Lot Nr. 88


Giacinto Gimignani


Giacinto Gimignani - Alte Meister I

(Pistoia 1606–1681 Rom)
Allegorie des Krieges,
Öl auf Leinwand, 133 x 98 cm, gerahmt

Bezeichnet auf zwei Klebezetteln auf dem Keilrahmen:
Rosa Caval. Michele Modena / e Milano; und L’Iconoclasta / Collezione d’arte / March. Degl. Albizi

Provenienz:
Sammlung Giacinto Gimignani, Rom, vor 1681 (siehe Dokumentation);
Sammlung Cavalier Michele Rosa, Modena und Mailand (lt. rückseitigem Aufkleber);
Sammlung Marchese degli Albizi (lt. rückseitigem Aufkleber);
europäische Privatsammlung, etwa seit 1940

Dokumentation:
Das Gemälde findet in dem nach dem Tod von Giacinto Gimignani am 31. Dezember 1681 in Rom erstellten Inventarverzeichnis Erwähnung: „La Guerra che concili d’armi, tela da Imp.“ (siehe U. V. Fischer Pace, Giacinto Gimignani [1606–1681]. Eine Studie zur römischen Malerei des Seicento, Dissertation, Freiburg 1973, S. 127)

Wir danken Ursula Verena Fischer Pace, die die Zuschreibung nach Prüfung des vorliegenden Gemäldes im Original bestätigt hat. Sie wird das Werk in ihre in Vorbereitung befindliche Monografie des Künstlers aufnehmen.

Die allegorische Figur des Krieges wird von einer Frau in Brustharnisch und Helm verkörpert. Sie ist mit einem Schwert und einem Schild bewaffnet, welches in Einklang mit den in zeitgenössischen ikonografischen Nachschlagewerken angebotenen Beschreibungen mit einem Wolfskopf geschmückt ist. Zurückgelassen hat sie eine Stadt in Flammen, geknickte Bäume und einen von Rauchwolken geschwärzten Himmel. Wohin der Krieg auch zieht, bleibt Zerstörung zurück: Der Verlust materiellen Wohlstands und ideeller Reichtümer wird durch goldene und silberne Gefäße und eine zerschlagene antike Statue symbolisiert, die zusammen mit den Attributen der Künste – einer Laute und einer Geige für die Musik, einem Buch für die Dichtkunst, einem Winkel und einem Zirkel für die Architektur sowie Pinseln, einer Palette und einem Frauenporträt für die Malerei – mit den Füßen getreten werden.

Auf stilistischer und dokumentarischer Grundlage kann das Werk dem toskanischen Maler Giacinto Gimignani zugeschrieben werden, der sich in Rom niederließ und dort ab 1630 unter der Federführung von Pietro da Cortona (1596–1669) im Palazzo Barberini tätig war. Im weiteren Verlauf der 1630er-Jahre fand Gimignani Zugang zum frankophilen Kreis von Kardinal Maurizio di Savoia und der in Rom weilenden französischen Maler um Nicolas Poussin, was ihm durch seinen Landsmann und Schutzherrn Giulio Rospigliosi, den späteren Papst Clemens IX., damals noch Dichter und Mitglied der Kurie am Hof der Barberini, sowie durch den Maler Alessandro Turchi ermöglicht wurde, dessen Tochter Cecilia Gimignani 1640 heiraten sollte. Gimignani war unter den Franzosen François Perrier, Pierre Mignard, Pierre Lemaire und Charles Errard der einzige italienische Maler, der 1639 an dem wichtigen Auftrag von 16 Gemälden zu den Geschichten aus Torquato Tassos Gerusalemme Liberata für die Pariser Residenz des Maréchal de La Ferté-Senneterre mitwirken sollte (siehe U. V. Fischer Pace, in: Intorno a Poussin. Ideale classico e epopea barocca tra Parigi e Roma, Ausstellungskatalog, Rom 2000, S. 128–130).

Das vorliegende Gemälde ist wahrscheinlich um die Mitte der 1640er-Jahre entstanden, etwa zur selben Zeit, als Gimignani 1644 den Tod der Verginia, ehemals in der Sammlung Scardeoni in Lugano, malte (siehe A. Lo Bianco [Hg.], Pietro da Cortona: 1597–1668, Ausstellungskatalog, Mailand 1997, S. 205, Abb. 171).

Gimignanis früher Malstil war von Pietro da Cortona beeinflusst, doch entwickelte er sich in Richtung eines ruhigeren Klassizismus in Verbindung mit einer lebendigen Farbigkeit, während sich seine Bildinhalte vermehrt moralischen und allegorischen Inhalten, mythologischen und biblischen Begebenheiten sowie der Altertumsgeschichte zuwandten.

