Artemisia Gentileschi
(Rom 1593–1653 Neapel)
Madonna mit Kind,
Öl auf Leinwand, 116 x 89,3 cm, gerahmt
Provenienz:
Auktion, Catherine Charbonneaux, Paris, 26. Februar 2010, Lot 7 (als „zugeschrieben an Artemisia Gentileschi“);
dort erworben durch den jetzigen Besitzer;
Privatsammlung, Schweiz
Ausgestellt:
Mailand, Palazzo Reale, Artemisia Gentileschi – Storia di una passione, 22. September 2011 – 29. Januar 2012, Kat.-Nr. 9 (als Artemisia Gentileschi);
Paris, Fondation Dina Vierny – Musée Maillol, Artemisia 1593–1654, gloire, pouvoir et passions d’une femme peintre, 14. März – 15. Juli 2012, Kat.-Nr. 43 (als Artemisia Gentileschi)
Literatur:
R. Contini, in: R. Contini/F. Solinas (Hg.), Artemisia Gentileschi. Storia di una passione, Ausstellungskatalog, Mailand 2011, S. 152 f., Kat.-Nr. 9, mit Abb. (als Artemisia Gentileschi);
G. Papi, Artemisia Gentileschi, Mailand, Ausstellungsbesprechung, in: The Burlington Magazine, Dezember 2011, CLIII, S. 846 (als „nicht von Artemisia“);
R. Contini, in: R. Contini und F. Solinas (Hg.), Artemisia 1593–1654, Ausstellungskatalog, Paris 2012, S. 43, Kat.-Nr. 3 (als Artemisia Gentileschi);
F. Solinas, La Madonna del Latte di Artemisia Lomi Gentileschi alla Galleria Spada, in: A. Capriotti (Hg.), Investigating Artemisia in the Galleria Spada, Rom 2024, S. 35–50, S. 37, Abb. 2 (als Artemisia Gentileschi)
Wir danken Riccardo Lattuada, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes als unabhängiger Experte bestätigt hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung des Lots.
Dieses subtile Werk hat man um etwa 1609/1610 datiert, als Artemisia Gentileschi 16 oder 17 Jahre alt war. Es handelt sich daher um eines ihrer ersten bekannten Werke und ein bedeutendes und seltenes Beispiel für ihr frühreifes Talent als junge Künstlerin.
Artemisia studierte Malerei in der Werkstatt ihres Vaters Orazio. Ihre bemerkenswerte Fähigkeit ermöglichte es ihr, in ihren frühesten Bildern – wie auch hier im vorliegenden Gemälde – seinen Stil nachzuahmen, insbesondere in den Faltenwürfen. Ihre Farbpalette, die Physiognomie ihrer Figuren, die feinfühlige Lasur und Modellierung der Hauttöne sowie die Details der Texturen im vorliegenden Gemälde verraten den Einfluss Orazios. Von Anfang an ließ Artemisia jedoch die Gabe erkennen, den von ihr gemalten Bilderzählungen Bedeutung und Gefühl zu verleihen, wie hier durch die unverkennbare Zuneigung zwischen Mutter und Kind, wodurch sich ihre Arbeit von der des Vaters abhob. In den 1590er- und frühen 1600er-Jahren malte ihr Vater wie Caravaggio nach posierenden Modellen direkt auf die Leinwand. Es ist wahrscheinlich, dass sie das Malen auf die gleiche Weise erlernte.
Lattuada hat betont, dass die vorliegende Komposition mit Scipione Pulzones Heiliger Familie mit der heiligen Elisabeth und Johannes dem Täufer (um 1588–1590) in der Galleria Borghese in Rom (Inv.-Nr. 313) sowie mit einem Stich Marcantonio Raimondis in Zusammenhang steht (vgl. auch R. Ward Bissell, Artemisia Gentileschi and the Authority of Art, Pennsylvania State University 1999, S. 184–187, Nr. 1, Abb. 1–5). Die Stellung der Beine der Madonna im vorliegenden Werk ähnelt jener im Gemälde Pulzones; dies gilt ebenso für Darstellung des Haars von Maria und dem Kind mit vergleichbaren goldenen Strähnchen.
