Lot Nr. 16 -


Pietro di Cristoforo Vannucci, gen. Perugino


(Città della Pieve um 1450–1523 Fontignano)
Dornengekrönter Christus; und
Maria,
Öl auf Holz, je 33,5 x 27,5 cm, gerahmt, Pendants (2)

Provenienz:
vermutlich Sammlung Cosimo Bordoni (1623–1703), Florenz;
Privatsammlung, Northamptonshire;
Kunsthandel, England;
Privatsammlung, Schweiz

Dokumentation:
vermutlich Inventory of the hereditary estate of the late doctor Cosimo Bordoni, who died in Florenz on the 11th of Juni 1703/4 and whose living house was in Florence, via Tegolaia, Florenz, 11. Juni 1703, Archivio di Stato, Florenz, 2688, Nr. 54, transkribiert im Getty Provenance Index, Archival Inventory I–119, Nr. 3, in der „Seconda camera su la sala al primo piano“: „Due quadri compagni, del Perugino: la Madonna e Giesù; ornamento liscio, tutto dorato. Ducati quattro lire 28“

Ausgestellt:
Campione d’Italia, Galleria civica San Zenone, Perugino inedito a Campione d’Italia: quattro tavolette e un dittico, 15. Oktober 2011 – 15. Januar 2012 (als Perugino);
Paris, Musée Jacquemart-André, Le Pérugin, Maître de Raphaël, 12. September 2014 – 19. Januar 2015, Nr. 27, 28 (als Perugino);
Perugia, Palazzo Baldeschi al Corso, Nero Perugino Burri, 22. Juni – 2. Oktober 2023, Nr. 7 und 9 (als Perugino)

Literatur:
F. F. Mancini, in: Perugino inedito a Campione d’Italia: quattro tavolette e un dittico, Ausstellungskatalog, Campione d’Italia 2011, S. 61–95 (als Perugino);
V. Garibaldi, in: Le Pérugin, Maître de Raphaël, Ausstellungskatalog, Brüssel 2014, S. 130–132, Kat.-Nr. 27, 28, mit Abb. (als Perugino);
V. Garibaldi, B. Corà (Hg.), Nero Perugino Burri, Ausstellungskatalog, Perugia 2023, S. 92 f., Kat.-Nr. 7 und 9, Erwähnung und Abb. S. 22, 54, 56, 60, 62 (als Perugino)

Das vorliegende Paar kleinformatiger auf Holz gemalter Gemälde, das den dornengekrönten Christus und die Jungfrau Maria darstellt, bildete ursprünglich ein leicht zu transportierendes Diptychon, das als Hausaltar gedacht war. Die Tafeln waren mit muschelförmigen Scharnieren (teilweise noch vorhanden) miteinander befestigt und mit geprägtem Leder hinterlegt, das dem Einband einer Handschrift oder eines liturgischen Textes gleichen sollte.

Garibaldi datiert die vorliegenden Tafeln in die 1490er-Jahre, in die venezianische Periode Peruginos (vgl. Literatur) und als solche sind sie bedeutend und selten. Perugino war 1494 in Venedig nachweisbar, als er den Auftrag erhielt, die Sala del Gran Consiglio im Dogenpalast mit einer Reihe von Porträts und historischen Szenen zu schmücken, doch wurde dieses Projekt nie vollendet. Im Jahr 1495 war er möglicherweise an der Ausstattung der Scuola di San Giovanni Evangelista beteiligt.

Die vorliegenden Tafeln können mit Werken verglichen werden, die Perugino während oder unmittelbar nach seiner venezianischen Zeit schuf, wie zum Beispiel die Pietà, die sich heute im Clark Art Institute in Williamstown, Massachusetts, befindet (Inv.-Nr. 1955.947), oder das Porträt eines jungen Mannes in den Uffizien in Florenz (Inv. 1890, Nr. 1474). Zu dieser Zeit arbeitete Perugino auch an der Beweinung Christi, die im Palazzo Pitti in Florenz aufbewahrt wird (Inv.-Nr. Palatina 164), sowie an der Pala dei Decemviri im Vatikan (Inv.-Nr. MV.40317.0.0).

Die Darstellung des dornengekrönten Christus des vorliegenden Diptychons scheint sich auf Werke von Antonello da Messina zu berufen, der großen Einfluss auf die venezianische Malerei des späten 15. Jahrhunderts ausübte. Mancini vergleicht die Malweise des Haars der vorliegenden Christusdarstellung mit Antonellos Totem Christus, von einem Engel gestützt im Prado, Madrid (Inv.-Nr. P003092, vgl. Literatur). Dieser Einfluss zeigt sich auch in dem tiefschwarzen Hintergrund, der jenem von Antonellos Segnendem Christus in der National Gallery in London (Inv.-Nr. NG673) gleicht.

