Lot Nr. 29


Marino Marini *


Marino Marini * - Moderne

(Pistoia 1901–1980 Viareggio)
Miracolo di colore, 1955, rückseitig signiert, datiert und betitelt, Öl auf Papier auf Leinwand, 121,6 x 85 cm, gerahmt

Das Werk ist im Archiv der Fondazione Marino Marini, Pistoia registriert. Ein Fotozertifikat der Fondazione Marino Marini liegt bei.

„Abstraktion und Naturalistik, Bedeutung und Struktur der Form stehen auch in Marinis Gemälden in vollendetem Gleichgewicht. Die Gestaltungsmittel bleiben an die Gesetze der zweidimensionalen Fläche gebunden. Ähnlich wie im kubistischen Gemälde resultieren die räumlichen Bewegungen aus der Modulation des Flächengrundes mit Hilfe der Distanzwerte der Farbe. (...) Marini hat wie kaum ein anderer empfunden, daß mit ihm die humanistisch fundierte Neuzeit, der er noch zugehört, zu Ende geht. Der Mensch, im Chaos gemartert, bleibt auch im Spätwerk Marinis das Maß seiner Kunst.“

Erich Steingäber, „Vorwort“, in: Marino Marini. Malerei/Peinture,
Bad Homburg: Edition Scheffel, 1987, S. XI.

Marino Marini konzentriert sich in seinem Werk auf wenige, uralte Motive – Pferd und Reiter, Akrobaten, die Gestalt der Frau und das Portrait – die er immer wieder kraftvoll neu varriert. Ausgehend von einer am klassischen Ideal orientierten künstlerischen Haltung und inspiriert vom Kubismus und der Kunst der Etrusker entwickelt er die für ihn charakteristische, archaisierende und abstrahierende Vereinfachung der Form. In seinen besonders einprägsamen Reiterbildnissen befasst er sich mit der inneren wie äußeren Beziehung zwischen Pferd und Reiter und gestaltet sie als Symbol für die tragische Existenz des Menschen und seine verlorene Beherrschung der Natur. Angesichts der leidvollen Erfahrungen des Krieges werden seine Darstellungen zu immer expressiveren und abstrakteren Verkörperungen eines Kampfes gegen die Verzweiflung und den Untergang. Damit gilt Marini neben Alberto Giacometti und Henry Moore als einer der herausragendsten Bildhauer des 20. Jahrhunderts. In Zuge seiner internationalen Anerkennung nahm er unter anderem dreimal an der Kasseler documenta-Ausstellung teil; 1973 wurde ihm zu Ehren das „Museo Marino Marini“ in der Mailänder Galleria civica d`arte eröffnet, 1988 das Museo Marino Marini in Florenz.

Seit den späten 1940er-Jahren widmet Marini sich parallel zu seinem plastischen Werk auch verstärkt der Malerei und Grafik als eigenständigen Ausdrucksmitteln.

In dem Gemälde Miracolo di Colore aus dem Jahr 1955 gestaltet er das Thema des stürzenden Reiters, dem Miracolo, aus der Rücken-Perspektive. Mit ihren weit gesprizten Beinen und den empor geworfenen Armen fällt die Reitergestalt dem/der Betrachter*in förmlich entgegen, unter sich der schwerfällige Körper des Pferdes, das ebenfalls zu Boden gegangen ist und seinen Kopf mit überstrecktem Hals schmerzerfüllt in die Luft reckt. Im Zusammenspiel der expressiven Malweise und der kühnen und dennoch ausgewogenen Komposition entfaltet sich eine beeindruckende Dynamik, die der Haltlosigkeit des Reiters Ausdruck verleiht. Die eckigen, kubischen Flächen und Farben sind ausgehend von der Leibesmitte kontrapunktisch angeordeten. Die Körper von Mensch und Tier lösen sich in dieser Gliederung der Formen nahezu auf und verschmelzen zu einer emotionalen Einheit: Schönheit und Untergang, Selbstbehauptung und Entmachtung, Kraft und Katastrophe treffen hier aufeinander.

Provenienz:
Carlo Bilotti, New York, bis 1970
Christian Fayt Art Gallery, Knokke-Heist
dort am 13. November 1987 vom heutigen Besitzer erworben.

Ausgestellt:
Rom, Palazzo Venezia, Marino Marini, März - Juni 1966.
Mailand, Galleria Toninelli, 15 dipinti di Marino Marini, Oktober - November 1967.

Literatur:
F. Russoli, Marino Marini, sculpture, painting, drawing, London, 1970, Nr. 249, mit Abb.
H. Read, P. Waldberg und G. di San Lazzaro, Marino Marini, Complete Works, New York, 1970, Nr. 225, S.427, Abb. S. 433.

