Lot Nr. 26


Jacopo Tintoretto


Jacopo Tintoretto - Alte Meister

(Venedig 1519–1594)
Die Schlacht zwischen Philistern und Israeliten,
Öl auf Leinwand, 146 x 230,7 cm, gerahmt

Provenienz:
vermutlich ausgeführt für die Herzöge Gonzaga von Mantua;
europäische Privatsammlung;
dort erworben vom jetzigen Besitzer

Wir danken Mauro Lucco, Bernard Aikema und Vilmos Tátrai, die die Zuschreibung unabhängig voneinander nach Prüfung des vorliegenden Gemäldes im Original bestätigt haben.

Das vorliegende Gemälde scheint bis dato unveröffentlicht und ist daher eine wichtige Hinzufügung zum Werkkorpus Jacopo Robustis, gen. Tintoretto.

Das Gemälde zeigt in dramatischer Art und Weise eine Schlacht, aufgesplittert in eine Vielzahl von Einzelszenen, in denen es um Tod oder Davonkommen geht. Manche, die im Begriff sind, auf die Palisaden zu springen, werden von Speeren durchbohrt; andere suchen zu entkommen, indem sie sich in einem tiefen Graben verstecken. Die Elefanten und vermeintlichen Kamele im Hintergrund weisen auf einen orientalischen oder afrikanischen Schauplatz; dafür spricht auch die flüchtende Figur ganz links im Vordergrund, die einen Turban trägt. Trotz der Vielfigurigkeit der Schlachtenszene gibt es zwei deutlich erkennbare Protagonisten. Im rechten Vordergrund nähert sich eine jugendliche Gestalt einem älteren Mann von gigantischen Ausmaßen, der mit dem Gesicht nach unten vor ihm auf dem Boden liegt. Es handelt sich wohl um David, im Begriff, dem von ihm besiegten Gegner Goliath den letzten Stoß zu versetzen. Da in dieser Episode ursprünglich keine Elefanten vorkommen, liegt die Vermutung nahe, dass es sich um eine der Fantasie entsprungene Hinzufügung handelt. Die dem Jüngling gegenübergestellte auf dem Bauch hingestreckte Figur entspricht in ihrer Größe jedenfalls dem in der Bibel berichteten Riesenmaß von etwa dreieinhalb Metern. Erzählt wird die Geschichte im Buch Samuel 1:17, wo geschrieben steht, dass David den bewusstlosen Philister mit dem eigenen Schwert getötet hat. Im vorliegenden Bild schwingt der jugendliche Protagonist jedoch mit beiden Händen einen Speer: ein ikonografisch ungewöhnliches Detail. Die Infrarotreflektografie (siehe Abb.), die auch andere interessante Erkenntnisse zutage gebracht hat, hat jedoch ergeben, dass der junge Krieger ursprünglich einen etwas breiteren Gegenstand mit Griff auf sein Opfer richtete: zweifellos ein Schwert. Es ist schwer zu sagen, warum der Maler das Schwert gegen einen Speer getauscht hat, doch könnte dieser auf den Triumph Davids anspielen, der als junger Held mit dem auf einer Lanze oder einem Speer aufgespießten Haupt Goliaths in Jerusalem einzieht – eine in der Renaissance und im Barock häufig dargestellte Szene. Das muss auch der Grund gewesen sein, warum Lorenzo Lotto in seinen Intarsien für Santa Maria Maggiore in Bergamo von 1522/1523, die Davids Angriff auf Goliath zeigen, neben dem jungen Israeliten einen Speer auf dem Boden liegend dargestellt hat.

