Lot Nr. 61


Giovanni Francesco Barbieri, gen. Guercino und Werkstatt


(Cento 1591–1666 Bologna)
Der heilige Paulus von Theben als Einsiedler mit zwei Putten,
Öl auf Leinwand, 204 x 153,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Sammlung Ranuzzi, Florenz und Bologna (möglicherweise erworben durch Vincenzo Ferdinando Antonio Ranuzzi Cospi [1658–1726] in Florenz 1720–1730);
Weitergabe im Erbgang an den jetzigen Besitzer

Literatur:
A. Mazza, L’età dei Ranuzzi. Progetti decorativi e quadreria nel nuovo palazzo dal conte Marcantonio Ranuzzi al conte Vincenzo Ferdinando Antonio Ranuzzi Cospi (1679–1726), in: Palazzo Ranuzzi Baciocchi. Sede della Corte d’Appello e della Procura Generale della Repubblica, hrsg. von E. Garzillo, Bologna 1994, S. 104, ohne Abb. (als Kopie nach Guercino)

Das vorliegende Gemälde steht mit Guercinos Werk Die Heiligen Augustus, Johannes der Täufer und Paulus der Einsiedler in Zusammenhang, das der Künstler 1637/38 für die Kirche Sant’ Agostino in Rom malte. Die Figur des ersten Eremiten und die beiden Engelsputten mit der Banderole können aufgrund nur minimaler Abweichungen mit jenen des vorliegenden Gemäldes verglichen werden.

Weitere eigenhändige Werke oder Werkstattversionen mit dem Heiligen befinden sich in der Basilika San Giacomo Maggiore in Bologna (wo die Banderole durch die Märtyrerpalme ersetzt ist und die ikonografischen Attribute des Heiligen links unten angeordnet sind), in der Galleria Sabauda in Turin (Inv.-Nr. 163), in der Galleria Colonna in Rom (Inv.-Nr. 131) und im Art Institute of Dayton in Ohio (Inv.-Nr. 1963.28). All diese Gemälde gehen möglicherweise auf einen Karton zurück, den Guercino offenbar zurückbehalten hatte und seinen Mitarbeitern zugänglich machte, nachdem er das Altarbild für Rom geliefert hatte. Diese Praxis war nicht unüblich für bedeutende Atelierwerkstätten des 16. und 17. Jahrhunderts und eine maßgebliche Vorgangsweise bei der Herstellung bestimmter Bilder (siehe N. Turner, The Paintings of Guercino, Rom 2017, S. 525, Kat.-Nr. 235).

Das vorliegende Bild war mit hoher Wahrscheinlichkeit von Graf Vincenzo Ferdinando Antonio Ranuzzi Cospi zwischen 1720 und 1730 (siehe A. Mazza in Literatur) und möglicherweise in Florenz erworben worden, wohin die Familie seit langer Zeit Verbindungen unterhielt. Tatsächlich zählte sein Vater, Graf Annibale III. Ranuzzi (1625–1697), zu den produktivsten Korrespondenten des Medici-Hofes und Großherzogs Cosimo III.; er war mit dem Erwerb und Versand von Werken nach Florenz betraut (siehe R. Carapelli, Annibale Ranuzzi e i rapporti con la Firenze medicea nel ‘600, in: Il Carrobbio, 1984, S. 70–79). Ab 1668 hatte diese Aufgabe Vincenzo Ferdinando inne, der im Palazzo Pitti in Florenz wohnte.

Die Ranuzzi sammelten ebenfalls Kunstwerke für ihren Familienpalast in Bologna (heute der Sitz des Berufungsgerichts der Stadt). Ihre Sammlung gehörte neben jenen der Zambeccari, Hercolani und Tanari zu den bedeutendsten in der Stadt. Die Sammlung wurde 1732 vom Sekretär der Accademia Clementina, Giampietro Zanotti, folgendermaßen beschrieben: „Una copiosa galleria di pitture di Guido, de’ Carracci, del Guercino, del Viani, e del Canuti; e il famoso Coriolano del Pasinelli, una Carità Romana, molte mezze figure dello stesso“ („eine reichhaltige Sammlung von Gemälden von Guido, den Carracci, Guercino, Viani, und Canuti; und der berühmte Coriolanus von Pasinelli, eine römische Caritas, viele halbfigurige Bilder von demselben“) (siehe F. Bores [Hrsg.], Vincenzo Ferdinando Ranuzzi Cospi: essere un gentiluomo. Le „memorie della vita“ scritte nel 1720, Bologna 2016).

