Lot Nr. 34


Domenico Brusasorzi


Domenico Brusasorzi - Alte Meister I

(Verona 1516–1567)
Bildnis des Giulio Savorgnan mit Spitzhacke,
Öl auf Leinwand, 106 x 74 cm, ungerahmt

Provenienz:
europäischer Adelsbesitz;
daraus erworben durch den jetzigen Besitzer

Literatur:
A. Donati, Giulio Savorgnan in un ritratto inedito di Domenico Brusasorzi a confronto di altri di altri capitani del Cinquecento, in: Studi Veneziani, N.S. 823 (in Vorbereitung)

Wir danken Andrea Donati, der die Zuschreibung vorgeschlagen hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Das vorliegende Bildnis des Giulio Savorgnan (1510–1595) befand sich einst in der Sammlung seiner Nachkommen aus dem Friaul. Es wurde dem Porträtisten Domenico Brusasorzi (1516–1567) zugeschrieben. Sowohl hinsichtlich der Komposition als auch bezüglich der Darstellungsweise reiht sich das Werk in die lange Tradition der Porträts von Militärführern, den sogenannten condottieri, des 16. Jahrhunderts.

Domenico Brusasorzi wurde 1516 in Verona in eine Familie von Handwerkern hineingeboren („murari e marangoni“). Nachdem er bereits als junger Mann mehrere Gemälde in seiner Geburtsstadt geschaffen hatte, ging er nach Trento, Mantua und Vicenza. Sein Schaffen aus dieser Zeit spiegelt den Einfluss Giulio Romanos in Mantua und Pordenones in Venedig und Cremona wider, doch von seiner frühesten Zeit an legte Brusasorzi in Bildern religiöser Würdenträger und weltlicher Bürger des Staates Venedig eine ganz eigene Gabe als Porträtist an den Tag.

Brusasorzis Bildnis des Bonuccio Moscardo (siehe Abb. 1) im Museo di Castelvecchio in Verona datiert aus dem Jahr 1561 und ist ein bemerkenswertes Beispiel für das damalige Porträtschaffen des Künstlers, mit dem das vorliegende Bildnis von Giulio Savorgnan vergleichbar ist. Bei der Ausführung des Porträts dieses autoritären und stolzen Adeligen aus dem Friaul ging es Brusasorzi offensichtlich darum, eine Ähnlichkeit zu erreichen, in der sich auch die Ansprüche des Dargestellten als Anführer seines Geschlechts widerspiegeln.

Vermutlich hat Giulio Savorgnan sein Bildnis bei Domenico Brusasorzi in Auftrag gegeben, um es einer Porträtsammlung von Ahnherren und Militärführern hinzuzufügen, die sein Vater, Graf Girolamo, begonnen hatte und die in den Inventarverzeichnissen der Familie aufscheint. Da Brusasorzi am 30. März 1567 in Verona verstarb und es urkundlich belegt ist, dass Savorgnan im betreffenden Zeitraum zwischen Venedig und dem Friaul hin- und herzog, datiert dieses Porträt vermutlich aus den ersten Monaten des Jahres 1562 oder aus dem zweiten Viertel des Jahres 1565 (siehe A. Donati in der Literatur).

Der Dargestellte trägt eine Rüstung aus einem Plattenkragen und -brustharnisch über einem Kettenhemd, versehen mit sogenannten mogoni aus Metall, um obere Brust, Schultern und Oberarme zu schützen, während unterhalb des Brustharnisches ein metallener Bauchreifen angebracht ist. Das Kettenhemd darunter lässt den Unterarmen Bewegungsfreiheit, wohingegen die Hände von metallenen Stulpenhandschuhen geschützt sind. Der Dargestellte ist dem Betrachter im Dreiviertelporträt zugewendet. Sein Blick verströmt Besonnenheit und militärische Klugheit. Die eingeschränkte, sich zwischen Dunkelgrau und Beige bewegende Farbigkeit kündet von sparsamer Strenge des scharfsinnigen und reifen Adeligen. Der Militärtechniker Giulio Savorgnan ist hier als oberster Direktor der Artillerie der Armee der Republik Venedig dargestellt.

