Lot Nr. 7


Bicci di Lorenzo


Bicci di Lorenzo - Alte Meister

(Florenz, um 1368–1452)
Begebenheit aus dem Leben des heiligen Nikolaus: Die Auferweckung eines Knaben,
auf Holz, 31,5 x 27,5 cm, inkl. Kantenprofil, gerahmt

Rückseitig bezeichnet: Il Vampiro/ Vampiro che strozza un fanciullo mentre i suoi parenti stanno seduti a mensa/ (Intorno ai Vampiri e agli scrittori che ne hanno parlato può leggersi il Tiraboschi nella storia letteraria d’Italia)

Provenienz:
Kloster San Niccolò in Cafaggio, Florenz, 1433–1787;
1787 durch den Marchese Alfonso Tacoli Canacci, Parma (lt. Literatur, siehe Chiodo);
Trivulzio, Mailand;
Privatsammlung, New York, 1957;
Kunsthandel Wildenstein, New York;
Privatsammlung, Großbritannien;
Auktion, Christie’s, London, 9. Juli 2003, Lot 75 (als Bicci di Lorenzo);
dort durch den jetzigen Besitzer erworben

Ausgestellt:
Arezzo, Basilica Inferiore di San Francesco, Il primato dei Toscani nelle Vite del Vasari, 3 September 2011 – 9. Januar 2012 (als Bicci di Lorenzo);
, The Bunkamura Museum of Art, Money and Beauty: Botticelli and the Renaissance in Florence, 21. März – 28. Juni 2015, Nr. 40 (als Bicci di Lorenzo)

b>Literatur:
F. Zeri, Una precisazione su Bicci di Lorenzo, in: Paragone, Nr. 105, September 1958, S. 70f., Abb. 48 (als Bicci di Lorenzo, mit den Maßangaben ca. 25 x 21 cm);
W. Cohn, Maestri sconosciuti del Quattrocentro fiorentino: II. Stefano d’Antonio, in: Bollettino d’arte, XLIV, Nr. 1, Januar – März 1959, S. 61, 68, Anm. 4 (als Bicci di Lorenzo);
. Zeri, E. E. Gardner, Italian Paintings. A Catalogue of the Collection of the Metropolitan Museum of Art: Florentine School, New York 1971, erwähnt S. 70 (als Bicci di Lorenzo);
. Lloyd, A Catalogue of Earlier Italian Paintings in the Ashmolean Museum, Oxford 1977, S. 33, erwähnt unter Anm. 7 (als Bicci di Lorenzo, mit den Maßangaben 25 x 21 cm);
. Pope-Hennessy, Italian Paintings in the Robert Lehman Collection, Princeton 1987, S. 173, erwähnt unter Nr. 73 (als Bicci di Lorenzo);
. Petrucci, in: F. Zeri (Hg.), La Pittura in Italia: Il Quattrocento, 2. Aufl., Mailand 1987, Bd. 2, S. 585 (als Bicci di Lorenzo);
. Zeri, in: Giorno per giorno nella pittura: scritti sull’arte toscana dal Trecento al primo Cinquecento, Turin 1991, S. 142f., Abb. 213 (als Bicci di Lorenzo, mit den Maßangaben ca. 25 x 21 cm);
. Chiodo, Osservazioni su due polittici di Bicci di Lorenzo, in: Arte Cristiana, 2000, Nr. 799, S. 269–280, Abb. 4 (als Bicci di Lorenzo, mit den Maßangaben 25 x 21 cm);
. Lorenzi, Devils in Art: Florence from the Middle Ages to the Renaissance, 2. Aufl., Florenz 2006, unpaginiert (als Bicci di Lorenzo);
. Christiansen, in: L. Laureati, L. Mochi Onori (Hg.), Gentile da Fabriano e l’altro Rinascimento, Ausstellungskatalog, Mailand 2006, S. 288, erwähnt unter Nr. VI. 13 (als Bicci di Lorenzo);
P. Refice, in: P. Refice (Hg.), Il primato dei Toscani nelle Vite del Vasari, Ausstellungskatalog, Ospedaletto 2011, S. 274f., mit Abb. (als Bicci di Lorenzo, jedoch fälschlicherweise im Katalogeintrag angeführt als Neri di Bicci);
L. Sebregondi, in: L. Sebregondi (Hg.), Money and Beauty: Botticelli and the Renaissance in Florence, Ausstellungskatalog, Bunkamura 2015, S. 88f., Nr. 40, mit Abb. (als Bicci di Lorenzo);
. Degasperi, Arte nell’arte: Ceramiche medievali lette attraverso gli occhi dei grandi maestri toscani del Trecento e del Quattrocento, Florenz 2016, S. 38, Umschlagabb. und S. 41, Abb. 13 und 14 (als Bicci di Lorenzo)

