Lot No. 61 V


1912 Austro-Adler 14/17 P. S.


1912 Austro-Adler 14/17 P. S. - Classic Cars

Ein rares Relikt aus der Frühzeit der österreichischen Automobilgeschichte
Der einzige bekannte überlebende Austro-Adler
Ab 1951 im Besitz Max Reisch


Mit 27 Jahren gründete Heinrich Kleyer nach einem einjährigen Aufenthalt in den USA in Frankfurt eine Maschinen- und Fahrradhandlung. Schon im Jahr darauf fertigte die Maschinenfabrik Spohr & Krämer auf des Jungunternehmers Geheiß erste Hoch- und Dreiräder. Der begeisterter Radfahrer gründete den Frankfurter Bicycle Club, baute ein Velodrom und 1886 erschien sein erstes eigenes Fahrrad, ein Niederrad, unter dem Namen Adler. Er war der erste, der in Deutschland Fahrräder mit Luftreifen ausstattete, schließlich war er Mitbegründer von Dunlop. Der rasante Aufstieg ging weiter und 1889 legte Heinrich Kleyer den Grundstein für eine eigene Fabrik im Frankfurter Gallusviertel. Der Betrieb wurde ständig erweitert und 1895 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, die Adlerwerke vorm. Heinrich Kleyer AG.

1898 stiegen die Adlerwerke ins Schreibmaschinengeschäft ein und gleichzeitig begann Heinrich Kleyer sich für den Automobil- und Motorradbau zu interessieren. Zur Jahrhundertwende erschien der Adler Motorwagen Nr. 1, ein Voiturette nach französischem Vorbild, ausgestattet mit einem Motor von De Dion-Bouton. Schon 1903 begann die Entwicklungsarbeit an eigenen Motoren, die im Jahr darauf in Produktion gingen. 1905 war Adler der erste deutsche Hersteller, dessen Motoren und Getriebe zu einer Einheit verblockt waren. Fast jedes Jahr präsentierte Adler neue Modelle in allen Größen- und Preisklassen. Anfang der 1910er Jahre gab es Adler mit 1,3 Liter Hubraum und solche mit 9,1 Liter. Deren Zylinderzahl war immer die gleiche, nämlich vier, die Leistung aber reichte von 13 PS bis zu damals gewaltigen 85. Adlers Marktanteil 1914 lag bei stolzen 20 Prozent. Doch Hans Kleyer hatte schon längst nicht mehr nur den deutschen Markt im Visier.

Schon im November 1907 erschien eine erste Annonce in der österreichischen „Allgemeinen Automobilzeitung“. Österreich, das war damals noch die k. u. k. Monarchie und die war ein großer potenzieller Absatzmarkt auch für deutsche Hersteller wie Adler. Schon wenige Wochen später, am 19. Jänner 1908, erschien eine weitere Annoce, dieses Mal als „Österr. Adler-Werke“. Was nach einer richtigen Fabrik klang, war nicht mehr als ein Verkaufslokal, zuerst am Karl-Lueger- Platz, ab 1910 dann am Stubenring Nr. 6 in der Innenstadt. Zumindest besser verkaufen ließ sich der Name. In der ehemaligen Gaswerkgasse betrieb man eine Reparaturwerkstatt. Mit der siedelte man 1912 näher an die Innenstadt in die Franz-Josefs-Bahn-Straße, die heutige Althahnstraße am Alsergrund. Dort betrieb man tatsächlich so etwas wie ein Montagewerk, um die unliebsamen Zollschranken zu umgehen. Die in Wien montierten Adler hießen im Volksmund dann entsprechend Austro-Adler. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs fand dieses Unternehmen ein schnelles und jähes Ende und spätestens 1918 war auch die Niederlassung am Stubenring verschwunden. Das kurze Kapitel Austro-Adler geriet in Vergessenheit und nichts genaueres ist heute mehr bekannt.

