Lot Nr. 98 -


Pieter Mulier, gen. Cavalier Tempesta


Pieter Mulier, gen. Cavalier Tempesta - Alte Meister

(Haarlem 1637–1701 Mailand)
Durchzug der Israeliten durch das Rote Meer,
Öl auf Leinwand, 89 x 135 cm, gerahmt

Wir danken Anna Orlando für die Bestätigung der Zuschreibung und für ihre Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Lots.

Das vorliegende Gemälde zeichnet sich durch eine außergewöhnliche farbige Lebendigkeit aus. Es wurde Pieter Mulier, gen. Cavalier Tempesta, zugeschrieben und bedeutet eine wichtige Hinzufügung zum Œuvre dieses Künstlers.

Die dargestellte Begebenheit ist dem Buch Exodus (14: 19–31) entnommen: Moses vermochte, als er die Hebräer ins Gelobte Land führte, das Wasser des Roten Meeres auf Befehl zu teilen, sodass sein Volk es durchqueren konnte. Hier ist der Moment zu sehen, als Moses, hoch auf einem Felsen stehend, seinen Stab hochhält und befiehlt, das Wasser möge über die sie verfolgenden Ägypter hereinbrechen. Am Ufer im Vordergrund rasten seine Leute nach dem Durchzug, während im Hintergrund die Wägen des Pharaos und die scheuenden Pferde vom Wasser erfasst werden.

Anna Orlandi zufolge ist das Gemälde in die Zeit um 1687–1690 zu datieren, als der Künstler in Venedig weilte, wo er den Höhepunkt seines Schaffens erreichte. In einem Brief erinnert sich Tempesta: „Meine Ankunft in dieser Stadt ist von vielen dilettanti und vornehmen Herren begrüßt worden, denn Figurenmaler gibt es hier genug, aber keine, die Landschaften und Seestücke und kleine Tiere malen, oder die, die es gibt, taugen nicht, sodass es an Arbeit nicht mangelt, Gott sei’s gedankt“ (siehe M. Roethlisberger, Cavalier Tempesta and His Time, Cranbury 1970, S. 34).

Das vorliegende Gemälde spiegelt die Merkmale von Tempestas venezianischer Periode wider: eine helle Farbpalette, aus der ein lebendiges Blau besonders hervorsticht, mit verspielten tonalen Licht-Schatten-Kontrasten, sowie eine Themenwahl, die Seestück und Landschaftsansicht mit Tierdarstellungen verbindet. Zu den herausragendsten Werken seiner venezianischen Zeit gehören die Landschaft mit der Opferung Noahs in der Pinacoteca Ambrosiana (Inv.-Nr. 1180; 122 x 178,5 cm) sowie eine weitere Fassung des Bildthemas in Kassel (Inv.-Nr. 4141; 121 x 172 cm).

Muliers kluge Erfolgsformel verband das Vorbild der klassischen römischen Landschaft, der Lorrain und sein Landsmann Gaspard Dughet zu Beliebtheit verhalfen, mit seiner eigenen nördlichen Vorliebe für dramatische Lichteffekte. Nach seinen Reisen nach Genua und Venedig führte er Elemente ein, die er von Castiglione und Bassano übernommen hatte, darunter weitläufige Prozessionen. Darauf gründen seine Landschaften, und nur selten unternahm er den Versuch, in andere Genres vorzudringen, was ihm zu Ruhm verhalf und Zufriedenheit verschaffte. Die einzige Ausnahme von seiner Neigung zu thematischer Konsistenz bilden seine zahlreichen Marinebilder mit Meeresstürmen, mit denen er seine Laufbahn begann und die ihm den Beinamen „Tempesta“ eintrugen.

Als Sohn eines Marinemalers erhielt Mulier seine erste Ausbildung in Haarlem. Danach hielt er sich in Antwerpen auf, bevor er 1656 nach Rom übersiedelte. Dort schloss er sich den Bentvueghels an, einer Gesellschaft von Künstlern aus dem Norden, wo er auch seinen „Bentnamen“ erhielt. Er blieb bis 1668 und erneute seine Malerei, indem er die klassische Landschaftstradition aufnahm. Nach wichtigen römischen Aufträgen für die Familien Borghese, Chigi und Colonna zog er nach Genua, wo er von 1668 bis 1684 lebte. Er war dort überaus produktiv und erntete solchen Beifall, dass er selbst, nachdem er seine Frau getötet hatte und ins Gefängnis kam, seiner künstlerischen Tätigkeit weiter nachging; auch dann schuf er „tanti superbi quadri per uso di questi Cittadini, appresso de’ quali si conservano, e in gran pregio si tengono“ [„viele ausgezeichnete Gemälde für diese Bürger, die sie bewahrten und wertschätzten“ (siehe C. G. Ratti, Delle Vite..., Genua 1769, S. 332). Danach, von 1684 bis zu seinem Tod, folgte eine weitere Periode reger Tätigkeit in Mailand. Als Günstling des Herzogs von Mailand und der Familie Borromeo bereiste er die Emilia und den Veneto.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

09.06.2020 - 16:00

Schätzwert:
EUR 20.000,- bis EUR 30.000,-

Pieter Mulier, gen. Cavalier Tempesta


(Haarlem 1637–1701 Mailand)
Durchzug der Israeliten durch das Rote Meer,
Öl auf Leinwand, 89 x 135 cm, gerahmt

Wir danken Anna Orlando für die Bestätigung der Zuschreibung und für ihre Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Lots.