Die vorliegende Komposition ist auch durch spätere Versionen von der Hand Artemisias bekannt, darunter eine in der Galleria Spada in Rom (116,5 x 86,5 cm), datiert um 1610/1611, und eine weitere aus den Sammlungen der Medici in der Galleria Palatina in Florenz (118 x 86 cm), datiert um 1616–1618. Obwohl die Kompositionen ähnlich sind und eine identische Ikonografie aufweisen, gibt es Variationen insbesondere in der Pose des Jesuskindes. Das leicht rundliche Antlitz der Madonna der vorliegenden Komposition ist heiter und jugendlich und wird von widerspenstigem hellerem Haar umrahmt; sie wirkt jünger als die Madonna der anderen Fassungen. Es wurde vermutet, dass Artemisia ihr eigenes Modell war, und tatsächlich scheinen ihr die Gesichtszüge ihrer Protagonistin zu ähneln. Das Jesuskind in der vorliegenden Komposition ist mit einem Raffinement dargestellt, das sich von den späteren Versionen unterscheidet. Die Darstellung eines durchsichtigen Schals um den Hals der Madonna in der vorliegenden Komposition ist ebenfalls einzigartig, und die Farbgebung des vorliegenden Gemäldes ist harmonisch und weich.
Francesco Solinas hat vermutet, dass diese Fassungen der Madonna mit Kind (Madonna del Latte) von denselben vorbereitenden Zeichnungen und Kartons stammen könnten (vgl. Solinas 2024). Die drei Gemälde wurden 2012 in Paris im Rahmen der monografischen Ausstellung des Musée Maillol verglichen, wobei sich gezeigt hat, dass die Figuren in allen drei Kompositionen ähnliche Dimensionen aufweisen.
Artemisia replizierte wie ihr Vater Orazio und ihr Onkel Aurelio Lomi Kompositionen in einander mehr oder weniger gleichenden Fassungen, wobei sie Zeichnungen und Kartons verwendete, die manchmal Jahre zuvor angefertigt worden waren. Der Einsatz von Kartons und vorbereitenden Zeichnungen ist in ihrer Korrespondenz dokumentiert, darunter auch Briefe an ihre Kunden aus Neapel. Die Verwendung eines Kartons – eines starken Blattes perforierten Papiers, das dazu diente, die Umrisse einer Komposition auf die Leinwand, Wand oder Holztafel zu übertragen – war eine weit verbreitete künstlerische Praxis, insbesondere in der Toskana des 16. Jahrhunderts, aber auch im damaligen Rom.
Das vorliegende Gemälde aus der Zeit um 1609/1610 entstand vor dem sehr öffentlich geführten und gut dokumentierten Prozess gegen Agostino Tassi, der zwischen Frühling und Winter 1612 stattfand. Im Jahr 1611 nutzte Agostino Tassi, der mit Orazio an mehreren wichtigen Projekten zusammenarbeitete, seinen Zugang zum Haus der Gentileschis, um Artemisia zu vergewaltigen. Orazio erhob Anklage gegen Tassi, der für schuldig befunden und ins Exil geschickt wurde, seine Strafe jedoch nie verbüßte. Artemisia heiratete am 29. November 1612 den Florentiner Pietro Stiattesi und ließ sich im Januar des folgenden Jahres mit ihm in Florenz nieder. Sie lebte dort die nächsten sieben Jahre und gebar vier Kinder; nur eines, ein Mädchen, erreichte das Erwachsenenalter. Artemisia sollte eine gefeierte Künstlerin werden, die für mehrere europäische Herrscher arbeitete. Sie leitete während über 20 Jahren in Neapel eine imponierende Werkstatt. Sie arbeitete auch in Rom, Florenz und Venedig und verbrachte Ende der 1630er-Jahre eine kurze Zeit in London, bevor sie nach Neapel zurückkehrte, wo sie starb.
Technische Analyse von Gianluca Poldi
Die Malerin hat eine Leinwand mit brauner Grundierung verwendet, die sie an jenen Stellen, an denen der dunkle Untergrund die Helligkeit der finalen Farbe beeinträchtigt hätte, mit einer weißen Grundierung bedeckt hat: unterhalb des Kleides der Madonna und unter den hellen Stellen ihres Umhangs, aber auch unterhalb der Schattenzonen des Hintergrunds, wie unter dem Mikroskop gemachte Aufnahmen belegen.