Die vorliegende Darstellung der Gottesmutter ist mit Peruginos Magdalena im Palazzo Pitti in Florenz (um 1495, Inv.-Nr. Palatina 42) vergleichbar, die ähnliche Gesichtszüge mit halb geschlossenen Augen, dünnen, bogenförmigen Augenbrauen und rosafarbenen Wangen erkennen lässt. Beide Figuren sind mit den gleichen weichen Schatten um Nase, Kinn und Lippen modelliert, wie man sie auch bei der weiblichen Figur ganz rechts in der Vermählung der Heiligen Jungfrau im Musée des Beaux-Arts in Caen (datiert zwischen 1502 und 1503, Inv.-Nr. 171) findet.

ie vorliegenden in Öl gemalten Werke zeichnen sich durch einen ausgeprägten Formsinn und eine außergewöhnliche Transparenz der Farben aus. Die Modellierung und die Details der Figuren sind typisch für Perugino, insbesondere die Kleidung, die sich durch quadratische Ausschnitte und die Farbigkeit – wie hier Rot und Flaschengrün – auszeichnet.

Provenienz:
Die frühe Geschichte des vorliegenden Diptychons ist schwer greifbar, doch ein Inventar vom 11. Juni 1703 listet die Besitztümer von Dr. Cosimo Bordoni, wohnhaft in der Via Tegolaia in Florenz, auf, darunter „due quadri compagni del Perugino: la Madonna e Giesù; ornamento liscio, tutto dorato“ („zwei zusammengehörige Gemälde Peruginos: die Madonna und Jesus; glatte, zur Gänze vergoldete Rahmen“). Bordoni war eine bekannte Persönlichkeit im Florenz des 18. Jahrhunderts und ein Freund des Kunsthistorikers und Biografen Filippo Baldinucci (vgl. Mancini in der Literatur).

Es wurde vermutet, dass die an den Ecken der Lederbezüge auf der Rückseite des Diptychons angebrachten Messingornamente die Form einer Lilienblüte haben, ein Symbol, das mit Florenz in Verbindung gebracht wird, was die Hypothese stützen könnte, dass die beiden vorliegenden Tafeln einst Teil einer Florentiner Sammlung waren. Darüber hinaus zeigen die Wachssiegel auf der Rückseite beider Gemälde einen Falken, ein Symbol, das in der toskanischen Familienheraldik häufig anzutreffen ist, wie zum Beispiel in den verschiedenen Zweigen der Familien Falconi und Falconetti. Es könnte sich jedoch auch um ein englisches Familienwappen handeln.

Technische Analyse von Gianluca Poldi

In technischer Hinsicht sind die beiden Gemälde, die auf dünnen (nur 7 mm starken) Holztafeln gemalt sind, höchst selten. Das aus sehr feinen lasierenden Schichten aufgebaute Gemälde mit seinem Craquelé entspricht mit seinen technischen Merkmalen der Arbeitsweise Peruginos, der als einer der ersten großen Meister der Ölmalerei in Italien gilt.

Die ursprüngliche bemalte Fläche reichte bis dorthin, wo sich heute die Rahmen befinden – dort, wo auch die originale Rahmung angebracht bzw. höchstwahrscheinlich auf den Holztafeln angeklebt war, damit die bemalten Teile beim Schließen des Diptychons nicht aneinanderstoßen und beschädigt würden. Die heute unter den jetzigen Rahmen verborgenen Teile des Bildes wurden zu einem späteren Zeitpunkt, vermutlich im 19. Jahrhundert, bemalt, um den gesamten Platz auszufüllen, wo sich einst die ursprüngliche integrierte Rahmung befunden hatte.

Die an den beiden Gemälden vorgenommenen nichtinvasiven technischen Untersuchungen, umfassend digitale Mikroskopie, Reflexionsspektroskopie (vis-RS) und Röntgenfluoreszenz (XRF), erlauben ein genaues Studium der Maltechnik sowie der verwendeten Pigmente, die bei beiden Gemälden identisch sind. Die Werke wurden auf weißem Grund, vermutlich Kreidegrund bzw. Gesso, gemalt. Der schwarze Hintergrund enthält nicht nur ein schwarzes Kohlenstoffpigment und gewisse Mengen Erden (darunter etwas Mangan), sondern auch ein Pigment auf Kupferbasis, was einer damals gängigen Praxis entsprach.