Das vorliegende Bild ist deshalb außergewöhnlich, weil der Kampf zwischen David und Goliath selten in den Kontext einer größeren Schlachtenszene eingebunden ist. Der Beweggrund für diese spektakuläre ikonografische Erweiterung ist nicht ganz klar, doch möglicherweise war das vorliegende Werk ursprünglich Teil eines größeren Gemäldezyklus mit Szenen aus dem Alten Testament oder Szenen aus dem Leben Davids. Um die letztgenannte Vermutung zu untermauern, sei auf eine Serie von vier Lünettenfresken Giulio Romanos hingewiesen, die eben dieses Thema darstellen (siehe A. Pigler, Barockthemen, Budapest 1974, I, S. 135). Es mag Zufall sein, dass sich diese vier Fresken im Palazzo Te in Mantua befinden, der Sommerresidenz der Familie Gonzaga, die bei Tintoretto ein halbes Jahrhundert später einen Zyklus von acht großen Gemälden der Fasti Gonzagheschi (glorreiche Episoden aus der Geschichte der Familie Gonzaga) bestellte. Diese großen Bilder wurden in zwei Tranchen ausgeführt – 1578/1579 und 1579/1580 – und hoch oben in der Sala di Marchesi im Herzogspalast in Mantua als Friese angebracht. Sie befinden sich heute in München in der Sammlung der Alten Pinakothek (siehe C. Syre, Tintoretto. The Gonzaga Cycle, München 2000). In technischer Hinsicht weisen die Bilder des Gonzaga-Zyklus Gemeinsamkeiten mit dem vorliegenden David und Goliath auf. Die wunderbar bewegte Komposition des vorliegenden Bildes mit den zahlreichen Kampfesszenen lässt sich mit Gemälden des Fasti-Zyklus wie der Befreiung Legnanos oder der Schlacht am Taro vergleichen. Stilistisch handelt es sich um ein typisches Werk Jacopo Tintorettos, nicht nur aufgrund von Details wie dem flotten Pinselstrich und dem wirbelnden Farbauftrag, sondern auch wegen der stets wechselnden Perspektive, als wollte der Künstler den stets neuen Blickrichtungen innerhalb der Szene Ausdruck verleihen. Diese Stilelemente entsprechen den Anforderungen der maniera moderna, zu deren überzeugten Anhängern Tintoretto zählte.

Zweifellos entstand dieses Bild wie auch der Gonzaga-Zyklus in der vielbeschäftigten Werkstatt Tintorettos, in der damals Jacopos Sohn Domenico eine wichtige Rolle spielte, vermutlich als sein erster Gehilfe. Um zu sagen, wie diese Arbeitsteilung genau aussah, sind noch weitere Forschungen zu Tintorettos bottega vonnöten. Doch das vorliegende Gemälde ist nicht nur in seiner finalen Erscheinung überaus prächtig, sondern auch von seiner Entstehungsgeschichte her faszinierend. Das geht aus den Röntgen- und IRR-Aufnahmen (siehe Abb. 1 und 2) hervor, die viele in der Tat eindrucksvolle Informationen zur Genese des Bildes liefern. Angesichts dieser Aufnahmen scheint es, als hätte die Komposition anfänglich eine Reihe großer Gebäude beinhaltet, verteilt über einen größeren Teil der Fläche vor allem im rechten Bildbereich. Diese Bauten erinnern an so manche der Fasti Gonzagheschi (zum Beispiel im Einzug des Infanten Philipp II. von Spanien in Mantua, 1549). Die Röntgenaufnahme zeigt zudem das Vorhandensein einer oder mehrerer weiterer größerer Figuren im Vorder- und Mittelgrund, die in einem späteren Arbeitsschritt übermalt wurden. Auch derartige Figuren sind in den Fasti Gonzagheschi anzutreffen. Diese Werke sind nach der Schlacht von Asola die einzigen, bei denen sich Tintoretto als Schlachtenmaler betätigte. Dabei fasste er die Darstellung nicht als Bewegung großer Menschengruppen auf, sondern vielmehr als eine Folge von Einzelepisoden und deren Summe. Die Konturlinien der Zweige, die das Bild in eine Abfolge von Tableaus aufteilen, stimmen mit dem gebrochenen Licht und den Umrissen der Bäume und Grasbüschel in der Sala Superiore der Scuola di San Rocco überein. Es ist daher zu erwägen, dass die vorliegende großartige Bildfindung Tintorettos in den späten 1570er- oder frühen 1580er-Jahren in der Werkstatt Tintorettos geplant und ausgeführt wurde, in zeitlicher Nähe zum Auftrag der Gonzaga. Dabei ist offensichtlich, dass die Komposition zunächst ganz anders vorgesehen war und damit den Bildern des Gonzaga-Auftrags noch näherstand und erst zu einem späteren Zeitpunkt zu dem wurde, was uns nun als David und Goliath vorliegt.

