Lot Nr. 13 -


Santi di Tito


Santi di Tito - Alte Meister

(Florenz 1536–1603)
Halbfiguriges Bildnis einer Adeligen mit Buch,
Öl auf Holz, 74 x 61 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, Schweiz

Wir danken Carlo Falciani, der die Zuschreibung vorgeschlagen hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung dieses Lots.

Die rosigen Hauttöne, das schön gezeichnete ovale Gesicht sowie die ausführliche Beschreibung der Kleidung und Haartracht der Dargestellten sind allesamt typische Merkmale des Schaffens Santi di Titos. Dies gilt auch für die skulpturale Erscheinung der Dame, deren besticktes Kleid im Bereich der Ärmel und des Oberteils typisch summarisch wiedergegeben ist. Die Dame trägt einen breiten weißen Rüschenkragen, der dem Gemälde ein frisches Licht verleiht.

Das vorliegende Bild lässt sich mit dem Porträt Guido Guardis mit seinen Kindern in einer Privatsammlung vergleichen, das zwischen 1564 und 1568 entstanden ist und bei dem sich Santi di Tito derselben künstlerischen Mittel bedient hat, um die Gesichtszüge und den Kragen des Dargestellten wiederzugeben (siehe A. Geremicca, in: Il Cinquecento a Firenze, „maniera moderna“ e controriforma, Ausstellungskatalog, hg. von C. Falciani, A. Natali, Florenz 2017, S. 156f.). Auch auf dem vorliegenden Damenbildnis treten das körperliche Volumen und die ausdrucksstarke Gestalt der Dargestellten gegenüber dem einfarbigen Hintergrund hervor, was eine Ausführung des vorliegenden Gemäldes gegen Ende der 1570er-Jahre und damit in zeitlicher Nähe zu dem Porträt Guido Guardis mit seinen Kindern nahelegt.

Auch drei Gemälde Santi di Titos für das Studiolo von Francesco de’ Medici I. im Palazzo Vecchio in Florenz – Die Mannaernte, Herakles und Iole und Der Durchzug durch das Rote Meer – sind mit dem vorliegenden Damenbildnis vergleichbar. In diesen drei Gemälden belebte Santi die Florentiner „maniera moderna“ nach seiner Reise nach Venedig, wo er Gelegenheit hatte, den naturalistischen Stil Tizians und Tintorettos zu studieren. Der Einfluss dieses Venedigbesuchs macht sich auch in der Verbindung realistischer und abstrakter Qualitäten bemerkbar, die auch das vorliegende Porträt bestimmt.

Santi di Tito wurde 1536 in Florenz geboren und zuerst bei Bastiano da Montecarlo ausgebildet, bevor er in die Werkstatt Bronzinos eintrat, von dem er eine Vorliebe für gerundete, lichterfüllte Volumina übernahm. Dazu gesellten sich unter dem Einfluss der Gegenreformation kompositorische Übersichtlichkeit und Realismus, was den Künstler veranlasste, sich mit dem Stil Scipione Pulzones und der Zuccari zu beschäftigen, die er sowohl aus Florenz als auch von seinem Romaufenthalt her kannte. Nach seiner anfänglichen Ausbildung in Florenz ging Santi di Tito nach Rom, wo er sich von 1560 bis 1564 aufhielt. Gemeinsam mit den Zuccari freskierte er die Kapelle im Palazzo Salviati sowie das Casino von Pius IV. und das Belvedere im Vatikan. Wahrscheinlich geschah es in Rom, dass Santi seinen Realismus mit einer neuen Komplexität und ruhigen Schlichtheit erfüllte, welche von nun an das Fundament seiner Malerei und seinen wichtigsten Beitrag zur florentinischen Malerei bilden sollten. 1564 kehrte er in seine Heimatstadt zurück, um an den Begräbnisfeierlichkeiten Michelangelos mitzuwirken.

Im Jahr 1584 vermerkte Raffaello Borghini zu Santo di Titos Wirken in Florenz: „Es gab von vielen Malern und Bildhauern nach dem Leben geschaffene Porträts“ [„vi sono ritratti di naturale molti pittori e scultori“], wobei „Santi zahlreiche Bildnisse schuf, von Papst Pius IV., Signor D. Ernando Cardinale de’ Medici, Signor D. Pietro, Signora Isabella de’ Medici, Signor Paolo Orsino, Pier Vettori, der ein berühmter Gelehrter war, und von vielen anderen, die aufzuzählen zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde“[„ha fatto Santi molti ritratti, come di papa Pio quarto, del Signor D. Ernando Cardinale de’ Medici, del Signor D. Pietro, della Signora Isabella de’ Medici, del Signor Paolo Orsino, di Pier Vettori per le lettere così famoso e di molti altri che troppo a lungo sarei a raccontarli“] (siehe R. Borghini, Il Riposo, Florenz 1584, S. 621). Die Prestigeträchtigkeit seiner Aufträge lässt den Schluss zu, dass Santi di Tito zu den wichtigsten Porträtisten seiner Zeit in Florenz zählte, was auf sein Können als Maler und sein besonderes Interesse an einer realistischen Wiedergabe in Verbindung mit seiner Kenntnis der florentinischen Zeichentradition zurückzuführen war. Dies machte ihn zum natürlichen Erben Alloris in der Nachfolge Bronzinos.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

10.11.2020 - 16:00

Schätzwert:
EUR 40.000,- bis EUR 60.000,-

Santi di Tito


(Florenz 1536–1603)
Halbfiguriges Bildnis einer Adeligen mit Buch,
Öl auf Holz, 74 x 61 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, Schweiz

Wir danken Carlo Falciani, der die Zuschreibung vorgeschlagen hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung dieses Lots.