Die Identität des Dargestellten geht aus zwei späteren, posthum entstandenen Porträts hervor, die ihn in derselben Rüstung, aber mit einem Kommandostab anstelle der Spitzhacke zeigen (siehe A. Donati in der Literatur). Beide Porträts waren Domenico Tintoretto (1560–1635) zugeschrieben, doch handelt es sich eindeutig um Abwandlungen des berühmten Porträts von Sebastiano Vernier, das Jacopo Tintoretto nach der Schlacht von Lepanto malte und welches sich heute im Kunsthistorischen Museum in Wien befindet (siehe Abb. 2).

Giulio Savorgnan gehörte einer der angesehensten Familien des Friauls an und war einer der führenden Experten seiner Zeit für Artillerie und militärische Befestigungen. Nach einer humanistischen Ausbildung – sein Vaer war ein Freund des Kardinals, Dichters und Humanisten Pietro Bembo – wurde er noch als Jugendlicher zu Marchese Federico Gonzaga an den Hof von Mantua gesendet, um dort die Kunst der Kriegsführung zu erlernen. Ab dem zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts war er an allen wichtigen Kriegsschauplatzen der Periode präsent und wahrte seine eigenen feudalen Interessen, wobei er der Republik Venedig als führender Experte in Angelegenheiten der militärischen Artillerie diente. Er war weithin bekannt und genoss den Respekt aller führenden condottieri Norditaliens.

Die Spitzhacke, die Savorgnan auf diesem Porträt über der Schulter trägt, könnte dazu gedient haben, Schützengräben auszuheben, Befestigungen zu bauen und Erdwälle zu stürmen; vor allem aber war sie das traditionelle Werkzeug der Bergarbeiter.

Der Spitzhacke kommt daher hier emblematische Bedeutung zu, indem sie auf die Bergwerke im Valle Bombarina verweist, für welche die Familie Savorgnan eine Konzession von der Republik Venedig erhalten hatte (Udine, Biblioteca Civica Joppi, Fondo Joppi, cod. 689a, siehe Donati in der Literatur). Diese Bergwerke waren für Graf Giulio, der mehrfach beklagte, vom Staat nicht ausreichend bezahlt worden zu sein, in erster Linie eine Einnahmequelle.

Bei diesem Porträt berief sich Brusasorzi auf Tizians Errungenschaften in der militärischen Bildnismalerei: Das Porträt Savorgnans steht insbesondere jenem von Johann Friedrich von Sachsen in Rüstung nahe, das einem Brand im Alcázar in Madrid zum Opfer fiel, aber in Form von Kopien erhalten geblieben ist (siehe Abb. 3). Es gibt Übereinstimmungen zum vorliegenden Gemälde hinsichtlich des stolzen, aber zurückhaltenden Blicks, der erdigen Hintergrundfarben und weichen Konturen, was nahelegt, dass Brusasorzi eine Fassung des Werks Tizians gekannt haben muss (siehe H. E. Wethey, The Paintings of Titian, London 1971, S. 171, Nr. X-65, Abb. 247, Kopie – „copia dell’originale del 1550“; in spanischen Inventaren sind zwei Fassungen des Porträts von Giovanni Federico di Sassonia in armatura vermerkt; zudem malte Tizian 1550/1551 das Porträt Giovanni Federico di Sassonia in abito nero, dessen Original sich im Kunsthistorischen Museum in Wien befindet: ebd., S. 111f., Nr. 54, Abb. 159).