Vielleicht wäre die österreichische Episode der Frankfurter Adlerwerke heute völlig vergessen, hätte nicht der umtriebige Henry Goldhann 1950 diesen einen überlebenden Austro-Adler im Waldviertel entdeckt. Beim Modell handelte es sich laut Plakette um einen 14/17 P.S., den es so in seiner deutschen Heimat gar nicht gab. Erscheinung und Kubatur legen jedoch nahe, dass es sich um das österreichische Äquivalent des Modells 7/17 P.S. handeln musste. Im Übertreiben war man hierzulande immer schon gut.

Die Geschichte des Austro-Adlers ist nur mündlich überliefert. Ein Inspektor des k. u. k. Eisenbahnministeriums aus Gmünd soll der erste Besitzer gewesen sein. Das kann schon gut stimmen, denn die Strecke der Franz-Josefs-Bahn verlief von Wien über Gmünd nach Böhmen und da war das Montagewerk vom Bahnhof in Wien nicht weit.

Nach dem Ersten Weltkrieg soll ein Forstinspektor in Lichtenau den Austro-Adler übernommen haben. Rolf Leopold Werner Bernhard Freiherr von Ehrenfels wohnte dort am Schloss der Familie, eher er später zum Islam konvertierte und sich fortan Omar Rolf Baron von Ehrenfels nannte. Er war Anthropologe mit starkem Hang zum Orient, seine neue Konfession machte es in Österreich für ihn zunehmend ungemütlich und er wanderte nach Indien aus, wo er in Madras an der Universität das Institut für Anthropologie begründete.

Bei einem Herrn Berger in Zwettl war der Austro-Adler nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgetaucht. Weil Henrys Garage voll war, erzählte er seinem Freund Max Reisch von seiner Entdeckung und für 600 Schilling wechselte der seltene Vogel den Besitzer. Der Transport mit der Bahn nach Kufstein tat da schon mehr weh, denn der schlug mit 900 Schilling zu Buche.

Die Sitze und das Dach waren dem Austro-Adler bereits abhanden gekommen und seine Karosserie war restaurationsbedürftig. Doch sollten erst 18 Jahre ins (Heilige) Land ziehen, ehe 1969 mit der Restauration begonnen wurde. Zuerst widmete man sich der Mechanik und dem Motor mit seinen paarweisen Zylindern war schnell wieder Leben eingehaucht. So richtig in Gang kamen die Arbeiten erst Mitte der 1970er Jahre. Über die einzelnen Arbeitsschritte wurde wieder akribisch Tagebuch geführt. Oft liest man darin davon, dass der Adler nicht so wollte, wie man das gern gehabt hätte. Viele kleine Rückschläge verzögerten den Fortschritt immer wieder aufs Neue. Selbst der Motor will plötzlich nicht mehr, nachdem er davor schon sauber gelaufen war.

Am 20. September 1980 erfolgte dann die erste Ausfahrt im Austro-Adler. Zwar fehlten noch Kleinigkeiten wie das Dach, aber die erste Fahrt gelang, wenn sie auch wieder neuen Handlungsbedarf offenbarte. Fast drei Jahre sollten vergehen, bis zur zweiten Ausfahrt, immer noch ohne Verdeck, dafür aber schon mit funktionierender Acetylen-Lichtanlage. Danach bekam der Austro-Adler auch noch sein Dach, er zeigte sich aber weiterhin von seiner widerwilligen Seite. Zwischenzeitlich wurde sogar ein zweiter Motor in Reserve angeschafft.

1998 übersiedelte der Austro-Adler mit der gesamten Sammlung nach Bozen und war dort ausgestellt. Als der letzte seiner Art hat er ein kurzes Kapitel österreichischer Automobilgeschichte vor dem Vergessenwerden bewahrt. Diese verantwortungsvolle Aufgabe wird nun in neue Hände gelegt, die den Austro-Ader hoffentlich bald auch wieder auf die Straße bringen werden.

