Giulio Pippi, gen. Giulio Romano
(Rom Mitte der 1490er-Jahre – 1546 Mantua)
Die mystische Vermählung der heiligen Katharina,
Öl auf Holz, 58 x 47 cm, gerahmt
Provenienz:
Kunsthandel Gian Carlo Baroni, Florenz, 1969;
europäische Privatsammlung
Literatur:
M. Riccomini, A Few Old Master Drawings in Tartu, Estonia, in: Master Drawings, Bd. 47, Nr. 1, 2009, S. 83 f., Abb. 8 (als Werkstatt des Giulio Romano, mit unbekanntem Aufbewahrungsort);
P. Joannides, Letter, in: Master Drawings, Bd. 47, Nr. 2, 2009, S. 237 (als Giulio Romano);
P. Joannides, A Marriage of St. Catherine by Giulio Romano, in: Paragone, Bd. 120, Nr. 781, 2015, S. 13–17, Tafel 9 (als Giulio Romano, um 1526)
Das vorliegende Gemälde ist etwa um 1526 zu datieren, als Giulio Romano in Mantua an seinem berühmtesten Projekt, der Freskendekoration des Palazzo Te, arbeitete.
Kleinformatige Kompositionen aus Giulio Romanos mantuanischer Zeit sind zwar selten, doch ist das vorliegende Werk mit den grafischen Arbeiten des Künstlers aus besagter Zeit vergleichbar. Paul Joannides (vgl. Literatur) weist auf die Ähnlichkeit zwischen der Haltung der Madonna im vorliegenden Gemälde, die mit gekreuzten Beinen dasitzt, und jener der Venus in Giulio Romanos Zeichnung Überreichung von Blumenkränzen an Venus und Amor hin, die sich heute im Teylers Museum in Haarlem befindet (Inv.-Nr. A+ 048). Die Zeichnung wurde als Entwurf für das Fresko angefertigt, das Girolamo Pontremoli 1527/28 in der Sala dei Venti im Palazzo Te ausführte. Weitere Vergleiche lassen sich mit Giulios Madonna mit Kind und Johannesknaben in einer Privatsammlung anstellen, die etwa aus derselben Zeit stammen muss (vgl. P. Joannides, An Engraving by Giulio Bonasone after a Drawing by Giulio Romano, in: Print Quarterly, XXXI, 2015, 1, S. 27–32).
Die vorliegende Mystische Vermählung der heiligen Katharina ist mit ihrer raffaelesken Figurenkomposition charakteristisch für Giulios eher frühes Schaffen. Die Gruppe ist hier jedoch von der Seite im Profil dargestellt und nicht aus dem spitzen Winkel, den Raffael für seine Darstellungen der Madonna und der Heiligen Familie bevorzugte. Giulio übernimmt die Subtilität von Raffaels psychologischer Beobachtung: Die zärtliche Führung von Katharinas Hand zum Ring durch die heilige Anna ist Raffaels berühmter Madonna del Divino Amore (Museo di Capodimonte, Neapel, Inv.-Nr. Q 146) nachempfunden; die Haltung des Kindes markiert vielleicht die endgültige Ausgestaltung einer Idee Raffaels für die zweite Madonna dei Garofani von 1508 (dieses Gemälde, das wahrscheinlich verloren gegangen ist, ist durch mehrere Kopien überliefert; vgl. P. Joannides, Raphael: A Sorority of Madonnas, in: The Burlington Magazine, 146, 2004, S. 749–752).
In der Farbwahl des vorliegenden Gemäldes entfernt sich Giulio jedoch von Raffaels Vorbild und entwickelt eine Tendenz, die bereits in seinen spätrömischen Werken vor seinem Umzug nach Mantua zu erkennen war: Den betonten Einsatz von Gelb gab es bereits bei der Madonna della gatta (Neapel, Museo di Capodimonte, Inv.- Nr. Q 140) von 1520/1521; andere Farbkombinationen ähneln jenen der Pala Fugger (Rom, Santa Maria dell’Anima) von 1523/1524. Die Hauttöne der vorliegenden Mystischen Vermählung der heiligen Katharina sind allerdings wärmer als in diesen früheren Gemälden und allein Giulios mantuanischer Schaffensperiode eigen.
