Lot Nr. 46


Carlo Saraceni und Adam Elsheimer


Carlo Saraceni und Adam Elsheimer - Alte Meister I

(Venedig 1585–1625) und (Frankfurt-am-Main 1578–1610 Rom)
Ruhe auf der Flucht nach Ägypten mit einem Diakon und drei Engeln,
Öl auf Alabaster, auf Schiefer aufgezogen, 38 x 33 cm, gerahmt

Provenienz:
Auktion, unbekanntes Auktionshaus, Hamburg, 1787, Lot 231 (auf Marmor, verkauft für 10 Mark an Carolus Sarasennus Venetiano);
von diesem erworben durch François Didier Bertheau, Hamburg (1734–1826);
Sammlung David C. B. Hausmann, Hannover (1784–1873);
von dort erworben durch König Georg V. von Hannover (1819–1878) im Jahr 1857 (verkauft um 48.000 Taler);
Leihgabe an das Provinzialmuseum, Hannover, 1893–1925, Kat.-Nr. 133, später Kat.-Nr. 106;
Auktion „Königliche Sammlung Hannover. Fideikommiss des Hauses Braunschweig-Lüneburg“, Paul Cassirer/Hugo Helbing, Berlin, 27. April 1926, Lot 48;
Privatsammlung, Deutschland;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Literatur:
Verzeichniss von Seiner Majestät dem Könige angekauften Hausmann’schen Gemälde-Sammlung in Hannover, Hannover 1857, Nr. 166 (als Carlo Saraceno);
Katalog der zum Ressort der Königlichen Verwaltungs-Kommission gehörigen Sammlung von Gemälden, Skulpturen und Altertümern im Provinzial-Museumsgebäude an der Prinzenstraße Nr. 4 zu Hannover, Hannover 1891, S. 103, Nr. 133 (als nach Adam Elsheimer);
J. Reimers, Katalog der zur Fideikommiss-Galerie des Gesamthauses Braunschweig und Lüneburg gehörigen Sammlung von Gemälden und Skulpturen im Provinzial-Museum zu Hannover, Hannover 1905, S. 50, Kat.-Nr. 106, ohne Abb. (als „Kopie nach Elsheimer“, auf Marmor);
H. Voss, Italienische Gemälde des 16. und 17. Jahrhunderts in der Galerie des Kunsthistorischen Hofmuseums zu Wien, Leipzig 1912, Bd. 23, S. 62;
H. Voss, Die Malerei des Barock in Rom, Berlin 1925, S. 449, ohne Abb. (unter Repliken);
A. Porcella, Carlo Saraceni, Venedig 1928, S. 399, keine Abb. (als Kopie);
H. Weizsäcker, Adam Elsheimer, der Maler von Frankfurt, Berlin 1952, Bd. II, S. 117, erwähnt unter Kat.-Nr. 146, ohne Abb. (unter „Repliken oder Kopien“);
A. Moir, The Italian Followers of Caravaggio, Cambridge 1967, Bd. 2, S. 101, Kat.-Nr. 20.d, ohne Abb. (als Kopie auf Marmor);
A. Ottani Cavina, Carlo Saraceni, Mailand 1968, S. 100–102, Kat.-Nr. 16, ohne Abb. (unter Kopien, unbekannter Aufbewahrungsort, auf Marmor);
X. F. Salomon, in: Carlo Saraceni (1579–1620). Un Veneziano tra Roma e l’Europa, Ausstellungskatalog, hg. von M. G. Aurigemma, Rom 2013, S. 222, ohne Abb. (unter Kopien, auf Marmor)
R. Lattuada, Un’ipotesi di collaborazione tra Carlo Saraceni e Adam Elsheimer: il Riposo nella Fuga in Egitto su alabastro, in: Valori Tattili, Nr. 15 (in Vorbereitung)

Wir danken Riccardo Lattuada und Maria Giulia Aurigemma, die die Zuschreibung nach Prüfung des vorliegenden Gemäldes im Original unabhängig voneinander vorgeschlagen haben, für ihre Hilfe bei der Katalogisierung.

Das vorliegende Gemälde scheint, obwohl der Wissenschaft bekannt, größtenteils auf der Grundlage von Fotografien beurteilt worden zu sein, wobei man seine bedeutende Provenienz des 19. Jahrhunderts außer Acht gelassen hat. Erst nach der Untersuchung im Original hat man dieses Gemälde als eine wichtige Hinzufügung zum Schaffen von Carlo Saraceni und Adam Elsheimer erkannt, die für das Verständnis ihrer Arbeitsweise maßgeblich ist.

