Lot Nr. 33


Jacopo Robusti, gen. Jacopo Tintoretto und Werkstatt


Jacopo Robusti, gen. Jacopo Tintoretto und Werkstatt - Alte Meister I

(Venedig 1518–1594)
Venus und Adonis,
Öl auf Leinwand, 158 x 255 cm, gerahmt

Provenienz:
Kunsthandel, Italien;
europäische Privatsammlung

Wir danken Mauro Lucco, der die Zuschreibung nach Untersuchung des vorliegenden Gemäldes im Original vorgeschlagen hat.

Das vorliegende Gemälde stellt die Ovids Metamorphosen entnommene Geschichte von Venus und Adonis dar und steht in Zusammenhang mit Tintorettos Produktion mythologischer Sujets um die Mitte des 16. Jahrhunderts. Der Künstler zeigt jenen Moment, in dem die Göttin der Schönheit versucht, Adonis zu überreden, sie zu lieben; doch er zieht es vor, zur Jagd zu gehen. Er wird später, nachdem ihn ein Eber schwer verwundet hat, sterben. Das Format des Gemäldes legt nahe, dass es als schmückendes Element des Portikus oder der Eingangshalle eines Gebäudes gedacht war, vermutlich zusammen mit einem der vorliegenden Darstellung gegenübergestellten Sujet.

Kompositorisch ist das Bild verwandt mit der Susanna im Louvre (Inv.-Nr. 568; MR 498). Die monumentalen Körper der beiden Frauen scheinen direkt von hellenistischer Bildhauerkunst angeregt; das helle Inkarnat der gemalten Gestalten erinnert an makellosen Marmor. Die Gesichtszüge beider Frauen mit den gewölbten runden Brauen, den großen mandelförmigen, dunklen Augen und den weichen, rosigen Wangen entsprechen dem im Venedig des 16. Jahrhunderts vorherrschenden Schönheitsideal. Wie Susanna ist Venus in der linken Bildhälfte platziert, wo sie auf einem drapierten Tuch sitzt. Adonis erscheint im Zentrum des Bildes und ist im Begriff, ein Seil zuzubinden, mit dem er die drei Jagdhunde angeleint hat – ein Motiv, das Tizians Kompositionen desselben Bildthemas entlehnt ist. Der Jüngling trägt ein antikes Gewand, den Kopf hat er leicht angehoben, um zu der nackten Göttin hinüberzublicken. Die Figurengruppe wird durch Amor in der rechten Bildhälfte komplettiert.

Das vorliegende Gemälde steht in Zusammenhang mit einer größeren Tintoretto zugeschriebenen Komposition in der National Gallery of Ireland (138 x 202 cm, Inv.-Nr. NGI.768). Die Vermutung ist legitim, dass unser Bild ursprünglich als Pendant zu dem Gemälde in Dublin gedacht war, das etwas geringere Ausmaße aufweist als das vorliegende Werk, zumal es in der Vergangenheit verkleinert wurde, worauf die abgeschnittenen Füße der Göttin hinweisen. In dem Dubliner Bild ist die Göttin dargestellt, wie sie Adonis, der die drei angebundenen Hunde hält, umarmt. Die klaren Gesichtszüge der Göttin lassen vermuten, dass es sich um ein Porträt der Ehefrau des Auftraggebers handeln könnte und dass diese besondere Begegnung zwischen Venus und Adonis gewählt worden sein könnte, um eine erotisch explizitere Darstellung zu umgehen.

Tintorettos erster Biograf Carlo Ridolfi erwähnt einen „Adone che si diparte da Venere, mentre ella tenta con vezzi rattenerlo“ (siehe C. Ridolfi, Vita di Giacopo Robusti, detto il Tintoretto, Celebre Pittore. Cittadino Venetiano, Venedig 1642, S. 70) zusammen mit zwei weiteren nicht mehr auffindbaren Gemälden, Apollo und die Musen und Tithon und Aurora, für die Decke eines Saals im Palast von Giovanni da Pesaro, dem Prokurator von San Marco und späteren Dogen von Venedig (ebd., S. 69).

Technischer Bericht von Gianluca Poldi

Bildgebende Verfahren sind maßgeblich zum Verständnis der Maltechnik des vorliegenden Gemäldes und für den Vergleich mit anderen Werken Jacopo Tintorettos.