Möglicherweise wurde dasselbe Kupferacetat (Grünspan) in den dünnen Lasuren der Mäntel verwendet. Der dafür zum Einsatz kommende grüne Farbton mag sich ikonografisch als widersprüchlich erweisen; dies gilt insbesondere für die Heilige Jungfrau, deren Gewand üblicherweise blau dargestellt ist, doch zeigt der Maler hier vermutlich bloß die Aufschläge des jeweiligen Mantels.

Die roten Tuniken enthalten Zinnober und sind mit Lasuren von Rotlack auf Schildlausbasis abschattiert. Derselbe Rotlack findet sich vermischt mit fein vermahlenem Azurit im purpur- bzw. malvenfarbenen Haarband der Gottesmutter; ein mit Bleiweiß gemalter zarter, transparenter Schleier ist heute kaum mehr sichtbar.

Die Hauttöne bestehen aus einer Mischung aus Bleiweiß, fein vermahlenem Zinnober und Ockertönen sowie wenigen schwarzen Kohlenstoffpartikeln in den hellen Passagen bzw. mehr Schwarz in den Schattenzonen. Für das Haar wurde Zinnober braunem Ocker zugesetzt, während die Dornenkrone einfach mit Schwarz gemalt und vorsichtig mit einer grauen Abmischung auf Bleiweißbasis gehöht wurde. Spuren von Muschelgold sind immer noch entlang der Kante der schwarzen Bordüre der roten Gewänder und des Mantels der Madonna sichtbar.

Die Bildgebung mit Infrarotreflektografie, durchgeführt in einem Wellenbereich zwischen 850–1700 nm, zeigt nur geringe Spuren einer Unterzeichnung und keine Löcher einer Durchstechung: Der Maler könnte ein Zeichenmittel verwendet haben, das für die Infrarotstrahlung unsichtbar ist, etwa Eisengallustinte, Rötel oder einen Metallstift oder einfach nur ein sehr dünnes trockenes Medium, das beim Malen zum Teil mit dem Pinsel weggelöscht wurde. Ein paar dünne schwarze Linien, die man mit einer Umrisszeichnung in Verbindung bringen kann, erscheinen auf der rechten Seite des Mantels der Gottesmutter sowie im unteren Teil der Nasen. Eine kleine Veränderung wurde bei der Nasenspitze von Christus vorgenommen, die sich ursprünglich etwas weiter oben befand. Die Malerei ist überaus genau, es finden sich nur unbedeutende Anpassungen in den Umrissen der Figuren.

Der unter Infrarotlicht erscheinende Schatten auf dem Mantel der Madonna ist typisch für die Malweise Peruginos, der bisweilen ein schwarzes Pigment einsetzte.

Rückseitige Abdeckung:

Die Tafeln sind rückseitig mit braunem Leder überzogen, das identische gestanzte und vergoldete Verzierungen aufweist und an zwei Buchumschläge denken lässt. Es gibt keinen Hinweis, dass diese auffälligen Lederabdeckungen später hinzugefügt wurden. Tatsächlich ist zu vermuten, dass die beiden Werke, die für die private Andacht bestimmt und leicht transportierbar waren, auf außen bereits präparierten und mit Leder überzogenen dünnen Holztafeln gemalt wurden, und zwar auf der als Recto fungierenden Innenseite in einer Art und Weise, dass sich ein aufklappbares Diptychon ergab: auf dem linken (zu öffnenden) Flügel Maria, auf dem rechten (zu schließenden) Flügel Christus als einander gegenübergestellte Darstellungen.

Im Zentrum der Lederabdeckung des Diptychons befindet sich das eingeprägte Monogramm „YHS“ mit durchkreuztem h, das Mitte des 15. Jahrhunderts vom heiligen Bernhardin von Siena und seinen Nachfolgern als Zeichen ihrer besonderen Hingabe an das Herz Jesu verwendet wurde. Die Monogramme sind von vier Cherubköpfen in Blattgold umgeben. Auf der Rückseite der Christusdarstellung erscheint die Ziffer 3 und die Bezeichnung „Francia“ in Kursivschrift, geschrieben mit dunkler Tinte, die in den IR-Bildern besser lesbar ist.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.at