Mittels Reflexionsspektroskopie zeigen sich die verwendeten Pigmente, darunter natürliches Ultramarin (gewonnen aus Lapislazuli), das mit Bleiweiß gemischt im blauen Umhang zu finden ist (bei früheren Restaurierungen wurde Indigo verwendet); ebenso ein sowohl fein als auch grob gemahlener Rotlack auf Karminbasis für das rosafarbene Kleid der Madonna sowie gelber und brauner Ocker und Erden.
Aus maltechnischer Sicht sind die Hauttöne besonders interessant, da die Malerin der üblichen Mischung aus Bleiweiß, Zinnober und Ocker größere Mengen an grob vermahlenem bleibasiertem Gelb hinzugefügt hat, zusammen mit wenigen Partikeln Rotlack und einem schwarzen Pigment für die Schattenbereiche.
Die Infrarotreflektografie zeigt einige Abänderungen in der Komposition, insbesondere beim Kind, dessen Profil ursprünglich etwas näher an der Brust der Mutter gemalt war und dessen Beine und rechter Arm anders platziert waren: Das linke Bein war offenbar gleich dem anderen ausgerichtet und wurde in der Folge angehoben. Das weiße Tuch, welches das rechte Bein des Kindes bedeckt, verläuft unter seinem rechten Arm, was darauf schließen lässt, dass der Arm später in dieser Position gemalt wurde, um sich mit dem anderen Arm über dem Bauch zu verbinden. Entlang der Umrisse der Madonna sind einige kleine Korrekturen zu erkennen. In einigen Bereichen treten in der Infrarotreflektografie Spuren von Umrisszeichnungen, möglicherweise Unterzeichnungen, zutage. Die Malerin arbeitete also an einer Komposition, die vermutlich ursprünglich (auf Papier?) studiert, dann aber direkt auf der Leinwand modifiziert wurde, und zwar auf eine Weise, die auch einige ihrer späteren Werke kennzeichnet.
Experte: Mark MacDonnell
Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403
old.masters@dorotheum.at
22.10.2024 - 18:00
- Schätzwert:
-
EUR 400.000,- bis EUR 600.000,-
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Artemisia Gentileschi
(Rom 1593–1653 Neapel)
Madonna mit Kind,
Öl auf Leinwand, 116 x 89,3 cm, gerahmt
Provenienz:
Auktion, Catherine Charbonneaux, Paris, 26. Februar 2010, Lot 7 (als „zugeschrieben an Artemisia Gentileschi“);
dort erworben durch den jetzigen Besitzer;
Privatsammlung, Schweiz
Ausgestellt:
Mailand, Palazzo Reale, Artemisia Gentileschi – Storia di una passione, 22. September 2011 – 29. Januar 2012, Kat.-Nr. 9 (als Artemisia Gentileschi);
Paris, Fondation Dina Vierny – Musée Maillol, Artemisia 1593–1654, gloire, pouvoir et passions d’une femme peintre, 14. März – 15. Juli 2012, Kat.-Nr. 43 (als Artemisia Gentileschi)
Literatur:
R. Contini, in: R. Contini/F. Solinas (Hg.), Artemisia Gentileschi. Storia di una passione, Ausstellungskatalog, Mailand 2011, S. 152 f., Kat.-Nr. 9, mit Abb. (als Artemisia Gentileschi);
G. Papi, Artemisia Gentileschi, Mailand, Ausstellungsbesprechung, in: The Burlington Magazine, Dezember 2011, CLIII, S. 846 (als „nicht von Artemisia“);
R. Contini, in: R. Contini und F. Solinas (Hg.), Artemisia 1593–1654, Ausstellungskatalog, Paris 2012, S. 43, Kat.-Nr. 3 (als Artemisia Gentileschi);
F. Solinas, La Madonna del Latte di Artemisia Lomi Gentileschi alla Galleria Spada, in: A. Capriotti (Hg.), Investigating Artemisia in the Galleria Spada, Rom 2024, S. 35–50, S. 37, Abb. 2 (als Artemisia Gentileschi)
Wir danken Riccardo Lattuada, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes als unabhängiger Experte bestätigt hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung des Lots.
Dieses subtile Werk hat man um etwa 1609/1610 datiert, als Artemisia Gentileschi 16 oder 17 Jahre alt war. Es handelt sich daher um eines ihrer ersten bekannten Werke und ein bedeutendes und seltenes Beispiel für ihr frühreifes Talent als junge Künstlerin.
