Lot Nr. 82


Caravaggesker Meister, um 1611–1612


Caravaggesker Meister, um 1611–1612 - Alte Meister I

Salome empfängt das Haupt Johannes’ des Täufers,
Öl auf Leinwand, 128 x 175 cm, gerahmt

Wir danken Gianni Papi, der diese bis dato unbekannte und unpublizierte Salome Hendrick ter Brugghen zugeschrieben hat (schriftliche Mitteilung). Er datiert das Gemälde um 1611/1612, in die Zeit von ter Brugghens faszinierendem Italienaufenthalt, der von 1608 bis 1614 dokumentiert ist.

Ter Brugghens Aufenthalt in Italien ist zwar dokumentiert, doch ist kein Werk für diese Phase allgemein anerkannt. Papi hat versucht, ter Brugghens italienische Periode klarer zu fassen, was es erlaubt, den Maler als einen der innovativsten Künstler zu sehen, der in Rom tätig war, als sich Caravaggios Naturalismus zu verbreiten begann.

1614 ist ter Brugghen in Mailand fassbar, als er sich für seine Rückreise in die Niederlande vorbereitete. Sein Aufenthalt in Italien ist über mehrere Jahre dokumentiert, und es wird angenommen, dass er 1604 oder 1605 im Alter von 16 oder 17 Jahren dort angekommen war. Außerdem ist nachgewiesen, dass ter Brugghen in Rom auf Rubens traf, sodass er sich um 1606 in der Stadt befunden haben muss. Der Künstler wäre also das einzige Mitglied der Utrechter Caravaggisten, das in Rom ankam, als Caravaggio dort noch tätig gewesen war (siehe C. de Brie, Den Spiegel van der verdrayde werelt, Antwerpen 1708).

Papi vergleicht das vorliegende Gemälde mit anderen Werken, die stilistische Ähnlichkeiten aufweisen und die er ebenfalls ter Brugghens italienischen Jahren zugeschrieben hat. Im Zentrum dieser Gruppe stehen die Verleugnung des Petrus und die Anbetung der Hirten in der Spier Sammlung in London, die Papi um 1611/12 datiert (siehe G. Papi, in: Gherardo delle Notti. Quadri bizzarrissimi e cene allegre, Ausstellungskatalog, Florenz 2015, S. 134f., Kat.-Nr. 5).

Die Hände des knienden Hirten in der Anbetung und jene des Soldaten nahe dem Feuer der Verleugnung sind groß und geschwollen und können mit jenen des Henkers in unserem Bild, der das Haupt des Täufers hält, verglichen werden. Papi merkt zudem stilistische Ähnlichkeiten mit dem Bild Der Evangelist Johannes in der Galleria Sabauda in Turin (Inv.-Nr. 100) an, das er ebenfalls in ter Brugghens italienische Jahren verweist. Die Art der Wiedergabe der Weißtöne im Hemd des Evangelisten findet sich auch im Hemd des Henkers, wo sie gegenüber den sich durch die Falten ergebenden tiefen Schatten noch heller wirken. Auch das Gesicht des Evangelisten Johannes ist vergleichbar. Die grünen Ärmel des Gewandes von Salome mit den verschlungenen Falten sind jenen des Pilatus in dem Gemälde Pilatus wäscht seine Hände in Unschuld in Lublin in Polen verwandt.

Laut Papi sind das Haupt des Täufers und die leicht konkave Nase charakteristisch für ter Brugghens Gesichtstypen. Ebenso typisch ist die dramatische Szene im Zentrum der Komposition mit den Blutstropfen auf dem Metalltablett, dem mit schnellen, entschlossenen Pinselstrichen ein heller Glanz verliehen wurde. Der intensive Gesichtsausdruck des jungen Henkers, der nahezu völlig im Schatten liegt, wurde mit selbstsicherem Pinsel gemalt, wobei die konvexe Linie des Kiefers durch das Licht hervorgehoben wird.

In Italien und wahrscheinlich vor allem in Rom entfaltete ter Brugghen eine erstaunliche Ausdruckskraft. Der Duktus des vorliegenden Bildes ist schnell und selbstsicher; die Pinselstriche vermitteln Volumen und lassen erahnen, wie sich der Künstler später in Utrecht weiterentwickeln würde. Gleichzeitig unterscheidet sich das Werk jedoch von dem, was in Holland kommen sollte. Der positive Einfluss des von Caravaggio herrührenden Naturalismus verlieh dem holländischen Maler eine gewisse Schwere und Kraft und damit einen dramatischen Stil, der weit entfernt war von den Schnörkeln und übertriebenen Physiognomien der Malerei seiner Heimat im Norden, die der Künstler in seinen Utrechter Jahren pflegte.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

11.05.2022 - 16:00

Erzielter Preis: **
EUR 33.800,-
Schätzwert:
EUR 50.000,- bis EUR 70.000,-

Caravaggesker Meister, um 1611–1612


Salome empfängt das Haupt Johannes’ des Täufers,
Öl auf Leinwand, 128 x 175 cm, gerahmt

Wir danken Gianni Papi, der diese bis dato unbekannte und unpublizierte Salome Hendrick ter Brugghen zugeschrieben hat (schriftliche Mitteilung). Er datiert das Gemälde um 1611/1612, in die Zeit von ter Brugghens faszinierendem Italienaufenthalt, der von 1608 bis 1614 dokumentiert ist.

