Lot Nr. 22


Ezechia da Vezzano, gen. Paolo Zacchia il Vecchio


Ezechia da Vezzano, gen. Paolo Zacchia il Vecchio - Alte Meister

(Vezzano 1490–1561 Lucca?)
Halbfiguriges Porträt einer Dame mit Buch in einem gelben Kleid mit grünen Ärmeln in einem Interieur mit Landschaftshintergrund,
Öl auf Holz, auf Leinwand übertragen, 84,5 x 67 cm, gerahmt

Provenienz:
Philippe II., Duc d’Orléans (1674–1723), Paris;
Herzog von Roxburghe, Floors Castle, Roxburghshire, Schottland;
Henry Doetsch (1839–94), 7 New Burlington Street, London;
dessen Nachlassauktion, Christie’s, London, 22. Juni 1895, Lot 111 (als Bachiacca), um 34 Guinee [an Lesser?];
(vermutlich) Adrian Lesser, Kunsthandel, London;
Galería Rembrandt, Madrid, 1977;
Privatsammlung, Spanien;
Auktion, Sotheby’s, London, 10. Dezember 2015, Lot 156 (als Ezechia da Vezzano, gen. Paolo Zacchia il Vecchio);
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Literatur:
L. Nikolenko, Francesco Ubertini, called Il Bacchiacca, New York 1966, S. 66f., Abb. 85 (als Bachiacca, auf Leinwand)

Das vorliegende Gemälde ist in der Fototeca Zeri unter Nr. 36586 als Werk von Ezechia da Vezzano (Zacchia il Vecchio?) verzeichnet.

Ezechia da Vezzano ist auch als Zacchia il Vecchio oder Paolo Zacchia bekannt, wie der italienische Kunsthistoriker des 18. Jahrhunderts Luigi Lanzi ihn in seiner Storia Pittorica dell’Italia nannte (siehe L. Lanzi, Storia Pittorica dell’Italia: dal Risorgimento delle Belle Arti fin presso al Fine dal XVIII Secolo, Bd. I, Mailand 1824, S. 123). Am Beginn seiner Laufbahn reiste der Künstler nach Florenz, wo er vermutlich unter Ridolfo Ghirlandaio lernte (siehe E. Borelli, Nel Segno di Fra Bartolomeo. Pittori del Cinquecento a Lucca, Lucca 1984, S. 18f.). Man weiß, dass Ezechia da Vezzano in etwa von 1519, als er die Anbetung der Hirten in der Kirche Sant’Agostino in Pietrasanta malte, bis um das Jahr 1561 tätig war, aus dem sein letztes bekanntes Werk, eine Christi Himmelfahrt für die Kirche San Salvatore in Lucca, entstand (siehe J. Pope-Hennessy, Zacchia il Vecchio and Lorenzo Zacchia, in: The Burlington Magazine for Connoisseurs, Bd. 72, Mai 1938, S. 213).

Das vorliegende Werk ist ein bedeutendes Beispiel für Zacchias Schaffen als Porträtist. Die Komposition zeigt eine junge Frau im Dreiviertelprofil, die ein gelbes Kleid mit oben gepufften Ärmeln, ein weißes Unterkleid und grüne Unterarmstulpen trägt. Um ihre Taille ist eine rote Schleife gebunden, um ihren Hals trägt sich eine lange Goldkette mit Kreuz. Die Frau blickt direkt aus dem Bild heraus; ihre Rechte ruht auf einem Notenheft, ihre Linke hat sie in die Hüfte gestützt. Beide Hände sind mit Ringen geschmückt. Die Dargestellte erscheint vor einer grauen Wand mit einem Fenster, das den Blick auf eine Landschaft mit Bergen und zinnenbewehrten Gebäuden an einem Fluss, Bäumen, Figuren und zwei Schwänen am Ufer freigibt.

Das Werk ist Zacchias berühmtem Bildnis eines Musikers im Pariser Louvre vergleichbar (siehe Abb. 1). Beide Gemälde lassen ein ähnliches Helldunkel erkennen, das sich in einer vergleichbaren Handhabung der Schatten auf dem Gesicht der Dargestellten äußert, welche mit einem einfachen, geometrisierten Hintergrund kontrastieren. Das vorliegende Bildnis kann auch mit einem Damenporträt, heute im Musée des Beaux Arts in Lille, verglichen werden (siehe Pope-Hennessy 1938, S. 214).