22.10.2024 - 18:00

Schätzwert:
EUR 600.000,- bis EUR 800.000,-

Pietro di Cristoforo Vannucci, gen. Perugino


(Città della Pieve um 1450–1523 Fontignano)
Dornengekrönter Christus; und
Maria,
Öl auf Holz, je 33,5 x 27,5 cm, gerahmt, Pendants (2)

Provenienz:
vermutlich Sammlung Cosimo Bordoni (1623–1703), Florenz;
Privatsammlung, Northamptonshire;
Kunsthandel, England;
Privatsammlung, Schweiz

Dokumentation:
vermutlich Inventory of the hereditary estate of the late doctor Cosimo Bordoni, who died in Florenz on the 11th of Juni 1703/4 and whose living house was in Florence, via Tegolaia, Florenz, 11. Juni 1703, Archivio di Stato, Florenz, 2688, Nr. 54, transkribiert im Getty Provenance Index, Archival Inventory I–119, Nr. 3, in der „Seconda camera su la sala al primo piano“: „Due quadri compagni, del Perugino: la Madonna e Giesù; ornamento liscio, tutto dorato. Ducati quattro lire 28“

Ausgestellt:
Campione d’Italia, Galleria civica San Zenone, Perugino inedito a Campione d’Italia: quattro tavolette e un dittico, 15. Oktober 2011 – 15. Januar 2012 (als Perugino);
Paris, Musée Jacquemart-André, Le Pérugin, Maître de Raphaël, 12. September 2014 – 19. Januar 2015, Nr. 27, 28 (als Perugino);
Perugia, Palazzo Baldeschi al Corso, Nero Perugino Burri, 22. Juni – 2. Oktober 2023, Nr. 7 und 9 (als Perugino)

Literatur:
F. F. Mancini, in: Perugino inedito a Campione d’Italia: quattro tavolette e un dittico, Ausstellungskatalog, Campione d’Italia 2011, S. 61–95 (als Perugino);
V. Garibaldi, in: Le Pérugin, Maître de Raphaël, Ausstellungskatalog, Brüssel 2014, S. 130–132, Kat.-Nr. 27, 28, mit Abb. (als Perugino);
V. Garibaldi, B. Corà (Hg.), Nero Perugino Burri, Ausstellungskatalog, Perugia 2023, S. 92 f., Kat.-Nr. 7 und 9, Erwähnung und Abb. S. 22, 54, 56, 60, 62 (als Perugino)

Das vorliegende Paar kleinformatiger auf Holz gemalter Gemälde, das den dornengekrönten Christus und die Jungfrau Maria darstellt, bildete ursprünglich ein leicht zu transportierendes Diptychon, das als Hausaltar gedacht war. Die Tafeln waren mit muschelförmigen Scharnieren (teilweise noch vorhanden) miteinander befestigt und mit geprägtem Leder hinterlegt, das dem Einband einer Handschrift oder eines liturgischen Textes gleichen sollte.

Garibaldi datiert die vorliegenden Tafeln in die 1490er-Jahre, in die venezianische Periode Peruginos (vgl. Literatur) und als solche sind sie bedeutend und selten. Perugino war 1494 in Venedig nachweisbar, als er den Auftrag erhielt, die Sala del Gran Consiglio im Dogenpalast mit einer Reihe von Porträts und historischen Szenen zu schmücken, doch wurde dieses Projekt nie vollendet. Im Jahr 1495 war er möglicherweise an der Ausstattung der Scuola di San Giovanni Evangelista beteiligt.

Die vorliegenden Tafeln können mit Werken verglichen werden, die Perugino während oder unmittelbar nach seiner venezianischen Zeit schuf, wie zum Beispiel die Pietà, die sich heute im Clark Art Institute in Williamstown, Massachusetts, befindet (Inv.-Nr. 1955.947), oder das Porträt eines jungen Mannes in den Uffizien in Florenz (Inv. 1890, Nr. 1474). Zu dieser Zeit arbeitete Perugino auch an der Beweinung Christi, die im Palazzo Pitti in Florenz aufbewahrt wird (Inv.-Nr. Palatina 164), sowie an der Pala dei Decemviri im Vatikan (Inv.-Nr. MV.40317.0.0).