Das vorliegende Gemälde ist das einzige bekannte Beispiel eines Werks von Carlo Saraceni auf dem Bildträger Alabaster. Die Komposition steht in Zusammenhang mit Carlo Saracenis zwischen 1610 und 1612 entstandener Ruhe auf der Flucht nach Ägypten im Kloster Sacro Eremo Tuscolano in Monte Porzio Catone (Öl auf Leinwand, 180 x 125 cm, siehe Abb. 1), die durch eine in Umlauf befindliche Druckgrafik von Jean Le Clerc (siehe Abb. 2) Bekanntheit erlangte. Zwar gibt es viele kompositorische Gemeinsamkeiten zwischen dem vorliegenden Gemälde und dem Bild in Monte Porzio Catone, aber ebenso bedeutende Abwandlungen.

In diesem Gemälde auf Alabaster interpretiert Saraceni die Komposition auf innovative Art und Weise um. Es scheint fast, als handle es sich bei diesem Werk um eine prima idea, eine eigenständige Komposition, die wohl Elemente aus der für Monte Porzio Catone bestimmten Komposition übernommen, sie aber zu einer anderen Lösung neu zusammengefügt hat, was stellenweise brillant gelungen ist. Die zahlreichen Unterschiede zwischen den beiden Werken betreffen das Haupt der Gottesmutter und den Landschaftshorizont, der hier niedriger und begrenzter angesetzt ist und bloß in der Andeutung eines Hügels mit ein paar Häusern und Strauchwerk in der Ferne besteht, alles mit zarten blaugrünen Pinseltupfern wiedergegeben, was dazu dient, die vor blassem Hintergrund dargestellte Palme weiter in den Vordergrund zu rücken.

Vor allem jedoch die veränderte sparsame Farbigkeit des Werks, für welche die Figur des singenden Diakons steht, und der enorm konzentrierte Umgang mit den Malmedien, die stellenweise weniger flüssig aufgetragen sind als bei Saraceni, lassen an einen weiteren Künstler denken, der Saraceni zwar nahesteht, aber selbst eine starke eigenständige Künstlerpersönlichkeit ist und ebenso zur Schaffung dieses Werks beigetragen hat.

Vergleicht man Elemente dieses Gemäldes mit der Figur des Diakons in der Steinigung des heiligen Stephanus in der Scottish National Gallery in Edinburgh (siehe Abb. 4), wird auch die Hand Adam Elsheimer deutlich erkennbar. Bei diesem Bild auf Alabaster handelt es sich somit um ein Gemeinschaftswerk von Adam Elsheimer und Carlo Saraceni.

Elsheimers Hand im vorliegenden Gemälde lässt sich vor allem in der Beschreibung der Engel und des Hauptes der Gottesmutter erkennen, ebenso im Gewand des Noten lesenden Diakons. Lattuada vergleicht den Diakon des vorliegenden Gemäldes zudem mit zwei Figuren auf Skizzenblättern Elsheimers im Berliner Kupferstichkabinett (siehe Abb. 3).

Abgesehen von dem Gewand des Diakons, der Dalmatika, offenbart sich eine Bildfindung Elsheimers durch die für den deutschen Maler typische gesteigerte dekorative Qualität des Gemäldes. Bemerkenswert ist, dass die Gottesmutter in der vorliegenden Komposition nicht die üppig drapierten weißen Tücher aus dem Korb aufnimmt, um das dekorative Muster des Kleides des Diakons nicht zu unterbrechen.

Dass zwei Künstler sich bei der Schaffung eines kleinformatigen Bildes auf Leinwand zusammenfanden, kam in der italienischen Malerei selten vor, war doch die Zusammenarbeit von Spezialisten eine typische Vorgangsweise nordeuropäischer Maler. Im Fall der vorliegenden Zusammenarbeit ist den beiden Künstlern in Wertschätzung der gemeinsamen Kultur, die dieses Gemälde durchdringt, tatsächlich ein einzigartiges Werk gelungen.

Kunsthistoriker haben auf die große stilistische Nähe zwischen den Werken Carlo Saracenis und Adam Elsheimers hingewiesen. Man nimmt an, dass die beiden Künstler aufeinandertrafen, als sie sich in den 1590er-Jahren vor ihrer Ankunft in Rom beide in Venedig aufhielten (siehe M. G. Aurigemma, Carlo Saraceni. Un veneziano tra Roma e l’Europa [1579–1620], Ausstellungskatalog, Rom 2013, S. 13–16, S. 184–189).