Chassis: 04372,
Motor: 4380K,
Papiere: keine

29.08.2020 - 15:00

Realized price: **
EUR 126,200.-
Estimate:
EUR 50,000.- to EUR 70,000.-

1912 Austro-Adler 14/17 P. S.


Ein rares Relikt aus der Frühzeit der österreichischen Automobilgeschichte
Der einzige bekannte überlebende Austro-Adler
Ab 1951 im Besitz Max Reisch


Mit 27 Jahren gründete Heinrich Kleyer nach einem einjährigen Aufenthalt in den USA in Frankfurt eine Maschinen- und Fahrradhandlung. Schon im Jahr darauf fertigte die Maschinenfabrik Spohr & Krämer auf des Jungunternehmers Geheiß erste Hoch- und Dreiräder. Der begeisterter Radfahrer gründete den Frankfurter Bicycle Club, baute ein Velodrom und 1886 erschien sein erstes eigenes Fahrrad, ein Niederrad, unter dem Namen Adler. Er war der erste, der in Deutschland Fahrräder mit Luftreifen ausstattete, schließlich war er Mitbegründer von Dunlop. Der rasante Aufstieg ging weiter und 1889 legte Heinrich Kleyer den Grundstein für eine eigene Fabrik im Frankfurter Gallusviertel. Der Betrieb wurde ständig erweitert und 1895 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, die Adlerwerke vorm. Heinrich Kleyer AG.

1898 stiegen die Adlerwerke ins Schreibmaschinengeschäft ein und gleichzeitig begann Heinrich Kleyer sich für den Automobil- und Motorradbau zu interessieren. Zur Jahrhundertwende erschien der Adler Motorwagen Nr. 1, ein Voiturette nach französischem Vorbild, ausgestattet mit einem Motor von De Dion-Bouton. Schon 1903 begann die Entwicklungsarbeit an eigenen Motoren, die im Jahr darauf in Produktion gingen. 1905 war Adler der erste deutsche Hersteller, dessen Motoren und Getriebe zu einer Einheit verblockt waren. Fast jedes Jahr präsentierte Adler neue Modelle in allen Größen- und Preisklassen. Anfang der 1910er Jahre gab es Adler mit 1,3 Liter Hubraum und solche mit 9,1 Liter. Deren Zylinderzahl war immer die gleiche, nämlich vier, die Leistung aber reichte von 13 PS bis zu damals gewaltigen 85. Adlers Marktanteil 1914 lag bei stolzen 20 Prozent. Doch Hans Kleyer hatte schon längst nicht mehr nur den deutschen Markt im Visier.

Schon im November 1907 erschien eine erste Annonce in der österreichischen „Allgemeinen Automobilzeitung“. Österreich, das war damals noch die k. u. k. Monarchie und die war ein großer potenzieller Absatzmarkt auch für deutsche Hersteller wie Adler. Schon wenige Wochen später, am 19. Jänner 1908, erschien eine weitere Annoce, dieses Mal als „Österr. Adler-Werke“. Was nach einer richtigen Fabrik klang, war nicht mehr als ein Verkaufslokal, zuerst am Karl-Lueger- Platz, ab 1910 dann am Stubenring Nr. 6 in der Innenstadt. Zumindest besser verkaufen ließ sich der Name. In der ehemaligen Gaswerkgasse betrieb man eine Reparaturwerkstatt. Mit der siedelte man 1912 näher an die Innenstadt in die Franz-Josefs-Bahn-Straße, die heutige Althahnstraße am Alsergrund. Dort betrieb man tatsächlich so etwas wie ein Montagewerk, um die unliebsamen Zollschranken zu umgehen. Die in Wien montierten Adler hießen im Volksmund dann entsprechend Austro-Adler. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs fand dieses Unternehmen ein schnelles und jähes Ende und spätestens 1918 war auch die Niederlassung am Stubenring verschwunden. Das kurze Kapitel Austro-Adler geriet in Vergessenheit und nichts genaueres ist heute mehr bekannt.

Vielleicht wäre die österreichische Episode der Frankfurter Adlerwerke heute völlig vergessen, hätte nicht der umtriebige Henry Goldhann 1950 diesen einen überlebenden Austro-Adler im Waldviertel entdeckt. Beim Modell handelte es sich laut Plakette um einen 14/17 P.S., den es so in seiner deutschen Heimat gar nicht gab. Erscheinung und Kubatur legen jedoch nahe, dass es sich um das österreichische Äquivalent des Modells 7/17 P.S. handeln musste. Im Übertreiben war man hierzulande immer schon gut.