Abgesehen von der Identifikation der für Gimignanis Schaffen charakteristischen stilistischen Merkmalen hat Fischer Pace in einer spanischen Sammlung eine Vorzeichnung für dieses Gemälde entdeckt (siehe Abb. 1). Die Gestalt des Krieges, die zerschmetterte antike Statue und die Vasen auf dem Boden sind identisch, doch fehlen dort die Attribute der Künste. Die Zeichnung ist ein Pendant zur gleich großen und mit denselben Zeichenmitteln ausgeführten Allegorie des Friedens.

Fischer Pace zufolge handelt es sich bei dem vorliegenden Gemälde um das erwähnte Werk in dem nach Giacinto Gimignanis Tod am 31. Dezember 1681 erstellten Inventar der Gegenstände in seinem Haus in der Strada Felice (heute Via Sistina) in Rom, wo vermerkt sind: „La Guerra che concili d’armi, tela da Imp.“ und sein Gegenstück „La Pace che concili d’armi, tela da Imp.“ Die Leinwand von „imperialem“ Format entspricht den Abmessungen des vorliegenden Gemäldes (siehe Dokumentation). Zwar weiß man derzeit noch nichts Näheres über die Besitzerwechsel, die erfolgt sind, nachdem das Gemälde die Werkstatt des Künstlers verlassen hat, doch Hinweise liefern zumindest das Wachssiegel links unten auf der Rückseite der Leinwand und die Klebezetteln des 19. und 20. Jahrhunderts auf der Rückseite des Keilrahmens, auf denen ein Cavalier Michele Rosa in Modena und Mailand und die Sammlung Albizi genannt werden.

Bei diesem Gemälde handelt es sich um eine wichtige Hinzufügung zum Werkkorpus Gimignanis und um ein bedeutendes Beispiel für seine Vorliebe allegorischer und moralischer Bildthemen im Einklang mit der rhetorischen Bildsprache des römischen Frühbarock.

Wir danken Ursula Verena Fischer Pace für die Katalogisierung des Lots.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

08.06.2021 - 16:00

Erzielter Preis: **
EUR 35.300,-
Schätzwert:
EUR 20.000,- bis EUR 30.000,-

Giacinto Gimignani


(Pistoia 1606–1681 Rom)
Allegorie des Krieges,
Öl auf Leinwand, 133 x 98 cm, gerahmt

Bezeichnet auf zwei Klebezetteln auf dem Keilrahmen:
Rosa Caval. Michele Modena / e Milano; und L’Iconoclasta / Collezione d’arte / March. Degl. Albizi

Provenienz:
Sammlung Giacinto Gimignani, Rom, vor 1681 (siehe Dokumentation);
Sammlung Cavalier Michele Rosa, Modena und Mailand (lt. rückseitigem Aufkleber);
Sammlung Marchese degli Albizi (lt. rückseitigem Aufkleber);
europäische Privatsammlung, etwa seit 1940

Dokumentation:
Das Gemälde findet in dem nach dem Tod von Giacinto Gimignani am 31. Dezember 1681 in Rom erstellten Inventarverzeichnis Erwähnung: „La Guerra che concili d’armi, tela da Imp.“ (siehe U. V. Fischer Pace, Giacinto Gimignani [1606–1681]. Eine Studie zur römischen Malerei des Seicento, Dissertation, Freiburg 1973, S. 127)

Wir danken Ursula Verena Fischer Pace, die die Zuschreibung nach Prüfung des vorliegenden Gemäldes im Original bestätigt hat. Sie wird das Werk in ihre in Vorbereitung befindliche Monografie des Künstlers aufnehmen.

Die allegorische Figur des Krieges wird von einer Frau in Brustharnisch und Helm verkörpert. Sie ist mit einem Schwert und einem Schild bewaffnet, welches in Einklang mit den in zeitgenössischen ikonografischen Nachschlagewerken angebotenen Beschreibungen mit einem Wolfskopf geschmückt ist. Zurückgelassen hat sie eine Stadt in Flammen, geknickte Bäume und einen von Rauchwolken geschwärzten Himmel. Wohin der Krieg auch zieht, bleibt Zerstörung zurück: Der Verlust materiellen Wohlstands und ideeller Reichtümer wird durch goldene und silberne Gefäße und eine zerschlagene antike Statue symbolisiert, die zusammen mit den Attributen der Künste – einer Laute und einer Geige für die Musik, einem Buch für die Dichtkunst, einem Winkel und einem Zirkel für die Architektur sowie Pinseln, einer Palette und einem Frauenporträt für die Malerei – mit den Füßen getreten werden.

