Lot Nr. 112


Thangka des Kalacakra, Amdo, Tibet, 19. Jh.


Thangka des Kalacakra, Amdo, Tibet, 19. Jh. - Antiquitäten (Uhren, Metallarbeiten, Asiatika, Fayencen, Skulpturen, Textilien, Volkskunst)

Pigment mit einem mit Wasser mischbaren Bindemittel auf Tuch, 65,5 x 43,5 cm, (Hr)

Wir danken Dipl. Ing. Uwe Niebuhr, BA MA für seine Unterstützung der Katalogisierung des Werkes.

Das vorliegende Thangka zeigt die buddhistische Gottheit Kālacakra (Tib. dus kyi 'khor lo) in Vereinigung mit seiner Partnerin Viśvamatā (Tib. sna tshogs yum). Beide sind die Hauptgottheiten des Kālacakra Tantra, das auch als das "Rad der Zeit" bekannt ist. Die Meditationspraktiken des Kālacakra Tantra gehören zur höchsten der vier Tantra-Klassen des tibetischen Buddhismus: des Anuttarayoga. Durch dessen Ausübung soll das Erreichen der Erleuchtung während eines Lebens möglich sein. Dieses spirituelle Versprechen führte dazu, dass sich das Tantra, mit einigen Abweichungen, in allen großen Schulen Tibets verbreitet hat.

Die eigenständige Jonang-Tradition des tibetischen Buddhismus, die ihren Ursprung in der Sakya-Schule hat, wurde von Dolpopa Sherab Gyaltsen (1292–1361, Tib. dol po pa shes rab rgyal mtshan) im 14. Jahrhundert im Kloster Jonang in der Region Tsang gegründet. Und diese Jonang-Tradition spezialisierte sich dann auf die Lehre und Übertragung des Kālacakra Tantras. Es war der bedeutende Gelehrte Tāranātha (1575-1634), der diese Lehre bis zu Beginn des 17. Jahrhunderts weiter ausbaute. Nach dessen Tod kam es zu einer Vertreibung der Jonang-Mönche aus Zentral- und Westtibet, worauf sie sich in Osttibet in der Region Amdo ansiedelten. Bis heute wird dort im Hauptkloster Dzamthang die Jonang-Tradition lebendig gehalten.

Kālacakra [I] hat auf diesem Thangka einen blauen Oberkörper. Seine vier Gesichter unterscheiden sich in den Farben, sie sind blau, rot, weiß und gelb. Den Farben folgend, hat Kālacakra je acht blaue, rote und weiße Arme, deren Hände jeweils die Bannungsgeste formen, aber auch unterschiedliche Waffen und Attribute halten. Mit einem gekreuzten Armpaar hält er seine Partnerin Viśvamatā fest vor seinem Körper, währenddessen die Hände dieser Arme eine Glocke und einen Vajra halten. Kālacakra trägt eine Vielzahl an Juwelen auf dem Haupt und Goldschmuck am Körper, die Hüften sind mit einem Tigerfell bedeckt. Wie auch seine Partnerin, steht Kālacakra im seitlichen Ausfallschritt. Dabei steht sein rotes Bein auf der roten Hindugottheit Kāmadeva, sein weißes Bein auf dem weißen Gott Rudra, wobei diese beiden Figuren ebenfalls mit ihrer jeweiligen Partnerin abgebildet sind.

Die gelbe, nackte Viśvamatā hat ebenso vier farbige Gesichter und acht gelbe Arme. Ihr Haupt ist in den Nacken geneigt. Das Paar steht auf einem Lotus, auf dem drei Scheiben liegen: eine blaue für die Finsternis, eine weiße für den Mond und eine rote für die Sonne. Kālacakra und Viśvamatā werden von einer grünen Aureole mit einem fünffarbigen Flammenrand umgeben.

Das untere Drittel des Thangkas zeigt eine grüne Landschaft mit einem See, aus dem der große Lotus entspringt. Über zwei Drittel des Thangkas verläuft ein Himmel, der in dunkelblauer Farbe abgesetzt ist. Oberhalb des Paares ist in einem Regenbogenkreis der blaue Buddha Vajradhara [1] zu sehen. Links und rechts von Vajradhara sind sieben gehörnte Vögel (Skt. garua) angeordnet [6a-g]. In den oberen Ecken sind die wichtigsten Lehrer der Jonang-Tradition abgebildet: links Dolpopa Sherab Gyaltsen [2] und rechts Tāranātha [3].

