Lot Nr. 232


Maria Lassnig *


(Kappel, Kärnten, 1919–2014 Wien)
Porträt, signiert, datiert M. Lassnig 1976, Öl auf Leinwand, 97 x 90 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, Wien – direkt von der Künstlerin

Aus einer E-Mail der Besitzerin:
…ist im Jahr 1976 in berlin entstanden.
maria hatte damals ein DAAD-stipendium in berlin, das ihr oswald wiener durch wieland schmied verschafft hatte. oswald hatte ihr auch eine ausstellung eingerichtet, indem er ein leerstehendes ladenlokal in der uhlandstraße gemietet hat. dort war die ausstellung und ich war das galeriefräulein. in den 2 wochen (oder 3?), solang die ausstellung dauerte, kamen insgesamt ungefähr 10 besucher. es wurde auch nichts verkauft. ICH hätte gern was gekauft, aber maria hatte zu hohe preisvorstellungen. am liebsten hätte ich das „mit einem tiger schlafen“ gehabt, aber sie wollte dafür 8000 mark, was zu dieser zeit irre viel geld war, ungefähr 5 monatsgehälter damals von mir. aber sie meinte, ein portrait von mir würde sie gern machen und das wäre auch viel billiger. und so haben wir das dann gemacht. es war kein honiglecken, denn ich sollte jeden morgen pünktlich um 10h im atelier erscheinen, wegen licht…
(Maria Lassnig war 1976 in Berlin, das DAAD-Stipendium hat sie 1978 erhalten.)

1980
ML an die Studenten:

Die Kunst ist ein therapeutischer Prozeß. Die Welt ansehen, abzeichnen um sehen zu lernen, jetzt denke ich, das ist nicht genug. Das grent an Ausbeutung. Damit sage ich, die Welt hat nur eine Daseinsberechtigung, insofern sie für mich da ist. Wenn ich einen Menschen ansehe und abzeichne, dann muß mehr geschehen, als nur sehen zu lernen. Ich muß auf den Menschen eingehen, das heißt, ich muß einen Teil von mir aufgeben. Sonst wird’s ja ein Selbstportrait. Denn dazu tendiert jeder, dünne Künstler machen dünne wie sie selbst, fette machen fette. Er sieht nur sich selbst in der Welt, wie in einem Spiegel. Ich war entzückt, bei Viktor Frankl die Bestätigung meiner Behauptung zu lesen:

„Nur in dem Maße, in dem ich zurücktrete, indem ich mein Sosein verleugne, wird mir etwas sichtbar, das mehr ist als nur wieder ich selbst. Solche Selbstverleugnung ist allemal der Preis, den ich für Welterkenntnis erkaufen muß. Mit einem Wort, ich muß mich selbst übersehen, kann ich es nicht, so ist mein Vermögen zu erkennen auch schon beeinträchtigt, stehe dann mir selbst als meinem eigenen Erkennen im Wege.“
Aus: Maria Lassnig. Die Feder ist die Schwester des Pinsels, Tagebücher 1943 bis 1997, hrsg. von Ulrich Obrist, DuMont 2000

Expertin: Mag. Elke Königseder Mag. Elke Königseder
+43-1-515 60-358

elke.koenigseder@dorotheum.at

24.05.2023 - 18:00

Schätzwert:
EUR 70.000,- bis EUR 120.000,-

Maria Lassnig *


(Kappel, Kärnten, 1919–2014 Wien)
Porträt, signiert, datiert M. Lassnig 1976, Öl auf Leinwand, 97 x 90 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, Wien – direkt von der Künstlerin

Aus einer E-Mail der Besitzerin:
…ist im Jahr 1976 in berlin entstanden.
maria hatte damals ein DAAD-stipendium in berlin, das ihr oswald wiener durch wieland schmied verschafft hatte. oswald hatte ihr auch eine ausstellung eingerichtet, indem er ein leerstehendes ladenlokal in der uhlandstraße gemietet hat. dort war die ausstellung und ich war das galeriefräulein. in den 2 wochen (oder 3?), solang die ausstellung dauerte, kamen insgesamt ungefähr 10 besucher. es wurde auch nichts verkauft. ICH hätte gern was gekauft, aber maria hatte zu hohe preisvorstellungen. am liebsten hätte ich das „mit einem tiger schlafen“ gehabt, aber sie wollte dafür 8000 mark, was zu dieser zeit irre viel geld war, ungefähr 5 monatsgehälter damals von mir. aber sie meinte, ein portrait von mir würde sie gern machen und das wäre auch viel billiger. und so haben wir das dann gemacht. es war kein honiglecken, denn ich sollte jeden morgen pünktlich um 10h im atelier erscheinen, wegen licht…
(Maria Lassnig war 1976 in Berlin, das DAAD-Stipendium hat sie 1978 erhalten.)

1980
ML an die Studenten:

Die Kunst ist ein therapeutischer Prozeß. Die Welt ansehen, abzeichnen um sehen zu lernen, jetzt denke ich, das ist nicht genug. Das grent an Ausbeutung. Damit sage ich, die Welt hat nur eine Daseinsberechtigung, insofern sie für mich da ist. Wenn ich einen Menschen ansehe und abzeichne, dann muß mehr geschehen, als nur sehen zu lernen. Ich muß auf den Menschen eingehen, das heißt, ich muß einen Teil von mir aufgeben. Sonst wird’s ja ein Selbstportrait. Denn dazu tendiert jeder, dünne Künstler machen dünne wie sie selbst, fette machen fette. Er sieht nur sich selbst in der Welt, wie in einem Spiegel. Ich war entzückt, bei Viktor Frankl die Bestätigung meiner Behauptung zu lesen:

„Nur in dem Maße, in dem ich zurücktrete, indem ich mein Sosein verleugne, wird mir etwas sichtbar, das mehr ist als nur wieder ich selbst. Solche Selbstverleugnung ist allemal der Preis, den ich für Welterkenntnis erkaufen muß. Mit einem Wort, ich muß mich selbst übersehen, kann ich es nicht, so ist mein Vermögen zu erkennen auch schon beeinträchtigt, stehe dann mir selbst als meinem eigenen Erkennen im Wege.“
Aus: Maria Lassnig. Die Feder ist die Schwester des Pinsels, Tagebücher 1943 bis 1997, hrsg. von Ulrich Obrist, DuMont 2000

Expertin: Mag. Elke Königseder Mag. Elke Königseder
+43-1-515 60-358

elke.koenigseder@dorotheum.at


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Zeitgenössische Kunst I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 24.05.2023 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 13.05. - 24.05.2023