Lot Nr. 20 -


Meister von Frankfurt


Meister von Frankfurt - Alte Meister I

(Antwerpen um 1460–1515/25)
Die Heilige Familie mit Engeln und Heiligen,
Öl auf Holz, 56 x 44,5 cm, gerahmt

Wir danken Peter van den Brink, der die Autorenschaft auf Grundlage von Fotografien bestätigt hat.

Dieser niederländische Maler war zwischen 1490 und 1520 in Antwerpen tätig. Seine Geburt um 1460 wurde auf Grundlage einer Beschriftung auf dem Rahmen des Selbstporträts mit der Frau des Künstlers (Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Antwerpen, Inv.-Nr. 5096) angenommen, wo der Künstler das Entstehungsjahr und sein damaliges Alter festgehalten hat. Der Meister von Frankfurt erhielt zwei Aufträge aus Frankfurt am Main, Die Heilige Sippschaft für die ehemalige Dominikanerkirche (Historisches Museum, Frankfurt, Inv.-Nr. B259-264, B2011.4) von 1505 und die um 1506 entstandene Kreuzigung (Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt/Main, Inv.-Nr. 715), die von der Familie Humbracht, einer führenden Patrizierfamilie der Stadt, beauftragt worden war. Der Meister von Frankfurt galt einst als deutscher Maler, bis Friedländer erkannte, dass sein Stil unter die flämische Tradition fällt. Jüngste Studien zu dem Künstler haben ihn versuchsweise als Hendrik van Wueluwe, einem zwischen 1483 und seinem Todesjahr 1533 in Antwerpen tätigen Künstler, identifizieren lassen. Erhaltenen urkundlichen Belegen zufolge war Van Wueluwe ein angesehener Künstler, der sechsmal der Malergilde vorstand und eine Werkstatt mit vielen Schülern unterhielt. Er wurde möglicherweise in der Stadt Woluwe geboren, wo Hugo van der Goes seine letzten Lebensjahre verbrachte.

Man hat dem Meister von Frankfurt an die fünfzig Werke zugeschrieben. Sein traditionell konservativer Stil verrät den Einfluss der niederländischen Malerei des 15. Jahrhunderts, insbesondere von Rogier van der Weyden, Robert Campin und Hugo van der Goes, deren Kompositionen und Figuren er immer wieder entlehnte, um daraus um 1500 in Antwerpen eine neue stilistische Strömung neben jener seines Zeitgenossen Quentin Massys zu entwickeln. Der Meister war überaus produktiv; sein Schaffen deckt sich mit dem uns bekannten Angebot des Antwerpener Kunstmarkts des frühen 16. Jahrhunderts. Manche Werke des Meisters, darunter der Passionstriptychon in Zarogoza (Alma Mater Museum) und das vorliegende Gemälde, sind von Dürers Holzschnitten angeregt, was den Einfluss und die große Wertschätzung der Bildfindungen dieses Künstlers in ganz Europa verdeutlicht. Die besten Arbeiten des Meisters finden sich in einer Gruppe kleinformatiger, zwischen 1510 und 1520 ausgeführter Tafelbilder, die meisten davon Porträts oder Darstellungen der Madonna mit Kind. Aus der Zeit nach 1525 sind keine mit dem Künstler in Zusammenhang stehende Zeugnisse mehr bekannt.

Technische Untersuchung durch Gianluca Poldi:

Das Gemälde ist auf zwei vertikalen Eichenholztafeln ausgeführt, deren Verbindung durch die Mittelachse des Werkes verläuft. Die Rückseite wurde mittlerweile parkettiert.

In der Infrarotreflektografie zeigen sich eine interessante Unterzeichnung und einige kleine Veränderungen. Die Korrekturen sind sowohl bildnerischer Art, um bereits Gemaltes zu modifizieren, als auch zeichnerischer Natur, um die Ausführung des Gemäldes in Bezug auf die Unterzeichnung zu verändern. Hinweise für Letzteres gibt es in den Köpfen der Figuren, die leicht verändert wurden, was bedeutet, dass die Zeichnung, obwohl einigermaßen sorgfältig ausgeführt, für den Maler keine unabänderbare finale Entscheidung darstellte. Zu den sichtbar veränderten Stellen gehören u. a. das Haupt des ersten Engels rechts, das ursprünglich vertikaler ausgerichtet war; das Gesicht des Engels mit dem Buch, das ursprünglich etwas größer gezeichnet war; die Nase der Madonna, die als zu kurz befunden wurde, wobei ihre geöffneten Augen ursprünglich auf den Harfe spielenden Engels gerichtet waren, anstatt ins Buch zu blicken; die Augen des im Hintergrund hinter dem Jesuskind stehenden Mannes – womöglich der heilige Josef –, die ursprünglich weiter auseinander lagen, bevor sie korrigiert wurden, um in etwa jenen Johannes’ des Täufers zu entsprechen.