Das vorliegende Werk offenbart Ezechia da Vezzanos Aneignung zeitgenössischer künstlerischer Neuerungen, während er sich gleichzeitig traditioneller Darstellungsmittel bedient. Es zeigt sich aufgrund der ähnlichen leuchtenden Farbigkeit und klaren Formensprache, dass er mit dem Schaffen früher Florentiner Manieristen, vor allem jenem Pontormos und Bronzinos, vertraut war. Obgleich ungewiss ist, ob die beiden Künstler einander je persönlich begegnet sind, scheint Zacchia Bildelemente aus Bronzinos Schaffen übernommen zu haben. Die würdevolle Haltung der Dargestellten mit der in die Hüfte gestützten Hand erinnert an Bronzinos um 1530 entstandenes Bildnis eines jungen Mannes (Metropolitan Museum of Art, New York). Das Bildelement der auf einem Buch ruhenden rechten Hand kehrt in Bronzinos Œuvre häufig wieder, zum Beispiel im Bildnis des Ugolino Martelli (Gemäldegalerie, Berlin) und auf dem berühmten Porträt der Lucrezia Panciatichi (Galleria degli Uffizi, Florenz). Diese augenfälligen Gemeinsamkeiten mit dem Schaffen Bronzinos der späten 1530er- und 1540er-Jahre legen nahe, dass das vorliegende Porträt aus Zacchias Reifezeit datiert.

Das geöffnete Fenster mit Landschaftsausblick war über Jahrzehnte hinweg ein typisches Merkmal der Florentiner Porträtkunst. Es ist wahrscheinlich, dass Zacchia diesem Kompositionselement während seiner Zeit in Florenz begegnet ist – vermutlich hat er es direkt von Ridolfo Ghirlandaio übernommen. Die großen Parallelen zwischen dem Hintergrund des vorliegenden Porträts und jenem im Schaffen Ghirlandaios, etwa des Porträts eines vornehmen Herrn (The Art Institute of Chicago), untermauern eine solche Hypothese. Die Landschaft mit den diffusen Blautönen im Bereich der Berge des vorliegenden Gemäldes erinnert an Leonardos Sfumato.

Die Identität der hier Dargestellten bleibt ungewiss, doch ihre vornehme Aufmachung lässt stark vermuten, dass sie von gehobener gesellschaftlicher Stellung war. Erkennungszeichen einer privilegierten Schicht werden jedoch durch eine nüchterne Zurückhaltung abgeschwächt, was auch der Bildsprache Luccas des 16. Jahrhunderts entsprach (siehe M. Tazartes, Immagini negli Oratori e nelle Confraternite Lucchesi del ‘500, in: Città Italiane del ‘500 tra Riforma e Controriforma, Lucca 1988, S. 189). Die Entscheidung für leise Zurückhaltung mag auch ein Versuch gewesen sein, die Bescheidenheit der Porträtierten zu betonen, deren Kreuz für ihre Frömmigkeit spricht. Das kleine Notenbuch, auf dem ihre Hand zu liegen gekommen ist, verweist auf ihre Bildung. Das Interesse an der Wiedergabe der moralischen und intellektuellen Qualitäten der Frau lässt vermuten, dass das Bild, wie es Brauch war, aus Anlass ihrer Vermählung in Auftrag gegeben wurde. Die wertvollen Steine ihrer Ringe würden für diese Möglichkeit sprechen. Ab dem 15. Jahrhundert glaubte man, dass Smaragde Glück und eine erfolgreiche Ehe mit sich bringen würden, während Rubine zumeist den Bräuten überreicht wurden, weil man ihnen nachsagte, sie würden den Wohlstand befördern und der Lust ein Ende setzen (siehe P. Castelli, Le virtù delle gemme, in: L’Oreficeria nella Firenze del Quattrocento, Florenz 1977, S. 345f.).