Auf stilistischer und dokumentarischer Grundlage kann das Werk dem toskanischen Maler Giacinto Gimignani zugeschrieben werden, der sich in Rom niederließ und dort ab 1630 unter der Federführung von Pietro da Cortona (1596–1669) im Palazzo Barberini tätig war. Im weiteren Verlauf der 1630er-Jahre fand Gimignani Zugang zum frankophilen Kreis von Kardinal Maurizio di Savoia und der in Rom weilenden französischen Maler um Nicolas Poussin, was ihm durch seinen Landsmann und Schutzherrn Giulio Rospigliosi, den späteren Papst Clemens IX., damals noch Dichter und Mitglied der Kurie am Hof der Barberini, sowie durch den Maler Alessandro Turchi ermöglicht wurde, dessen Tochter Cecilia Gimignani 1640 heiraten sollte. Gimignani war unter den Franzosen François Perrier, Pierre Mignard, Pierre Lemaire und Charles Errard der einzige italienische Maler, der 1639 an dem wichtigen Auftrag von 16 Gemälden zu den Geschichten aus Torquato Tassos Gerusalemme Liberata für die Pariser Residenz des Maréchal de La Ferté-Senneterre mitwirken sollte (siehe U. V. Fischer Pace, in: Intorno a Poussin. Ideale classico e epopea barocca tra Parigi e Roma, Ausstellungskatalog, Rom 2000, S. 128–130).

Das vorliegende Gemälde ist wahrscheinlich um die Mitte der 1640er-Jahre entstanden, etwa zur selben Zeit, als Gimignani 1644 den Tod der Verginia, ehemals in der Sammlung Scardeoni in Lugano, malte (siehe A. Lo Bianco [Hg.], Pietro da Cortona: 1597–1668, Ausstellungskatalog, Mailand 1997, S. 205, Abb. 171).

Gimignanis früher Malstil war von Pietro da Cortona beeinflusst, doch entwickelte er sich in Richtung eines ruhigeren Klassizismus in Verbindung mit einer lebendigen Farbigkeit, während sich seine Bildinhalte vermehrt moralischen und allegorischen Inhalten, mythologischen und biblischen Begebenheiten sowie der Altertumsgeschichte zuwandten.

Abgesehen von der Identifikation der für Gimignanis Schaffen charakteristischen stilistischen Merkmalen hat Fischer Pace in einer spanischen Sammlung eine Vorzeichnung für dieses Gemälde entdeckt (siehe Abb. 1). Die Gestalt des Krieges, die zerschmetterte antike Statue und die Vasen auf dem Boden sind identisch, doch fehlen dort die Attribute der Künste. Die Zeichnung ist ein Pendant zur gleich großen und mit denselben Zeichenmitteln ausgeführten Allegorie des Friedens.

Fischer Pace zufolge handelt es sich bei dem vorliegenden Gemälde um das erwähnte Werk in dem nach Giacinto Gimignanis Tod am 31. Dezember 1681 erstellten Inventar der Gegenstände in seinem Haus in der Strada Felice (heute Via Sistina) in Rom, wo vermerkt sind: „La Guerra che concili d’armi, tela da Imp.“ und sein Gegenstück „La Pace che concili d’armi, tela da Imp.“ Die Leinwand von „imperialem“ Format entspricht den Abmessungen des vorliegenden Gemäldes (siehe Dokumentation). Zwar weiß man derzeit noch nichts Näheres über die Besitzerwechsel, die erfolgt sind, nachdem das Gemälde die Werkstatt des Künstlers verlassen hat, doch Hinweise liefern zumindest das Wachssiegel links unten auf der Rückseite der Leinwand und die Klebezetteln des 19. und 20. Jahrhunderts auf der Rückseite des Keilrahmens, auf denen ein Cavalier Michele Rosa in Modena und Mailand und die Sammlung Albizi genannt werden.

Bei diesem Gemälde handelt es sich um eine wichtige Hinzufügung zum Werkkorpus Gimignanis und um ein bedeutendes Beispiel für seine Vorliebe allegorischer und moralischer Bildthemen im Einklang mit der rhetorischen Bildsprache des römischen Frühbarock.

Wir danken Ursula Verena Fischer Pace für die Katalogisierung des Lots.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 08.06.2021 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 29.05. - 08.06.2021


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

Es können keine Kaufaufträge über Internet mehr abgegeben werden. Die Auktion befindet sich in Vorbereitung bzw. wurde bereits durchgeführt.