vorliegende Gemälde ist in der Fototeca Zeri unter Nr. 10322 verzeichnet (als Bicci di Lorenzo).

Das vorliegende Gemälde gehörte ursprünglich zur Predella eines Flügelaltars, in Auftrag gegeben bei Bicci di Lorenzo und seinem „Kompagnon“ [„compagno“] Stefano d’Antonio di Vanni für den Hochaltar der Klosterkirche San Niccolò in Cafaggio in Florenz. Das Werk entstand um 1433 und war mit Sicherheit spätestens 1435 fertiggestellt, als es von Beato Angelico und Rossello di Jacopo Franchi gepriesen wurde (siehe Cohn in der Literatur, S. 61). Das Polyptychon befand sich 1758 noch in situ, als es von Richa beschrieben wurde, der jedoch nur die Haupttafeln berücksichtigte (siehe G. Richa, Notizie istoriche delle chiese fiorentine, Bd. 7, Florenz 1758, S. 35, als Lorenzo di Bicci). 1787 wurde der Altar auseinandergenommen und seine Bestandteile verstreut.

Die Mitteltafel bestand aus einer Madonna mit Kind und vier Engeln (heute Galleria Nazionale, Parma), die links von den Heiligen Benedikt und Nikolaus von Bari (Museo del Monumento Nazionale della Badia Greca, Grottaferrata – diese Tafel wurde vermutlich von Stefano d’Antonio ausgeführt, siehe Pope-Hennessy in der Literatur) und rechts von den Heiligen Johannes dem Täufer und Matthäus (Metropolitan Museum of Art, New York) flankiert wurde.

Angeregt durch die von Federico Zeri angestellten Forschungen (siehe Zeri 1958 in der Literatur) gab es Versuche, die einst zum Altar gehörige Predella zu rekonstruieren. Sie bestand vermutlich aus sieben Tafeln zum Leben des heiligen Nikolaus, von denen sechs identifiziert wurden. Sie waren vermutlich von links nach rechts wie folgt angeordnet: Die Geburt des heiligen Nikolaus (ehemals Sammlung Barbara Piasecka Johnson; Auktion, Sotheby’s, London, 8. Juli 2009, Lot 1), die vorliegende Tafel, Die Mitgiftspende des heiligen Nikolaus (Metropolitan Museum of Art, New York), Rettung aus der Seenot durch den heiligen Nikolaus (Ashmolean Museum, Oxford), Wiedererweckung dreier Jünglinge durch den heiligen Nikolaus (Metropolitan Museum of Art, New York), Das Wunder am Grab des heiligen Nikolaus (Wawel, Krakau).

Zudem schmückten verschiedene Heiligenfiguren die Seitenpfeiler des Flügelaltars, wobei die Anordnung vermutlich auf die Haupttafeln abgestimmt war (siehe Chiodo in der Literatur).