Die mit schwarzer Tinte und einem eher dünnen Pinsel ausgeführte Unterzeichnung wurde ursprünglich ohne grafische Hilfsmittel aufgetragen, was spätere Korrekturen vor allem der Stellung der Augen und der Symmetrie und Proportionen der Köpfe erforderte.

Der Meister von Frankfurt verwendete üblicherweise den Pinsel anstatt eines trockenen Zeichenmittels wie Kohle oder schwarze Kreide und führte damit die Falten der Gewänder mit geraden Linien und Parallelschraffuren in den Schattenzonen aus. Was die kleinen Bildkorrekturen angeht, ist zu erkennen, dass der Baum rechts ursprünglich ein dichteres Blätterdach hatte, das dann zurückgenommen wurde, um seine Wirkung gegenüber dem Himmel abzuschwächen; das Profil des Berges links erschien ursprünglich weiter unten; der ausgebreitete rechte Flügel des mittig platzierten Engels im Hintergrund war etwas länger, und seine Federn bzw. Daumenfittiche waren geöffnet. Außerdem bemerkenswert sind die starken Umrisse und die relativ kleinteilige Zeichnung der kleinen Engelsfiguren mit den Wappen am unteren Bildrand. Der Putto rechts trug zuerst ein Stoffband, das Hüften und Brust bedeckte.

Die mittels nicht invasiver Spektroskopien untersuchte Palette umfasst Azurit für alle Blaubereiche in unterschiedlichen Mischungen mit Bleiweiß; für die Grüntöne fand Grünspan Verwendung, der in den hellen Passagen mit bleibasiertem Gelb vermischt wurde; Zinnober findet sich in den helleren Rottönen gemischt mit Rotlack, etwa einem Rotlack auf Conchinellenbasis im Umhang der Heiligen Jungfrau. Die Hauttöne wurden generell durch eine Mischung von Bleiweiß mit Zinnoberpartikeln erzielt.

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

10.11.2021 - 16:00

Erzielter Preis: **
EUR 77.704,-
Schätzwert:
EUR 60.000,- bis EUR 80.000,-

Meister von Frankfurt


(Antwerpen um 1460–1515/25)
Die Heilige Familie mit Engeln und Heiligen,
Öl auf Holz, 56 x 44,5 cm, gerahmt

Wir danken Peter van den Brink, der die Autorenschaft auf Grundlage von Fotografien bestätigt hat.

Dieser niederländische Maler war zwischen 1490 und 1520 in Antwerpen tätig. Seine Geburt um 1460 wurde auf Grundlage einer Beschriftung auf dem Rahmen des Selbstporträts mit der Frau des Künstlers (Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Antwerpen, Inv.-Nr. 5096) angenommen, wo der Künstler das Entstehungsjahr und sein damaliges Alter festgehalten hat. Der Meister von Frankfurt erhielt zwei Aufträge aus Frankfurt am Main, Die Heilige Sippschaft für die ehemalige Dominikanerkirche (Historisches Museum, Frankfurt, Inv.-Nr. B259-264, B2011.4) von 1505 und die um 1506 entstandene Kreuzigung (Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt/Main, Inv.-Nr. 715), die von der Familie Humbracht, einer führenden Patrizierfamilie der Stadt, beauftragt worden war. Der Meister von Frankfurt galt einst als deutscher Maler, bis Friedländer erkannte, dass sein Stil unter die flämische Tradition fällt. Jüngste Studien zu dem Künstler haben ihn versuchsweise als Hendrik van Wueluwe, einem zwischen 1483 und seinem Todesjahr 1533 in Antwerpen tätigen Künstler, identifizieren lassen. Erhaltenen urkundlichen Belegen zufolge war Van Wueluwe ein angesehener Künstler, der sechsmal der Malergilde vorstand und eine Werkstatt mit vielen Schülern unterhielt. Er wurde möglicherweise in der Stadt Woluwe geboren, wo Hugo van der Goes seine letzten Lebensjahre verbrachte.

