Lot Nr. 27


Schule von Urbino, 16. Jahrhundert


Schule von Urbino, 16. Jahrhundert - Alte Meister

Salvator Mundi,
Öl auf Holz, 23,5 x 19 cm, ungerahmt

Auf rückseitigem Klebezettel bezeichnet: Vera Pittura/ di Federico Barocci urbinate/ comprato da […] Franco Giannini 1920

Provenienz:
Adelsbesitz, Tolentino;
Weitergabe im Erbgang an den jetzigen Besitzer

Diese Inszenierung Christi als Salvator Mundi bezieht sich auf eine Darstellung der Figur kleineren Maßstabs in Federico Baroccis Letztem Abendmahl, entstanden 1590–1599 für die Cappella del Santissimo Sacramento im Dom von Urbino (siehe Abb. 1). Bei dem Urbino-Bild handelt es sich um eine von Baroccis ambitioniertesten vielfigurigen Kompositionen des Spätwerks. Christus sitzt mit seinen Aposteln an einem großen Tisch und nimmt dabei das Zentrum der Komposition ein, während Diener im Vordergrund die Gesellschaft mit Speis und Trank versorgen und ein Kreis von Engeln und Putten den Verlauf der Ereignisse von oben beobachtet.

In seine Monografie über Barocci hat Andrea Emiliani ähnliche eigenhändige Fassungen und Werkstattvarianten dieser Komposition aufgenommen (siehe A. Emiliani, Federico Barocci [Urbino, 1535–1612], Ancona 2008, Bd. II, S. 216, 238f.). Eines dieser Bilder ist der Salvator Mundi in einer englischen Privatsammlung (Öl auf Leinwand, 69 x 54,5 cm, siehe A. Emiliani, ebd., S. 216, Kat.-Nr. 66.2). Obschon Christus in seiner Linken statt eines Laibs Brot eine Weltkugel hält, hat Emiliani dieses Bild als abbozzo für die Christusfigur des Letzten Abendmahls von Urbino angesehen. Ikonografisch steht besagtes Bild aus einer englischen Privatsammlung dem vorliegenden Gemälde am nächsten. Eine Werkstattvariante des Salvator Mundi befindet sich in einer Privatsammlung in Paris (Öl auf Papier, auf Holz aufgezogen, 34 x 28,5 cm, siehe A. Emiliani, ebd., S. 238, Kat.-Nr. 66.67), eine weitere wird in der Galleria Palatina in Florenz aufbewahrt und ist Antonio Viviani zugeschrieben worden (Inv.-Nr. 1912.101).

Federico Barocci verwendete den Bildträger Holz eher selten, sondern bevorzugte Leinwand oder auf Leinwand oder Holz aufgezogenes Papier. Es wurde jedoch vermutet, dass das vorliegende Gemälde Teil von etwas „Gebautem“ gewesen sein könnte, möglicherweise die Tür eines Tabernakels. Bei einem weiteren bekannten auf Holz ausgeführtem Gemälde Baroccis handelt es sich um ein Stillleben (siehe F. Zeri, Una natura morta di Federico Barocci, in: Notizie da Palazzo Albani, Nr. 12, 1983, S. 161–163). Es ist zu bedenken, dass Federico Barocci ein innovativer Künstler war, der auch Arbeiten auf Schiefer ausführte, welche sich im Oratorio di San Giovanni Battista in Urbino befinden.

Die auffällige gläserne Weltkugel im vorliegenden Salvator Mundi legt nahe, dass der Künstler Tizians Salvator Mundi, heute in der Eremitage in St. Petersburg (Inv.-Nr. ΓЭ -114) und ausgeführt um 1560–1570, entweder aus direkter Anschauung oder indirekt kannte. Dieser basiert wiederum auf Leonardos berühmter Komposition des gleichen Bildthemas. Von Tizians auf Leinwand gemaltem Bild sagt man, es hätte sich bis zum Tod des Künstlers 1576 in dessen Haus befunden. Die gläserne Kugel in der Linken von Tizians Christus ist etwas größer als die der vorliegenden Tafel, während das darauf befestigte metallene Kreuz deutlich höher ist.

Technischer Bericht von Gianluca Poldi:

Bis dato steht zur Arbeitsweise des spätmanieristischen (und vorbarocken) Meisters Federico Barocci und seiner Werkstatt wenig technische Literatur zur Verfügung. Barocci war ein herausragender Könner im Umgang mit den künstlerischen Mitteln der Zeichnung, des farbigen Pastells und der Ölmalerei, und er war sehr experimentierfreudig.

Die beeindruckende Qualität dieses kleinen Gemäldes erschließt sich bei näherer Betrachtung – bei Vergrößerung des Bildes oder durch die Untersuchung unter dem Mikroskop: Es ist sorgfältig, aber flott auf weißem Grund gemalt, auf einer Tafel aus sehr hellem Holz.