Das vorliegende Gemälde zeigt den ersten Teil eines von Jacopo da Varagine in der Legenda aurea berichteten Wunders. Der Text war im Mittelalter und zur Zeit der Renaissance weit verbreitet und diente zahlreichen Künstlern als Anregung. Die Geschichte beschreibt ein von einem reichen Florentiner Kaufmann zu Ehren seines Schutzpatrons, des heiligen Nikolaus, gegebenes Festmahl, was mit der Absicht geschah, auch für seinen studierenden Sohn den Schutz des Heiligen zu erlangen. Während des Festes erschien ein Bettelmönch an der Tür und bat um milde Gaben. Der Sohn des Kaufmanns ging hinaus, um für ihn etwas Brot zu holen, doch wie auf der rechten Seite der vorliegenden Tafel zu sehen ist, entpuppte sich der Bettler als Teufel und erwürgte den Jüngling.

Der Ausgang der Geschichte war möglicherweise auf einer weiteren (derzeit fehlenden) Tafel dargestellt, nämlich die Anflehung des heiligen Nikolaus um Mitleid durch den Vater und die Auferstehung des Sohnes als Geschenk für seinen großen Glauben.

Die Begebenheit wird mit großer Lebendigkeit geschildert: Die schlanken, gelängten Figuren fügen sich in die Architektur und sind jenen der fünf anderen ursprünglich zur Predella gehörenden Tafeln sehr ähnlich.

Bicci di Lorenzos Polyptychon steht ikonografisch mit einem Beispiel Gentile da Fabrianos aus dem Jahr 1425 für die Quaratesi-Kapelle in San Niccolò Oltrarno in Verbindung (die Mitteltafel dieses Altars befindet sich in den Uffizien, die Predella ist aufgeteilt auf die Pinacoteca Vaticana und die National Gallery of Art, Washington), doch besteht die Predella Gentiles bloß aus fünf Szenen, wobei die auf der vorliegenden Tafel dargestellte Episode fehlt.

Bicci di Lorenzo wurde in der letzten Dekade des 14. Jahrhunderts in Florenz in der Werkstatt seines Vaters, Lorenzo di Bicci, ausgebildet. 1404 schrieb er sich in der Gilde der Arte dei Medici e degli Speziali ein und übernahm die Geschäfte seines Vaters. Er führte eine erfolgreiche Werkstatt, die später von seinem Sohn Neri di Bicci geleitet wurde. Er entwickelte eine Bildsprache, die bei seinen Auftraggebern großen Anklang fand. Mit ihr erreichte er eine Verschmelzung der Traditionen des Trecento und bereitete den Neuerungen der Renaissance den Weg.

Technischer Bericht von Gianluca Poldi:

In der in zwei Wellenzahlbereichen durchgeführten Infrarotreflektografie tritt eine lineare Unterzeichnung zutage, welche die Architektur und die Figuren umreißt. Sie ist mit einem schmalen Pinsel und schwarzer, grauer oder brauner Tinte auf dem weiß vorbereiteten Grund angebracht. Mikroskopische Bilder legen nahe, dass für die Figuren und ihre detaillierten Gesichter eher braune, Erden enthaltende Tinte zum Einsatz kam als schwarze.

Die Gesichter sind fein modelliert, wobei der Maler von einer partiellen Grundierung, ähnlich dem von Cennino Cennini in seinem „Buch von der Kunst“ beschriebenen verdaccio ausgegangen ist. Er hat die bräunliche Unterzeichnung für Gesichtszüge wie Augen, Nase und Mund angebracht hat und sodann „Farbflecken“ in drei Hauttönen gesetzt, Mischungen aus Bleiweiß und Zinnober in unterschiedlichen Verhältnissen: weißlich, rosa, rötlich. Braune Linien dienten der Definition der Gesichtszüge – der Lippen- und Augenränder, wobei die Augen mit schwarzer und weißer Farbe vollendet wurden.