Es lassen sich auch aussagekräftige Vergleiche zwischen dem vorliegenden Gemälde und den Fresken im Palazzo Te anstellen, insbesondere mit jenen der Sala di Psiche: Die weiblichen Profile im vorliegenden Gemälde sind der Figur, die sich in der Festmahlszene des Freskos dem Satyr zuwendet, sehr ähnlich, während die Stoffe der Gewänder in der Gruppe mit Psyche und ihren Schwestern, die an der Westwand der Sala di Psiche erscheint, ähnlich umgesetzt sind.
Giulio Romano wurde vermutlich Mitte der 1490er-Jahre in Rom geboren und erhielt schon in jungen Jahren eine Ausbildung zum Maler unter Raffael. Er war sein Mitarbeiter bei der Ausstattung des Vatikanpalastes, während er gleichzeitig Architektur studierte. Nach Raffaels Tod im Jahr 1520 erbte Giulio dessen Werkstatt und stellte Raffaels unvollendetes Werk in der Sala di Costantino im Vatikan fertig.
Im Oktober 1524 zog Giulio nach Mantua, um in die Dienste von Federico II. Gonzaga zu treten. Er vollendete dort eines seiner bedeutendsten architektonischen Projekte, den Palazzo Te, den er anschließend mit umfangreichen Freskenzyklen ausschmückte. Um die Ausstattung der riesigen Fläche dieser Villa zu bewältigen, richtete Giulio eine große Werkstatt mit Gehilfen ein. Er lieferte die allgemeinen dekorativen Vorgaben, die Komposition der Figurengruppen und die Platzierung einzelner Figuren in einer beeindruckenden Anzahl vorbereitender Zeichnungen. Das Vorbild für diese Art von Arbeitspraxis war Raffaels großes Atelier in Rom, dem Giulio angehört hatte. In Mantua war Giulios Rolle jedoch noch komplexer als jemals zuvor in Raffaels Werkstatt. Über zwanzig Jahre lang entwarf er eine Vielzahl von Objekten für den herzoglichen Hof, darunter Bauten, Wandteppiche, Theaterkostüme, Silber und Majolika, ja sogar Pläne für Straßen und Wasserbauwerke.
In der zweiten Auflage seiner Viten (1568, II, S. 324) beschreibt Giorgio Vasari Romano als „erfindungsreich, vielseitig, produktiv“, aber auch als „jovial, umgänglich, liebenswürdig und voll der feinsten Umgangsformen“. Vasari hatte Giulio in Mantua getroffen; für ihn verkörperte Giulio den idealen italienischen Renaissancekünstler, der über erstaunliches Talent verfügte, aber auch die Manieren eines kultivierten Höflings besaß.
Ein weiterer berühmter Freund und Bewunderer Giulio Romanos war Tizian, der während seines Aufenthalts in Mantua zwischen 1536 und 1538 ein Porträt von ihm malte, das sich heute im Museo Civico di Palazzo Te (Inv.-Nr. 170386) befindet. Tatsächlich hat Joannides darauf hingewiesen, dass die vorliegende Mystische Vermählung der heiligen Katharina ein wichtiges Zeugnis für die Beziehung zwischen Tizian und Giulio Romano ist: Tizian scheint sich von dieser Komposition Inspirationen zu dem Grisaille-Fresko für das Grabmal von Luigi Trevisano (gest. 1528) in Santi Giovanni e Paolo in Venedig geholt haben. Das verlorene Werk ist durch einen zeitgenössischen Holzschnitt von Niccolò Boldrini und einen späteren Stich bekannt.