Man hat dem Meister von Frankfurt an die fünfzig Werke zugeschrieben. Sein traditionell konservativer Stil verrät den Einfluss der niederländischen Malerei des 15. Jahrhunderts, insbesondere von Rogier van der Weyden, Robert Campin und Hugo van der Goes, deren Kompositionen und Figuren er immer wieder entlehnte, um daraus um 1500 in Antwerpen eine neue stilistische Strömung neben jener seines Zeitgenossen Quentin Massys zu entwickeln. Der Meister war überaus produktiv; sein Schaffen deckt sich mit dem uns bekannten Angebot des Antwerpener Kunstmarkts des frühen 16. Jahrhunderts. Manche Werke des Meisters, darunter der Passionstriptychon in Zarogoza (Alma Mater Museum) und das vorliegende Gemälde, sind von Dürers Holzschnitten angeregt, was den Einfluss und die große Wertschätzung der Bildfindungen dieses Künstlers in ganz Europa verdeutlicht. Die besten Arbeiten des Meisters finden sich in einer Gruppe kleinformatiger, zwischen 1510 und 1520 ausgeführter Tafelbilder, die meisten davon Porträts oder Darstellungen der Madonna mit Kind. Aus der Zeit nach 1525 sind keine mit dem Künstler in Zusammenhang stehende Zeugnisse mehr bekannt.

Technische Untersuchung durch Gianluca Poldi:

Das Gemälde ist auf zwei vertikalen Eichenholztafeln ausgeführt, deren Verbindung durch die Mittelachse des Werkes verläuft. Die Rückseite wurde mittlerweile parkettiert.

In der Infrarotreflektografie zeigen sich eine interessante Unterzeichnung und einige kleine Veränderungen. Die Korrekturen sind sowohl bildnerischer Art, um bereits Gemaltes zu modifizieren, als auch zeichnerischer Natur, um die Ausführung des Gemäldes in Bezug auf die Unterzeichnung zu verändern. Hinweise für Letzteres gibt es in den Köpfen der Figuren, die leicht verändert wurden, was bedeutet, dass die Zeichnung, obwohl einigermaßen sorgfältig ausgeführt, für den Maler keine unabänderbare finale Entscheidung darstellte. Zu den sichtbar veränderten Stellen gehören u. a. das Haupt des ersten Engels rechts, das ursprünglich vertikaler ausgerichtet war; das Gesicht des Engels mit dem Buch, das ursprünglich etwas größer gezeichnet war; die Nase der Madonna, die als zu kurz befunden wurde, wobei ihre geöffneten Augen ursprünglich auf den Harfe spielenden Engels gerichtet waren, anstatt ins Buch zu blicken; die Augen des im Hintergrund hinter dem Jesuskind stehenden Mannes – womöglich der heilige Josef –, die ursprünglich weiter auseinander lagen, bevor sie korrigiert wurden, um in etwa jenen Johannes’ des Täufers zu entsprechen.

Die mit schwarzer Tinte und einem eher dünnen Pinsel ausgeführte Unterzeichnung wurde ursprünglich ohne grafische Hilfsmittel aufgetragen, was spätere Korrekturen vor allem der Stellung der Augen und der Symmetrie und Proportionen der Köpfe erforderte.

Der Meister von Frankfurt verwendete üblicherweise den Pinsel anstatt eines trockenen Zeichenmittels wie Kohle oder schwarze Kreide und führte damit die Falten der Gewänder mit geraden Linien und Parallelschraffuren in den Schattenzonen aus. Was die kleinen Bildkorrekturen angeht, ist zu erkennen, dass der Baum rechts ursprünglich ein dichteres Blätterdach hatte, das dann zurückgenommen wurde, um seine Wirkung gegenüber dem Himmel abzuschwächen; das Profil des Berges links erschien ursprünglich weiter unten; der ausgebreitete rechte Flügel des mittig platzierten Engels im Hintergrund war etwas länger, und seine Federn bzw. Daumenfittiche waren geöffnet. Außerdem bemerkenswert sind die starken Umrisse und die relativ kleinteilige Zeichnung der kleinen Engelsfiguren mit den Wappen am unteren Bildrand. Der Putto rechts trug zuerst ein Stoffband, das Hüften und Brust bedeckte.

Die mittels nicht invasiver Spektroskopien untersuchte Palette umfasst Azurit für alle Blaubereiche in unterschiedlichen Mischungen mit Bleiweiß; für die Grüntöne fand Grünspan Verwendung, der in den hellen Passagen mit bleibasiertem Gelb vermischt wurde; Zinnober findet sich in den helleren Rottönen gemischt mit Rotlack, etwa einem Rotlack auf Conchinellenbasis im Umhang der Heiligen Jungfrau. Die Hauttöne wurden generell durch eine Mischung von Bleiweiß mit Zinnoberpartikeln erzielt.

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 10.11.2021 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 29.10. - 10.11.2021


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer(für Lieferland Österreich)

Es können keine Kaufaufträge über Internet mehr abgegeben werden. Die Auktion befindet sich in Vorbereitung bzw. wurde bereits durchgeführt.