Lot Nr. 49


Pietro Facchetti


Pietro Facchetti - Alte Meister

(Mantua 1535–1619 Rom)
Bildnis eines Kardinals,
Öl auf Holz, 135 x 168 cm, gerahmt

Provenienz:
Auktion, Sotheby’s Olympia, London, 3. Juli 2007, Lot 342 (als Umkreis des Scipione Pulzone);
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Literatur:
F. Petrucci, Pittura di ritratto a Roma. Il 600, III, Rom 2008, S. 788, Abb. 809 (als „Pittore attivo a Roma primo quarto del 600“)

Wir danken Francesco Petrucci, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes auf Grundlage einer Digitalfotografie bestätigt hat.

Der jugendliche Kardinal ist an einem Schreibtisch sitzend dargestellt und hält eine undeutlich mit „All Ill mo … / … / … Roma (?)“ beschriftete Nachricht in Händen. Einem eingeführten Kompositionstypus entsprechend ist er als Dreiviertelfigur wiedergegeben. Facchetti hatte sich dieses Bildformats schon zuvor bedient, beispielsweise bei seinem im Dorotheum versteigerten Kardinalsporträt (13. Oktober 2010, Lot 366). Trotzdem er die von der offiziellen Porträtkunst geforderten Grundregeln befolgte, gelang es Facchetti, dem vorliegenden Gemälde einen gewissen Naturalismus zu verleihen, der an Caravaggio erinnert.

Der lombardisch-caravaggeske Charakter von Facchettis Porträtkunst geht mit einer Feinheit und Eleganz einher, die vom Werk Gaetano Scipione Pulzones (Gaeta 1544–1598 Rom) herrührt, des damals führenden offiziellen Porträtisten Roms. In dieser Hinsicht ist das vorliegende Gemälde mit Pulzones Bildnis des Alessandro Farnese in der Galleria Nazionale di Palazzo Barberini in Rom (Inv.-Nr. 2217) vergleichbar.

Die Gesichtszüge des Kardinals sind hier ausdrucksstark wiedergegeben; die Einzelheiten des Gewandes, des Armlehnstuhls und der Draperie dahinter zeugen von einem verfeinerten Realismus. Die beiden letztgenannten Bildelemente reichen aus, um den Kardinal im umgebenden Bildraum zu verorten, woraus sich eine fokussierte und moderne Komposition ergibt. Flämische Einflüsse wie die haptischen Details des bestickten Gewandes oder der Quasten am Stuhl könnten Facchetti in Mantua über seine Kenntnis der Sammlungen der Familie Gonzaga und seinen Kontakt mit Peter Paul Rubens erreicht haben, wie sein Porträt der Maria de’ Medici in Jugendjahren im Palazzo Lancellotti in Rom belegt (siehe F. Solinas, Il ritratto di Maria de’Medici giovane di Pietro Facchetti (1535–1613) nella galleria del principe Lancellotti, in: Le „siècle“ de Marie de Médicis, hrsg. von F. Graziani, F. Solinas, M. Fumaroli, Alessandria 2003, S. 3–11).

Pietro Facchettis erste Ausbildung fand unter dem Einfluss der Nachfolger Giulio Romanos in Mantua statt, wo er sich dem Kreis der Künstler am Hof des dritten Herzogs von Mantua, Guglielmo Gonzaga (1538–1587), anschloss. Um 1665 zog Facchetti, wie aus mehreren Briefen des Bologneser Kardinals Filippo Guastavillani an den Hof in Mantua hervorgeht, nach Rom (siehe A. Dessì, Nuova luce su Pietro Facchetti pittore di Casa Orsini, in: Arte Documento, Nr. 33, 2017, S. 125). Seine Tätigkeit als offizieller Porträtist manifestiert sich in seinem um das Jahr 1588 datierten Gemälde Domenico Fontana unterbreitet Sixtus V. die Pläne zur Bibliothek im Salone Sistino der Biblioteca Apostolica Vaticana. Facchetti war auch als Kopist, Stecher und Kunsthändler für die Familie Gonzaga tätig. Er fungierte als Berater des Herzogs von Mantua beim Ankauf von Werken Rubens’ und Caravaggios Marientod, welcher von den Mönchen von Santa Maria della Scala zurückgewiesen worden war (siehe B. Furlotti, Le collezioni Gonzaga: il carteggio tra Roma e Mantova [1587–1612], Cinisello Balsamo 2003, S. 44).