Technische Analyse von Gianluca Poldi
Die Holzplatte, auf der das Bild gemalt ist, weist eine maximale Dicke von 1,8 cm auf. Die Fasern sind vertikal ausgerichtet, und es gibt zwei keilförmige Querverstrebungen. Die Rückseite weist unverkennbar eine Bearbeitung mit dem Meißel in vertikaler Richtung auf und ist über einer weißen Grundschicht mit beiger bzw. hellbrauner Farbe gestrichen. Auf der Rückseite wurde das Holz an mindestens zwei Stellen ergänzt – einmal oben, das andere Mal unten. Die Tafel ist in ihrer Art mit jenen anderer Gemälde Giulio Romanos von ähnlichem Format vergleichbar.
Die Infrarotreflektografie, durchgeführt in zwei unterschiedlichen Wellenlängenbereichen (unter 1100 nm und bis zu 1700 nm), zeigt das Vorhandensein einer genauen linearen Unterzeichnung von der Art, wie man sie normalerweise von der Verwendung eines Kartons her kennt und bei der eine akkurate Zeichnung die Profile und zahlreiche Details in den Figuren wie Falten sowie Gegenstände wie den Stuhl und die Wiege umreißt. Die Unterzeichnung im Bereich von Josefs Haupt, die im Detail auch die Haarlocken definiert, ist beispielhaft, ebenso jene, die das Gewand der Madonna beschreibt. Wie Paul Joannides auf der Basis davor erfolgter Bildgebungsverfahren 2015 beobachtet hat (vgl. Literatur), gibt es keine Pentimente, sodass die rigide grafische Struktur auf den Einsatz eines Kartons hinweist.
Nicht nur die konsistente Typologie der Unterzeichnung, sondern auch ihr Erscheinungsbild – zum Beispiel ihre breiten, markanten Linien, die in der Arbeitspraxis anderer Künstler unüblich zu sein scheinen – lässt sich mit anderen Romano zugeschriebenen Gemälden vergleichen, etwa der Wellington Madonna in Apsley House (vgl. P. Young, P. Joannides, Giulio Romano’s Madonna at Apsley House, in: The Burlington Magazine, Bd. 137, Nr. 1112, 1995, S. 728–736, Abb. 11) und der Madonna mit Kind im Palazzo Barberini (R. Bellucci, C. Frosinini, S. Papetti, La ,Sacra Famiglia‘ della Fondazione Cassa di Risparmio di Fermo, in: OPD Restauro, 21, 2009, S. 97–108, Abb. 9–11 und 13): Trotz des anderen Zeichenmediums, das hier zum Einsatz kam, verraten alle drei Werke, wie ihr Schöpfer auf einen kräftigen Kontrast der schwarzen Zeichnung baute und dazu neigte, die Umrisslinien mit einem stärkeren Strich auszuführen.
Die bessere Sichtbarkeit der Unterzeichnung in unteren Wellenlängenbereichen (unter 1100 nm) legt nahe, dass das Medium auch Eisengallustinte enthielt, vielleicht in Verbindung mit etwas Kohleschwarz. Bei genauer Beobachtung zeigt sich, dass es keine Durchlöcherungsspuren gibt, was für eine andere Übertragungsmethode wie Pauspapier oder Kohledurchschlag spricht, wobei Letzteres aufgrund der Dünnheit der Linien, die möglicherweise zweimal nachgezogen werden mussten, wahrscheinlicher ist.
Die IRR-Bilder zeigen eine hinter Josef zwischen der Säule und dem ausgebrochenen Bogen gemalte architektonische Struktur, die später von der gemalten Vegetation im Hintergrund überdeckt wurde. Die hohe Absorbanz insbesondere bei höheren Wellenlängen der hinter den Figuren mit brauner Erde gemalten dunklen Ruinenwand weist auf die Verwendung eines schwarzen Pigments als untere Malschicht. Das Rad der heiligen Katharina wurde über die Landschaft gemalt und aufgrund des schwarzen Hintergrunds gibt es keinen Hinweis auf eine Unterzeichnung.
Digitalmikroskopische und spektroskopische Untersuchungen ermöglichen das Studium der Pigmente und Farbschichten.