Das vorliegende Gemälde ist eindeutig darauf angelegt, von einem unten gelegenen Standpunkt aus betrachtet zu werden, ganz wie die Fasti Gonzagheschi. Die Platzierung der beiden Figuren von David und Goliath ganz rechts im Vordergrund mag zudem darauf hindeuten, dass sich der Betrachter dem Bild von links nähern sollte. Das würde bedeuten, dass sich der ursprüngliche Anbringungsort hoch oben auf der Wand eines großen Raumes oder Ganges befunden hat, wo das Gemälde höchstwahrscheinlich im Verbund mit anderen Bildern hing, mit denen es einen Fries bildete: wiederum ganz wie bei den Fasti.

Es stellt sich daher die Frage, ob das Gemälde von David und Goliath ein Auftrag der Gonzaga war. Dabei ist zu bedenken, dass die Geschichte von David und Goliath traditionell eine starke politische Konnotation hatte (vgl. zum Beispiel Michelangelos Jugendwerk des David in Florenz). Interessant ist, dass Davids Schwert hier gegen einen Speer ausgetauscht wurde, vielmehr ein Hinweis auf den rechtmäßigen Triumph des jungen Helden als auf dessen Mut in der Schlacht. Doch gibt es offenbar weder in schriftlicher noch in gedruckter Form irgendwelche Aufzeichnungen, die einen solchen Auftrag belegen würden. Es findet sich nur ein interessanter Hinweis von Paolo Bertelli, der ein anonymes Gemälde betrifft, das 1803 in einem Inventar des Herzogspalasts in Mantua als in einem Raum der Gemächer Herzogs Vincenzos I. befindlich vermerkt wird. Das Bild wurde als „Davide nell’atto di aver ucciso il gigante Golia, l’armata in distanza che fugge ma molto patito“ beschrieben. Das Werk wurde 1847 und dann wieder 1853 zur Auktion freigegeben, doch sein momentaner Aufbewahrungsort ist nicht bekannt. Da sich die Beschreibung mit dem vorliegenden Bild deckt, wäre die Möglichkeit, dass es sich um ein und dasselbe Werk handelt, in Erwägung zu ziehen. Das Problem dabei ist, dass die Maße des Gemäldes im Inventar mit ca. 2,40 mal 3,30 Metern angegeben sind, während das vorliegende Bild 1,46 mal 2,30 Meter misst – ein beträchtlicher Unterschied also. Doch in Anbetracht der übereinstimmenden Themen sollte man die Hypothese eines Gonzaga-Auftrags bei aller gebotener Zurückhaltung nicht ganz von der Hand weisen.

Weitere Forschungen könnten diese Schlussfolgerungen, die zurzeit noch spekulativ sind, untermauern. Nichtsdestotrotz ist eines sicher: Bei David und Goliath handelt es sich um ein Hauptwerk aus der Reifezeit Jacopo Tintorettos, entstanden um 1575–1580.

Wir danken Bernard Aikema und Mauro Lucco für ihre Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Ausführung und Technik

Analysen mittels bildgebender Verfahren bringen eine außerordentlich komplexe und faszinierende Entstehungsgeschichte zutage. Der Bildträger besteht aus zwei horizontal zusammengefügten Leinwänden. Röntgenaufnahmen weisen auf die großflächige Verwendung eines stark röntgendichten Pigments (vermutlich Bleiweiß) für einige der Gebäude in der rechten Bildhälfte; weniger Hinweise gibt es für dessen Einsatz im linken Bildbereich. Die Gebäude lassen sich als perspektivische Ansicht eines Platzes und damit als Kulisse identifizieren, die höchstwahrscheinlich nicht für einen David und Goliath, sondern für ein anderes Bildthema intendiert war.