Die Geschichte des Austro-Adlers ist nur mündlich überliefert. Ein Inspektor des k. u. k. Eisenbahnministeriums aus Gmünd soll der erste Besitzer gewesen sein. Das kann schon gut stimmen, denn die Strecke der Franz-Josefs-Bahn verlief von Wien über Gmünd nach Böhmen und da war das Montagewerk vom Bahnhof in Wien nicht weit.

Nach dem Ersten Weltkrieg soll ein Forstinspektor in Lichtenau den Austro-Adler übernommen haben. Rolf Leopold Werner Bernhard Freiherr von Ehrenfels wohnte dort am Schloss der Familie, eher er später zum Islam konvertierte und sich fortan Omar Rolf Baron von Ehrenfels nannte. Er war Anthropologe mit starkem Hang zum Orient, seine neue Konfession machte es in Österreich für ihn zunehmend ungemütlich und er wanderte nach Indien aus, wo er in Madras an der Universität das Institut für Anthropologie begründete.

Bei einem Herrn Berger in Zwettl war der Austro-Adler nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgetaucht. Weil Henrys Garage voll war, erzählte er seinem Freund Max Reisch von seiner Entdeckung und für 600 Schilling wechselte der seltene Vogel den Besitzer. Der Transport mit der Bahn nach Kufstein tat da schon mehr weh, denn der schlug mit 900 Schilling zu Buche.

Die Sitze und das Dach waren dem Austro-Adler bereits abhanden gekommen und seine Karosserie war restaurationsbedürftig. Doch sollten erst 18 Jahre ins (Heilige) Land ziehen, ehe 1969 mit der Restauration begonnen wurde. Zuerst widmete man sich der Mechanik und dem Motor mit seinen paarweisen Zylindern war schnell wieder Leben eingehaucht. So richtig in Gang kamen die Arbeiten erst Mitte der 1970er Jahre. Über die einzelnen Arbeitsschritte wurde wieder akribisch Tagebuch geführt. Oft liest man darin davon, dass der Adler nicht so wollte, wie man das gern gehabt hätte. Viele kleine Rückschläge verzögerten den Fortschritt immer wieder aufs Neue. Selbst der Motor will plötzlich nicht mehr, nachdem er davor schon sauber gelaufen war.

Am 20. September 1980 erfolgte dann die erste Ausfahrt im Austro-Adler. Zwar fehlten noch Kleinigkeiten wie das Dach, aber die erste Fahrt gelang, wenn sie auch wieder neuen Handlungsbedarf offenbarte. Fast drei Jahre sollten vergehen, bis zur zweiten Ausfahrt, immer noch ohne Verdeck, dafür aber schon mit funktionierender Acetylen-Lichtanlage. Danach bekam der Austro-Adler auch noch sein Dach, er zeigte sich aber weiterhin von seiner widerwilligen Seite. Zwischenzeitlich wurde sogar ein zweiter Motor in Reserve angeschafft.

1998 übersiedelte der Austro-Adler mit der gesamten Sammlung nach Bozen und war dort ausgestellt. Als der letzte seiner Art hat er ein kurzes Kapitel österreichischer Automobilgeschichte vor dem Vergessenwerden bewahrt. Diese verantwortungsvolle Aufgabe wird nun in neue Hände gelegt, die den Austro-Ader hoffentlich bald auch wieder auf die Straße bringen werden.

Chassis: 04372,
Motor: 4380K,
Papiere: keine


Buyers hotline Mon.-Fri.: 10.00am - 4.00pm
oldtimer@dorotheum.at

+43 1 515 60 428
Auction: Classic Cars
Auction type: Saleroom auction
Date: 29.08.2020 - 15:00
Location: Vösendorf
Exhibition: 26.08. - 29.08.2020


** Purchase price incl. buyer's premium and VAT

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