Die Anordnung der Gottheiten auf diesem Thangka folgt des Weiteren zum Teil dem Aufbau des äußerst komplexen Kālacakra Maṇḍala: Hierbei sind Kālacakra und Viśvamatā im Zentrum platziert. Sie werden von acht weiblichen Śaktis [II1-II8] umrahmt: jeweils stehende Gottheiten, mit vier Gesichtern und acht Armen. Diese wiederum sind von vier Symbolen in den Ecken umgeben: Muschel [III1], Gong [III2], Juwel [III3], wunscherfüllender Baum [III4]. Dieser Aufbau wird als das "Innere Haus" bezeichnet.

In der weiteren Beschreibung des Kālacakra Maṇḍala folgen noch eine Vielzahl an Gottheiten und Torwächter, wovon nur einige hier abgebildet wurden [IV1-IV9, 7-9]. Aus dieser Maṇḍala-Konstellation lassen sich noch die 12 Opfergöttinnen [V1-12] ausmachen: am unteren Bildrand des Thangkas. In der linken unteren Ecke sitzt zudem ein tibetischer Religionskönig oder aber der König des Reiches Shambala [4], in dessen Reich das Kālacakra-Tantra zuerst von Buddha Śākyamuni übertragen wurde - diese Figur lässt sich nur ungenau identifizieren. Śākyamuni selbst ist neben einer Gruppe von sechs Gelehrten mit unterschiedlichen Kopfbedeckungen zu sehen, die alle unterhalb des Lotus sitzen und jeweils die Belehrungsgeste vor ihrer Brust formen [10a-g]. Zur Linken befindet sich der wichtigste Beschützer des Kālacakra-Tantras: Vajravega (Tib. rdo rje shugs) [5]. Sehr zornig, in blauer Farbe, mit vier Gesichtern, 26 Armen und zwei Beinen, zeigt er die gleichen Farben und Eigenschaften, wie die Hauptgottheit des Thangkas: Kālacakra.

Expertin: Regina Herbst Regina Herbst
+43-1-515 60-356

regina.herbst@dorotheum.at

23.03.2020 - 14:39

Erzielter Preis: **
EUR 4.096,-
Startpreis:
EUR 2.400,-

Thangka des Kalacakra, Amdo, Tibet, 19. Jh.


Pigment mit einem mit Wasser mischbaren Bindemittel auf Tuch, 65,5 x 43,5 cm, (Hr)

Wir danken Dipl. Ing. Uwe Niebuhr, BA MA für seine Unterstützung der Katalogisierung des Werkes.

Das vorliegende Thangka zeigt die buddhistische Gottheit Kālacakra (Tib. dus kyi 'khor lo) in Vereinigung mit seiner Partnerin Viśvamatā (Tib. sna tshogs yum). Beide sind die Hauptgottheiten des Kālacakra Tantra, das auch als das "Rad der Zeit" bekannt ist. Die Meditationspraktiken des Kālacakra Tantra gehören zur höchsten der vier Tantra-Klassen des tibetischen Buddhismus: des Anuttarayoga. Durch dessen Ausübung soll das Erreichen der Erleuchtung während eines Lebens möglich sein. Dieses spirituelle Versprechen führte dazu, dass sich das Tantra, mit einigen Abweichungen, in allen großen Schulen Tibets verbreitet hat.

Die eigenständige Jonang-Tradition des tibetischen Buddhismus, die ihren Ursprung in der Sakya-Schule hat, wurde von Dolpopa Sherab Gyaltsen (1292–1361, Tib. dol po pa shes rab rgyal mtshan) im 14. Jahrhundert im Kloster Jonang in der Region Tsang gegründet. Und diese Jonang-Tradition spezialisierte sich dann auf die Lehre und Übertragung des Kālacakra Tantras. Es war der bedeutende Gelehrte Tāranātha (1575-1634), der diese Lehre bis zu Beginn des 17. Jahrhunderts weiter ausbaute. Nach dessen Tod kam es zu einer Vertreibung der Jonang-Mönche aus Zentral- und Westtibet, worauf sie sich in Osttibet in der Region Amdo ansiedelten. Bis heute wird dort im Hauptkloster Dzamthang die Jonang-Tradition lebendig gehalten.

