Lot Nr. 92 -


Guido Cagnacci


Guido Cagnacci - Alte Meister

(Sant’Arcangelo di Romagna 1601–1663 Wien)
Die büßende Magdalena,
Öl auf Leinwand, 54,5 x 65 cm, gerahmt

Provenienz:
Auktion, Finarte, Mailand, 28. März 1980, Nr. 89 (als Antonio Gherardi);
europäische Privatsammlung;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Literatur:
D. Benati, in: Guido Cagnacci protagonista del Seicento tra Caravaggio e Guido Reni, hrsg. von D. Benati/A. Paolucci, Ausstellungskatalog, Cinisello Balsamo 2008, Erwähnung auf S. 180

Wir danken Daniele Benati für die Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Die Heilige ist in Mediation versunken in einer dunklen Höhle zu sehen, ein Kreuz in der rechten und einen Totenkopf in der linken Hand haltend. Das rötliche Haar fällt ihr über die Schultern, die von einem karminroten Mantel bedeckt sind. Das von links einfallende Licht erleuchtet ihre Schläfe und Wange, auf der eine Träne glänzt, und umspielt auch die glatte Oberfläche des Totenschädels. Nichts stört die Einsamkeit der schönen Sünderin, die den Tränen der Reue freien Lauf lässt.

Guido Cagnacci malte dieses von höchster Emotionalität erfüllte Bild in einer Zeit formaler Experimentierfreude, die sein Schaffen der frühen 1620er-Jahre prägte. Nach einer in seiner Heimatregion erfolgten Ausbildung gelang es dem jungen Künstler, der bereits naturalistischen Einflüssen gegenüber offen war, zumindest zweimal nach Rom zu reisen. Die zweite Reise ist für das Jahr 1622 dokumentiert, als er bei Guercino zu Gast war, der damals in der Strada Paolina (der heutigen Via del Babuino) eingemietet war. Cagnaccis Kenntnis des immer noch deutlich präsenten Erbes Caravaggios sollte für seine spätere Entwicklung den Ausschlag geben, wie die nach seiner Rückkehr entstandenen Gemälde belegen. Die Farbigkeit der vorliegenden Magdalena ähnelt stark jener der Berufung des hl. Matthäus im Museo della Città in Rimini (abgebildet bei Benati/Paolucci 2008, Nr. 22, S. 162–165), wo das Gewand Christi im selben Rotton gehalten ist wie der Mantel der Heiligen; auch die weichen und mit einem Mal ins Rot wechselnden Hauttöne des Inkarnats sind vergleichbar. Der rötliche Ton des Haars der Heiligen kehrt in anderen in diesen Jahren entstandenen Gemälden wieder, etwas beim Julianus Hospitator im Altarbild des Heiligen Antonius Abbas mit zwei Heiligen im selben Museum (siehe Benati/Paolucci 2008, Nr. 23, S. 166–169), das auch eine ähnliche Lichtführung erkennen lässt und ebenfalls nach dem Modell gemalt wurde, oder bei der in zwei Fassungen bekannten jugendlichen Madonna mit der Rose (Pinacoteca Nazionale, Sammlung Ferrara und Luigi Koelliker, Mailand; siehe Benati/Paolucci 2008, Nr. 25–26, S. 172–175). In allen diesen Werken, die Benati zufolge um 1625 zu datieren sind, wurde die caravaggeske Komposition einer malerischen Intensivierung unterzogen, was darauf hinweist, dass Cagnacci in Rom auch der Malweise Orazio Borgiannis besondere Beachtung entgegengebracht hatte.

Ein besonders eindrückliches Merkmal von Cagnaccis Gemälden aus dieser Zeit (siehe auch die Büßende Magdalena in der Galleria Nazionale di Palazzo Barberini, Rom, abgebildet bei Benati/Paolucci 2008, Nr. 20, S. 154/155) ist die Betonung einer anrührenden Sinnlichkeit, die der Künstler seinen Bildern reuevoller und büßender weiblicher Heiligengestalten verlieh, bei denen sich zum Gefühl der Sünde der Schmerz der Buße gesellt. Hier wie dort scheute er nicht davor zurück, den Weg eines harten Realismus zu gehen, um die Reaktionen einer Frau zu beschreiben, der Leid auferlegt wurde: Das Weinen, durch das sich der schöne Mund verzerrt, die geröteten Wangen, der pochende Hals – all dies sind Details, die er mit einer nahezu morbiden Genugtuung ins Blickfeld rückt. Diese Seite seiner Kunst, der das Vorbild Guido Renis, dem sich Cagnacci erst später annähern sollte, noch abgeht, lässt sich nicht unbedingt mit den Florentiner Malern vergleichen, die Kunsthistorikern oft in den Sinn kommen und deren Lösungen feierlicher und künstlich erotisiert waren, sondern mit dem großen Lombarden Francesco Cairo. Er war der Protagonist eines spirituellen Wagnisses, das in mancher Hinsicht jenem Cagnaccis glich und in dem Theatralik und Sentiment untrennbar miteinander verbunden sind.