Es lassen sich ein paar kleine Veränderungen feststellen, etwa in den Händen des in rot gekleideten Knaben in der Bildmitte, an der Schulter bzw. am Rücken des hutlosen Mannes und im Hut des mittig platzierten Mannes mit dem Messer, der anfänglich mit gebogter Krempe konzipiert war. Kleine Korrekturen wurden auch im Bereich der Architektur und im Figurenraum vorgenommen: Die junge blonde Gestalt links etwa wurde zum Teil über die Architektur mit Tür und Stiege im Hintergrund gemalt. In der Maloberfläche sind kleine Löcher zu erkennen, die auf sehr kleine Bläschen in den Farbmischungen zurückgehen. Temperaschraffuren zeigen sich im Bereich der Figuren, vor allem in den Lichtern der Gewänder, während das Gebäude mit flachen, durchgängigen Pinselstrichen definiert wurde.

Ungewöhnlich ist, dass die dunkelbraune Farbe des Daches erzielt wurde, indem eine Schicht fein vermahlener brauner Erden über einen körnigen Grund aus Zinnober gelegt wurde; unerwartet kam Rotlack für die Schatten des gelben Gewandes der Mittelfigur zum Einsatz. Neben Ocker und braunen Erden, Zinnober für die helleren Rottöne und einem Rotlack auf Schildlausbasis (vermutlich Kermesschildlaus) für das rosa Gewand des Knaben links und für die Schattenzonen umfasst die Farbpalette auch Bleizinngelb für die mittlere männliche Figur und Ultramarin (Lapislazuli) in allen Blaubereichen, einschließlich Himmel und Hut des linken Mannes. Geringe Mengen von Eisenoxiden finden sich, gemischt mit Bleiweiß und Lapislazuli, im Himmel sowie in Verbindung mit etwas Rotlack im Gewand des rechts am Tisch sitzenden Mannes. Ein paar wenige blaue und grüne Farbpartikel dienten in rosa Farbbereichen einer sachten Abstufung der Farbigkeit.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

10.11.2020 - 16:00

Schätzwert:
EUR 150.000,- bis EUR 200.000,-

Bicci di Lorenzo


(Florenz, um 1368–1452)
Begebenheit aus dem Leben des heiligen Nikolaus: Die Auferweckung eines Knaben,
auf Holz, 31,5 x 27,5 cm, inkl. Kantenprofil, gerahmt

Rückseitig bezeichnet: Il Vampiro/ Vampiro che strozza un fanciullo mentre i suoi parenti stanno seduti a mensa/ (Intorno ai Vampiri e agli scrittori che ne hanno parlato può leggersi il Tiraboschi nella storia letteraria d’Italia)

Provenienz:
Kloster San Niccolò in Cafaggio, Florenz, 1433–1787;
1787 durch den Marchese Alfonso Tacoli Canacci, Parma (lt. Literatur, siehe Chiodo);
Trivulzio, Mailand;
Privatsammlung, New York, 1957;
Kunsthandel Wildenstein, New York;
Privatsammlung, Großbritannien;
Auktion, Christie’s, London, 9. Juli 2003, Lot 75 (als Bicci di Lorenzo);
dort durch den jetzigen Besitzer erworben

Ausgestellt:
Arezzo, Basilica Inferiore di San Francesco, Il primato dei Toscani nelle Vite del Vasari, 3 September 2011 – 9. Januar 2012 (als Bicci di Lorenzo);
, The Bunkamura Museum of Art, Money and Beauty: Botticelli and the Renaissance in Florence, 21. März – 28. Juni 2015, Nr. 40 (als Bicci di Lorenzo)

