machen. 1. Weber: Freischütz, Oberon, auch Preziosa (wenn sie existirt) in der neuen Partiturausgabe. 2. Existirt – glaube ich – eine gute Gesammtausgabe (im Klavier-Auszug) der sogenannten klassischen Opern (Cherubini, Mozart, Spontini etc.) davon möchte ich ein Probeexemplar uund ein vollständiges Register zur Auswahl haben. – 3. Ein Verzeichnis der bei Breitk. & Härtel erschienenen Porträt’s „berühmter Männer“ – (unter denen ich auch das Ihrige zu finden hoffe). Sie sind sehr gut in Kupfer gestochen: aus meinem grünen Zimmer kennen Sie verschiedene Exemplare davon. Davon möchte ich ebenfalls eine Auswahl treffen. – So! – Nun kommt das Bier daran. Ist kein Salvator da, so haben Sie mir doch selbst von Heinrich’s heimlicher Bierquelle im Franziskanerkeller gemeldet: könnten Sie nicht duch gehörige Connexion mir das beste jetzt habbare Bier in einem Fäßchen verschaffen? Alles Übrige besorgt dabei Franz. Liebster, lernen Sie ordentlich Italienisch, dann können Sie mir in Italien meine Opern dirigieren, die dort der Reihe nach bald und wahrscheinlich recht gut, aufgeführt werden sollen. Dort, wie in Paris, wird keine Aufführung gegeben, welche nicht ganz nach meinem Sinne ist: anders ist’s allerdings in Deutschland, wo die Schweinerei nothwendig ewig herrschen muß. Ich habe von jener Seite her viel angenehmes erfahren. – Nun grüßen Sie noch Porges von mir, und halten Sie sich überhaupt etwas zu ihm. Er ist der Einzige von vielen, welche mit wahrem Ernst auf mich und meine Werke tiefer eingehen. Sagen Sie ihm auch meine Zufriedenheit mit seinen Artikeln über die MS. Ich denke, er soll in Zukunft die Schule in meinem rechten Sinne fortführen. Und nun leben Sie selber wohl! Wir haben hier immer unerhört schönes Wetter, und Alles befindet sich wohl; auch werden Ihre Grüße von allen Seiten auf das freundlichste erwidert. Nur nicht vom Pfau, welchen ich dieser Tage abschaffen musste, da er zu bös und wild wurde. Schade, dass Sie sich nicht noch einmal bei uns umsehen konnten! – doch – die Kunstgeschichte Europa’s darf nicht stille stehen: das begreife ich! – Adieu! Lieber, Guter, Tüchtiger! Von Herzen Ihr Richard Wagner. Luzern, 7. September 1868. Ich hätte gern meine Partitur des vollständigen Tannhäuser zurück !!!“. Gedr. in L. Karpath (Hg.), Richard Wagner. Briefe an Hans Richter, Berlin/Wien/Leipzig 1924, Nr. 4, S. 5-9; M. Jestremski (Hg.), Richard Wagner. Sämtliche Briefe, Bd. 20, Briefe des Jahres 1868, Wiesbaden 2018, Nr. 247 S. 230 ff.

Experte: Mag. Andreas Löbbecke Mag. Andreas Löbbecke
+43-1-515 60-389

books@dorotheum.at

03.06.2019 - 14:00

Rufpreis:
EUR 5.000,-

Wagner, Richard,


deutscher Komponist, 1819 - 1883. E. B. m. U., Luzern, 7. 9. 1868, 5 S., leicht gebräunt, kl.-8vo. Adressblatt auf Kuvert montiert.

