Lot Nr. 24 -


Florentinische Schule, 16. Jahrhundert


Bildnis des Condottiere Giacomo Attendolo, bekannt als Muzio Attendolo Sforza (1369–1424), im Profil,
bezeichnet links und rechts oben: SFORZA. DA CVTI./GNOLA.,
Öl auf Holz, 61 x 46,5 cm, gerahmt

Giacomo Attendolo, bekannt als Giacomuzzo (Muzio) Attendolo, war einer der berühmtesten Heerführer seiner Zeit und Begründer der Sforza-Dynastie. Er wurde 1369 in Cotignola in der Emilia-Romagna in eine reiche Landadelsfamilie geboren.

Man erzählt sich, dass der junge Muzio 1382 dabei war, ein Feld zu pflügen, als ein Söldnerheer auf der Suche nach Rekruten vorbeikam. Er bestieg eines der Pferde seines Vaters und schloss sich den Soldaten an. 1398 trat er in den Dienst der Visconti, den Regenten von Mailand, und zog aus, um zu kämpfen, zuerst nach Florenz und dann nach Ferrara. Wegen seiner herkulischen Kraft wurde er „Sforza“ (der Starke) genannt, ein Spitzname, den die Nachfahren seiner Familie als Klarnamen annahmen. 1411 erwarb Muzio die Herrschaft Cotignola, die unter seiner Regentschaft zur Grafschaft erhoben wurde. 1412 wurde er von König Ladislaus nach Neapel gerufen und zum Großstallmeister des Königreichs ernannt. Nach dem Tod von Ladislaus (1414) und während der turbulenten Herrschaft von Königin Johanna II. wurde er einerseits mit Ländereien, hohen Ämtern und Auszeichnungen bedacht, andererseits eingekerkert und gefoltert. 1424 starb er, als ihn Johanna gegen seinen alten Widersacher, den im Dienst von König Alfonsos V. von Aragon stehenden Condottiere Braccio da Montone, ins Feld schickte und er beim Versuch, den Fluss Pescara bei Aquila in Mittelitalien zu überqueren, ertrank.

Muzio war dreimal verheiratet und hatte mindestens fünfzehn Kinder. Sein ältester Sohn, Francesco I. (1401–1466), heiratete 1551 Bianca Maria (1425–1468), die Tochter und einzige Erbin des letzten Herzogs von Mailand, Filippo Maria Visconti. Francesco erwarb dadurch den Mailänder Herzogstitel und regierte Mailand 16 Jahre lang von 1450 bis 1466, wodurch die Sforza die Visconti in Mailand beerbten. Beginnend mit Muzios zweitem Sohn Alessandro (1409–1473) hatte die Familie auch die Signoria von Pesaro inne. Muzios dritter Sohn, Bosio (1411–1476), begründete den Santa-Fiora-Zweig der Familie und nahm den Titel des Grafen von Cotignola an. Mitglieder der Familie hatten auch bedeutende kirchliche und politische Positionen im Kirchenstaat inne und zogen 1674 nach Rom, wo sie den Namen Sforza Cesarini annahmen.

1499, während der Italienkriege, eroberte das Heer des französischen Königs Ludwig XII. Mailand von Mozios Enkel Ludovico Sforza (bekannt als „Ludovico il Moro“ und berühmt dafür, dass er Leonardo da Vinci in seine Dienste nahm). Nachdem kaiserliche deutsche Truppen die Franzosen vertrieben hatten, wurde Ludovicos Sohn, Maximilian Sforza, Herzog von Mailand (1512–1515), bis die Franzosen unter König Franz I. zurückkehrten und ihn gefangen nahmen. 1521 setzte Kaiser Karl V. Ludovicos Sohn Francesco II. Sforza im Fürstentum ein. Francesco regierte Mailand bis zu seinem Tod 1535; da er kinderlos blieb, fiel das Herzogtum an den Kaiser zurück, der es 1540 an seinen Sohn Philipp II. weitergab, womit die Ära spanischer Herrschaft in Mailand begann.