Publiziert in:
Marino Marini. Malerei/Peinture, Bad Homburg: edition Scheffel, 1987, Abb. 318

Expertin: Mag. Patricia Pálffy Mag. Patricia Pálffy
+43-1-515 60-386

patricia.palffy@dorotheum.at

31.05.2022 - 17:00

Erzielter Preis: **
EUR 190.500,-
Schätzwert:
EUR 150.000,- bis EUR 200.000,-

Marino Marini *


(Pistoia 1901–1980 Viareggio)
Miracolo di colore, 1955, rückseitig signiert, datiert und betitelt, Öl auf Papier auf Leinwand, 121,6 x 85 cm, gerahmt

Das Werk ist im Archiv der Fondazione Marino Marini, Pistoia registriert. Ein Fotozertifikat der Fondazione Marino Marini liegt bei.

„Abstraktion und Naturalistik, Bedeutung und Struktur der Form stehen auch in Marinis Gemälden in vollendetem Gleichgewicht. Die Gestaltungsmittel bleiben an die Gesetze der zweidimensionalen Fläche gebunden. Ähnlich wie im kubistischen Gemälde resultieren die räumlichen Bewegungen aus der Modulation des Flächengrundes mit Hilfe der Distanzwerte der Farbe. (...) Marini hat wie kaum ein anderer empfunden, daß mit ihm die humanistisch fundierte Neuzeit, der er noch zugehört, zu Ende geht. Der Mensch, im Chaos gemartert, bleibt auch im Spätwerk Marinis das Maß seiner Kunst.“

Erich Steingäber, „Vorwort“, in: Marino Marini. Malerei/Peinture,
Bad Homburg: Edition Scheffel, 1987, S. XI.

Marino Marini konzentriert sich in seinem Werk auf wenige, uralte Motive – Pferd und Reiter, Akrobaten, die Gestalt der Frau und das Portrait – die er immer wieder kraftvoll neu varriert. Ausgehend von einer am klassischen Ideal orientierten künstlerischen Haltung und inspiriert vom Kubismus und der Kunst der Etrusker entwickelt er die für ihn charakteristische, archaisierende und abstrahierende Vereinfachung der Form. In seinen besonders einprägsamen Reiterbildnissen befasst er sich mit der inneren wie äußeren Beziehung zwischen Pferd und Reiter und gestaltet sie als Symbol für die tragische Existenz des Menschen und seine verlorene Beherrschung der Natur. Angesichts der leidvollen Erfahrungen des Krieges werden seine Darstellungen zu immer expressiveren und abstrakteren Verkörperungen eines Kampfes gegen die Verzweiflung und den Untergang. Damit gilt Marini neben Alberto Giacometti und Henry Moore als einer der herausragendsten Bildhauer des 20. Jahrhunderts. In Zuge seiner internationalen Anerkennung nahm er unter anderem dreimal an der Kasseler documenta-Ausstellung teil; 1973 wurde ihm zu Ehren das „Museo Marino Marini“ in der Mailänder Galleria civica d`arte eröffnet, 1988 das Museo Marino Marini in Florenz.

Seit den späten 1940er-Jahren widmet Marini sich parallel zu seinem plastischen Werk auch verstärkt der Malerei und Grafik als eigenständigen Ausdrucksmitteln.

In dem Gemälde Miracolo di Colore aus dem Jahr 1955 gestaltet er das Thema des stürzenden Reiters, dem Miracolo, aus der Rücken-Perspektive. Mit ihren weit gesprizten Beinen und den empor geworfenen Armen fällt die Reitergestalt dem/der Betrachter*in förmlich entgegen, unter sich der schwerfällige Körper des Pferdes, das ebenfalls zu Boden gegangen ist und seinen Kopf mit überstrecktem Hals schmerzerfüllt in die Luft reckt. Im Zusammenspiel der expressiven Malweise und der kühnen und dennoch ausgewogenen Komposition entfaltet sich eine beeindruckende Dynamik, die der Haltlosigkeit des Reiters Ausdruck verleiht. Die eckigen, kubischen Flächen und Farben sind ausgehend von der Leibesmitte kontrapunktisch angeordeten. Die Körper von Mensch und Tier lösen sich in dieser Gliederung der Formen nahezu auf und verschmelzen zu einer emotionalen Einheit: Schönheit und Untergang, Selbstbehauptung und Entmachtung, Kraft und Katastrophe treffen hier aufeinander.

Provenienz:
Carlo Bilotti, New York, bis 1970
Christian Fayt Art Gallery, Knokke-Heist
dort am 13. November 1987 vom heutigen Besitzer erworben.

Ausgestellt:
Rom, Palazzo Venezia, Marino Marini, März - Juni 1966.
Mailand, Galleria Toninelli, 15 dipinti di Marino Marini, Oktober - November 1967.

Literatur:
F. Russoli, Marino Marini, sculpture, painting, drawing, London, 1970, Nr. 249, mit Abb.
H. Read, P. Waldberg und G. di San Lazzaro, Marino Marini, Complete Works, New York, 1970, Nr. 225, S.427, Abb. S. 433.

Publiziert in:
Marino Marini. Malerei/Peinture, Bad Homburg: edition Scheffel, 1987, Abb. 318

Expertin: Mag. Patricia Pálffy Mag. Patricia Pálffy
+43-1-515 60-386

patricia.palffy@dorotheum.at


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Moderne
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 31.05.2022 - 17:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 21.05. - 30.05.2022


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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