Eine hauptsächlich Erden enthaltende Grundierung wurde stellenweise über dem weißen Malgrund, jedoch offenbar nicht unterhalb des Himmels aufgetragen. Diese Grundierung wird in einigen Schattenzonen genützt, wo sie sichtbar geblieben ist, wie beispielsweise im Bereich des Korbes. Die Verwendung einer dunklen Grundierung über einem weißen Kreidegrund ist für damals ungewöhnlich; erste Beispiele dieser Praxis kennt man aus Werken Correggios und Dosso Dossis aus der Zeit um 1510–1525 sowie Parmigianinos aus der Zeit um 1526. Möglicherweise experimentierte Giulio Romano mit dieser Praxis in Mantua, nachdem er Resultate bei einem der oben erwähnten Künstler gesehen hatte. Giulios Lehrer Raffael arbeitete üblicherweise auf Weiß oder gebrochenem Weiß (Blassgelb), gelegentlich auch auf einer hellbraunen Grundierung, jedoch nicht auf Mittel- oder Dunkelbraun wie im vorliegenden Gemälde der Fall.
Darüber hinaus wurde durch eine breite schwarze Schicht über der braunen Grundierung ein dunklerer Kontext (Felsen und Erde) geschaffen, um die Figuren besser hervorzuheben. Dies bot sich für eine Nachtszene wie diese an, die auch ein Lieblingsthema Correggios war, seiner „pittura finta di notte“ (Vasari). Die Palette umfasst natürliches Ultramarinblau, Azurit, Grünspan, Bleizinngelb, gelbbraunen Ocker, karminbasierten Rotlack, Zinnober, braune Erden und Bleiweiß.
Ultramarinblau (gewonnen aus dem Mineral Lapislazuli), gemischt mit wenigen Körnchen Rotlack, um einen violetten Unterton zu erhalten, der ihn farblich vom Mantel der Madonna unterscheidet, wurde für den Hut verwendet, den der heilige Josef in der Hand hält. Das kostbare Blau bildet auch das Gewand der heiligen Anna, sowohl in den hellen Bereichen – in Verbindung mit Bleiweiß – als auch in den dunklen, beinahe schwarzen Schatten. Im Mantel der Madonna wurde Ultramarinblau über eine Schicht in Azurit gemalt, wiederum über der braunen Grundierung. In den tiefen Schatten ist Azurit unlasiert geblieben.
Azurit und Bleiweiß fanden für den Himmel Verwendung, manchmal gemischt mit einigen braunen Farbpartikeln. Grünspan findet sich im grünen Gewand der heiligen Katharina, mit Bleizinngelb vermischt in den helleren Zonen, und kam im Wechsel mit Azurit auch im Bereich der Vegetation zum Einsatz, etwa für die hellere Wiese. Der gelbe Umhang der heiligen Katharina mit seinem Grundton in Bleizinngelb ist mit Rotlack auf Karminbasis abschattiert. Das leuchtende Rot des Mantels von Josef wurde mit Zinnober erzielt, während Marias Gewand hauptsächlich aus einem Rotlack besteht, dessen Absorptionsbanden in der Visible-Light-Reflexionsspektroskopie dem Krapplack zugeschrieben werden können; einige Partikel Zinnober machen es lebendiger, während in den Schattenzonen schwarzes Pigment beigegeben wurde. Für die Hauttöne fügte der Maler fein vermahlenes Zinnober Bleiweiß hinzu, aber auch einige Partikel eines blauen Pigments, vermutlich, um die Farbe kühl zu halten. Die Maltechnik vermittelt deutlich die spezifischen künstlerischen Entscheidungen, die Giulio Romano getroffen hat, um den außergewöhnlichen Nachteffekt zu erzielen.