Eine mögliche Zusammenarbeit zwischen Saraceni und Elsheimer wurde auch im Fall von Saracenis berühmter Serie zu den Metamorphosen erwogen, die sich im Museo di Capodimonte in Neapel befindet, obgleich sich dies bis heute urkundlich nicht belegen lässt.

Das kompositorische Gleichgewicht der Szene des vorliegenden Gemäldes wird durch die Landschaft erreicht, welche durch die Palme bis in den Vordergrund gezogen wird. Sie befindet sich auf derselben Achse wie die Figur der Gottesmutter. Ein Gegengewicht bilden die drei Figuren – die beiden Engel und der Diakon – links. Als kompositorische Klammer fungiert zudem die gebeugte Gestalt Josefs, deren Diagonale sich in der Verlängerung mit dem gegenläufigen Bogen des Engelsflügels kreuzt; ähnlich verläuft eine Spannungslinie zwischen dem ausdrucksstarken Eselskopf rechts und den weißen Tüchern links unten, welche die Gottesmutter im Begriff ist hochzuheben.

Elsheimer war bekannt für seine perfektionistische Aufmerksamkeit für Details, was trotz der geringen Größe seiner Bilder ein mengenmäßig reduziertes Gesamtwerk zur Folge hat. Etwa 40 Gemälde werden ihm insgesamt einstimmig zugeschrieben. Sein Werk war ob seiner Qualität hoch angesehen. Er war unverkennbar von nordeuropäischen Künstlern beeinflusst, die sich in Rom aufhielten, darunter Paul Bril, Jan Pynas, Leonaert Bramer und Pieter Lastman, der spätere Lehrer Rembrandts. Rubens, der zumindest vier Werke Elsheimers besaß, kannte den Künstler aus Rom und sprach von ihm nach dessen Tod in einem Brief in höchstem Lob.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

08.06.2021 - 16:00

Erzielter Preis: **
EUR 75.300,-
Schätzwert:
EUR 80.000,- bis EUR 120.000,-

Carlo Saraceni und Adam Elsheimer


(Venedig 1585–1625) und (Frankfurt-am-Main 1578–1610 Rom)
Ruhe auf der Flucht nach Ägypten mit einem Diakon und drei Engeln,
Öl auf Alabaster, auf Schiefer aufgezogen, 38 x 33 cm, gerahmt

Provenienz:
Auktion, unbekanntes Auktionshaus, Hamburg, 1787, Lot 231 (auf Marmor, verkauft für 10 Mark an Carolus Sarasennus Venetiano);
von diesem erworben durch François Didier Bertheau, Hamburg (1734–1826);
Sammlung David C. B. Hausmann, Hannover (1784–1873);
von dort erworben durch König Georg V. von Hannover (1819–1878) im Jahr 1857 (verkauft um 48.000 Taler);
Leihgabe an das Provinzialmuseum, Hannover, 1893–1925, Kat.-Nr. 133, später Kat.-Nr. 106;
Auktion „Königliche Sammlung Hannover. Fideikommiss des Hauses Braunschweig-Lüneburg“, Paul Cassirer/Hugo Helbing, Berlin, 27. April 1926, Lot 48;
Privatsammlung, Deutschland;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Literatur:
Verzeichniss von Seiner Majestät dem Könige angekauften Hausmann’schen Gemälde-Sammlung in Hannover, Hannover 1857, Nr. 166 (als Carlo Saraceno);
Katalog der zum Ressort der Königlichen Verwaltungs-Kommission gehörigen Sammlung von Gemälden, Skulpturen und Altertümern im Provinzial-Museumsgebäude an der Prinzenstraße Nr. 4 zu Hannover, Hannover 1891, S. 103, Nr. 133 (als nach Adam Elsheimer);
J. Reimers, Katalog der zur Fideikommiss-Galerie des Gesamthauses Braunschweig und Lüneburg gehörigen Sammlung von Gemälden und Skulpturen im Provinzial-Museum zu Hannover, Hannover 1905, S. 50, Kat.-Nr. 106, ohne Abb. (als „Kopie nach Elsheimer“, auf Marmor);
H. Voss, Italienische Gemälde des 16. und 17. Jahrhunderts in der Galerie des Kunsthistorischen Hofmuseums zu Wien, Leipzig 1912, Bd. 23, S. 62;
H. Voss, Die Malerei des Barock in Rom, Berlin 1925, S. 449, ohne Abb. (unter Repliken);
A. Porcella, Carlo Saraceni, Venedig 1928, S. 399, keine Abb. (als Kopie);
H. Weizsäcker, Adam Elsheimer, der Maler von Frankfurt, Berlin 1952, Bd. II, S. 117, erwähnt unter Kat.-Nr. 146, ohne Abb. (unter „Repliken oder Kopien“);
A. Moir, The Italian Followers of Caravaggio, Cambridge 1967, Bd. 2, S. 101, Kat.-Nr. 20.d, ohne Abb. (als Kopie auf Marmor);
A. Ottani Cavina, Carlo Saraceni, Mailand 1968, S. 100–102, Kat.-Nr. 16, ohne Abb. (unter Kopien, unbekannter Aufbewahrungsort, auf Marmor);
X. F. Salomon, in: Carlo Saraceni (1579–1620). Un Veneziano tra Roma e l’Europa, Ausstellungskatalog, hg. von M. G. Aurigemma, Rom 2013, S. 222, ohne Abb. (unter Kopien, auf Marmor)
R. Lattuada, Un’ipotesi di collaborazione tra Carlo Saraceni e Adam Elsheimer: il Riposo nella Fuga in Egitto su alabastro, in: Valori Tattili, Nr. 15 (in Vorbereitung)