Die Darstellung des dornengekrönten Christus des vorliegenden Diptychons scheint sich auf Werke von Antonello da Messina zu berufen, der großen Einfluss auf die venezianische Malerei des späten 15. Jahrhunderts ausübte. Mancini vergleicht die Malweise des Haars der vorliegenden Christusdarstellung mit Antonellos Totem Christus, von einem Engel gestützt im Prado, Madrid (Inv.-Nr. P003092, vgl. Literatur). Dieser Einfluss zeigt sich auch in dem tiefschwarzen Hintergrund, der jenem von Antonellos Segnendem Christus in der National Gallery in London (Inv.-Nr. NG673) gleicht.

Die vorliegende Darstellung der Gottesmutter ist mit Peruginos Magdalena im Palazzo Pitti in Florenz (um 1495, Inv.-Nr. Palatina 42) vergleichbar, die ähnliche Gesichtszüge mit halb geschlossenen Augen, dünnen, bogenförmigen Augenbrauen und rosafarbenen Wangen erkennen lässt. Beide Figuren sind mit den gleichen weichen Schatten um Nase, Kinn und Lippen modelliert, wie man sie auch bei der weiblichen Figur ganz rechts in der Vermählung der Heiligen Jungfrau im Musée des Beaux-Arts in Caen (datiert zwischen 1502 und 1503, Inv.-Nr. 171) findet.

ie vorliegenden in Öl gemalten Werke zeichnen sich durch einen ausgeprägten Formsinn und eine außergewöhnliche Transparenz der Farben aus. Die Modellierung und die Details der Figuren sind typisch für Perugino, insbesondere die Kleidung, die sich durch quadratische Ausschnitte und die Farbigkeit – wie hier Rot und Flaschengrün – auszeichnet.

Provenienz:
Die frühe Geschichte des vorliegenden Diptychons ist schwer greifbar, doch ein Inventar vom 11. Juni 1703 listet die Besitztümer von Dr. Cosimo Bordoni, wohnhaft in der Via Tegolaia in Florenz, auf, darunter „due quadri compagni del Perugino: la Madonna e Giesù; ornamento liscio, tutto dorato“ („zwei zusammengehörige Gemälde Peruginos: die Madonna und Jesus; glatte, zur Gänze vergoldete Rahmen“). Bordoni war eine bekannte Persönlichkeit im Florenz des 18. Jahrhunderts und ein Freund des Kunsthistorikers und Biografen Filippo Baldinucci (vgl. Mancini in der Literatur).

Es wurde vermutet, dass die an den Ecken der Lederbezüge auf der Rückseite des Diptychons angebrachten Messingornamente die Form einer Lilienblüte haben, ein Symbol, das mit Florenz in Verbindung gebracht wird, was die Hypothese stützen könnte, dass die beiden vorliegenden Tafeln einst Teil einer Florentiner Sammlung waren. Darüber hinaus zeigen die Wachssiegel auf der Rückseite beider Gemälde einen Falken, ein Symbol, das in der toskanischen Familienheraldik häufig anzutreffen ist, wie zum Beispiel in den verschiedenen Zweigen der Familien Falconi und Falconetti. Es könnte sich jedoch auch um ein englisches Familienwappen handeln.

Technische Analyse von Gianluca Poldi

In technischer Hinsicht sind die beiden Gemälde, die auf dünnen (nur 7 mm starken) Holztafeln gemalt sind, höchst selten. Das aus sehr feinen lasierenden Schichten aufgebaute Gemälde mit seinem Craquelé entspricht mit seinen technischen Merkmalen der Arbeitsweise Peruginos, der als einer der ersten großen Meister der Ölmalerei in Italien gilt.

Die ursprüngliche bemalte Fläche reichte bis dorthin, wo sich heute die Rahmen befinden – dort, wo auch die originale Rahmung angebracht bzw. höchstwahrscheinlich auf den Holztafeln angeklebt war, damit die bemalten Teile beim Schließen des Diptychons nicht aneinanderstoßen und beschädigt würden. Die heute unter den jetzigen Rahmen verborgenen Teile des Bildes wurden zu einem späteren Zeitpunkt, vermutlich im 19. Jahrhundert, bemalt, um den gesamten Platz auszufüllen, wo sich einst die ursprüngliche integrierte Rahmung befunden hatte.

Die an den beiden Gemälden vorgenommenen nichtinvasiven technischen Untersuchungen, umfassend digitale Mikroskopie, Reflexionsspektroskopie (vis-RS) und Röntgenfluoreszenz (XRF), erlauben ein genaues Studium der Maltechnik sowie der verwendeten Pigmente, die bei beiden Gemälden identisch sind. Die Werke wurden auf weißem Grund, vermutlich Kreidegrund bzw. Gesso, gemalt. Der schwarze Hintergrund enthält nicht nur ein schwarzes Kohlenstoffpigment und gewisse Mengen Erden (darunter etwas Mangan), sondern auch ein Pigment auf Kupferbasis, was einer damals gängigen Praxis entsprach.