Stilistisch ist das vorliegende Gemälde mit einer Version verwandt, die Cristofano dell’Altissimo vor 1568 für die Medici-Sammlung in Florenz malte (Gallerie degli Uffizi, Florenz, Inv. 1890, Nr. 84). Die Idee, eine Porträtsammlung berühmter Persönlichkeiten, die sogenannten „Gioviana“, anzulegen, geht auf Großherzog Cosimo I. zurück, der 1552 den Maler Cristofano dell’Altissimo nach Como schickte, um die berühmte Porträtsammlung des Bischofs und Schriftstellers Paolo Giovio zu kopieren. Cristofano dell’Altissimo traf 1552 in Como ein. 1568 listete Vasari in seinen Viten ca. 220 Gemälde (u. a. das von Muzio Attendolo Sforza), die sich damals bereits im Palazzo Vecchio in der sogenannten Sala del Mappamondo befanden. Als Francesco I. an die Macht kam, wurde Cosimos Projekt offenbar unterbrochen, und tatsächlich erwähnen Dokumente nur Werkstattversionen der Florentiner Sammlung, die für andere Medici-Residenzen oder als diplomatische Geschenke ausgeführt wurden. Mit Ferdinando I. wurde das Projekt wieder aufgenommen; zwischen 1587 und 1591 verlegte er die Porträtsammlung an ihren heutigen Aufbewahrungsort, nämlich in den Gang, der die Galerien der Uffizien mit dem Palazzo Pitti verbindet.

Auf den wenigen Gemälden des 16. Jahrhunderts, die Muzio Attendolo zeigen, trägt er das rot und silbern gemusterte Wams über einem Kettenhemd und den roten, in Falten gelegten Samthut. Auf dem vorliegenden Gemälde unterscheiden sich die physiognomischen Details leicht von jenen auf dem Gemälde in den Uffizien, sodass es sich um keine bloße zeitgenössische Werkstattversion, sondern um ein autonomes Werk zu handeln scheint. Tatsächlich ist Muzio einige Jahre älter dargestellt, und die gebogene Nase lässt annehmen, dass der Maler ein anderes Modell benutzte, das vermutlich näher am wahren Aussehen des bereits im Jahr 1424 verstorbenen Muzio war. Die gebogene Nase war Muzios charakteristischstes Merkmal; es erscheint auch auf einem Gemälde von Bernardino Luini, das sich ehemals in der Casa degli Atellani in Mailand befand und heute in Castello Sforzesco aufbewahrt wird. Muzio erscheint im Aussehen ganz ähnlich in den Ritratti Et Elogii di Capitani illvstri (G. Roscio et al., Rom 1646, S. 86), sodass zu vermuten ist, dass das dortige Bildnis auf dem vorliegenden Gemälde basiert.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.at

22.10.2024 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 42.375,-
Schätzwert:
EUR 12.000,- bis EUR 15.000,-

Florentinische Schule, 16. Jahrhundert


Bildnis des Condottiere Giacomo Attendolo, bekannt als Muzio Attendolo Sforza (1369–1424), im Profil,
bezeichnet links und rechts oben: SFORZA. DA CVTI./GNOLA.,
Öl auf Holz, 61 x 46,5 cm, gerahmt

Giacomo Attendolo, bekannt als Giacomuzzo (Muzio) Attendolo, war einer der berühmtesten Heerführer seiner Zeit und Begründer der Sforza-Dynastie. Er wurde 1369 in Cotignola in der Emilia-Romagna in eine reiche Landadelsfamilie geboren.

Man erzählt sich, dass der junge Muzio 1382 dabei war, ein Feld zu pflügen, als ein Söldnerheer auf der Suche nach Rekruten vorbeikam. Er bestieg eines der Pferde seines Vaters und schloss sich den Soldaten an. 1398 trat er in den Dienst der Visconti, den Regenten von Mailand, und zog aus, um zu kämpfen, zuerst nach Florenz und dann nach Ferrara. Wegen seiner herkulischen Kraft wurde er „Sforza“ (der Starke) genannt, ein Spitzname, den die Nachfahren seiner Familie als Klarnamen annahmen. 1411 erwarb Muzio die Herrschaft Cotignola, die unter seiner Regentschaft zur Grafschaft erhoben wurde. 1412 wurde er von König Ladislaus nach Neapel gerufen und zum Großstallmeister des Königreichs ernannt. Nach dem Tod von Ladislaus (1414) und während der turbulenten Herrschaft von Königin Johanna II. wurde er einerseits mit Ländereien, hohen Ämtern und Auszeichnungen bedacht, andererseits eingekerkert und gefoltert. 1424 starb er, als ihn Johanna gegen seinen alten Widersacher, den im Dienst von König Alfonsos V. von Aragon stehenden Condottiere Braccio da Montone, ins Feld schickte und er beim Versuch, den Fluss Pescara bei Aquila in Mittelitalien zu überqueren, ertrank.