b>Literatur:
F. Zeri, Una precisazione su Bicci di Lorenzo, in: Paragone, Nr. 105, September 1958, S. 70f., Abb. 48 (als Bicci di Lorenzo, mit den Maßangaben ca. 25 x 21 cm);
W. Cohn, Maestri sconosciuti del Quattrocentro fiorentino: II. Stefano d’Antonio, in: Bollettino d’arte, XLIV, Nr. 1, Januar – März 1959, S. 61, 68, Anm. 4 (als Bicci di Lorenzo);
. Zeri, E. E. Gardner, Italian Paintings. A Catalogue of the Collection of the Metropolitan Museum of Art: Florentine School, New York 1971, erwähnt S. 70 (als Bicci di Lorenzo);
. Lloyd, A Catalogue of Earlier Italian Paintings in the Ashmolean Museum, Oxford 1977, S. 33, erwähnt unter Anm. 7 (als Bicci di Lorenzo, mit den Maßangaben 25 x 21 cm);
. Pope-Hennessy, Italian Paintings in the Robert Lehman Collection, Princeton 1987, S. 173, erwähnt unter Nr. 73 (als Bicci di Lorenzo);
. Petrucci, in: F. Zeri (Hg.), La Pittura in Italia: Il Quattrocento, 2. Aufl., Mailand 1987, Bd. 2, S. 585 (als Bicci di Lorenzo);
. Zeri, in: Giorno per giorno nella pittura: scritti sull’arte toscana dal Trecento al primo Cinquecento, Turin 1991, S. 142f., Abb. 213 (als Bicci di Lorenzo, mit den Maßangaben ca. 25 x 21 cm);
. Chiodo, Osservazioni su due polittici di Bicci di Lorenzo, in: Arte Cristiana, 2000, Nr. 799, S. 269–280, Abb. 4 (als Bicci di Lorenzo, mit den Maßangaben 25 x 21 cm);
. Lorenzi, Devils in Art: Florence from the Middle Ages to the Renaissance, 2. Aufl., Florenz 2006, unpaginiert (als Bicci di Lorenzo);
. Christiansen, in: L. Laureati, L. Mochi Onori (Hg.), Gentile da Fabriano e l’altro Rinascimento, Ausstellungskatalog, Mailand 2006, S. 288, erwähnt unter Nr. VI. 13 (als Bicci di Lorenzo);
P. Refice, in: P. Refice (Hg.), Il primato dei Toscani nelle Vite del Vasari, Ausstellungskatalog, Ospedaletto 2011, S. 274f., mit Abb. (als Bicci di Lorenzo, jedoch fälschlicherweise im Katalogeintrag angeführt als Neri di Bicci);
L. Sebregondi, in: L. Sebregondi (Hg.), Money and Beauty: Botticelli and the Renaissance in Florence, Ausstellungskatalog, Bunkamura 2015, S. 88f., Nr. 40, mit Abb. (als Bicci di Lorenzo);
. Degasperi, Arte nell’arte: Ceramiche medievali lette attraverso gli occhi dei grandi maestri toscani del Trecento e del Quattrocento, Florenz 2016, S. 38, Umschlagabb. und S. 41, Abb. 13 und 14 (als Bicci di Lorenzo)

vorliegende Gemälde ist in der Fototeca Zeri unter Nr. 10322 verzeichnet (als Bicci di Lorenzo).

Das vorliegende Gemälde gehörte ursprünglich zur Predella eines Flügelaltars, in Auftrag gegeben bei Bicci di Lorenzo und seinem „Kompagnon“ [„compagno“] Stefano d’Antonio di Vanni für den Hochaltar der Klosterkirche San Niccolò in Cafaggio in Florenz. Das Werk entstand um 1433 und war mit Sicherheit spätestens 1435 fertiggestellt, als es von Beato Angelico und Rossello di Jacopo Franchi gepriesen wurde (siehe Cohn in der Literatur, S. 61). Das Polyptychon befand sich 1758 noch in situ, als es von Richa beschrieben wurde, der jedoch nur die Haupttafeln berücksichtigte (siehe G. Richa, Notizie istoriche delle chiese fiorentine, Bd. 7, Florenz 1758, S. 35, als Lorenzo di Bicci). 1787 wurde der Altar auseinandergenommen und seine Bestandteile verstreut.