Kālacakra [I] hat auf diesem Thangka einen blauen Oberkörper. Seine vier Gesichter unterscheiden sich in den Farben, sie sind blau, rot, weiß und gelb. Den Farben folgend, hat Kālacakra je acht blaue, rote und weiße Arme, deren Hände jeweils die Bannungsgeste formen, aber auch unterschiedliche Waffen und Attribute halten. Mit einem gekreuzten Armpaar hält er seine Partnerin Viśvamatā fest vor seinem Körper, währenddessen die Hände dieser Arme eine Glocke und einen Vajra halten. Kālacakra trägt eine Vielzahl an Juwelen auf dem Haupt und Goldschmuck am Körper, die Hüften sind mit einem Tigerfell bedeckt. Wie auch seine Partnerin, steht Kālacakra im seitlichen Ausfallschritt. Dabei steht sein rotes Bein auf der roten Hindugottheit Kāmadeva, sein weißes Bein auf dem weißen Gott Rudra, wobei diese beiden Figuren ebenfalls mit ihrer jeweiligen Partnerin abgebildet sind.

Die gelbe, nackte Viśvamatā hat ebenso vier farbige Gesichter und acht gelbe Arme. Ihr Haupt ist in den Nacken geneigt. Das Paar steht auf einem Lotus, auf dem drei Scheiben liegen: eine blaue für die Finsternis, eine weiße für den Mond und eine rote für die Sonne. Kālacakra und Viśvamatā werden von einer grünen Aureole mit einem fünffarbigen Flammenrand umgeben.

Das untere Drittel des Thangkas zeigt eine grüne Landschaft mit einem See, aus dem der große Lotus entspringt. Über zwei Drittel des Thangkas verläuft ein Himmel, der in dunkelblauer Farbe abgesetzt ist. Oberhalb des Paares ist in einem Regenbogenkreis der blaue Buddha Vajradhara [1] zu sehen. Links und rechts von Vajradhara sind sieben gehörnte Vögel (Skt. garua) angeordnet [6a-g]. In den oberen Ecken sind die wichtigsten Lehrer der Jonang-Tradition abgebildet: links Dolpopa Sherab Gyaltsen [2] und rechts Tāranātha [3].

Die Anordnung der Gottheiten auf diesem Thangka folgt des Weiteren zum Teil dem Aufbau des äußerst komplexen Kālacakra Maṇḍala: Hierbei sind Kālacakra und Viśvamatā im Zentrum platziert. Sie werden von acht weiblichen Śaktis [II1-II8] umrahmt: jeweils stehende Gottheiten, mit vier Gesichtern und acht Armen. Diese wiederum sind von vier Symbolen in den Ecken umgeben: Muschel [III1], Gong [III2], Juwel [III3], wunscherfüllender Baum [III4]. Dieser Aufbau wird als das "Innere Haus" bezeichnet.

In der weiteren Beschreibung des Kālacakra Maṇḍala folgen noch eine Vielzahl an Gottheiten und Torwächter, wovon nur einige hier abgebildet wurden [IV1-IV9, 7-9]. Aus dieser Maṇḍala-Konstellation lassen sich noch die 12 Opfergöttinnen [V1-12] ausmachen: am unteren Bildrand des Thangkas. In der linken unteren Ecke sitzt zudem ein tibetischer Religionskönig oder aber der König des Reiches Shambala [4], in dessen Reich das Kālacakra-Tantra zuerst von Buddha Śākyamuni übertragen wurde - diese Figur lässt sich nur ungenau identifizieren. Śākyamuni selbst ist neben einer Gruppe von sechs Gelehrten mit unterschiedlichen Kopfbedeckungen zu sehen, die alle unterhalb des Lotus sitzen und jeweils die Belehrungsgeste vor ihrer Brust formen [10a-g]. Zur Linken befindet sich der wichtigste Beschützer des Kālacakra-Tantras: Vajravega (Tib. rdo rje shugs) [5]. Sehr zornig, in blauer Farbe, mit vier Gesichtern, 26 Armen und zwei Beinen, zeigt er die gleichen Farben und Eigenschaften, wie die Hauptgottheit des Thangkas: Kālacakra.

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