(Wien 1940 geb.)
Ohne Titel, aus der Serie „Kambodscha“, signiert, datiert Martha Jungwirth 2005, Aquarell auf Papier, 137 x 101 cm, gerahmt

In den Blättern von Jungwirth dominiert die Farbe. Anders gesagt: ihre Aquarelle bestehen aus nichts als Farbe. Die Farbe ist ihr Alpha und Omega. Sie ist die Trägerin der Empfindung, sie ruft sie herbei, bringt sie hervor, kann sie bewahren. Die Farbe beschwört die Erinnerung, zitiert sie heran, verschmilzt mit ihr. Die Farbe steht für die „20%-wahrnehmungsrest“, von denen Jungwirth einmal sprach. Alles, was einmal gewesen ist und in einem Augenblick in letzter Verdichtung präsent war, ist eingegangen in die Farbe. Die Reduktion eines Seherlebnisses auf die Farbe entspricht als Pendant die Steigerung, die sie in Konzentration und Isolierung erfährt. Alle Farben sind bei Jungwirth Farben der Erinnerung, aber unendlich gesteigert. Die Sensibilität der Künstlerin für das Miteinander der Farben grenzt an ein Wunder. Man muss es sehen und wiederum sehen, um an seine Möglichkeit zu glauben.

Sehen wir die großformatigen Aquarelle an, die Seherlebnisse in Burma und Kambodscha reflektieren, so erfasst uns der Zauber der Farbe. Diese Erlebnisse, die in der Erinnerung einander berühren – wenn nicht ganz ineinander übergehen -, erscheinen hier, wie stets bei Jungwirth, auf ihren farbigen Kern reduziert. In der Farbe verschmelzen Erhebendes und Bitteres, Heiterkeit und Schmerz und sind nicht mehr zu trennen.
Wieland Schmied
aus: Der unwiederholbare Augenblick, der nicht vergehen soll. Katalog: Martha Jungwirth. Tür zu. Galerie Exner, Wien, 2005

„Das Malen ist eine körperliche, konzentrierte Aktivität, eine einmalige Setzung, ich übermale selten etwas, entweder es stimmt oder es stimmt nicht – meistens stimmt es.“
Martha Jungwirth, 2015
Katalog: Martha Jungwirth, Albertina, Wien 2018