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

09.06.2020 - 16:00

Schätzwert:
EUR 40.000,- bis EUR 60.000,-

Pietro Facchetti


(Mantua 1535–1619 Rom)
Bildnis eines Kardinals,
Öl auf Holz, 135 x 168 cm, gerahmt

Provenienz:
Auktion, Sotheby’s Olympia, London, 3. Juli 2007, Lot 342 (als Umkreis des Scipione Pulzone);
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Literatur:
F. Petrucci, Pittura di ritratto a Roma. Il 600, III, Rom 2008, S. 788, Abb. 809 (als „Pittore attivo a Roma primo quarto del 600“)

Wir danken Francesco Petrucci, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes auf Grundlage einer Digitalfotografie bestätigt hat.

Der jugendliche Kardinal ist an einem Schreibtisch sitzend dargestellt und hält eine undeutlich mit „All Ill mo … / … / … Roma (?)“ beschriftete Nachricht in Händen. Einem eingeführten Kompositionstypus entsprechend ist er als Dreiviertelfigur wiedergegeben. Facchetti hatte sich dieses Bildformats schon zuvor bedient, beispielsweise bei seinem im Dorotheum versteigerten Kardinalsporträt (13. Oktober 2010, Lot 366). Trotzdem er die von der offiziellen Porträtkunst geforderten Grundregeln befolgte, gelang es Facchetti, dem vorliegenden Gemälde einen gewissen Naturalismus zu verleihen, der an Caravaggio erinnert.

Der lombardisch-caravaggeske Charakter von Facchettis Porträtkunst geht mit einer Feinheit und Eleganz einher, die vom Werk Gaetano Scipione Pulzones (Gaeta 1544–1598 Rom) herrührt, des damals führenden offiziellen Porträtisten Roms. In dieser Hinsicht ist das vorliegende Gemälde mit Pulzones Bildnis des Alessandro Farnese in der Galleria Nazionale di Palazzo Barberini in Rom (Inv.-Nr. 2217) vergleichbar.

Die Gesichtszüge des Kardinals sind hier ausdrucksstark wiedergegeben; die Einzelheiten des Gewandes, des Armlehnstuhls und der Draperie dahinter zeugen von einem verfeinerten Realismus. Die beiden letztgenannten Bildelemente reichen aus, um den Kardinal im umgebenden Bildraum zu verorten, woraus sich eine fokussierte und moderne Komposition ergibt. Flämische Einflüsse wie die haptischen Details des bestickten Gewandes oder der Quasten am Stuhl könnten Facchetti in Mantua über seine Kenntnis der Sammlungen der Familie Gonzaga und seinen Kontakt mit Peter Paul Rubens erreicht haben, wie sein Porträt der Maria de’ Medici in Jugendjahren im Palazzo Lancellotti in Rom belegt (siehe F. Solinas, Il ritratto di Maria de’Medici giovane di Pietro Facchetti (1535–1613) nella galleria del principe Lancellotti, in: Le „siècle“ de Marie de Médicis, hrsg. von F. Graziani, F. Solinas, M. Fumaroli, Alessandria 2003, S. 3–11).

Pietro Facchettis erste Ausbildung fand unter dem Einfluss der Nachfolger Giulio Romanos in Mantua statt, wo er sich dem Kreis der Künstler am Hof des dritten Herzogs von Mantua, Guglielmo Gonzaga (1538–1587), anschloss. Um 1665 zog Facchetti, wie aus mehreren Briefen des Bologneser Kardinals Filippo Guastavillani an den Hof in Mantua hervorgeht, nach Rom (siehe A. Dessì, Nuova luce su Pietro Facchetti pittore di Casa Orsini, in: Arte Documento, Nr. 33, 2017, S. 125). Seine Tätigkeit als offizieller Porträtist manifestiert sich in seinem um das Jahr 1588 datierten Gemälde Domenico Fontana unterbreitet Sixtus V. die Pläne zur Bibliothek im Salone Sistino der Biblioteca Apostolica Vaticana. Facchetti war auch als Kopist, Stecher und Kunsthändler für die Familie Gonzaga tätig. Er fungierte als Berater des Herzogs von Mantua beim Ankauf von Werken Rubens’ und Caravaggios Marientod, welcher von den Mönchen von Santa Maria della Scala zurückgewiesen worden war (siehe B. Furlotti, Le collezioni Gonzaga: il carteggio tra Roma e Mantova [1587–1612], Cinisello Balsamo 2003, S. 44).

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 09.06.2020 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 02.06. - 09.06.2020