Barocci war ein herausragender Könner des Changierens von Pastell- und Ölfarben, was er mittels leuchtender Farben und preziös zusammengestellter Pigmentmischungen erzielte. Wie kaum ein anderer italienischer Künstler seiner Zeit verstand er sich auf den Umgang mit einem pastosen Farbauftrag und einer freien Pinselführung. Er erfand eine neue Art des Sfumato, das auch auf diesem kleinformatigen Gemälde zu erkennen ist: die Verschmelzung unterschiedlicher Pigmente und das gleichzeitige Belassen von Farbinseln, die zum Teil vom Hintergrund durchdrungen werden, wie hier bei den Hauttönen der Fall.

Der Farbmischung zugesetzte unregelmäßig große Körnchen (Pigmente oder Sand?) und die eigentümliche Pinselführung tragen zur teils rauen, beinahe sandigen Anmutung bei, die sich zeigt, wenn man das Gemälde aus der Nähe untersucht. Die hellen Pinseltupfer in den Augen sind gut erhalten, ebenso die Höhungen im Haar und Bart. Unter dem Mikroskop zeigt sich, dass die Hauttöne des Salvator Mundi ein paar dem Bleiweiß hinzugefügte blaue Pigmentkörnchen (Azurit oder natürliches Ultramarin) sowie Zinnober, etwas ins Purpurne gehenden Rotlack und Ocker enthalten. Durch kleine schwarze Partikel ergibt sich ein graublauer Ton in den Schattenzonen. Unter den mittels Reflexionsspektroskopie (vis-RS) festgestellten Pigmenten findet sich auch Lapislazuli im blauen Mantel, vermutlich aufgetragen über Azurit (wie fehlende Transparenz im kurzwelligen IR-Bereich nahelegt) in Verbindung mit Schwarz in den Schatten. Zinnober kam bei der roten Tunika zum Einsatz, Bleizinngelb bei dem über schwarzem Grund gemalten Heiligenschein sowie vermutlich auch in den ihn rahmenden Lichtern, ebenso beim Kreuz und bei den Gold imitierenden Verzierungen der Kristallkugel, wo ein dunkleres Gelb Ocker und Erden enthält. Ein Rotlack fand bei den Lippen Verwendung.

Trotz des weißen Malgrunds lässt sich mittels Infrarotreflektografie beinahe keine Unterzeichnung feststellen, bloß eine sehr dünne Linie entlang einiger Finger und der Umrisse des direkt über dem schwarzen Hintergrund gemalten Mantels.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

10.11.2020 - 16:00

Erzielter Preis: **
EUR 23.160,-
Schätzwert:
EUR 20.000,- bis EUR 30.000,-

Schule von Urbino, 16. Jahrhundert


Salvator Mundi,
Öl auf Holz, 23,5 x 19 cm, ungerahmt

Auf rückseitigem Klebezettel bezeichnet: Vera Pittura/ di Federico Barocci urbinate/ comprato da […] Franco Giannini 1920

Provenienz:
Adelsbesitz, Tolentino;
Weitergabe im Erbgang an den jetzigen Besitzer

Diese Inszenierung Christi als Salvator Mundi bezieht sich auf eine Darstellung der Figur kleineren Maßstabs in Federico Baroccis Letztem Abendmahl, entstanden 1590–1599 für die Cappella del Santissimo Sacramento im Dom von Urbino (siehe Abb. 1). Bei dem Urbino-Bild handelt es sich um eine von Baroccis ambitioniertesten vielfigurigen Kompositionen des Spätwerks. Christus sitzt mit seinen Aposteln an einem großen Tisch und nimmt dabei das Zentrum der Komposition ein, während Diener im Vordergrund die Gesellschaft mit Speis und Trank versorgen und ein Kreis von Engeln und Putten den Verlauf der Ereignisse von oben beobachtet.

In seine Monografie über Barocci hat Andrea Emiliani ähnliche eigenhändige Fassungen und Werkstattvarianten dieser Komposition aufgenommen (siehe A. Emiliani, Federico Barocci [Urbino, 1535–1612], Ancona 2008, Bd. II, S. 216, 238f.). Eines dieser Bilder ist der Salvator Mundi in einer englischen Privatsammlung (Öl auf Leinwand, 69 x 54,5 cm, siehe A. Emiliani, ebd., S. 216, Kat.-Nr. 66.2). Obschon Christus in seiner Linken statt eines Laibs Brot eine Weltkugel hält, hat Emiliani dieses Bild als abbozzo für die Christusfigur des Letzten Abendmahls von Urbino angesehen. Ikonografisch steht besagtes Bild aus einer englischen Privatsammlung dem vorliegenden Gemälde am nächsten. Eine Werkstattvariante des Salvator Mundi befindet sich in einer Privatsammlung in Paris (Öl auf Papier, auf Holz aufgezogen, 34 x 28,5 cm, siehe A. Emiliani, ebd., S. 238, Kat.-Nr. 66.67), eine weitere wird in der Galleria Palatina in Florenz aufbewahrt und ist Antonio Viviani zugeschrieben worden (Inv.-Nr. 1912.101).