An den Dirigenten Hans Richter: "Liebster Freund und Geselle! (Im Thal!). Ihr Brief hat mich sehr erfreut. Für Sie habe ich keine Sorge, denn Sie sind, zu allen Ihren Begabungen, ernst und nicht zerstreut, und so muß es sein: nur ob man gegen Sie sich ordentlich benähme, machte mir Sorge. Sind Sie nun wirklich angesteller Musikdirektor?? - Ihre Nachrichten über Kindermann und Sigl sind ganz angenehm. Nur ist's bei mir überhaupt jetzt mit der Freude an den "Meistersingern" vorbei. Gern hätte ich den Erfolg dieser Arbeit dazu bemüht, auf die anderen Theater einen ernstlichen Einfluß zu gewinnen, und die Oper demnach nur denjenigen Theatern erlaubt, welche mir für die unentstellte Wiedergabe derselben hätten Gewähr leisten können. Nun hätte sich aber nicht ein einziges Theater dazu fähig oder willig gefunden: unmöglich kann ich nun aber dem Verleger den Streich spielen, die Oper überall zu verbieten, und da ich dieß schon bei den besten Theatern von Anfang herein nicht kann, so habe ich mich nun entschlossen, alle Bedingungen fahren, und die Sache gehen zu lassen, wie eben Alles gehen muß. Nun bekümmere ich mich aber auch nicht mit einem Athemzug mehr darum, und betrachte das Werk für mich als todt. Am widerwärtigsten ist mir das ganze Wien von A bis Z. So bin ich denn auch von keiner günstigen Stimmung: an produktive Arbeit werde ich wohl sobald nicht wieder gehen. Ich hab eben viel und manches satt! - Das Original der Partitur der "Walküre" seien Sie so gut an Herrn Rath Düsslipp für den König, dessen Eigenthum es ist, wieder zurückzustellen. Die Copie senden Sie mir hierher zu: wollen Sie jedoch noch zum Zeitvertreib darin lesen, so behalten Sie auch noch so lange. Wenn Sie mit dem bisherigen Copisten in gutem Vernehmen geblieben sind, möchte ich eigentlich gern sofort auch die Copie meiner neuesten Partitur, des jungen Siegfried, davon ich jetzt selbst eine Reinschrift für den König mache, unter Ihrer Aufsicht und Garantie vornehmen lassen. Ich könnte Ihnen davon sogleich schon 100 Seiten zuschicken. Bitte hierüber um Ihre Meinung. Auch möchte ich meine musikalische Bibliothek etwas vervollständigen. Sie könnten daher bei Falter und Sohn (Neureuter) mit folgende Bestellung machen. 1. Weber: Freischütz, Oberon, auch Preziosa (wenn sie existirt) in der neuen Partiturausgabe. 2. Existirt – glaube ich – eine gute Gesammtausgabe (im Klavier-Auszug) der sogenannten klassischen Opern (Cherubini, Mozart, Spontini etc.) davon möchte ich ein Probeexemplar uund ein vollständiges Register zur Auswahl haben. – 3. Ein Verzeichnis der bei Breitk. & Härtel erschienenen Porträt’s „berühmter Männer“ – (unter denen ich auch das Ihrige zu finden hoffe). Sie sind sehr gut in Kupfer gestochen: aus meinem grünen Zimmer kennen Sie verschiedene Exemplare davon. Davon möchte ich ebenfalls eine Auswahl treffen. – So! – Nun kommt das Bier daran. Ist kein Salvator da, so haben Sie mir doch selbst von Heinrich’s heimlicher Bierquelle im Franziskanerkeller gemeldet: könnten Sie nicht duch gehörige Connexion mir das beste jetzt habbare Bier in einem Fäßchen verschaffen? Alles Übrige besorgt dabei Franz. Liebster, lernen Sie ordentlich Italienisch, dann können Sie mir in Italien meine Opern dirigieren, die dort der Reihe nach bald und wahrscheinlich recht gut, aufgeführt werden sollen. Dort, wie in Paris, wird keine Aufführung gegeben, welche nicht ganz nach meinem Sinne ist: anders ist’s allerdings in Deutschland, wo die Schweinerei nothwendig ewig herrschen muß. Ich habe von jener Seite her viel angenehmes erfahren. – Nun grüßen Sie noch Porges von mir, und halten Sie sich überhaupt etwas zu ihm. Er ist der Einzige von vielen, welche mit wahrem Ernst auf mich und meine Werke tiefer eingehen. Sagen Sie ihm auch meine Zufriedenheit mit seinen Artikeln über die MS. Ich denke, er soll in Zukunft die Schule in meinem rechten Sinne fortführen. Und nun leben Sie selber wohl! Wir haben hier immer unerhört schönes Wetter, und Alles befindet sich wohl; auch werden Ihre Grüße von allen Seiten auf das freundlichste erwidert. Nur nicht vom Pfau, welchen ich dieser Tage abschaffen musste, da er zu bös und wild wurde. Schade, dass Sie sich nicht noch einmal bei uns umsehen konnten! – doch – die Kunstgeschichte Europa’s darf nicht stille stehen: das begreife ich! – Adieu! Lieber, Guter, Tüchtiger! Von Herzen Ihr Richard Wagner. Luzern, 7. September 1868. Ich hätte gern meine Partitur des vollständigen Tannhäuser zurück !!!“. Gedr. in L. Karpath (Hg.), Richard Wagner. Briefe an Hans Richter, Berlin/Wien/Leipzig 1924, Nr. 4, S. 5-9; M. Jestremski (Hg.), Richard Wagner. Sämtliche Briefe, Bd. 20, Briefe des Jahres 1868, Wiesbaden 2018, Nr. 247 S. 230 ff.

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Auktion: Autographen, Handschriften, Urkunden
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 03.06.2019 - 14:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 25.05. - 03.06.2019