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

09.06.2020 - 16:00

Erzielter Preis: **
EUR 62.800,-
Schätzwert:
EUR 50.000,- bis EUR 70.000,-

Ezechia da Vezzano, gen. Paolo Zacchia il Vecchio


(Vezzano 1490–1561 Lucca?)
Halbfiguriges Porträt einer Dame mit Buch in einem gelben Kleid mit grünen Ärmeln in einem Interieur mit Landschaftshintergrund,
Öl auf Holz, auf Leinwand übertragen, 84,5 x 67 cm, gerahmt

Provenienz:
Philippe II., Duc d’Orléans (1674–1723), Paris;
Herzog von Roxburghe, Floors Castle, Roxburghshire, Schottland;
Henry Doetsch (1839–94), 7 New Burlington Street, London;
dessen Nachlassauktion, Christie’s, London, 22. Juni 1895, Lot 111 (als Bachiacca), um 34 Guinee [an Lesser?];
(vermutlich) Adrian Lesser, Kunsthandel, London;
Galería Rembrandt, Madrid, 1977;
Privatsammlung, Spanien;
Auktion, Sotheby’s, London, 10. Dezember 2015, Lot 156 (als Ezechia da Vezzano, gen. Paolo Zacchia il Vecchio);
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Literatur:
L. Nikolenko, Francesco Ubertini, called Il Bacchiacca, New York 1966, S. 66f., Abb. 85 (als Bachiacca, auf Leinwand)

Das vorliegende Gemälde ist in der Fototeca Zeri unter Nr. 36586 als Werk von Ezechia da Vezzano (Zacchia il Vecchio?) verzeichnet.

Ezechia da Vezzano ist auch als Zacchia il Vecchio oder Paolo Zacchia bekannt, wie der italienische Kunsthistoriker des 18. Jahrhunderts Luigi Lanzi ihn in seiner Storia Pittorica dell’Italia nannte (siehe L. Lanzi, Storia Pittorica dell’Italia: dal Risorgimento delle Belle Arti fin presso al Fine dal XVIII Secolo, Bd. I, Mailand 1824, S. 123). Am Beginn seiner Laufbahn reiste der Künstler nach Florenz, wo er vermutlich unter Ridolfo Ghirlandaio lernte (siehe E. Borelli, Nel Segno di Fra Bartolomeo. Pittori del Cinquecento a Lucca, Lucca 1984, S. 18f.). Man weiß, dass Ezechia da Vezzano in etwa von 1519, als er die Anbetung der Hirten in der Kirche Sant’Agostino in Pietrasanta malte, bis um das Jahr 1561 tätig war, aus dem sein letztes bekanntes Werk, eine Christi Himmelfahrt für die Kirche San Salvatore in Lucca, entstand (siehe J. Pope-Hennessy, Zacchia il Vecchio and Lorenzo Zacchia, in: The Burlington Magazine for Connoisseurs, Bd. 72, Mai 1938, S. 213).

Das vorliegende Werk ist ein bedeutendes Beispiel für Zacchias Schaffen als Porträtist. Die Komposition zeigt eine junge Frau im Dreiviertelprofil, die ein gelbes Kleid mit oben gepufften Ärmeln, ein weißes Unterkleid und grüne Unterarmstulpen trägt. Um ihre Taille ist eine rote Schleife gebunden, um ihren Hals trägt sich eine lange Goldkette mit Kreuz. Die Frau blickt direkt aus dem Bild heraus; ihre Rechte ruht auf einem Notenheft, ihre Linke hat sie in die Hüfte gestützt. Beide Hände sind mit Ringen geschmückt. Die Dargestellte erscheint vor einer grauen Wand mit einem Fenster, das den Blick auf eine Landschaft mit Bergen und zinnenbewehrten Gebäuden an einem Fluss, Bäumen, Figuren und zwei Schwänen am Ufer freigibt.

Das Werk ist Zacchias berühmtem Bildnis eines Musikers im Pariser Louvre vergleichbar (siehe Abb. 1). Beide Gemälde lassen ein ähnliches Helldunkel erkennen, das sich in einer vergleichbaren Handhabung der Schatten auf dem Gesicht der Dargestellten äußert, welche mit einem einfachen, geometrisierten Hintergrund kontrastieren. Das vorliegende Bildnis kann auch mit einem Damenporträt, heute im Musée des Beaux Arts in Lille, verglichen werden (siehe Pope-Hennessy 1938, S. 214).