Muzio war dreimal verheiratet und hatte mindestens fünfzehn Kinder. Sein ältester Sohn, Francesco I. (1401–1466), heiratete 1551 Bianca Maria (1425–1468), die Tochter und einzige Erbin des letzten Herzogs von Mailand, Filippo Maria Visconti. Francesco erwarb dadurch den Mailänder Herzogstitel und regierte Mailand 16 Jahre lang von 1450 bis 1466, wodurch die Sforza die Visconti in Mailand beerbten. Beginnend mit Muzios zweitem Sohn Alessandro (1409–1473) hatte die Familie auch die Signoria von Pesaro inne. Muzios dritter Sohn, Bosio (1411–1476), begründete den Santa-Fiora-Zweig der Familie und nahm den Titel des Grafen von Cotignola an. Mitglieder der Familie hatten auch bedeutende kirchliche und politische Positionen im Kirchenstaat inne und zogen 1674 nach Rom, wo sie den Namen Sforza Cesarini annahmen.

1499, während der Italienkriege, eroberte das Heer des französischen Königs Ludwig XII. Mailand von Mozios Enkel Ludovico Sforza (bekannt als „Ludovico il Moro“ und berühmt dafür, dass er Leonardo da Vinci in seine Dienste nahm). Nachdem kaiserliche deutsche Truppen die Franzosen vertrieben hatten, wurde Ludovicos Sohn, Maximilian Sforza, Herzog von Mailand (1512–1515), bis die Franzosen unter König Franz I. zurückkehrten und ihn gefangen nahmen. 1521 setzte Kaiser Karl V. Ludovicos Sohn Francesco II. Sforza im Fürstentum ein. Francesco regierte Mailand bis zu seinem Tod 1535; da er kinderlos blieb, fiel das Herzogtum an den Kaiser zurück, der es 1540 an seinen Sohn Philipp II. weitergab, womit die Ära spanischer Herrschaft in Mailand begann.

Stilistisch ist das vorliegende Gemälde mit einer Version verwandt, die Cristofano dell’Altissimo vor 1568 für die Medici-Sammlung in Florenz malte (Gallerie degli Uffizi, Florenz, Inv. 1890, Nr. 84). Die Idee, eine Porträtsammlung berühmter Persönlichkeiten, die sogenannten „Gioviana“, anzulegen, geht auf Großherzog Cosimo I. zurück, der 1552 den Maler Cristofano dell’Altissimo nach Como schickte, um die berühmte Porträtsammlung des Bischofs und Schriftstellers Paolo Giovio zu kopieren. Cristofano dell’Altissimo traf 1552 in Como ein. 1568 listete Vasari in seinen Viten ca. 220 Gemälde (u. a. das von Muzio Attendolo Sforza), die sich damals bereits im Palazzo Vecchio in der sogenannten Sala del Mappamondo befanden. Als Francesco I. an die Macht kam, wurde Cosimos Projekt offenbar unterbrochen, und tatsächlich erwähnen Dokumente nur Werkstattversionen der Florentiner Sammlung, die für andere Medici-Residenzen oder als diplomatische Geschenke ausgeführt wurden. Mit Ferdinando I. wurde das Projekt wieder aufgenommen; zwischen 1587 und 1591 verlegte er die Porträtsammlung an ihren heutigen Aufbewahrungsort, nämlich in den Gang, der die Galerien der Uffizien mit dem Palazzo Pitti verbindet.

Auf den wenigen Gemälden des 16. Jahrhunderts, die Muzio Attendolo zeigen, trägt er das rot und silbern gemusterte Wams über einem Kettenhemd und den roten, in Falten gelegten Samthut. Auf dem vorliegenden Gemälde unterscheiden sich die physiognomischen Details leicht von jenen auf dem Gemälde in den Uffizien, sodass es sich um keine bloße zeitgenössische Werkstattversion, sondern um ein autonomes Werk zu handeln scheint. Tatsächlich ist Muzio einige Jahre älter dargestellt, und die gebogene Nase lässt annehmen, dass der Maler ein anderes Modell benutzte, das vermutlich näher am wahren Aussehen des bereits im Jahr 1424 verstorbenen Muzio war. Die gebogene Nase war Muzios charakteristischstes Merkmal; es erscheint auch auf einem Gemälde von Bernardino Luini, das sich ehemals in der Casa degli Atellani in Mailand befand und heute in Castello Sforzesco aufbewahrt wird. Muzio erscheint im Aussehen ganz ähnlich in den Ritratti Et Elogii di Capitani illvstri (G. Roscio et al., Rom 1646, S. 86), sodass zu vermuten ist, dass das dortige Bildnis auf dem vorliegenden Gemälde basiert.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 22.10.2024 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 12.10. - 22.10.2024


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer(für Lieferland Österreich)

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