Die Mitteltafel bestand aus einer Madonna mit Kind und vier Engeln (heute Galleria Nazionale, Parma), die links von den Heiligen Benedikt und Nikolaus von Bari (Museo del Monumento Nazionale della Badia Greca, Grottaferrata – diese Tafel wurde vermutlich von Stefano d’Antonio ausgeführt, siehe Pope-Hennessy in der Literatur) und rechts von den Heiligen Johannes dem Täufer und Matthäus (Metropolitan Museum of Art, New York) flankiert wurde.

Angeregt durch die von Federico Zeri angestellten Forschungen (siehe Zeri 1958 in der Literatur) gab es Versuche, die einst zum Altar gehörige Predella zu rekonstruieren. Sie bestand vermutlich aus sieben Tafeln zum Leben des heiligen Nikolaus, von denen sechs identifiziert wurden. Sie waren vermutlich von links nach rechts wie folgt angeordnet: Die Geburt des heiligen Nikolaus (ehemals Sammlung Barbara Piasecka Johnson; Auktion, Sotheby’s, London, 8. Juli 2009, Lot 1), die vorliegende Tafel, Die Mitgiftspende des heiligen Nikolaus (Metropolitan Museum of Art, New York), Rettung aus der Seenot durch den heiligen Nikolaus (Ashmolean Museum, Oxford), Wiedererweckung dreier Jünglinge durch den heiligen Nikolaus (Metropolitan Museum of Art, New York), Das Wunder am Grab des heiligen Nikolaus (Wawel, Krakau).

Zudem schmückten verschiedene Heiligenfiguren die Seitenpfeiler des Flügelaltars, wobei die Anordnung vermutlich auf die Haupttafeln abgestimmt war (siehe Chiodo in der Literatur).

Das vorliegende Gemälde zeigt den ersten Teil eines von Jacopo da Varagine in der Legenda aurea berichteten Wunders. Der Text war im Mittelalter und zur Zeit der Renaissance weit verbreitet und diente zahlreichen Künstlern als Anregung. Die Geschichte beschreibt ein von einem reichen Florentiner Kaufmann zu Ehren seines Schutzpatrons, des heiligen Nikolaus, gegebenes Festmahl, was mit der Absicht geschah, auch für seinen studierenden Sohn den Schutz des Heiligen zu erlangen. Während des Festes erschien ein Bettelmönch an der Tür und bat um milde Gaben. Der Sohn des Kaufmanns ging hinaus, um für ihn etwas Brot zu holen, doch wie auf der rechten Seite der vorliegenden Tafel zu sehen ist, entpuppte sich der Bettler als Teufel und erwürgte den Jüngling.

Der Ausgang der Geschichte war möglicherweise auf einer weiteren (derzeit fehlenden) Tafel dargestellt, nämlich die Anflehung des heiligen Nikolaus um Mitleid durch den Vater und die Auferstehung des Sohnes als Geschenk für seinen großen Glauben.

Die Begebenheit wird mit großer Lebendigkeit geschildert: Die schlanken, gelängten Figuren fügen sich in die Architektur und sind jenen der fünf anderen ursprünglich zur Predella gehörenden Tafeln sehr ähnlich.

Bicci di Lorenzos Polyptychon steht ikonografisch mit einem Beispiel Gentile da Fabrianos aus dem Jahr 1425 für die Quaratesi-Kapelle in San Niccolò Oltrarno in Verbindung (die Mitteltafel dieses Altars befindet sich in den Uffizien, die Predella ist aufgeteilt auf die Pinacoteca Vaticana und die National Gallery of Art, Washington), doch besteht die Predella Gentiles bloß aus fünf Szenen, wobei die auf der vorliegenden Tafel dargestellte Episode fehlt.