Wir danken Riccardo Lattuada und Maria Giulia Aurigemma, die die Zuschreibung nach Prüfung des vorliegenden Gemäldes im Original unabhängig voneinander vorgeschlagen haben, für ihre Hilfe bei der Katalogisierung.

Das vorliegende Gemälde scheint, obwohl der Wissenschaft bekannt, größtenteils auf der Grundlage von Fotografien beurteilt worden zu sein, wobei man seine bedeutende Provenienz des 19. Jahrhunderts außer Acht gelassen hat. Erst nach der Untersuchung im Original hat man dieses Gemälde als eine wichtige Hinzufügung zum Schaffen von Carlo Saraceni und Adam Elsheimer erkannt, die für das Verständnis ihrer Arbeitsweise maßgeblich ist.

Das vorliegende Gemälde ist das einzige bekannte Beispiel eines Werks von Carlo Saraceni auf dem Bildträger Alabaster. Die Komposition steht in Zusammenhang mit Carlo Saracenis zwischen 1610 und 1612 entstandener Ruhe auf der Flucht nach Ägypten im Kloster Sacro Eremo Tuscolano in Monte Porzio Catone (Öl auf Leinwand, 180 x 125 cm, siehe Abb. 1), die durch eine in Umlauf befindliche Druckgrafik von Jean Le Clerc (siehe Abb. 2) Bekanntheit erlangte. Zwar gibt es viele kompositorische Gemeinsamkeiten zwischen dem vorliegenden Gemälde und dem Bild in Monte Porzio Catone, aber ebenso bedeutende Abwandlungen.

In diesem Gemälde auf Alabaster interpretiert Saraceni die Komposition auf innovative Art und Weise um. Es scheint fast, als handle es sich bei diesem Werk um eine prima idea, eine eigenständige Komposition, die wohl Elemente aus der für Monte Porzio Catone bestimmten Komposition übernommen, sie aber zu einer anderen Lösung neu zusammengefügt hat, was stellenweise brillant gelungen ist. Die zahlreichen Unterschiede zwischen den beiden Werken betreffen das Haupt der Gottesmutter und den Landschaftshorizont, der hier niedriger und begrenzter angesetzt ist und bloß in der Andeutung eines Hügels mit ein paar Häusern und Strauchwerk in der Ferne besteht, alles mit zarten blaugrünen Pinseltupfern wiedergegeben, was dazu dient, die vor blassem Hintergrund dargestellte Palme weiter in den Vordergrund zu rücken.

Vor allem jedoch die veränderte sparsame Farbigkeit des Werks, für welche die Figur des singenden Diakons steht, und der enorm konzentrierte Umgang mit den Malmedien, die stellenweise weniger flüssig aufgetragen sind als bei Saraceni, lassen an einen weiteren Künstler denken, der Saraceni zwar nahesteht, aber selbst eine starke eigenständige Künstlerpersönlichkeit ist und ebenso zur Schaffung dieses Werks beigetragen hat.