Das vorliegende Gemälde ist ein bedeutender Beitrag zur militärischen Bildnismalerei des 16. Jahrhunderts und ein Beispiel für Brusasorzis reifes Schaffen als Porträtist.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

08.06.2021 - 16:00

Schätzwert:
EUR 60.000,- bis EUR 80.000,-

Domenico Brusasorzi


(Verona 1516–1567)
Bildnis des Giulio Savorgnan mit Spitzhacke,
Öl auf Leinwand, 106 x 74 cm, ungerahmt

Provenienz:
europäischer Adelsbesitz;
daraus erworben durch den jetzigen Besitzer

Literatur:
A. Donati, Giulio Savorgnan in un ritratto inedito di Domenico Brusasorzi a confronto di altri di altri capitani del Cinquecento, in: Studi Veneziani, N.S. 823 (in Vorbereitung)

Wir danken Andrea Donati, der die Zuschreibung vorgeschlagen hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Das vorliegende Bildnis des Giulio Savorgnan (1510–1595) befand sich einst in der Sammlung seiner Nachkommen aus dem Friaul. Es wurde dem Porträtisten Domenico Brusasorzi (1516–1567) zugeschrieben. Sowohl hinsichtlich der Komposition als auch bezüglich der Darstellungsweise reiht sich das Werk in die lange Tradition der Porträts von Militärführern, den sogenannten condottieri, des 16. Jahrhunderts.

Domenico Brusasorzi wurde 1516 in Verona in eine Familie von Handwerkern hineingeboren („murari e marangoni“). Nachdem er bereits als junger Mann mehrere Gemälde in seiner Geburtsstadt geschaffen hatte, ging er nach Trento, Mantua und Vicenza. Sein Schaffen aus dieser Zeit spiegelt den Einfluss Giulio Romanos in Mantua und Pordenones in Venedig und Cremona wider, doch von seiner frühesten Zeit an legte Brusasorzi in Bildern religiöser Würdenträger und weltlicher Bürger des Staates Venedig eine ganz eigene Gabe als Porträtist an den Tag.

Brusasorzis Bildnis des Bonuccio Moscardo (siehe Abb. 1) im Museo di Castelvecchio in Verona datiert aus dem Jahr 1561 und ist ein bemerkenswertes Beispiel für das damalige Porträtschaffen des Künstlers, mit dem das vorliegende Bildnis von Giulio Savorgnan vergleichbar ist. Bei der Ausführung des Porträts dieses autoritären und stolzen Adeligen aus dem Friaul ging es Brusasorzi offensichtlich darum, eine Ähnlichkeit zu erreichen, in der sich auch die Ansprüche des Dargestellten als Anführer seines Geschlechts widerspiegeln.

Vermutlich hat Giulio Savorgnan sein Bildnis bei Domenico Brusasorzi in Auftrag gegeben, um es einer Porträtsammlung von Ahnherren und Militärführern hinzuzufügen, die sein Vater, Graf Girolamo, begonnen hatte und die in den Inventarverzeichnissen der Familie aufscheint. Da Brusasorzi am 30. März 1567 in Verona verstarb und es urkundlich belegt ist, dass Savorgnan im betreffenden Zeitraum zwischen Venedig und dem Friaul hin- und herzog, datiert dieses Porträt vermutlich aus den ersten Monaten des Jahres 1562 oder aus dem zweiten Viertel des Jahres 1565 (siehe A. Donati in der Literatur).

Der Dargestellte trägt eine Rüstung aus einem Plattenkragen und -brustharnisch über einem Kettenhemd, versehen mit sogenannten mogoni aus Metall, um obere Brust, Schultern und Oberarme zu schützen, während unterhalb des Brustharnisches ein metallener Bauchreifen angebracht ist. Das Kettenhemd darunter lässt den Unterarmen Bewegungsfreiheit, wohingegen die Hände von metallenen Stulpenhandschuhen geschützt sind. Der Dargestellte ist dem Betrachter im Dreiviertelporträt zugewendet. Sein Blick verströmt Besonnenheit und militärische Klugheit. Die eingeschränkte, sich zwischen Dunkelgrau und Beige bewegende Farbigkeit kündet von sparsamer Strenge des scharfsinnigen und reifen Adeligen. Der Militärtechniker Giulio Savorgnan ist hier als oberster Direktor der Artillerie der Armee der Republik Venedig dargestellt.