Experte: Mark MacDonnell
Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403
old.masters@dorotheum.at
22.10.2024 - 18:00
- Schätzwert:
-
EUR 400.000,- bis EUR 600.000,-
Lot beobachten Beobachten beenden
Giulio Pippi, gen. Giulio Romano
(Rom Mitte der 1490er-Jahre – 1546 Mantua)
Die mystische Vermählung der heiligen Katharina,
Öl auf Holz, 58 x 47 cm, gerahmt
Provenienz:
Kunsthandel Gian Carlo Baroni, Florenz, 1969;
europäische Privatsammlung
Literatur:
M. Riccomini, A Few Old Master Drawings in Tartu, Estonia, in: Master Drawings, Bd. 47, Nr. 1, 2009, S. 83 f., Abb. 8 (als Werkstatt des Giulio Romano, mit unbekanntem Aufbewahrungsort);
P. Joannides, Letter, in: Master Drawings, Bd. 47, Nr. 2, 2009, S. 237 (als Giulio Romano);
P. Joannides, A Marriage of St. Catherine by Giulio Romano, in: Paragone, Bd. 120, Nr. 781, 2015, S. 13–17, Tafel 9 (als Giulio Romano, um 1526)
Das vorliegende Gemälde ist etwa um 1526 zu datieren, als Giulio Romano in Mantua an seinem berühmtesten Projekt, der Freskendekoration des Palazzo Te, arbeitete.
Kleinformatige Kompositionen aus Giulio Romanos mantuanischer Zeit sind zwar selten, doch ist das vorliegende Werk mit den grafischen Arbeiten des Künstlers aus besagter Zeit vergleichbar. Paul Joannides (vgl. Literatur) weist auf die Ähnlichkeit zwischen der Haltung der Madonna im vorliegenden Gemälde, die mit gekreuzten Beinen dasitzt, und jener der Venus in Giulio Romanos Zeichnung Überreichung von Blumenkränzen an Venus und Amor hin, die sich heute im Teylers Museum in Haarlem befindet (Inv.-Nr. A+ 048). Die Zeichnung wurde als Entwurf für das Fresko angefertigt, das Girolamo Pontremoli 1527/28 in der Sala dei Venti im Palazzo Te ausführte. Weitere Vergleiche lassen sich mit Giulios Madonna mit Kind und Johannesknaben in einer Privatsammlung anstellen, die etwa aus derselben Zeit stammen muss (vgl. P. Joannides, An Engraving by Giulio Bonasone after a Drawing by Giulio Romano, in: Print Quarterly, XXXI, 2015, 1, S. 27–32).
Die vorliegende Mystische Vermählung der heiligen Katharina ist mit ihrer raffaelesken Figurenkomposition charakteristisch für Giulios eher frühes Schaffen. Die Gruppe ist hier jedoch von der Seite im Profil dargestellt und nicht aus dem spitzen Winkel, den Raffael für seine Darstellungen der Madonna und der Heiligen Familie bevorzugte. Giulio übernimmt die Subtilität von Raffaels psychologischer Beobachtung: Die zärtliche Führung von Katharinas Hand zum Ring durch die heilige Anna ist Raffaels berühmter Madonna del Divino Amore (Museo di Capodimonte, Neapel, Inv.-Nr. Q 146) nachempfunden; die Haltung des Kindes markiert vielleicht die endgültige Ausgestaltung einer Idee Raffaels für die zweite Madonna dei Garofani von 1508 (dieses Gemälde, das wahrscheinlich verloren gegangen ist, ist durch mehrere Kopien überliefert; vgl. P. Joannides, Raphael: A Sorority of Madonnas, in: The Burlington Magazine, 146, 2004, S. 749–752).
In der Farbwahl des vorliegenden Gemäldes entfernt sich Giulio jedoch von Raffaels Vorbild und entwickelt eine Tendenz, die bereits in seinen spätrömischen Werken vor seinem Umzug nach Mantua zu erkennen war: Den betonten Einsatz von Gelb gab es bereits bei der Madonna della gatta (Neapel, Museo di Capodimonte, Inv.- Nr. Q 140) von 1520/1521; andere Farbkombinationen ähneln jenen der Pala Fugger (Rom, Santa Maria dell’Anima) von 1523/1524. Die Hauttöne der vorliegenden Mystischen Vermählung der heiligen Katharina sind allerdings wärmer als in diesen früheren Gemälden und allein Giulios mantuanischer Schaffensperiode eigen.