Vergleicht man Elemente dieses Gemäldes mit der Figur des Diakons in der Steinigung des heiligen Stephanus in der Scottish National Gallery in Edinburgh (siehe Abb. 4), wird auch die Hand Adam Elsheimer deutlich erkennbar. Bei diesem Bild auf Alabaster handelt es sich somit um ein Gemeinschaftswerk von Adam Elsheimer und Carlo Saraceni.

Elsheimers Hand im vorliegenden Gemälde lässt sich vor allem in der Beschreibung der Engel und des Hauptes der Gottesmutter erkennen, ebenso im Gewand des Noten lesenden Diakons. Lattuada vergleicht den Diakon des vorliegenden Gemäldes zudem mit zwei Figuren auf Skizzenblättern Elsheimers im Berliner Kupferstichkabinett (siehe Abb. 3).

Abgesehen von dem Gewand des Diakons, der Dalmatika, offenbart sich eine Bildfindung Elsheimers durch die für den deutschen Maler typische gesteigerte dekorative Qualität des Gemäldes. Bemerkenswert ist, dass die Gottesmutter in der vorliegenden Komposition nicht die üppig drapierten weißen Tücher aus dem Korb aufnimmt, um das dekorative Muster des Kleides des Diakons nicht zu unterbrechen.

Dass zwei Künstler sich bei der Schaffung eines kleinformatigen Bildes auf Leinwand zusammenfanden, kam in der italienischen Malerei selten vor, war doch die Zusammenarbeit von Spezialisten eine typische Vorgangsweise nordeuropäischer Maler. Im Fall der vorliegenden Zusammenarbeit ist den beiden Künstlern in Wertschätzung der gemeinsamen Kultur, die dieses Gemälde durchdringt, tatsächlich ein einzigartiges Werk gelungen.

Kunsthistoriker haben auf die große stilistische Nähe zwischen den Werken Carlo Saracenis und Adam Elsheimers hingewiesen. Man nimmt an, dass die beiden Künstler aufeinandertrafen, als sie sich in den 1590er-Jahren vor ihrer Ankunft in Rom beide in Venedig aufhielten (siehe M. G. Aurigemma, Carlo Saraceni. Un veneziano tra Roma e l’Europa [1579–1620], Ausstellungskatalog, Rom 2013, S. 13–16, S. 184–189).

Eine mögliche Zusammenarbeit zwischen Saraceni und Elsheimer wurde auch im Fall von Saracenis berühmter Serie zu den Metamorphosen erwogen, die sich im Museo di Capodimonte in Neapel befindet, obgleich sich dies bis heute urkundlich nicht belegen lässt.

Das kompositorische Gleichgewicht der Szene des vorliegenden Gemäldes wird durch die Landschaft erreicht, welche durch die Palme bis in den Vordergrund gezogen wird. Sie befindet sich auf derselben Achse wie die Figur der Gottesmutter. Ein Gegengewicht bilden die drei Figuren – die beiden Engel und der Diakon – links. Als kompositorische Klammer fungiert zudem die gebeugte Gestalt Josefs, deren Diagonale sich in der Verlängerung mit dem gegenläufigen Bogen des Engelsflügels kreuzt; ähnlich verläuft eine Spannungslinie zwischen dem ausdrucksstarken Eselskopf rechts und den weißen Tüchern links unten, welche die Gottesmutter im Begriff ist hochzuheben.

Elsheimer war bekannt für seine perfektionistische Aufmerksamkeit für Details, was trotz der geringen Größe seiner Bilder ein mengenmäßig reduziertes Gesamtwerk zur Folge hat. Etwa 40 Gemälde werden ihm insgesamt einstimmig zugeschrieben. Sein Werk war ob seiner Qualität hoch angesehen. Er war unverkennbar von nordeuropäischen Künstlern beeinflusst, die sich in Rom aufhielten, darunter Paul Bril, Jan Pynas, Leonaert Bramer und Pieter Lastman, der spätere Lehrer Rembrandts. Rubens, der zumindest vier Werke Elsheimers besaß, kannte den Künstler aus Rom und sprach von ihm nach dessen Tod in einem Brief in höchstem Lob.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 08.06.2021 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 29.05. - 08.06.2021


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

Es können keine Kaufaufträge über Internet mehr abgegeben werden. Die Auktion befindet sich in Vorbereitung bzw. wurde bereits durchgeführt.