(Tulln 1890–1918 Wien)
Weiblicher Akt auf ihren Arm gestützt, signiert und datiert EGON SCHIELE 1912, Gouache, Aquarell und Bleistift auf Papier, 45 x 31,6 cm

Provenienz:
Sammlung Lester Francis (1912–1970) und
Joan Avnet (1914–1994), New York
Europäische Privatsammlung

Verzeichnet und abgebildet:
Jane Kallir, Egon Schiele. Das Gesamtwerk, New York 1990, Wvz. Nr. 1051

Ausstellung:
New York, Eine Auswahl von Zeichnungen, Pastellen und Aquarellen aus der Sammlung von Mr. und Mrs. Lester Francis Avent, Cultural Center, 9. Dezember 1969 – 25. Januar 1970, Nr. 123, Abb.


„Die behutsam vorfühlende Arbeit des Bleistifts zwingt die Gegenstände der Darstellung nicht in ein vorgeformtes Flächenornament, sondern entwickelt sie mählich aus dem leeren Grunde, wie ein Bildhauer die Figuren aus dem Stein befreit, und erfaßt sie zärtlich mit versuchenden und wiederholenden Strichen.“
Otto Benesch, Egon Schiele als Zeichner

Dieses Aquarell mit seiner ungewöhnlich komplexen Figurenkomposition entstand 1912, während Schieles Aufenthaltes in Neulengbach, einem kleinen Marktflecken nur wenige Kilometer westlich von Wien entfernt. Nach glücklichen Monaten in ruhiger Umgebung, wurde er nach einer Anklage wegen angeblicher Entführung und Schändung von Minderjährigen zu einer Freiheitsstrafe von 24 Tagen verurteilt. Schiele fand sich ungerecht verurteilt, aber er verstand die Botschaft. Nach 1912 sollte er für viele Jahre keine Akte von Kindern mehr malen. Junge Frauen standen ihm nun Modell und im Fokus seines Interesses.

In diesem Jahr war ihm Wally Neuzil seine verständnisvollste Freundin, Geliebte und kongeniales Modell. Erstaunlich, dass er sie dennoch nur selten mit erkennbarem Gesicht malte oder zeichnete, nur ihr rotblondes Haar taucht 1912 merkbar oft in seinen Aquarellen auf. Es ist daher denkbar, dass Wally auch für dieses Aquarell Modell stand.

Die Figur scheint mehr zu schweben als tatsächlich auf dem Boden zu sitzen, die Beine angewinkelt, den Kopf nach unten gebeugt. Der Betrachter blickt von oben auf die junge, nackte Frau mit rotblondem Haar. Ihre einzige Stütze scheint der ausgestreckte linke Arm zu sein, der wie ein Blumenstiel vom unteren Blattrand emporwächst und sich zur körperlichen Fülle wie zu einer Blüte entfaltet. Die betonte, kraftvolle Vertikalität des Arms steht im Kontrast zur Leichtigkeit der weiblichen Formen, die das gesamte Zentrum des Blattes einnehmen.

„Der Körper ist ein Modell, geformt von Leidenschaften.“
Auguste Rodin

1908 präsentierte der Kunstsalon Hugo Heller in Wien eine Ausstellung, die allein den Zeichnungen und Graphiken Auguste Rodins gewidmet waren. Rodins bildhauerisches Werk war in Wien spätestens seit den ersten Secessions-Ausstellungen bekannt gewesen, seine Zeichnungen empfanden v.a. die Künstler der jüngeren Generation, allen voran Kokoschka und Egon Schiele als „Offenbarung“ auf ihrer Suche nach einem neuen Menschenbild. Rodins freie Studien verschiedener Körperhaltungen in Kombination mit fast transparenten Aquarellzitaten lässt sich auch in dieser bemerkenswerten Gouache nachvollziehen.

Mit dünnem, scharfem Bleistift werden die Körperformen aus dem Grund modelliert. Sie folgen dem Sog einer zügig geführten Linie voller Kurven und Rundungen, die im Bereich des Halsansatzes und der Brüste weniger der Anatomie folgt, mehr Gleichzeitigkeit von Bewegungsmomenten suggeriert. Die reduzierte Verwendung von Gouache im Wechsel mit hauchdünn aufgetragener schwarzer bis blauer Wasserfarbe an den Rändern gestaltet die Oberfläche nach plastischen Prinzipien, verleiht dem gesamten Eindruck aber diesen besonderen Zustand des Schwebens. Allein wie Schiele die Zartheit der Berührung zwischen den Fingern der rechten Hand und dem Fuß mit den wässrigen blau bis schwarz changierende Farben vermittelt, beweist seine ihm eigene Sensibilität für Erotik.