Abgesehen von diesen vertikalen Strukturen bezieht sich der Großteil der in der Röntgenaufnahme sichtbaren weißen Pinselstriche auf die tatsächliche Komposition. Viele der Figuren werden von einem Netz aus weißen Linien umschlossen, die nicht nur die obere Farbschicht betreffen, wo die Pigmente mit Bleiweiß gemischt wurden; sie lassen sich auch als Unterzeichnung interpretieren, die dazu diente, die menschliche Formen zu studieren und zu entwickeln, wobei die Komplexität von Figur zu Figur variiert. Einige Figuren und Ideen wurden während des Malprozesses verworfen.

Der Bildfindungsprozess umfasst auch eine weitere Form der Zeichnung, die nur in der IRR sichtbar wird: Sie wurde mit schwarzem und eher breitem Pinsel ausgeführt und ist zuweilen vollkommen frei, etwa im Hintergrund; in anderen Fällen fungiert sie als schnelle Umrisslinie, wie – insbesondere die größeren – Figuren erkennen lassen. Im oberen Bildbereich scheinen diese Linien die Architekturskizze zu betreffen; oben links deuten geschwungene Pinselstriche Bögen an, die möglicherweise einen Portikus bilden sollten, vielleicht auch Vegetation. Oben rechts findet sich der Hinweis auf einen in einem Innen- oder im Außenraum angesiedelten Schauplatz, möglicherweise Zelte von Soldaten. Rasch skizzierter Pflanzenwuchs ist auch in der oberen Mitte der Leinwand auszumachen.

Beide Formen der Unterzeichnung – die mit weißen Pinselstrichen und die in einem schwarzen Medium ausgeführte – sind typisch für die Arbeitsweise Jacopo Tintorettos, der seine Figuren in unterschiedlicher Art und Weise vorbereitete. Manchmal begann er die Bildkomposition auch mit Zeichnungen auf Papier, und man weiß auch, dass er sich eines Heimtheaters mit kleinen Puppen bediente. Diese Methode zog er zum Beispiel für die Gemälde des Gonzaga-Zyklus sowie für mehrere frühe Werke wie die kürzlich restaurierte Kreuzigung in Padua heran.

Die Spektralanalyse, durchgeführt mittels Röntgenfluoreszenz und Reflexionsspektroskopie, ermöglichte die Bestimmung der von Tintoretto verwendeten Pigmente. Über einer weißen oder naturweißen kalziumhaltigen Grundierung – möglicherweise Kalziumsulfat – beinhaltet die Farbpalette ein mit Bleiweiß gemischtes tiefblaues Lapislazuli-Pigment in den Gewändern einiger Soldaten und Davids sowie im Wasser des Grabens im Vordergrund. Die Blautönte des Himmels sind hingegen mit Azurit gemalt. Bleizinngelb (giallorino) kam großflächig in der Landschaft und für das Gras und die Vegetation zum Einsatz, während braune Erden und kupferhaltige Pigmente (Grünspan, zuweilen Azurit) verwendet wurden, um den gewünschten Farbton zu erzielen. Die Vegetation umfasst eine beeindruckende Vielfalt an Baumarten und Gräsern, die am Ende des Malprozesses hinzugefügt worden zu sein scheinen und die viel zur Bewegtheit der Gesamtkomposition beitragen. Diese Grüntöne haben ihre Farbe mittlerweile verändert, was auch auf andere Gemälde Tinoretto zutrifft. Zinnober und Karmin kamen bei den roten und rosafarbenen Gewändern zum Einsatz.
Eine Reinigung sollte die ursprüngliche, für Tintoretto typische Farbigkeit bis zu einem gewissen Grad wieder herstellen.
Wir danken Gianluca Poldi, der das vorliegende Gemälde technisch analysiert hat.