Das Motiv des vorliegenden Gemäldes folgt der traditionellen Ikonografie des heiligen Paulus von Theben: Er ruht vor einer Felswand und ist nur mit einem Mantel aus Palmwedeln bedeckt; in der Rechten hält er einen Stock, in der Linken den Rosenkranz. Sein Blick ist himmelwärts gerichtet, wo zwei Putten eine Banderole mit der Aufschrift „PRIMUS IN EREMO“ halten und damit auf Paulus von Theben, den ersten christlichen Eremiten, verweisen.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

03.05.2023 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 58.500,-
Schätzwert:
EUR 40.000,- bis EUR 60.000,-

Giovanni Francesco Barbieri, gen. Guercino und Werkstatt


(Cento 1591–1666 Bologna)
Der heilige Paulus von Theben als Einsiedler mit zwei Putten,
Öl auf Leinwand, 204 x 153,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Sammlung Ranuzzi, Florenz und Bologna (möglicherweise erworben durch Vincenzo Ferdinando Antonio Ranuzzi Cospi [1658–1726] in Florenz 1720–1730);
Weitergabe im Erbgang an den jetzigen Besitzer

Literatur:
A. Mazza, L’età dei Ranuzzi. Progetti decorativi e quadreria nel nuovo palazzo dal conte Marcantonio Ranuzzi al conte Vincenzo Ferdinando Antonio Ranuzzi Cospi (1679–1726), in: Palazzo Ranuzzi Baciocchi. Sede della Corte d’Appello e della Procura Generale della Repubblica, hrsg. von E. Garzillo, Bologna 1994, S. 104, ohne Abb. (als Kopie nach Guercino)

Das vorliegende Gemälde steht mit Guercinos Werk Die Heiligen Augustus, Johannes der Täufer und Paulus der Einsiedler in Zusammenhang, das der Künstler 1637/38 für die Kirche Sant’ Agostino in Rom malte. Die Figur des ersten Eremiten und die beiden Engelsputten mit der Banderole können aufgrund nur minimaler Abweichungen mit jenen des vorliegenden Gemäldes verglichen werden.

Weitere eigenhändige Werke oder Werkstattversionen mit dem Heiligen befinden sich in der Basilika San Giacomo Maggiore in Bologna (wo die Banderole durch die Märtyrerpalme ersetzt ist und die ikonografischen Attribute des Heiligen links unten angeordnet sind), in der Galleria Sabauda in Turin (Inv.-Nr. 163), in der Galleria Colonna in Rom (Inv.-Nr. 131) und im Art Institute of Dayton in Ohio (Inv.-Nr. 1963.28). All diese Gemälde gehen möglicherweise auf einen Karton zurück, den Guercino offenbar zurückbehalten hatte und seinen Mitarbeitern zugänglich machte, nachdem er das Altarbild für Rom geliefert hatte. Diese Praxis war nicht unüblich für bedeutende Atelierwerkstätten des 16. und 17. Jahrhunderts und eine maßgebliche Vorgangsweise bei der Herstellung bestimmter Bilder (siehe N. Turner, The Paintings of Guercino, Rom 2017, S. 525, Kat.-Nr. 235).

Das vorliegende Bild war mit hoher Wahrscheinlichkeit von Graf Vincenzo Ferdinando Antonio Ranuzzi Cospi zwischen 1720 und 1730 (siehe A. Mazza in Literatur) und möglicherweise in Florenz erworben worden, wohin die Familie seit langer Zeit Verbindungen unterhielt. Tatsächlich zählte sein Vater, Graf Annibale III. Ranuzzi (1625–1697), zu den produktivsten Korrespondenten des Medici-Hofes und Großherzogs Cosimo III.; er war mit dem Erwerb und Versand von Werken nach Florenz betraut (siehe R. Carapelli, Annibale Ranuzzi e i rapporti con la Firenze medicea nel ‘600, in: Il Carrobbio, 1984, S. 70–79). Ab 1668 hatte diese Aufgabe Vincenzo Ferdinando inne, der im Palazzo Pitti in Florenz wohnte.

Die Ranuzzi sammelten ebenfalls Kunstwerke für ihren Familienpalast in Bologna (heute der Sitz des Berufungsgerichts der Stadt). Ihre Sammlung gehörte neben jenen der Zambeccari, Hercolani und Tanari zu den bedeutendsten in der Stadt. Die Sammlung wurde 1732 vom Sekretär der Accademia Clementina, Giampietro Zanotti, folgendermaßen beschrieben: „Una copiosa galleria di pitture di Guido, de’ Carracci, del Guercino, del Viani, e del Canuti; e il famoso Coriolano del Pasinelli, una Carità Romana, molte mezze figure dello stesso“ („eine reichhaltige Sammlung von Gemälden von Guido, den Carracci, Guercino, Viani, und Canuti; und der berühmte Coriolanus von Pasinelli, eine römische Caritas, viele halbfigurige Bilder von demselben“) (siehe F. Bores [Hrsg.], Vincenzo Ferdinando Ranuzzi Cospi: essere un gentiluomo. Le „memorie della vita“ scritte nel 1720, Bologna 2016).

Das Motiv des vorliegenden Gemäldes folgt der traditionellen Ikonografie des heiligen Paulus von Theben: Er ruht vor einer Felswand und ist nur mit einem Mantel aus Palmwedeln bedeckt; in der Rechten hält er einen Stock, in der Linken den Rosenkranz. Sein Blick ist himmelwärts gerichtet, wo zwei Putten eine Banderole mit der Aufschrift „PRIMUS IN EREMO“ halten und damit auf Paulus von Theben, den ersten christlichen Eremiten, verweisen.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 03.05.2023 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 22.04. - 03.05.2023


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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