Die Infrarotreflektografie (IRR) zeigt einige Veränderungen entlang der Umrisse der Figuren: ein typisches Merkmal für Jacopo Tintorettos Arbeitsweise. Die deutlichste Modifikation findet sich im Bereich des Körpers der Venus: So war ihr rechtes Bein ursprünglich breiter und länger und erschien weiter rechts. Es wurde verändert und zurückversetzt, um sich nicht mit dem Bein des Hundes zu überschneiden. Der rechte Arm der Venus war ursprünglich weiter links platziert. Allgemein war ihre Gestalt zunächst größer intendiert und näher an den Betrachter in den Vordergrund gerückt und wurde nachträglich zurückgenommen.

Weitere Veränderungen betreffen den Kopf des braunen Hundes und manche Pfoten, sowie Anpassungen an den Umriss von Amors rechtem Bein und Adonis’ Armen.

Entlang der Figuren ist eine schwarze Unterzeichnung erkennbar, die mit einem ziemlich breiten Pinsel ausgeführt wurde; sie ist leicht gewellt und bisweilen mehrmals nachgezogen, wie an Amor, aber auch an anderen Stellen erkennbar ist. So umreißt die Zeichnung unterhalb von Adonis’ Knien und seines Halses die Anatomie, ebenso im Bereich der Scham der Göttin. Diese Art von Unterzeichnung ist typisch für die Gemälde Jacopo Tintorettos.

Die an über 30 Stellen mittels vis-RS untersuchten Pigmente beinhalten ein kräftiges Ultramarinblau im Bereich des Himmels und des blauen Gewandes von Adonis sowie im Halsband des Hundes links. Dieses kostbare Pigment, das damals aus Minen in Afghanistan kam, wurde hauptsächlich über einer weißen Grundierung verwendet, um seinen charakteristischen Farbton zur Geltung zu bringen: eine Vorgangsweise, die auch Jacopo Tintoretto häufig anwendete. Azurit findet sich großflächig im Bereich der bläulichen Vegetation sowie im Hügel rechts und im Wasserlauf. Auch kupferbasierte Grüntöne fanden Verwendung, bisweilen in Verbindung mit bleizinnbasiertem Gelb. Reichlich Zinnober wurde Bleiweiß beigemengt, um die Hauttöne zu erzielen, während ein Rotlack auf Karminbasis für Adonis’ Tunika verwendet wurde.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

11.05.2022 - 16:00

Erzielter Preis: **
EUR 108.800,-
Schätzwert:
EUR 50.000,- bis EUR 70.000,-

Jacopo Robusti, gen. Jacopo Tintoretto und Werkstatt


(Venedig 1518–1594)
Venus und Adonis,
Öl auf Leinwand, 158 x 255 cm, gerahmt

Provenienz:
Kunsthandel, Italien;
europäische Privatsammlung

Wir danken Mauro Lucco, der die Zuschreibung nach Untersuchung des vorliegenden Gemäldes im Original vorgeschlagen hat.

Das vorliegende Gemälde stellt die Ovids Metamorphosen entnommene Geschichte von Venus und Adonis dar und steht in Zusammenhang mit Tintorettos Produktion mythologischer Sujets um die Mitte des 16. Jahrhunderts. Der Künstler zeigt jenen Moment, in dem die Göttin der Schönheit versucht, Adonis zu überreden, sie zu lieben; doch er zieht es vor, zur Jagd zu gehen. Er wird später, nachdem ihn ein Eber schwer verwundet hat, sterben. Das Format des Gemäldes legt nahe, dass es als schmückendes Element des Portikus oder der Eingangshalle eines Gebäudes gedacht war, vermutlich zusammen mit einem der vorliegenden Darstellung gegenübergestellten Sujet.

Kompositorisch ist das Bild verwandt mit der Susanna im Louvre (Inv.-Nr. 568; MR 498). Die monumentalen Körper der beiden Frauen scheinen direkt von hellenistischer Bildhauerkunst angeregt; das helle Inkarnat der gemalten Gestalten erinnert an makellosen Marmor. Die Gesichtszüge beider Frauen mit den gewölbten runden Brauen, den großen mandelförmigen, dunklen Augen und den weichen, rosigen Wangen entsprechen dem im Venedig des 16. Jahrhunderts vorherrschenden Schönheitsideal. Wie Susanna ist Venus in der linken Bildhälfte platziert, wo sie auf einem drapierten Tuch sitzt. Adonis erscheint im Zentrum des Bildes und ist im Begriff, ein Seil zuzubinden, mit dem er die drei Jagdhunde angeleint hat – ein Motiv, das Tizians Kompositionen desselben Bildthemas entlehnt ist. Der Jüngling trägt ein antikes Gewand, den Kopf hat er leicht angehoben, um zu der nackten Göttin hinüberzublicken. Die Figurengruppe wird durch Amor in der rechten Bildhälfte komplettiert.