Artemisia studierte Malerei in der Werkstatt ihres Vaters Orazio. Ihre bemerkenswerte Fähigkeit ermöglichte es ihr, in ihren frühesten Bildern – wie auch hier im vorliegenden Gemälde – seinen Stil nachzuahmen, insbesondere in den Faltenwürfen. Ihre Farbpalette, die Physiognomie ihrer Figuren, die feinfühlige Lasur und Modellierung der Hauttöne sowie die Details der Texturen im vorliegenden Gemälde verraten den Einfluss Orazios. Von Anfang an ließ Artemisia jedoch die Gabe erkennen, den von ihr gemalten Bilderzählungen Bedeutung und Gefühl zu verleihen, wie hier durch die unverkennbare Zuneigung zwischen Mutter und Kind, wodurch sich ihre Arbeit von der des Vaters abhob. In den 1590er- und frühen 1600er-Jahren malte ihr Vater wie Caravaggio nach posierenden Modellen direkt auf die Leinwand. Es ist wahrscheinlich, dass sie das Malen auf die gleiche Weise erlernte.
Lattuada hat betont, dass die vorliegende Komposition mit Scipione Pulzones Heiliger Familie mit der heiligen Elisabeth und Johannes dem Täufer (um 1588–1590) in der Galleria Borghese in Rom (Inv.-Nr. 313) sowie mit einem Stich Marcantonio Raimondis in Zusammenhang steht (vgl. auch R. Ward Bissell, Artemisia Gentileschi and the Authority of Art, Pennsylvania State University 1999, S. 184–187, Nr. 1, Abb. 1–5). Die Stellung der Beine der Madonna im vorliegenden Werk ähnelt jener im Gemälde Pulzones; dies gilt ebenso für Darstellung des Haars von Maria und dem Kind mit vergleichbaren goldenen Strähnchen.
Die vorliegende Komposition ist auch durch spätere Versionen von der Hand Artemisias bekannt, darunter eine in der Galleria Spada in Rom (116,5 x 86,5 cm), datiert um 1610/1611, und eine weitere aus den Sammlungen der Medici in der Galleria Palatina in Florenz (118 x 86 cm), datiert um 1616–1618. Obwohl die Kompositionen ähnlich sind und eine identische Ikonografie aufweisen, gibt es Variationen insbesondere in der Pose des Jesuskindes. Das leicht rundliche Antlitz der Madonna der vorliegenden Komposition ist heiter und jugendlich und wird von widerspenstigem hellerem Haar umrahmt; sie wirkt jünger als die Madonna der anderen Fassungen. Es wurde vermutet, dass Artemisia ihr eigenes Modell war, und tatsächlich scheinen ihr die Gesichtszüge ihrer Protagonistin zu ähneln. Das Jesuskind in der vorliegenden Komposition ist mit einem Raffinement dargestellt, das sich von den späteren Versionen unterscheidet. Die Darstellung eines durchsichtigen Schals um den Hals der Madonna in der vorliegenden Komposition ist ebenfalls einzigartig, und die Farbgebung des vorliegenden Gemäldes ist harmonisch und weich.
Francesco Solinas hat vermutet, dass diese Fassungen der Madonna mit Kind (Madonna del Latte) von denselben vorbereitenden Zeichnungen und Kartons stammen könnten (vgl. Solinas 2024). Die drei Gemälde wurden 2012 in Paris im Rahmen der monografischen Ausstellung des Musée Maillol verglichen, wobei sich gezeigt hat, dass die Figuren in allen drei Kompositionen ähnliche Dimensionen aufweisen.
Artemisia replizierte wie ihr Vater Orazio und ihr Onkel Aurelio Lomi Kompositionen in einander mehr oder weniger gleichenden Fassungen, wobei sie Zeichnungen und Kartons verwendete, die manchmal Jahre zuvor angefertigt worden waren. Der Einsatz von Kartons und vorbereitenden Zeichnungen ist in ihrer Korrespondenz dokumentiert, darunter auch Briefe an ihre Kunden aus Neapel. Die Verwendung eines Kartons – eines starken Blattes perforierten Papiers, das dazu diente, die Umrisse einer Komposition auf die Leinwand, Wand oder Holztafel zu übertragen – war eine weit verbreitete künstlerische Praxis, insbesondere in der Toskana des 16. Jahrhunderts, aber auch im damaligen Rom.