Zusatzabbildung:
Abb. 1: Röntgenbild des vorliegenden Gemäldes
Abb. 2: Infrarot-Reflektogramm des vorliegenden Gemäldes

18.10.2016 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 907.500,-
Schätzwert:
EUR 300.000,- bis EUR 400.000,-

Jacopo Tintoretto


(Venedig 1519–1594)
Die Schlacht zwischen Philistern und Israeliten,
Öl auf Leinwand, 146 x 230,7 cm, gerahmt

Provenienz:
vermutlich ausgeführt für die Herzöge Gonzaga von Mantua;
europäische Privatsammlung;
dort erworben vom jetzigen Besitzer

Wir danken Mauro Lucco, Bernard Aikema und Vilmos Tátrai, die die Zuschreibung unabhängig voneinander nach Prüfung des vorliegenden Gemäldes im Original bestätigt haben.

Das vorliegende Gemälde scheint bis dato unveröffentlicht und ist daher eine wichtige Hinzufügung zum Werkkorpus Jacopo Robustis, gen. Tintoretto.

Das Gemälde zeigt in dramatischer Art und Weise eine Schlacht, aufgesplittert in eine Vielzahl von Einzelszenen, in denen es um Tod oder Davonkommen geht. Manche, die im Begriff sind, auf die Palisaden zu springen, werden von Speeren durchbohrt; andere suchen zu entkommen, indem sie sich in einem tiefen Graben verstecken. Die Elefanten und vermeintlichen Kamele im Hintergrund weisen auf einen orientalischen oder afrikanischen Schauplatz; dafür spricht auch die flüchtende Figur ganz links im Vordergrund, die einen Turban trägt. Trotz der Vielfigurigkeit der Schlachtenszene gibt es zwei deutlich erkennbare Protagonisten. Im rechten Vordergrund nähert sich eine jugendliche Gestalt einem älteren Mann von gigantischen Ausmaßen, der mit dem Gesicht nach unten vor ihm auf dem Boden liegt. Es handelt sich wohl um David, im Begriff, dem von ihm besiegten Gegner Goliath den letzten Stoß zu versetzen. Da in dieser Episode ursprünglich keine Elefanten vorkommen, liegt die Vermutung nahe, dass es sich um eine der Fantasie entsprungene Hinzufügung handelt. Die dem Jüngling gegenübergestellte auf dem Bauch hingestreckte Figur entspricht in ihrer Größe jedenfalls dem in der Bibel berichteten Riesenmaß von etwa dreieinhalb Metern. Erzählt wird die Geschichte im Buch Samuel 1:17, wo geschrieben steht, dass David den bewusstlosen Philister mit dem eigenen Schwert getötet hat. Im vorliegenden Bild schwingt der jugendliche Protagonist jedoch mit beiden Händen einen Speer: ein ikonografisch ungewöhnliches Detail. Die Infrarotreflektografie (siehe Abb.), die auch andere interessante Erkenntnisse zutage gebracht hat, hat jedoch ergeben, dass der junge Krieger ursprünglich einen etwas breiteren Gegenstand mit Griff auf sein Opfer richtete: zweifellos ein Schwert. Es ist schwer zu sagen, warum der Maler das Schwert gegen einen Speer getauscht hat, doch könnte dieser auf den Triumph Davids anspielen, der als junger Held mit dem auf einer Lanze oder einem Speer aufgespießten Haupt Goliaths in Jerusalem einzieht – eine in der Renaissance und im Barock häufig dargestellte Szene. Das muss auch der Grund gewesen sein, warum Lorenzo Lotto in seinen Intarsien für Santa Maria Maggiore in Bergamo von 1522/1523, die Davids Angriff auf Goliath zeigen, neben dem jungen Israeliten einen Speer auf dem Boden liegend dargestellt hat.

