Lot Nr. 39


Luis de Morales


Luis de Morales - Alte Meister I

(Badajoz 1509–1586)
Madonna mit Kind,
Öl auf Holz, 48,5 x 34,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, Spanien;
Sammlung FundArte Ocular, Badajoz, 2011;
Kunsthandel, Spanien;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer, 2015

Ausgestellt:
Badajoz, Museo de Bellas Artes, Proyecto La Obra Invitada: Luis de Morales „El Divinio“, Dos tablas de devoción, 20. Dezember 2011 – 22. Januar 2012 (als Luis de Morales)

Wir danken Isabel Mateo Gómez, die die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes bestätigt hat, für ihre Hilfe bei der Katalogisierung des Lots.

Luis de Morales, gen. El Divino, wurde möglicherweise in Sevilla ausgebildet, lebte und arbeitete jedoch in Badajoz, an der Grenze zwischen Spanien und Portugal. Vielleicht dank des Abstands zum spanischen Hof gelang es Morales, seinen eigenen unverkennbaren Malstil auszubilden. In einer Verschmelzung italienischer und flämischer Einflüsse entstanden ausgesprochen manieristische Andachtsbilder, wofür diese Tafel einer Gottesmutter mit Kind ein Beispiel ist.

Das vorliegende Gemälde weist offensichtliche Gemeinsamkeiten mit anderen Darstellungen Morales’ der Madonna mit Kind auf, etwa im Königspalast von Madrid, in der Eremitage in Sankt Petersburg und in den Staatlichen Museen zu Berlin. Bei diesen Beispielen erscheint das Kind an der rechten Seite Marias, die den Knaben mit besorgtem Gesichtsausdruck sanft an sich zieht. Das vorliegende Gemälde behält diese zärtliche Geste bei, doch erscheint das Kind hier an der linken Seite der Gottesmutter, die in ihrer Rechten einen runden Gegenstand, möglicherweise einen Apfel, hält.

Die Komposition beruht auf Leonardos Madonna mit der Spindel oder Madonna dei Fusi. Die Bilderfindung stammt von Leonardo, dessen Urfassung, welche uns durch eine Beschreibung Pietro de la Novellas in einem Brief an Isabella d’Este bekannt ist, verloren ist.

Die rechts im Bild sichtbare Spindel ist wie ein Kreuz ausgerichtet; der Knabe greift danach und streckt dabei die Arme so, dass sich eine Doppelbedeutung ergibt: Einerseits kommt die spielerische Neugier eines Kindes zum Ausdruck, das einen nicht vertrauten Gegenstand erkundet; andererseits ist es eine feierliche Bewegung auf das Kreuz zu, die Vorahnung des Opfertodes Christi. Der sorgenvolle Ausdruck der Gottesmutter verrät deutlich, dass sie sich der vorangekündigten Ereignisse schmerzhaft bewusst ist.

Luis de Morales’ Interesse an Leonardo zeigt sich vor allem am Einsatz des Helldunkels, mit dem die Gesichter aus sich heraus modelliert werden. Dazu kommt die besondere Dramatik, die durch den starken Kontrast zwischen dunklem Hintergrund und hellem Inkarnat speziell betont wird. Es gibt auch Gemeinsamkeiten mit den Madonnen Andrea del Sartos, was von der generellen Beschäftigung des Künstlers mit der florentinischen Schule zeugt. Andererseits zeigt sich seine flämische Ausbildung, die möglicherweise unter Peeter de Kempeneer (in Spanien bekannt als Pedro de Campaña) stattgefunden hat, deutlich in der Modellierung der Anatomie und der Faltenwürfe im Gewand der Jungfrau, wo sich die Schärfe der nördlichen Maltradition erhalten hat.

Die Frucht, die Maria in der rechten Hand hält, könnte ein Apfel sein, was Christus als „den neuen Adam“ und Maria als „die neue Eva“ ausweisen würde, zumal beide ohne Sünde empfangen wurden. Der Apfel erinnert auch an die Sterblichkeit von Madonna und Kind: Wegen des Apfels wurden Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben.