Federico Barocci verwendete den Bildträger Holz eher selten, sondern bevorzugte Leinwand oder auf Leinwand oder Holz aufgezogenes Papier. Es wurde jedoch vermutet, dass das vorliegende Gemälde Teil von etwas „Gebautem“ gewesen sein könnte, möglicherweise die Tür eines Tabernakels. Bei einem weiteren bekannten auf Holz ausgeführtem Gemälde Baroccis handelt es sich um ein Stillleben (siehe F. Zeri, Una natura morta di Federico Barocci, in: Notizie da Palazzo Albani, Nr. 12, 1983, S. 161–163). Es ist zu bedenken, dass Federico Barocci ein innovativer Künstler war, der auch Arbeiten auf Schiefer ausführte, welche sich im Oratorio di San Giovanni Battista in Urbino befinden.

Die auffällige gläserne Weltkugel im vorliegenden Salvator Mundi legt nahe, dass der Künstler Tizians Salvator Mundi, heute in der Eremitage in St. Petersburg (Inv.-Nr. ΓЭ -114) und ausgeführt um 1560–1570, entweder aus direkter Anschauung oder indirekt kannte. Dieser basiert wiederum auf Leonardos berühmter Komposition des gleichen Bildthemas. Von Tizians auf Leinwand gemaltem Bild sagt man, es hätte sich bis zum Tod des Künstlers 1576 in dessen Haus befunden. Die gläserne Kugel in der Linken von Tizians Christus ist etwas größer als die der vorliegenden Tafel, während das darauf befestigte metallene Kreuz deutlich höher ist.

Technischer Bericht von Gianluca Poldi:

Bis dato steht zur Arbeitsweise des spätmanieristischen (und vorbarocken) Meisters Federico Barocci und seiner Werkstatt wenig technische Literatur zur Verfügung. Barocci war ein herausragender Könner im Umgang mit den künstlerischen Mitteln der Zeichnung, des farbigen Pastells und der Ölmalerei, und er war sehr experimentierfreudig.

Die beeindruckende Qualität dieses kleinen Gemäldes erschließt sich bei näherer Betrachtung – bei Vergrößerung des Bildes oder durch die Untersuchung unter dem Mikroskop: Es ist sorgfältig, aber flott auf weißem Grund gemalt, auf einer Tafel aus sehr hellem Holz.

Barocci war ein herausragender Könner des Changierens von Pastell- und Ölfarben, was er mittels leuchtender Farben und preziös zusammengestellter Pigmentmischungen erzielte. Wie kaum ein anderer italienischer Künstler seiner Zeit verstand er sich auf den Umgang mit einem pastosen Farbauftrag und einer freien Pinselführung. Er erfand eine neue Art des Sfumato, das auch auf diesem kleinformatigen Gemälde zu erkennen ist: die Verschmelzung unterschiedlicher Pigmente und das gleichzeitige Belassen von Farbinseln, die zum Teil vom Hintergrund durchdrungen werden, wie hier bei den Hauttönen der Fall.

Der Farbmischung zugesetzte unregelmäßig große Körnchen (Pigmente oder Sand?) und die eigentümliche Pinselführung tragen zur teils rauen, beinahe sandigen Anmutung bei, die sich zeigt, wenn man das Gemälde aus der Nähe untersucht. Die hellen Pinseltupfer in den Augen sind gut erhalten, ebenso die Höhungen im Haar und Bart. Unter dem Mikroskop zeigt sich, dass die Hauttöne des Salvator Mundi ein paar dem Bleiweiß hinzugefügte blaue Pigmentkörnchen (Azurit oder natürliches Ultramarin) sowie Zinnober, etwas ins Purpurne gehenden Rotlack und Ocker enthalten. Durch kleine schwarze Partikel ergibt sich ein graublauer Ton in den Schattenzonen. Unter den mittels Reflexionsspektroskopie (vis-RS) festgestellten Pigmenten findet sich auch Lapislazuli im blauen Mantel, vermutlich aufgetragen über Azurit (wie fehlende Transparenz im kurzwelligen IR-Bereich nahelegt) in Verbindung mit Schwarz in den Schatten. Zinnober kam bei der roten Tunika zum Einsatz, Bleizinngelb bei dem über schwarzem Grund gemalten Heiligenschein sowie vermutlich auch in den ihn rahmenden Lichtern, ebenso beim Kreuz und bei den Gold imitierenden Verzierungen der Kristallkugel, wo ein dunkleres Gelb Ocker und Erden enthält. Ein Rotlack fand bei den Lippen Verwendung.

Trotz des weißen Malgrunds lässt sich mittels Infrarotreflektografie beinahe keine Unterzeichnung feststellen, bloß eine sehr dünne Linie entlang einiger Finger und der Umrisse des direkt über dem schwarzen Hintergrund gemalten Mantels.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 10.11.2020 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 04.11. - 10.11.2020


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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