Das vorliegende Gemälde zeichnet sich durch eine außergewöhnliche farbige Lebendigkeit aus. Es wurde Pieter Mulier, gen. Cavalier Tempesta, zugeschrieben und bedeutet eine wichtige Hinzufügung zum Œuvre dieses Künstlers.

Die dargestellte Begebenheit ist dem Buch Exodus (14: 19–31) entnommen: Moses vermochte, als er die Hebräer ins Gelobte Land führte, das Wasser des Roten Meeres auf Befehl zu teilen, sodass sein Volk es durchqueren konnte. Hier ist der Moment zu sehen, als Moses, hoch auf einem Felsen stehend, seinen Stab hochhält und befiehlt, das Wasser möge über die sie verfolgenden Ägypter hereinbrechen. Am Ufer im Vordergrund rasten seine Leute nach dem Durchzug, während im Hintergrund die Wägen des Pharaos und die scheuenden Pferde vom Wasser erfasst werden.

Anna Orlandi zufolge ist das Gemälde in die Zeit um 1687–1690 zu datieren, als der Künstler in Venedig weilte, wo er den Höhepunkt seines Schaffens erreichte. In einem Brief erinnert sich Tempesta: „Meine Ankunft in dieser Stadt ist von vielen dilettanti und vornehmen Herren begrüßt worden, denn Figurenmaler gibt es hier genug, aber keine, die Landschaften und Seestücke und kleine Tiere malen, oder die, die es gibt, taugen nicht, sodass es an Arbeit nicht mangelt, Gott sei’s gedankt“ (siehe M. Roethlisberger, Cavalier Tempesta and His Time, Cranbury 1970, S. 34).

Das vorliegende Gemälde spiegelt die Merkmale von Tempestas venezianischer Periode wider: eine helle Farbpalette, aus der ein lebendiges Blau besonders hervorsticht, mit verspielten tonalen Licht-Schatten-Kontrasten, sowie eine Themenwahl, die Seestück und Landschaftsansicht mit Tierdarstellungen verbindet. Zu den herausragendsten Werken seiner venezianischen Zeit gehören die Landschaft mit der Opferung Noahs in der Pinacoteca Ambrosiana (Inv.-Nr. 1180; 122 x 178,5 cm) sowie eine weitere Fassung des Bildthemas in Kassel (Inv.-Nr. 4141; 121 x 172 cm).

Muliers kluge Erfolgsformel verband das Vorbild der klassischen römischen Landschaft, der Lorrain und sein Landsmann Gaspard Dughet zu Beliebtheit verhalfen, mit seiner eigenen nördlichen Vorliebe für dramatische Lichteffekte. Nach seinen Reisen nach Genua und Venedig führte er Elemente ein, die er von Castiglione und Bassano übernommen hatte, darunter weitläufige Prozessionen. Darauf gründen seine Landschaften, und nur selten unternahm er den Versuch, in andere Genres vorzudringen, was ihm zu Ruhm verhalf und Zufriedenheit verschaffte. Die einzige Ausnahme von seiner Neigung zu thematischer Konsistenz bilden seine zahlreichen Marinebilder mit Meeresstürmen, mit denen er seine Laufbahn begann und die ihm den Beinamen „Tempesta“ eintrugen.

Als Sohn eines Marinemalers erhielt Mulier seine erste Ausbildung in Haarlem. Danach hielt er sich in Antwerpen auf, bevor er 1656 nach Rom übersiedelte. Dort schloss er sich den Bentvueghels an, einer Gesellschaft von Künstlern aus dem Norden, wo er auch seinen „Bentnamen“ erhielt. Er blieb bis 1668 und erneute seine Malerei, indem er die klassische Landschaftstradition aufnahm. Nach wichtigen römischen Aufträgen für die Familien Borghese, Chigi und Colonna zog er nach Genua, wo er von 1668 bis 1684 lebte. Er war dort überaus produktiv und erntete solchen Beifall, dass er selbst, nachdem er seine Frau getötet hatte und ins Gefängnis kam, seiner künstlerischen Tätigkeit weiter nachging; auch dann schuf er „tanti superbi quadri per uso di questi Cittadini, appresso de’ quali si conservano, e in gran pregio si tengono“ [„viele ausgezeichnete Gemälde für diese Bürger, die sie bewahrten und wertschätzten“ (siehe C. G. Ratti, Delle Vite..., Genua 1769, S. 332). Danach, von 1684 bis zu seinem Tod, folgte eine weitere Periode reger Tätigkeit in Mailand. Als Günstling des Herzogs von Mailand und der Familie Borromeo bereiste er die Emilia und den Veneto.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 09.06.2020 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 02.06. - 09.06.2020