Ter Brugghens Aufenthalt in Italien ist zwar dokumentiert, doch ist kein Werk für diese Phase allgemein anerkannt. Papi hat versucht, ter Brugghens italienische Periode klarer zu fassen, was es erlaubt, den Maler als einen der innovativsten Künstler zu sehen, der in Rom tätig war, als sich Caravaggios Naturalismus zu verbreiten begann.

1614 ist ter Brugghen in Mailand fassbar, als er sich für seine Rückreise in die Niederlande vorbereitete. Sein Aufenthalt in Italien ist über mehrere Jahre dokumentiert, und es wird angenommen, dass er 1604 oder 1605 im Alter von 16 oder 17 Jahren dort angekommen war. Außerdem ist nachgewiesen, dass ter Brugghen in Rom auf Rubens traf, sodass er sich um 1606 in der Stadt befunden haben muss. Der Künstler wäre also das einzige Mitglied der Utrechter Caravaggisten, das in Rom ankam, als Caravaggio dort noch tätig gewesen war (siehe C. de Brie, Den Spiegel van der verdrayde werelt, Antwerpen 1708).

Papi vergleicht das vorliegende Gemälde mit anderen Werken, die stilistische Ähnlichkeiten aufweisen und die er ebenfalls ter Brugghens italienischen Jahren zugeschrieben hat. Im Zentrum dieser Gruppe stehen die Verleugnung des Petrus und die Anbetung der Hirten in der Spier Sammlung in London, die Papi um 1611/12 datiert (siehe G. Papi, in: Gherardo delle Notti. Quadri bizzarrissimi e cene allegre, Ausstellungskatalog, Florenz 2015, S. 134f., Kat.-Nr. 5).

Die Hände des knienden Hirten in der Anbetung und jene des Soldaten nahe dem Feuer der Verleugnung sind groß und geschwollen und können mit jenen des Henkers in unserem Bild, der das Haupt des Täufers hält, verglichen werden. Papi merkt zudem stilistische Ähnlichkeiten mit dem Bild Der Evangelist Johannes in der Galleria Sabauda in Turin (Inv.-Nr. 100) an, das er ebenfalls in ter Brugghens italienische Jahren verweist. Die Art der Wiedergabe der Weißtöne im Hemd des Evangelisten findet sich auch im Hemd des Henkers, wo sie gegenüber den sich durch die Falten ergebenden tiefen Schatten noch heller wirken. Auch das Gesicht des Evangelisten Johannes ist vergleichbar. Die grünen Ärmel des Gewandes von Salome mit den verschlungenen Falten sind jenen des Pilatus in dem Gemälde Pilatus wäscht seine Hände in Unschuld in Lublin in Polen verwandt.

Laut Papi sind das Haupt des Täufers und die leicht konkave Nase charakteristisch für ter Brugghens Gesichtstypen. Ebenso typisch ist die dramatische Szene im Zentrum der Komposition mit den Blutstropfen auf dem Metalltablett, dem mit schnellen, entschlossenen Pinselstrichen ein heller Glanz verliehen wurde. Der intensive Gesichtsausdruck des jungen Henkers, der nahezu völlig im Schatten liegt, wurde mit selbstsicherem Pinsel gemalt, wobei die konvexe Linie des Kiefers durch das Licht hervorgehoben wird.

In Italien und wahrscheinlich vor allem in Rom entfaltete ter Brugghen eine erstaunliche Ausdruckskraft. Der Duktus des vorliegenden Bildes ist schnell und selbstsicher; die Pinselstriche vermitteln Volumen und lassen erahnen, wie sich der Künstler später in Utrecht weiterentwickeln würde. Gleichzeitig unterscheidet sich das Werk jedoch von dem, was in Holland kommen sollte. Der positive Einfluss des von Caravaggio herrührenden Naturalismus verlieh dem holländischen Maler eine gewisse Schwere und Kraft und damit einen dramatischen Stil, der weit entfernt war von den Schnörkeln und übertriebenen Physiognomien der Malerei seiner Heimat im Norden, die der Künstler in seinen Utrechter Jahren pflegte.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
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Auktion: Alte Meister I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 11.05.2022 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 30.04. - 11.05.2022


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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