Bicci di Lorenzo wurde in der letzten Dekade des 14. Jahrhunderts in Florenz in der Werkstatt seines Vaters, Lorenzo di Bicci, ausgebildet. 1404 schrieb er sich in der Gilde der Arte dei Medici e degli Speziali ein und übernahm die Geschäfte seines Vaters. Er führte eine erfolgreiche Werkstatt, die später von seinem Sohn Neri di Bicci geleitet wurde. Er entwickelte eine Bildsprache, die bei seinen Auftraggebern großen Anklang fand. Mit ihr erreichte er eine Verschmelzung der Traditionen des Trecento und bereitete den Neuerungen der Renaissance den Weg.

Technischer Bericht von Gianluca Poldi:

In der in zwei Wellenzahlbereichen durchgeführten Infrarotreflektografie tritt eine lineare Unterzeichnung zutage, welche die Architektur und die Figuren umreißt. Sie ist mit einem schmalen Pinsel und schwarzer, grauer oder brauner Tinte auf dem weiß vorbereiteten Grund angebracht. Mikroskopische Bilder legen nahe, dass für die Figuren und ihre detaillierten Gesichter eher braune, Erden enthaltende Tinte zum Einsatz kam als schwarze.

Die Gesichter sind fein modelliert, wobei der Maler von einer partiellen Grundierung, ähnlich dem von Cennino Cennini in seinem „Buch von der Kunst“ beschriebenen verdaccio ausgegangen ist. Er hat die bräunliche Unterzeichnung für Gesichtszüge wie Augen, Nase und Mund angebracht hat und sodann „Farbflecken“ in drei Hauttönen gesetzt, Mischungen aus Bleiweiß und Zinnober in unterschiedlichen Verhältnissen: weißlich, rosa, rötlich. Braune Linien dienten der Definition der Gesichtszüge – der Lippen- und Augenränder, wobei die Augen mit schwarzer und weißer Farbe vollendet wurden.

Es lassen sich ein paar kleine Veränderungen feststellen, etwa in den Händen des in rot gekleideten Knaben in der Bildmitte, an der Schulter bzw. am Rücken des hutlosen Mannes und im Hut des mittig platzierten Mannes mit dem Messer, der anfänglich mit gebogter Krempe konzipiert war. Kleine Korrekturen wurden auch im Bereich der Architektur und im Figurenraum vorgenommen: Die junge blonde Gestalt links etwa wurde zum Teil über die Architektur mit Tür und Stiege im Hintergrund gemalt. In der Maloberfläche sind kleine Löcher zu erkennen, die auf sehr kleine Bläschen in den Farbmischungen zurückgehen. Temperaschraffuren zeigen sich im Bereich der Figuren, vor allem in den Lichtern der Gewänder, während das Gebäude mit flachen, durchgängigen Pinselstrichen definiert wurde.

Ungewöhnlich ist, dass die dunkelbraune Farbe des Daches erzielt wurde, indem eine Schicht fein vermahlener brauner Erden über einen körnigen Grund aus Zinnober gelegt wurde; unerwartet kam Rotlack für die Schatten des gelben Gewandes der Mittelfigur zum Einsatz. Neben Ocker und braunen Erden, Zinnober für die helleren Rottöne und einem Rotlack auf Schildlausbasis (vermutlich Kermesschildlaus) für das rosa Gewand des Knaben links und für die Schattenzonen umfasst die Farbpalette auch Bleizinngelb für die mittlere männliche Figur und Ultramarin (Lapislazuli) in allen Blaubereichen, einschließlich Himmel und Hut des linken Mannes. Geringe Mengen von Eisenoxiden finden sich, gemischt mit Bleiweiß und Lapislazuli, im Himmel sowie in Verbindung mit etwas Rotlack im Gewand des rechts am Tisch sitzenden Mannes. Ein paar wenige blaue und grüne Farbpartikel dienten in rosa Farbbereichen einer sachten Abstufung der Farbigkeit.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 10.11.2020 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 04.11. - 10.11.2020