Es lassen sich auch aussagekräftige Vergleiche zwischen dem vorliegenden Gemälde und den Fresken im Palazzo Te anstellen, insbesondere mit jenen der Sala di Psiche: Die weiblichen Profile im vorliegenden Gemälde sind der Figur, die sich in der Festmahlszene des Freskos dem Satyr zuwendet, sehr ähnlich, während die Stoffe der Gewänder in der Gruppe mit Psyche und ihren Schwestern, die an der Westwand der Sala di Psiche erscheint, ähnlich umgesetzt sind.
Giulio Romano wurde vermutlich Mitte der 1490er-Jahre in Rom geboren und erhielt schon in jungen Jahren eine Ausbildung zum Maler unter Raffael. Er war sein Mitarbeiter bei der Ausstattung des Vatikanpalastes, während er gleichzeitig Architektur studierte. Nach Raffaels Tod im Jahr 1520 erbte Giulio dessen Werkstatt und stellte Raffaels unvollendetes Werk in der Sala di Costantino im Vatikan fertig.
Im Oktober 1524 zog Giulio nach Mantua, um in die Dienste von Federico II. Gonzaga zu treten. Er vollendete dort eines seiner bedeutendsten architektonischen Projekte, den Palazzo Te, den er anschließend mit umfangreichen Freskenzyklen ausschmückte. Um die Ausstattung der riesigen Fläche dieser Villa zu bewältigen, richtete Giulio eine große Werkstatt mit Gehilfen ein. Er lieferte die allgemeinen dekorativen Vorgaben, die Komposition der Figurengruppen und die Platzierung einzelner Figuren in einer beeindruckenden Anzahl vorbereitender Zeichnungen. Das Vorbild für diese Art von Arbeitspraxis war Raffaels großes Atelier in Rom, dem Giulio angehört hatte. In Mantua war Giulios Rolle jedoch noch komplexer als jemals zuvor in Raffaels Werkstatt. Über zwanzig Jahre lang entwarf er eine Vielzahl von Objekten für den herzoglichen Hof, darunter Bauten, Wandteppiche, Theaterkostüme, Silber und Majolika, ja sogar Pläne für Straßen und Wasserbauwerke.
In der zweiten Auflage seiner Viten (1568, II, S. 324) beschreibt Giorgio Vasari Romano als „erfindungsreich, vielseitig, produktiv“, aber auch als „jovial, umgänglich, liebenswürdig und voll der feinsten Umgangsformen“. Vasari hatte Giulio in Mantua getroffen; für ihn verkörperte Giulio den idealen italienischen Renaissancekünstler, der über erstaunliches Talent verfügte, aber auch die Manieren eines kultivierten Höflings besaß.
Ein weiterer berühmter Freund und Bewunderer Giulio Romanos war Tizian, der während seines Aufenthalts in Mantua zwischen 1536 und 1538 ein Porträt von ihm malte, das sich heute im Museo Civico di Palazzo Te (Inv.-Nr. 170386) befindet. Tatsächlich hat Joannides darauf hingewiesen, dass die vorliegende Mystische Vermählung der heiligen Katharina ein wichtiges Zeugnis für die Beziehung zwischen Tizian und Giulio Romano ist: Tizian scheint sich von dieser Komposition Inspirationen zu dem Grisaille-Fresko für das Grabmal von Luigi Trevisano (gest. 1528) in Santi Giovanni e Paolo in Venedig geholt haben. Das verlorene Werk ist durch einen zeitgenössischen Holzschnitt von Niccolò Boldrini und einen späteren Stich bekannt.