Möglicherweise wurde dasselbe Kupferacetat (Grünspan) in den dünnen Lasuren der Mäntel verwendet. Der dafür zum Einsatz kommende grüne Farbton mag sich ikonografisch als widersprüchlich erweisen; dies gilt insbesondere für die Heilige Jungfrau, deren Gewand üblicherweise blau dargestellt ist, doch zeigt der Maler hier vermutlich bloß die Aufschläge des jeweiligen Mantels.

Die roten Tuniken enthalten Zinnober und sind mit Lasuren von Rotlack auf Schildlausbasis abschattiert. Derselbe Rotlack findet sich vermischt mit fein vermahlenem Azurit im purpur- bzw. malvenfarbenen Haarband der Gottesmutter; ein mit Bleiweiß gemalter zarter, transparenter Schleier ist heute kaum mehr sichtbar.

Die Hauttöne bestehen aus einer Mischung aus Bleiweiß, fein vermahlenem Zinnober und Ockertönen sowie wenigen schwarzen Kohlenstoffpartikeln in den hellen Passagen bzw. mehr Schwarz in den Schattenzonen. Für das Haar wurde Zinnober braunem Ocker zugesetzt, während die Dornenkrone einfach mit Schwarz gemalt und vorsichtig mit einer grauen Abmischung auf Bleiweißbasis gehöht wurde. Spuren von Muschelgold sind immer noch entlang der Kante der schwarzen Bordüre der roten Gewänder und des Mantels der Madonna sichtbar.

Die Bildgebung mit Infrarotreflektografie, durchgeführt in einem Wellenbereich zwischen 850–1700 nm, zeigt nur geringe Spuren einer Unterzeichnung und keine Löcher einer Durchstechung: Der Maler könnte ein Zeichenmittel verwendet haben, das für die Infrarotstrahlung unsichtbar ist, etwa Eisengallustinte, Rötel oder einen Metallstift oder einfach nur ein sehr dünnes trockenes Medium, das beim Malen zum Teil mit dem Pinsel weggelöscht wurde. Ein paar dünne schwarze Linien, die man mit einer Umrisszeichnung in Verbindung bringen kann, erscheinen auf der rechten Seite des Mantels der Gottesmutter sowie im unteren Teil der Nasen. Eine kleine Veränderung wurde bei der Nasenspitze von Christus vorgenommen, die sich ursprünglich etwas weiter oben befand. Die Malerei ist überaus genau, es finden sich nur unbedeutende Anpassungen in den Umrissen der Figuren.

Der unter Infrarotlicht erscheinende Schatten auf dem Mantel der Madonna ist typisch für die Malweise Peruginos, der bisweilen ein schwarzes Pigment einsetzte.

Rückseitige Abdeckung:

Die Tafeln sind rückseitig mit braunem Leder überzogen, das identische gestanzte und vergoldete Verzierungen aufweist und an zwei Buchumschläge denken lässt. Es gibt keinen Hinweis, dass diese auffälligen Lederabdeckungen später hinzugefügt wurden. Tatsächlich ist zu vermuten, dass die beiden Werke, die für die private Andacht bestimmt und leicht transportierbar waren, auf außen bereits präparierten und mit Leder überzogenen dünnen Holztafeln gemalt wurden, und zwar auf der als Recto fungierenden Innenseite in einer Art und Weise, dass sich ein aufklappbares Diptychon ergab: auf dem linken (zu öffnenden) Flügel Maria, auf dem rechten (zu schließenden) Flügel Christus als einander gegenübergestellte Darstellungen.

Im Zentrum der Lederabdeckung des Diptychons befindet sich das eingeprägte Monogramm „YHS“ mit durchkreuztem h, das Mitte des 15. Jahrhunderts vom heiligen Bernhardin von Siena und seinen Nachfolgern als Zeichen ihrer besonderen Hingabe an das Herz Jesu verwendet wurde. Die Monogramme sind von vier Cherubköpfen in Blattgold umgeben. Auf der Rückseite der Christusdarstellung erscheint die Ziffer 3 und die Bezeichnung „Francia“ in Kursivschrift, geschrieben mit dunkler Tinte, die in den IR-Bildern besser lesbar ist.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.at


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 22.10.2024 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 12.10. - 22.10.2024