Expertin: Dr. Marianne Hussl-Hörmann Dr. Marianne Hussl-Hörmann
+43-1-515 60-765

marianne.hussl-hoermann@dorotheum.at

Erzielter Preis: **
EUR 565.000,-
Schätzwert:
EUR 400.000,- bis EUR 600.000,-


(Tulln 1890–1918 Wien)
Weiblicher Akt auf ihren Arm gestützt, signiert und datiert EGON SCHIELE 1912, Gouache, Aquarell und Bleistift auf Papier, 45 x 31,6 cm

Provenienz:
Sammlung Lester Francis (1912–1970) und
Joan Avnet (1914–1994), New York
Europäische Privatsammlung

Verzeichnet und abgebildet:
Jane Kallir, Egon Schiele. Das Gesamtwerk, New York 1990, Wvz. Nr. 1051

Ausstellung:
New York, Eine Auswahl von Zeichnungen, Pastellen und Aquarellen aus der Sammlung von Mr. und Mrs. Lester Francis Avent, Cultural Center, 9. Dezember 1969 – 25. Januar 1970, Nr. 123, Abb.


„Die behutsam vorfühlende Arbeit des Bleistifts zwingt die Gegenstände der Darstellung nicht in ein vorgeformtes Flächenornament, sondern entwickelt sie mählich aus dem leeren Grunde, wie ein Bildhauer die Figuren aus dem Stein befreit, und erfaßt sie zärtlich mit versuchenden und wiederholenden Strichen.“
Otto Benesch, Egon Schiele als Zeichner

Dieses Aquarell mit seiner ungewöhnlich komplexen Figurenkomposition entstand 1912, während Schieles Aufenthaltes in Neulengbach, einem kleinen Marktflecken nur wenige Kilometer westlich von Wien entfernt. Nach glücklichen Monaten in ruhiger Umgebung, wurde er nach einer Anklage wegen angeblicher Entführung und Schändung von Minderjährigen zu einer Freiheitsstrafe von 24 Tagen verurteilt. Schiele fand sich ungerecht verurteilt, aber er verstand die Botschaft. Nach 1912 sollte er für viele Jahre keine Akte von Kindern mehr malen. Junge Frauen standen ihm nun Modell und im Fokus seines Interesses.

In diesem Jahr war ihm Wally Neuzil seine verständnisvollste Freundin, Geliebte und kongeniales Modell. Erstaunlich, dass er sie dennoch nur selten mit erkennbarem Gesicht malte oder zeichnete, nur ihr rotblondes Haar taucht 1912 merkbar oft in seinen Aquarellen auf. Es ist daher denkbar, dass Wally auch für dieses Aquarell Modell stand.

Die Figur scheint mehr zu schweben als tatsächlich auf dem Boden zu sitzen, die Beine angewinkelt, den Kopf nach unten gebeugt. Der Betrachter blickt von oben auf die junge, nackte Frau mit rotblondem Haar. Ihre einzige Stütze scheint der ausgestreckte linke Arm zu sein, der wie ein Blumenstiel vom unteren Blattrand emporwächst und sich zur körperlichen Fülle wie zu einer Blüte entfaltet. Die betonte, kraftvolle Vertikalität des Arms steht im Kontrast zur Leichtigkeit der weiblichen Formen, die das gesamte Zentrum des Blattes einnehmen.

„Der Körper ist ein Modell, geformt von Leidenschaften.“
Auguste Rodin

1908 präsentierte der Kunstsalon Hugo Heller in Wien eine Ausstellung, die allein den Zeichnungen und Graphiken Auguste Rodins gewidmet waren. Rodins bildhauerisches Werk war in Wien spätestens seit den ersten Secessions-Ausstellungen bekannt gewesen, seine Zeichnungen empfanden v.a. die Künstler der jüngeren Generation, allen voran Kokoschka und Egon Schiele als „Offenbarung“ auf ihrer Suche nach einem neuen Menschenbild. Rodins freie Studien verschiedener Körperhaltungen in Kombination mit fast transparenten Aquarellzitaten lässt sich auch in dieser bemerkenswerten Gouache nachvollziehen.

Mit dünnem, scharfem Bleistift werden die Körperformen aus dem Grund modelliert. Sie folgen dem Sog einer zügig geführten Linie voller Kurven und Rundungen, die im Bereich des Halsansatzes und der Brüste weniger der Anatomie folgt, mehr Gleichzeitigkeit von Bewegungsmomenten suggeriert. Die reduzierte Verwendung von Gouache im Wechsel mit hauchdünn aufgetragener schwarzer bis blauer Wasserfarbe an den Rändern gestaltet die Oberfläche nach plastischen Prinzipien, verleiht dem gesamten Eindruck aber diesen besonderen Zustand des Schwebens. Allein wie Schiele die Zartheit der Berührung zwischen den Fingern der rechten Hand und dem Fuß mit den wässrigen blau bis schwarz changierende Farben vermittelt, beweist seine ihm eigene Sensibilität für Erotik.

Expertin: Dr. Marianne Hussl-Hörmann Dr. Marianne Hussl-Hörmann
+43-1-515 60-765

marianne.hussl-hoermann@dorotheum.at


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
kundendienst@dorotheum.at

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Auktion: Moderne
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum:
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 10.05. - 20.05.2025


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer(für Lieferland Österreich)

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