Das vorliegende Bild ist deshalb außergewöhnlich, weil der Kampf zwischen David und Goliath selten in den Kontext einer größeren Schlachtenszene eingebunden ist. Der Beweggrund für diese spektakuläre ikonografische Erweiterung ist nicht ganz klar, doch möglicherweise war das vorliegende Werk ursprünglich Teil eines größeren Gemäldezyklus mit Szenen aus dem Alten Testament oder Szenen aus dem Leben Davids. Um die letztgenannte Vermutung zu untermauern, sei auf eine Serie von vier Lünettenfresken Giulio Romanos hingewiesen, die eben dieses Thema darstellen (siehe A. Pigler, Barockthemen, Budapest 1974, I, S. 135). Es mag Zufall sein, dass sich diese vier Fresken im Palazzo Te in Mantua befinden, der Sommerresidenz der Familie Gonzaga, die bei Tintoretto ein halbes Jahrhundert später einen Zyklus von acht großen Gemälden der Fasti Gonzagheschi (glorreiche Episoden aus der Geschichte der Familie Gonzaga) bestellte. Diese großen Bilder wurden in zwei Tranchen ausgeführt – 1578/1579 und 1579/1580 – und hoch oben in der Sala di Marchesi im Herzogspalast in Mantua als Friese angebracht. Sie befinden sich heute in München in der Sammlung der Alten Pinakothek (siehe C. Syre, Tintoretto. The Gonzaga Cycle, München 2000). In technischer Hinsicht weisen die Bilder des Gonzaga-Zyklus Gemeinsamkeiten mit dem vorliegenden David und Goliath auf. Die wunderbar bewegte Komposition des vorliegenden Bildes mit den zahlreichen Kampfesszenen lässt sich mit Gemälden des Fasti-Zyklus wie der Befreiung Legnanos oder der Schlacht am Taro vergleichen. Stilistisch handelt es sich um ein typisches Werk Jacopo Tintorettos, nicht nur aufgrund von Details wie dem flotten Pinselstrich und dem wirbelnden Farbauftrag, sondern auch wegen der stets wechselnden Perspektive, als wollte der Künstler den stets neuen Blickrichtungen innerhalb der Szene Ausdruck verleihen. Diese Stilelemente entsprechen den Anforderungen der maniera moderna, zu deren überzeugten Anhängern Tintoretto zählte.

Zweifellos entstand dieses Bild wie auch der Gonzaga-Zyklus in der vielbeschäftigten Werkstatt Tintorettos, in der damals Jacopos Sohn Domenico eine wichtige Rolle spielte, vermutlich als sein erster Gehilfe. Um zu sagen, wie diese Arbeitsteilung genau aussah, sind noch weitere Forschungen zu Tintorettos bottega vonnöten. Doch das vorliegende Gemälde ist nicht nur in seiner finalen Erscheinung überaus prächtig, sondern auch von seiner Entstehungsgeschichte her faszinierend. Das geht aus den Röntgen- und IRR-Aufnahmen (siehe Abb. 1 und 2) hervor, die viele in der Tat eindrucksvolle Informationen zur Genese des Bildes liefern. Angesichts dieser Aufnahmen scheint es, als hätte die Komposition anfänglich eine Reihe großer Gebäude beinhaltet, verteilt über einen größeren Teil der Fläche vor allem im rechten Bildbereich. Diese Bauten erinnern an so manche der Fasti Gonzagheschi (zum Beispiel im Einzug des Infanten Philipp II. von Spanien in Mantua, 1549). Die Röntgenaufnahme zeigt zudem das Vorhandensein einer oder mehrerer weiterer größerer Figuren im Vorder- und Mittelgrund, die in einem späteren Arbeitsschritt übermalt wurden. Auch derartige Figuren sind in den Fasti Gonzagheschi anzutreffen. Diese Werke sind nach der Schlacht von Asola die einzigen, bei denen sich Tintoretto als Schlachtenmaler betätigte. Dabei fasste er die Darstellung nicht als Bewegung großer Menschengruppen auf, sondern vielmehr als eine Folge von Einzelepisoden und deren Summe. Die Konturlinien der Zweige, die das Bild in eine Abfolge von Tableaus aufteilen, stimmen mit dem gebrochenen Licht und den Umrissen der Bäume und Grasbüschel in der Sala Superiore der Scuola di San Rocco überein. Es ist daher zu erwägen, dass die vorliegende großartige Bildfindung Tintorettos in den späten 1570er- oder frühen 1580er-Jahren in der Werkstatt Tintorettos geplant und ausgeführt wurde, in zeitlicher Nähe zum Auftrag der Gonzaga. Dabei ist offensichtlich, dass die Komposition zunächst ganz anders vorgesehen war und damit den Bildern des Gonzaga-Auftrags noch näherstand und erst zu einem späteren Zeitpunkt zu dem wurde, was uns nun als David und Goliath vorliegt.