Das vorliegende Gemälde steht in Zusammenhang mit einer größeren Tintoretto zugeschriebenen Komposition in der National Gallery of Ireland (138 x 202 cm, Inv.-Nr. NGI.768). Die Vermutung ist legitim, dass unser Bild ursprünglich als Pendant zu dem Gemälde in Dublin gedacht war, das etwas geringere Ausmaße aufweist als das vorliegende Werk, zumal es in der Vergangenheit verkleinert wurde, worauf die abgeschnittenen Füße der Göttin hinweisen. In dem Dubliner Bild ist die Göttin dargestellt, wie sie Adonis, der die drei angebundenen Hunde hält, umarmt. Die klaren Gesichtszüge der Göttin lassen vermuten, dass es sich um ein Porträt der Ehefrau des Auftraggebers handeln könnte und dass diese besondere Begegnung zwischen Venus und Adonis gewählt worden sein könnte, um eine erotisch explizitere Darstellung zu umgehen.

Tintorettos erster Biograf Carlo Ridolfi erwähnt einen „Adone che si diparte da Venere, mentre ella tenta con vezzi rattenerlo“ (siehe C. Ridolfi, Vita di Giacopo Robusti, detto il Tintoretto, Celebre Pittore. Cittadino Venetiano, Venedig 1642, S. 70) zusammen mit zwei weiteren nicht mehr auffindbaren Gemälden, Apollo und die Musen und Tithon und Aurora, für die Decke eines Saals im Palast von Giovanni da Pesaro, dem Prokurator von San Marco und späteren Dogen von Venedig (ebd., S. 69).

Technischer Bericht von Gianluca Poldi

Bildgebende Verfahren sind maßgeblich zum Verständnis der Maltechnik des vorliegenden Gemäldes und für den Vergleich mit anderen Werken Jacopo Tintorettos.

Die Infrarotreflektografie (IRR) zeigt einige Veränderungen entlang der Umrisse der Figuren: ein typisches Merkmal für Jacopo Tintorettos Arbeitsweise. Die deutlichste Modifikation findet sich im Bereich des Körpers der Venus: So war ihr rechtes Bein ursprünglich breiter und länger und erschien weiter rechts. Es wurde verändert und zurückversetzt, um sich nicht mit dem Bein des Hundes zu überschneiden. Der rechte Arm der Venus war ursprünglich weiter links platziert. Allgemein war ihre Gestalt zunächst größer intendiert und näher an den Betrachter in den Vordergrund gerückt und wurde nachträglich zurückgenommen.

Weitere Veränderungen betreffen den Kopf des braunen Hundes und manche Pfoten, sowie Anpassungen an den Umriss von Amors rechtem Bein und Adonis’ Armen.

Entlang der Figuren ist eine schwarze Unterzeichnung erkennbar, die mit einem ziemlich breiten Pinsel ausgeführt wurde; sie ist leicht gewellt und bisweilen mehrmals nachgezogen, wie an Amor, aber auch an anderen Stellen erkennbar ist. So umreißt die Zeichnung unterhalb von Adonis’ Knien und seines Halses die Anatomie, ebenso im Bereich der Scham der Göttin. Diese Art von Unterzeichnung ist typisch für die Gemälde Jacopo Tintorettos.

Die an über 30 Stellen mittels vis-RS untersuchten Pigmente beinhalten ein kräftiges Ultramarinblau im Bereich des Himmels und des blauen Gewandes von Adonis sowie im Halsband des Hundes links. Dieses kostbare Pigment, das damals aus Minen in Afghanistan kam, wurde hauptsächlich über einer weißen Grundierung verwendet, um seinen charakteristischen Farbton zur Geltung zu bringen: eine Vorgangsweise, die auch Jacopo Tintoretto häufig anwendete. Azurit findet sich großflächig im Bereich der bläulichen Vegetation sowie im Hügel rechts und im Wasserlauf. Auch kupferbasierte Grüntöne fanden Verwendung, bisweilen in Verbindung mit bleizinnbasiertem Gelb. Reichlich Zinnober wurde Bleiweiß beigemengt, um die Hauttöne zu erzielen, während ein Rotlack auf Karminbasis für Adonis’ Tunika verwendet wurde.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 11.05.2022 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 30.04. - 11.05.2022


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

Es können keine Kaufaufträge über Internet mehr abgegeben werden. Die Auktion befindet sich in Vorbereitung bzw. wurde bereits durchgeführt.