Die rosigen Hauttöne, das schön gezeichnete ovale Gesicht sowie die ausführliche Beschreibung der Kleidung und Haartracht der Dargestellten sind allesamt typische Merkmale des Schaffens Santi di Titos. Dies gilt auch für die skulpturale Erscheinung der Dame, deren besticktes Kleid im Bereich der Ärmel und des Oberteils typisch summarisch wiedergegeben ist. Die Dame trägt einen breiten weißen Rüschenkragen, der dem Gemälde ein frisches Licht verleiht.

Das vorliegende Bild lässt sich mit dem Porträt Guido Guardis mit seinen Kindern in einer Privatsammlung vergleichen, das zwischen 1564 und 1568 entstanden ist und bei dem sich Santi di Tito derselben künstlerischen Mittel bedient hat, um die Gesichtszüge und den Kragen des Dargestellten wiederzugeben (siehe A. Geremicca, in: Il Cinquecento a Firenze, „maniera moderna“ e controriforma, Ausstellungskatalog, hg. von C. Falciani, A. Natali, Florenz 2017, S. 156f.). Auch auf dem vorliegenden Damenbildnis treten das körperliche Volumen und die ausdrucksstarke Gestalt der Dargestellten gegenüber dem einfarbigen Hintergrund hervor, was eine Ausführung des vorliegenden Gemäldes gegen Ende der 1570er-Jahre und damit in zeitlicher Nähe zu dem Porträt Guido Guardis mit seinen Kindern nahelegt.

Auch drei Gemälde Santi di Titos für das Studiolo von Francesco de’ Medici I. im Palazzo Vecchio in Florenz – Die Mannaernte, Herakles und Iole und Der Durchzug durch das Rote Meer – sind mit dem vorliegenden Damenbildnis vergleichbar. In diesen drei Gemälden belebte Santi die Florentiner „maniera moderna“ nach seiner Reise nach Venedig, wo er Gelegenheit hatte, den naturalistischen Stil Tizians und Tintorettos zu studieren. Der Einfluss dieses Venedigbesuchs macht sich auch in der Verbindung realistischer und abstrakter Qualitäten bemerkbar, die auch das vorliegende Porträt bestimmt.

Santi di Tito wurde 1536 in Florenz geboren und zuerst bei Bastiano da Montecarlo ausgebildet, bevor er in die Werkstatt Bronzinos eintrat, von dem er eine Vorliebe für gerundete, lichterfüllte Volumina übernahm. Dazu gesellten sich unter dem Einfluss der Gegenreformation kompositorische Übersichtlichkeit und Realismus, was den Künstler veranlasste, sich mit dem Stil Scipione Pulzones und der Zuccari zu beschäftigen, die er sowohl aus Florenz als auch von seinem Romaufenthalt her kannte. Nach seiner anfänglichen Ausbildung in Florenz ging Santi di Tito nach Rom, wo er sich von 1560 bis 1564 aufhielt. Gemeinsam mit den Zuccari freskierte er die Kapelle im Palazzo Salviati sowie das Casino von Pius IV. und das Belvedere im Vatikan. Wahrscheinlich geschah es in Rom, dass Santi seinen Realismus mit einer neuen Komplexität und ruhigen Schlichtheit erfüllte, welche von nun an das Fundament seiner Malerei und seinen wichtigsten Beitrag zur florentinischen Malerei bilden sollten. 1564 kehrte er in seine Heimatstadt zurück, um an den Begräbnisfeierlichkeiten Michelangelos mitzuwirken.

Im Jahr 1584 vermerkte Raffaello Borghini zu Santo di Titos Wirken in Florenz: „Es gab von vielen Malern und Bildhauern nach dem Leben geschaffene Porträts“ [„vi sono ritratti di naturale molti pittori e scultori“], wobei „Santi zahlreiche Bildnisse schuf, von Papst Pius IV., Signor D. Ernando Cardinale de’ Medici, Signor D. Pietro, Signora Isabella de’ Medici, Signor Paolo Orsino, Pier Vettori, der ein berühmter Gelehrter war, und von vielen anderen, die aufzuzählen zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde“[„ha fatto Santi molti ritratti, come di papa Pio quarto, del Signor D. Ernando Cardinale de’ Medici, del Signor D. Pietro, della Signora Isabella de’ Medici, del Signor Paolo Orsino, di Pier Vettori per le lettere così famoso e di molti altri che troppo a lungo sarei a raccontarli“] (siehe R. Borghini, Il Riposo, Florenz 1584, S. 621). Die Prestigeträchtigkeit seiner Aufträge lässt den Schluss zu, dass Santi di Tito zu den wichtigsten Porträtisten seiner Zeit in Florenz zählte, was auf sein Können als Maler und sein besonderes Interesse an einer realistischen Wiedergabe in Verbindung mit seiner Kenntnis der florentinischen Zeichentradition zurückzuführen war. Dies machte ihn zum natürlichen Erben Alloris in der Nachfolge Bronzinos.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 10.11.2020 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 04.11. - 10.11.2020