Technische Analyse von Gianluca Poldi
Die Holzplatte, auf der das Bild gemalt ist, weist eine maximale Dicke von 1,8 cm auf. Die Fasern sind vertikal ausgerichtet, und es gibt zwei keilförmige Querverstrebungen. Die Rückseite weist unverkennbar eine Bearbeitung mit dem Meißel in vertikaler Richtung auf und ist über einer weißen Grundschicht mit beiger bzw. hellbrauner Farbe gestrichen. Auf der Rückseite wurde das Holz an mindestens zwei Stellen ergänzt – einmal oben, das andere Mal unten. Die Tafel ist in ihrer Art mit jenen anderer Gemälde Giulio Romanos von ähnlichem Format vergleichbar.
Die Infrarotreflektografie, durchgeführt in zwei unterschiedlichen Wellenlängenbereichen (unter 1100 nm und bis zu 1700 nm), zeigt das Vorhandensein einer genauen linearen Unterzeichnung von der Art, wie man sie normalerweise von der Verwendung eines Kartons her kennt und bei der eine akkurate Zeichnung die Profile und zahlreiche Details in den Figuren wie Falten sowie Gegenstände wie den Stuhl und die Wiege umreißt. Die Unterzeichnung im Bereich von Josefs Haupt, die im Detail auch die Haarlocken definiert, ist beispielhaft, ebenso jene, die das Gewand der Madonna beschreibt. Wie Paul Joannides auf der Basis davor erfolgter Bildgebungsverfahren 2015 beobachtet hat (vgl. Literatur), gibt es keine Pentimente, sodass die rigide grafische Struktur auf den Einsatz eines Kartons hinweist.
Nicht nur die konsistente Typologie der Unterzeichnung, sondern auch ihr Erscheinungsbild – zum Beispiel ihre breiten, markanten Linien, die in der Arbeitspraxis anderer Künstler unüblich zu sein scheinen – lässt sich mit anderen Romano zugeschriebenen Gemälden vergleichen, etwa der Wellington Madonna in Apsley House (vgl. P. Young, P. Joannides, Giulio Romano’s Madonna at Apsley House, in: The Burlington Magazine, Bd. 137, Nr. 1112, 1995, S. 728–736, Abb. 11) und der Madonna mit Kind im Palazzo Barberini (R. Bellucci, C. Frosinini, S. Papetti, La ,Sacra Famiglia‘ della Fondazione Cassa di Risparmio di Fermo, in: OPD Restauro, 21, 2009, S. 97–108, Abb. 9–11 und 13): Trotz des anderen Zeichenmediums, das hier zum Einsatz kam, verraten alle drei Werke, wie ihr Schöpfer auf einen kräftigen Kontrast der schwarzen Zeichnung baute und dazu neigte, die Umrisslinien mit einem stärkeren Strich auszuführen.
Die bessere Sichtbarkeit der Unterzeichnung in unteren Wellenlängenbereichen (unter 1100 nm) legt nahe, dass das Medium auch Eisengallustinte enthielt, vielleicht in Verbindung mit etwas Kohleschwarz. Bei genauer Beobachtung zeigt sich, dass es keine Durchlöcherungsspuren gibt, was für eine andere Übertragungsmethode wie Pauspapier oder Kohledurchschlag spricht, wobei Letzteres aufgrund der Dünnheit der Linien, die möglicherweise zweimal nachgezogen werden mussten, wahrscheinlicher ist.
Die IRR-Bilder zeigen eine hinter Josef zwischen der Säule und dem ausgebrochenen Bogen gemalte architektonische Struktur, die später von der gemalten Vegetation im Hintergrund überdeckt wurde. Die hohe Absorbanz insbesondere bei höheren Wellenlängen der hinter den Figuren mit brauner Erde gemalten dunklen Ruinenwand weist auf die Verwendung eines schwarzen Pigments als untere Malschicht. Das Rad der heiligen Katharina wurde über die Landschaft gemalt und aufgrund des schwarzen Hintergrunds gibt es keinen Hinweis auf eine Unterzeichnung.
Digitalmikroskopische und spektroskopische Untersuchungen ermöglichen das Studium der Pigmente und Farbschichten.