Das kleine Format der Tafel gibt zu erkennen, dass es sich höchstwahrscheinlich um ein privates Andachtsbild handelt. Der Künstler wurde zwar auch mit großen Altarbildern beauftragt, doch sind es vor allem seine kleineren Kompositionen, in denen sich seine Meisterschaft eines subtilen Symbolismus und tiefer Emotionalität zeigt, wie sie auch im vorliegenden Gemälde zum Ausdruck kommen. Morales’ Werke vermitteln eine persönliche, intime Spiritualität, die ihm den Namen El Divino, der Gottbegnadete, eintrug.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

11.05.2022 - 16:00

Schätzwert:
EUR 150.000,- bis EUR 200.000,-

Luis de Morales


(Badajoz 1509–1586)
Madonna mit Kind,
Öl auf Holz, 48,5 x 34,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, Spanien;
Sammlung FundArte Ocular, Badajoz, 2011;
Kunsthandel, Spanien;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer, 2015

Ausgestellt:
Badajoz, Museo de Bellas Artes, Proyecto La Obra Invitada: Luis de Morales „El Divinio“, Dos tablas de devoción, 20. Dezember 2011 – 22. Januar 2012 (als Luis de Morales)

Wir danken Isabel Mateo Gómez, die die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes bestätigt hat, für ihre Hilfe bei der Katalogisierung des Lots.

Luis de Morales, gen. El Divino, wurde möglicherweise in Sevilla ausgebildet, lebte und arbeitete jedoch in Badajoz, an der Grenze zwischen Spanien und Portugal. Vielleicht dank des Abstands zum spanischen Hof gelang es Morales, seinen eigenen unverkennbaren Malstil auszubilden. In einer Verschmelzung italienischer und flämischer Einflüsse entstanden ausgesprochen manieristische Andachtsbilder, wofür diese Tafel einer Gottesmutter mit Kind ein Beispiel ist.

Das vorliegende Gemälde weist offensichtliche Gemeinsamkeiten mit anderen Darstellungen Morales’ der Madonna mit Kind auf, etwa im Königspalast von Madrid, in der Eremitage in Sankt Petersburg und in den Staatlichen Museen zu Berlin. Bei diesen Beispielen erscheint das Kind an der rechten Seite Marias, die den Knaben mit besorgtem Gesichtsausdruck sanft an sich zieht. Das vorliegende Gemälde behält diese zärtliche Geste bei, doch erscheint das Kind hier an der linken Seite der Gottesmutter, die in ihrer Rechten einen runden Gegenstand, möglicherweise einen Apfel, hält.

Die Komposition beruht auf Leonardos Madonna mit der Spindel oder Madonna dei Fusi. Die Bilderfindung stammt von Leonardo, dessen Urfassung, welche uns durch eine Beschreibung Pietro de la Novellas in einem Brief an Isabella d’Este bekannt ist, verloren ist.

Die rechts im Bild sichtbare Spindel ist wie ein Kreuz ausgerichtet; der Knabe greift danach und streckt dabei die Arme so, dass sich eine Doppelbedeutung ergibt: Einerseits kommt die spielerische Neugier eines Kindes zum Ausdruck, das einen nicht vertrauten Gegenstand erkundet; andererseits ist es eine feierliche Bewegung auf das Kreuz zu, die Vorahnung des Opfertodes Christi. Der sorgenvolle Ausdruck der Gottesmutter verrät deutlich, dass sie sich der vorangekündigten Ereignisse schmerzhaft bewusst ist.

Luis de Morales’ Interesse an Leonardo zeigt sich vor allem am Einsatz des Helldunkels, mit dem die Gesichter aus sich heraus modelliert werden. Dazu kommt die besondere Dramatik, die durch den starken Kontrast zwischen dunklem Hintergrund und hellem Inkarnat speziell betont wird. Es gibt auch Gemeinsamkeiten mit den Madonnen Andrea del Sartos, was von der generellen Beschäftigung des Künstlers mit der florentinischen Schule zeugt. Andererseits zeigt sich seine flämische Ausbildung, die möglicherweise unter Peeter de Kempeneer (in Spanien bekannt als Pedro de Campaña) stattgefunden hat, deutlich in der Modellierung der Anatomie und der Faltenwürfe im Gewand der Jungfrau, wo sich die Schärfe der nördlichen Maltradition erhalten hat.

Die Frucht, die Maria in der rechten Hand hält, könnte ein Apfel sein, was Christus als „den neuen Adam“ und Maria als „die neue Eva“ ausweisen würde, zumal beide ohne Sünde empfangen wurden. Der Apfel erinnert auch an die Sterblichkeit von Madonna und Kind: Wegen des Apfels wurden Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben.

Das kleine Format der Tafel gibt zu erkennen, dass es sich höchstwahrscheinlich um ein privates Andachtsbild handelt. Der Künstler wurde zwar auch mit großen Altarbildern beauftragt, doch sind es vor allem seine kleineren Kompositionen, in denen sich seine Meisterschaft eines subtilen Symbolismus und tiefer Emotionalität zeigt, wie sie auch im vorliegenden Gemälde zum Ausdruck kommen. Morales’ Werke vermitteln eine persönliche, intime Spiritualität, die ihm den Namen El Divino, der Gottbegnadete, eintrug.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

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Auktion: Alte Meister I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 11.05.2022 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 30.04. - 11.05.2022