Die Identität des Dargestellten geht aus zwei späteren, posthum entstandenen Porträts hervor, die ihn in derselben Rüstung, aber mit einem Kommandostab anstelle der Spitzhacke zeigen (siehe A. Donati in der Literatur). Beide Porträts waren Domenico Tintoretto (1560–1635) zugeschrieben, doch handelt es sich eindeutig um Abwandlungen des berühmten Porträts von Sebastiano Vernier, das Jacopo Tintoretto nach der Schlacht von Lepanto malte und welches sich heute im Kunsthistorischen Museum in Wien befindet (siehe Abb. 2).

Giulio Savorgnan gehörte einer der angesehensten Familien des Friauls an und war einer der führenden Experten seiner Zeit für Artillerie und militärische Befestigungen. Nach einer humanistischen Ausbildung – sein Vaer war ein Freund des Kardinals, Dichters und Humanisten Pietro Bembo – wurde er noch als Jugendlicher zu Marchese Federico Gonzaga an den Hof von Mantua gesendet, um dort die Kunst der Kriegsführung zu erlernen. Ab dem zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts war er an allen wichtigen Kriegsschauplatzen der Periode präsent und wahrte seine eigenen feudalen Interessen, wobei er der Republik Venedig als führender Experte in Angelegenheiten der militärischen Artillerie diente. Er war weithin bekannt und genoss den Respekt aller führenden condottieri Norditaliens.

Die Spitzhacke, die Savorgnan auf diesem Porträt über der Schulter trägt, könnte dazu gedient haben, Schützengräben auszuheben, Befestigungen zu bauen und Erdwälle zu stürmen; vor allem aber war sie das traditionelle Werkzeug der Bergarbeiter.

Der Spitzhacke kommt daher hier emblematische Bedeutung zu, indem sie auf die Bergwerke im Valle Bombarina verweist, für welche die Familie Savorgnan eine Konzession von der Republik Venedig erhalten hatte (Udine, Biblioteca Civica Joppi, Fondo Joppi, cod. 689a, siehe Donati in der Literatur). Diese Bergwerke waren für Graf Giulio, der mehrfach beklagte, vom Staat nicht ausreichend bezahlt worden zu sein, in erster Linie eine Einnahmequelle.

Bei diesem Porträt berief sich Brusasorzi auf Tizians Errungenschaften in der militärischen Bildnismalerei: Das Porträt Savorgnans steht insbesondere jenem von Johann Friedrich von Sachsen in Rüstung nahe, das einem Brand im Alcázar in Madrid zum Opfer fiel, aber in Form von Kopien erhalten geblieben ist (siehe Abb. 3). Es gibt Übereinstimmungen zum vorliegenden Gemälde hinsichtlich des stolzen, aber zurückhaltenden Blicks, der erdigen Hintergrundfarben und weichen Konturen, was nahelegt, dass Brusasorzi eine Fassung des Werks Tizians gekannt haben muss (siehe H. E. Wethey, The Paintings of Titian, London 1971, S. 171, Nr. X-65, Abb. 247, Kopie – „copia dell’originale del 1550“; in spanischen Inventaren sind zwei Fassungen des Porträts von Giovanni Federico di Sassonia in armatura vermerkt; zudem malte Tizian 1550/1551 das Porträt Giovanni Federico di Sassonia in abito nero, dessen Original sich im Kunsthistorischen Museum in Wien befindet: ebd., S. 111f., Nr. 54, Abb. 159).

Das vorliegende Gemälde ist ein bedeutender Beitrag zur militärischen Bildnismalerei des 16. Jahrhunderts und ein Beispiel für Brusasorzis reifes Schaffen als Porträtist.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 08.06.2021 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 29.05. - 08.06.2021