Das vorliegende Werk offenbart Ezechia da Vezzanos Aneignung zeitgenössischer künstlerischer Neuerungen, während er sich gleichzeitig traditioneller Darstellungsmittel bedient. Es zeigt sich aufgrund der ähnlichen leuchtenden Farbigkeit und klaren Formensprache, dass er mit dem Schaffen früher Florentiner Manieristen, vor allem jenem Pontormos und Bronzinos, vertraut war. Obgleich ungewiss ist, ob die beiden Künstler einander je persönlich begegnet sind, scheint Zacchia Bildelemente aus Bronzinos Schaffen übernommen zu haben. Die würdevolle Haltung der Dargestellten mit der in die Hüfte gestützten Hand erinnert an Bronzinos um 1530 entstandenes Bildnis eines jungen Mannes (Metropolitan Museum of Art, New York). Das Bildelement der auf einem Buch ruhenden rechten Hand kehrt in Bronzinos Œuvre häufig wieder, zum Beispiel im Bildnis des Ugolino Martelli (Gemäldegalerie, Berlin) und auf dem berühmten Porträt der Lucrezia Panciatichi (Galleria degli Uffizi, Florenz). Diese augenfälligen Gemeinsamkeiten mit dem Schaffen Bronzinos der späten 1530er- und 1540er-Jahre legen nahe, dass das vorliegende Porträt aus Zacchias Reifezeit datiert.

Das geöffnete Fenster mit Landschaftsausblick war über Jahrzehnte hinweg ein typisches Merkmal der Florentiner Porträtkunst. Es ist wahrscheinlich, dass Zacchia diesem Kompositionselement während seiner Zeit in Florenz begegnet ist – vermutlich hat er es direkt von Ridolfo Ghirlandaio übernommen. Die großen Parallelen zwischen dem Hintergrund des vorliegenden Porträts und jenem im Schaffen Ghirlandaios, etwa des Porträts eines vornehmen Herrn (The Art Institute of Chicago), untermauern eine solche Hypothese. Die Landschaft mit den diffusen Blautönen im Bereich der Berge des vorliegenden Gemäldes erinnert an Leonardos Sfumato.

Die Identität der hier Dargestellten bleibt ungewiss, doch ihre vornehme Aufmachung lässt stark vermuten, dass sie von gehobener gesellschaftlicher Stellung war. Erkennungszeichen einer privilegierten Schicht werden jedoch durch eine nüchterne Zurückhaltung abgeschwächt, was auch der Bildsprache Luccas des 16. Jahrhunderts entsprach (siehe M. Tazartes, Immagini negli Oratori e nelle Confraternite Lucchesi del ‘500, in: Città Italiane del ‘500 tra Riforma e Controriforma, Lucca 1988, S. 189). Die Entscheidung für leise Zurückhaltung mag auch ein Versuch gewesen sein, die Bescheidenheit der Porträtierten zu betonen, deren Kreuz für ihre Frömmigkeit spricht. Das kleine Notenbuch, auf dem ihre Hand zu liegen gekommen ist, verweist auf ihre Bildung. Das Interesse an der Wiedergabe der moralischen und intellektuellen Qualitäten der Frau lässt vermuten, dass das Bild, wie es Brauch war, aus Anlass ihrer Vermählung in Auftrag gegeben wurde. Die wertvollen Steine ihrer Ringe würden für diese Möglichkeit sprechen. Ab dem 15. Jahrhundert glaubte man, dass Smaragde Glück und eine erfolgreiche Ehe mit sich bringen würden, während Rubine zumeist den Bräuten überreicht wurden, weil man ihnen nachsagte, sie würden den Wohlstand befördern und der Lust ein Ende setzen (siehe P. Castelli, Le virtù delle gemme, in: L’Oreficeria nella Firenze del Quattrocento, Florenz 1977, S. 345f.).

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 09.06.2020 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 02.06. - 09.06.2020


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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