Eine hauptsächlich Erden enthaltende Grundierung wurde stellenweise über dem weißen Malgrund, jedoch offenbar nicht unterhalb des Himmels aufgetragen. Diese Grundierung wird in einigen Schattenzonen genützt, wo sie sichtbar geblieben ist, wie beispielsweise im Bereich des Korbes. Die Verwendung einer dunklen Grundierung über einem weißen Kreidegrund ist für damals ungewöhnlich; erste Beispiele dieser Praxis kennt man aus Werken Correggios und Dosso Dossis aus der Zeit um 1510–1525 sowie Parmigianinos aus der Zeit um 1526. Möglicherweise experimentierte Giulio Romano mit dieser Praxis in Mantua, nachdem er Resultate bei einem der oben erwähnten Künstler gesehen hatte. Giulios Lehrer Raffael arbeitete üblicherweise auf Weiß oder gebrochenem Weiß (Blassgelb), gelegentlich auch auf einer hellbraunen Grundierung, jedoch nicht auf Mittel- oder Dunkelbraun wie im vorliegenden Gemälde der Fall.
Darüber hinaus wurde durch eine breite schwarze Schicht über der braunen Grundierung ein dunklerer Kontext (Felsen und Erde) geschaffen, um die Figuren besser hervorzuheben. Dies bot sich für eine Nachtszene wie diese an, die auch ein Lieblingsthema Correggios war, seiner „pittura finta di notte“ (Vasari). Die Palette umfasst natürliches Ultramarinblau, Azurit, Grünspan, Bleizinngelb, gelbbraunen Ocker, karminbasierten Rotlack, Zinnober, braune Erden und Bleiweiß.
Ultramarinblau (gewonnen aus dem Mineral Lapislazuli), gemischt mit wenigen Körnchen Rotlack, um einen violetten Unterton zu erhalten, der ihn farblich vom Mantel der Madonna unterscheidet, wurde für den Hut verwendet, den der heilige Josef in der Hand hält. Das kostbare Blau bildet auch das Gewand der heiligen Anna, sowohl in den hellen Bereichen – in Verbindung mit Bleiweiß – als auch in den dunklen, beinahe schwarzen Schatten. Im Mantel der Madonna wurde Ultramarinblau über eine Schicht in Azurit gemalt, wiederum über der braunen Grundierung. In den tiefen Schatten ist Azurit unlasiert geblieben.
Azurit und Bleiweiß fanden für den Himmel Verwendung, manchmal gemischt mit einigen braunen Farbpartikeln. Grünspan findet sich im grünen Gewand der heiligen Katharina, mit Bleizinngelb vermischt in den helleren Zonen, und kam im Wechsel mit Azurit auch im Bereich der Vegetation zum Einsatz, etwa für die hellere Wiese. Der gelbe Umhang der heiligen Katharina mit seinem Grundton in Bleizinngelb ist mit Rotlack auf Karminbasis abschattiert. Das leuchtende Rot des Mantels von Josef wurde mit Zinnober erzielt, während Marias Gewand hauptsächlich aus einem Rotlack besteht, dessen Absorptionsbanden in der Visible-Light-Reflexionsspektroskopie dem Krapplack zugeschrieben werden können; einige Partikel Zinnober machen es lebendiger, während in den Schattenzonen schwarzes Pigment beigegeben wurde. Für die Hauttöne fügte der Maler fein vermahlenes Zinnober Bleiweiß hinzu, aber auch einige Partikel eines blauen Pigments, vermutlich, um die Farbe kühl zu halten. Die Maltechnik vermittelt deutlich die spezifischen künstlerischen Entscheidungen, die Giulio Romano getroffen hat, um den außergewöhnlichen Nachteffekt zu erzielen.
Experte: Mark MacDonnell
Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403
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Käufer Hotline
Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
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Auktion: | Alte Meister |
Auktionstyp: | Saalauktion mit Live Bidding |
Datum: | 22.10.2024 - 18:00 |
Auktionsort: | Wien | Palais Dorotheum |
Besichtigung: | 12.10. - 22.10.2024 |