Das vorliegende Gemälde aus der Zeit um 1609/1610 entstand vor dem sehr öffentlich geführten und gut dokumentierten Prozess gegen Agostino Tassi, der zwischen Frühling und Winter 1612 stattfand. Im Jahr 1611 nutzte Agostino Tassi, der mit Orazio an mehreren wichtigen Projekten zusammenarbeitete, seinen Zugang zum Haus der Gentileschis, um Artemisia zu vergewaltigen. Orazio erhob Anklage gegen Tassi, der für schuldig befunden und ins Exil geschickt wurde, seine Strafe jedoch nie verbüßte. Artemisia heiratete am 29. November 1612 den Florentiner Pietro Stiattesi und ließ sich im Januar des folgenden Jahres mit ihm in Florenz nieder. Sie lebte dort die nächsten sieben Jahre und gebar vier Kinder; nur eines, ein Mädchen, erreichte das Erwachsenenalter. Artemisia sollte eine gefeierte Künstlerin werden, die für mehrere europäische Herrscher arbeitete. Sie leitete während über 20 Jahren in Neapel eine imponierende Werkstatt. Sie arbeitete auch in Rom, Florenz und Venedig und verbrachte Ende der 1630er-Jahre eine kurze Zeit in London, bevor sie nach Neapel zurückkehrte, wo sie starb.
Technische Analyse von Gianluca Poldi
Die Malerin hat eine Leinwand mit brauner Grundierung verwendet, die sie an jenen Stellen, an denen der dunkle Untergrund die Helligkeit der finalen Farbe beeinträchtigt hätte, mit einer weißen Grundierung bedeckt hat: unterhalb des Kleides der Madonna und unter den hellen Stellen ihres Umhangs, aber auch unterhalb der Schattenzonen des Hintergrunds, wie unter dem Mikroskop gemachte Aufnahmen belegen.
Mittels Reflexionsspektroskopie zeigen sich die verwendeten Pigmente, darunter natürliches Ultramarin (gewonnen aus Lapislazuli), das mit Bleiweiß gemischt im blauen Umhang zu finden ist (bei früheren Restaurierungen wurde Indigo verwendet); ebenso ein sowohl fein als auch grob gemahlener Rotlack auf Karminbasis für das rosafarbene Kleid der Madonna sowie gelber und brauner Ocker und Erden.
Aus maltechnischer Sicht sind die Hauttöne besonders interessant, da die Malerin der üblichen Mischung aus Bleiweiß, Zinnober und Ocker größere Mengen an grob vermahlenem bleibasiertem Gelb hinzugefügt hat, zusammen mit wenigen Partikeln Rotlack und einem schwarzen Pigment für die Schattenbereiche.
Die Infrarotreflektografie zeigt einige Abänderungen in der Komposition, insbesondere beim Kind, dessen Profil ursprünglich etwas näher an der Brust der Mutter gemalt war und dessen Beine und rechter Arm anders platziert waren: Das linke Bein war offenbar gleich dem anderen ausgerichtet und wurde in der Folge angehoben. Das weiße Tuch, welches das rechte Bein des Kindes bedeckt, verläuft unter seinem rechten Arm, was darauf schließen lässt, dass der Arm später in dieser Position gemalt wurde, um sich mit dem anderen Arm über dem Bauch zu verbinden. Entlang der Umrisse der Madonna sind einige kleine Korrekturen zu erkennen. In einigen Bereichen treten in der Infrarotreflektografie Spuren von Umrisszeichnungen, möglicherweise Unterzeichnungen, zutage. Die Malerin arbeitete also an einer Komposition, die vermutlich ursprünglich (auf Papier?) studiert, dann aber direkt auf der Leinwand modifiziert wurde, und zwar auf eine Weise, die auch einige ihrer späteren Werke kennzeichnet.
Experte: Mark MacDonnell
Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403
old.masters@dorotheum.at
Käufer Hotline
Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
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Auktion: | Alte Meister |
Auktionstyp: | Saalauktion mit Live Bidding |
Datum: | 22.10.2024 - 18:00 |
Auktionsort: | Wien | Palais Dorotheum |
Besichtigung: | 12.10. - 22.10.2024 |