Das vorliegende Gemälde ist eindeutig darauf angelegt, von einem unten gelegenen Standpunkt aus betrachtet zu werden, ganz wie die Fasti Gonzagheschi. Die Platzierung der beiden Figuren von David und Goliath ganz rechts im Vordergrund mag zudem darauf hindeuten, dass sich der Betrachter dem Bild von links nähern sollte. Das würde bedeuten, dass sich der ursprüngliche Anbringungsort hoch oben auf der Wand eines großen Raumes oder Ganges befunden hat, wo das Gemälde höchstwahrscheinlich im Verbund mit anderen Bildern hing, mit denen es einen Fries bildete: wiederum ganz wie bei den Fasti.

Es stellt sich daher die Frage, ob das Gemälde von David und Goliath ein Auftrag der Gonzaga war. Dabei ist zu bedenken, dass die Geschichte von David und Goliath traditionell eine starke politische Konnotation hatte (vgl. zum Beispiel Michelangelos Jugendwerk des David in Florenz). Interessant ist, dass Davids Schwert hier gegen einen Speer ausgetauscht wurde, vielmehr ein Hinweis auf den rechtmäßigen Triumph des jungen Helden als auf dessen Mut in der Schlacht. Doch gibt es offenbar weder in schriftlicher noch in gedruckter Form irgendwelche Aufzeichnungen, die einen solchen Auftrag belegen würden. Es findet sich nur ein interessanter Hinweis von Paolo Bertelli, der ein anonymes Gemälde betrifft, das 1803 in einem Inventar des Herzogspalasts in Mantua als in einem Raum der Gemächer Herzogs Vincenzos I. befindlich vermerkt wird. Das Bild wurde als „Davide nell’atto di aver ucciso il gigante Golia, l’armata in distanza che fugge ma molto patito“ beschrieben. Das Werk wurde 1847 und dann wieder 1853 zur Auktion freigegeben, doch sein momentaner Aufbewahrungsort ist nicht bekannt. Da sich die Beschreibung mit dem vorliegenden Bild deckt, wäre die Möglichkeit, dass es sich um ein und dasselbe Werk handelt, in Erwägung zu ziehen. Das Problem dabei ist, dass die Maße des Gemäldes im Inventar mit ca. 2,40 mal 3,30 Metern angegeben sind, während das vorliegende Bild 1,46 mal 2,30 Meter misst – ein beträchtlicher Unterschied also. Doch in Anbetracht der übereinstimmenden Themen sollte man die Hypothese eines Gonzaga-Auftrags bei aller gebotener Zurückhaltung nicht ganz von der Hand weisen.

Weitere Forschungen könnten diese Schlussfolgerungen, die zurzeit noch spekulativ sind, untermauern. Nichtsdestotrotz ist eines sicher: Bei David und Goliath handelt es sich um ein Hauptwerk aus der Reifezeit Jacopo Tintorettos, entstanden um 1575–1580.

Wir danken Bernard Aikema und Mauro Lucco für ihre Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Ausführung und Technik

Analysen mittels bildgebender Verfahren bringen eine außerordentlich komplexe und faszinierende Entstehungsgeschichte zutage. Der Bildträger besteht aus zwei horizontal zusammengefügten Leinwänden. Röntgenaufnahmen weisen auf die großflächige Verwendung eines stark röntgendichten Pigments (vermutlich Bleiweiß) für einige der Gebäude in der rechten Bildhälfte; weniger Hinweise gibt es für dessen Einsatz im linken Bildbereich. Die Gebäude lassen sich als perspektivische Ansicht eines Platzes und damit als Kulisse identifizieren, die höchstwahrscheinlich nicht für einen David und Goliath, sondern für ein anderes Bildthema intendiert war.

Abgesehen von diesen vertikalen Strukturen bezieht sich der Großteil der in der Röntgenaufnahme sichtbaren weißen Pinselstriche auf die tatsächliche Komposition. Viele der Figuren werden von einem Netz aus weißen Linien umschlossen, die nicht nur die obere Farbschicht betreffen, wo die Pigmente mit Bleiweiß gemischt wurden; sie lassen sich auch als Unterzeichnung interpretieren, die dazu diente, die menschliche Formen zu studieren und zu entwickeln, wobei die Komplexität von Figur zu Figur variiert. Einige Figuren und Ideen wurden während des Malprozesses verworfen.

Der Bildfindungsprozess umfasst auch eine weitere Form der Zeichnung, die nur in der IRR sichtbar wird: Sie wurde mit schwarzem und eher breitem Pinsel ausgeführt und ist zuweilen vollkommen frei, etwa im Hintergrund; in anderen Fällen fungiert sie als schnelle Umrisslinie, wie – insbesondere die größeren – Figuren erkennen lassen. Im oberen Bildbereich scheinen diese Linien die Architekturskizze zu betreffen; oben links deuten geschwungene Pinselstriche Bögen an, die möglicherweise einen Portikus bilden sollten, vielleicht auch Vegetation. Oben rechts findet sich der Hinweis auf einen in einem Innen- oder im Außenraum angesiedelten Schauplatz, möglicherweise Zelte von Soldaten. Rasch skizzierter Pflanzenwuchs ist auch in der oberen Mitte der Leinwand auszumachen.

Beide Formen der Unterzeichnung – die mit weißen Pinselstrichen und die in einem schwarzen Medium ausgeführte – sind typisch für die Arbeitsweise Jacopo Tintorettos, der seine Figuren in unterschiedlicher Art und Weise vorbereitete. Manchmal begann er die Bildkomposition auch mit Zeichnungen auf Papier, und man weiß auch, dass er sich eines Heimtheaters mit kleinen Puppen bediente. Diese Methode zog er zum Beispiel für die Gemälde des Gonzaga-Zyklus sowie für mehrere frühe Werke wie die kürzlich restaurierte Kreuzigung in Padua heran.

Die Spektralanalyse, durchgeführt mittels Röntgenfluoreszenz und Reflexionsspektroskopie, ermöglichte die Bestimmung der von Tintoretto verwendeten Pigmente. Über einer weißen oder naturweißen kalziumhaltigen Grundierung – möglicherweise Kalziumsulfat – beinhaltet die Farbpalette ein mit Bleiweiß gemischtes tiefblaues Lapislazuli-Pigment in den Gewändern einiger Soldaten und Davids sowie im Wasser des Grabens im Vordergrund. Die Blautönte des Himmels sind hingegen mit Azurit gemalt. Bleizinngelb (giallorino) kam großflächig in der Landschaft und für das Gras und die Vegetation zum Einsatz, während braune Erden und kupferhaltige Pigmente (Grünspan, zuweilen Azurit) verwendet wurden, um den gewünschten Farbton zu erzielen. Die Vegetation umfasst eine beeindruckende Vielfalt an Baumarten und Gräsern, die am Ende des Malprozesses hinzugefügt worden zu sein scheinen und die viel zur Bewegtheit der Gesamtkomposition beitragen. Diese Grüntöne haben ihre Farbe mittlerweile verändert, was auch auf andere Gemälde Tinoretto zutrifft. Zinnober und Karmin kamen bei den roten und rosafarbenen Gewändern zum Einsatz.
Eine Reinigung sollte die ursprüngliche, für Tintoretto typische Farbigkeit bis zu einem gewissen Grad wieder herstellen.
Wir danken Gianluca Poldi, der das vorliegende Gemälde technisch analysiert hat.


Zusatzabbildung:
Abb. 1: Röntgenbild des vorliegenden Gemäldes
Abb. 2: Infrarot-Reflektogramm des vorliegenden Gemäldes


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 18.10.2016 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 08.10. - 18.10.2016


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

Es können keine Kaufaufträge über Internet mehr abgegeben werden. Die Auktion befindet sich in Vorbereitung bzw. wurde bereits durchgeführt.