Im Jahr 2008 war Benati der Erste, der die vorliegende Büßende Magdalena Cagnacci zurückgab. Das Gemälde war ihm nur durch eine Fotografie als zum Verkauf angebotenes Werk des aus Rieti stammenden Malers Antonio Gherardi bekannt (Finarte, Mailand, 28. March 1980, Lot 89), das man danach aus den Augen verloren hatte. Zwei Kopien des vorliegenden Werks sind bekannt: eine in der Pinacoteca di Varallo Sesia (55 x 66 cm, siehe P. Vanoli, in: S. Amerigo/C. Falcone [Hrsg.], Dipinti, sculture e oggetti di arte decorative dal XV al XX secolo. La collezione Remogna, Borgosesia 2015, S. 86–89) und die andere in der Sammlung Luigi Koelliker, Mailand (47 x 58,5 cm, siehe M. Pulini, La Madonna col Bambino di Cagnacci. Un dipinto per Santarcangelo dalla collezione Koelliker, Ausstellungskatalog, Recanati 2006).

Eine weitere eigenhändige Fassung, in der die Heilige jedoch nackt und im Freien dargestellt ist, war 1996 in der Galerie Fondantico, Bologna, ausgestellt und befindet sich heute in der Sammlung Spadoni, Ravenna (siehe Benati/Paolucci 2008, S. 180-181, Nr. 29).

17.10.2017 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 77.518,-
Schätzwert:
EUR 80.000,- bis EUR 120.000,-

Guido Cagnacci


(Sant’Arcangelo di Romagna 1601–1663 Wien)
Die büßende Magdalena,
Öl auf Leinwand, 54,5 x 65 cm, gerahmt

Provenienz:
Auktion, Finarte, Mailand, 28. März 1980, Nr. 89 (als Antonio Gherardi);
europäische Privatsammlung;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Literatur:
D. Benati, in: Guido Cagnacci protagonista del Seicento tra Caravaggio e Guido Reni, hrsg. von D. Benati/A. Paolucci, Ausstellungskatalog, Cinisello Balsamo 2008, Erwähnung auf S. 180

Wir danken Daniele Benati für die Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Die Heilige ist in Mediation versunken in einer dunklen Höhle zu sehen, ein Kreuz in der rechten und einen Totenkopf in der linken Hand haltend. Das rötliche Haar fällt ihr über die Schultern, die von einem karminroten Mantel bedeckt sind. Das von links einfallende Licht erleuchtet ihre Schläfe und Wange, auf der eine Träne glänzt, und umspielt auch die glatte Oberfläche des Totenschädels. Nichts stört die Einsamkeit der schönen Sünderin, die den Tränen der Reue freien Lauf lässt.

Guido Cagnacci malte dieses von höchster Emotionalität erfüllte Bild in einer Zeit formaler Experimentierfreude, die sein Schaffen der frühen 1620er-Jahre prägte. Nach einer in seiner Heimatregion erfolgten Ausbildung gelang es dem jungen Künstler, der bereits naturalistischen Einflüssen gegenüber offen war, zumindest zweimal nach Rom zu reisen. Die zweite Reise ist für das Jahr 1622 dokumentiert, als er bei Guercino zu Gast war, der damals in der Strada Paolina (der heutigen Via del Babuino) eingemietet war. Cagnaccis Kenntnis des immer noch deutlich präsenten Erbes Caravaggios sollte für seine spätere Entwicklung den Ausschlag geben, wie die nach seiner Rückkehr entstandenen Gemälde belegen. Die Farbigkeit der vorliegenden Magdalena ähnelt stark jener der Berufung des hl. Matthäus im Museo della Città in Rimini (abgebildet bei Benati/Paolucci 2008, Nr. 22, S. 162–165), wo das Gewand Christi im selben Rotton gehalten ist wie der Mantel der Heiligen; auch die weichen und mit einem Mal ins Rot wechselnden Hauttöne des Inkarnats sind vergleichbar. Der rötliche Ton des Haars der Heiligen kehrt in anderen in diesen Jahren entstandenen Gemälden wieder, etwas beim Julianus Hospitator im Altarbild des Heiligen Antonius Abbas mit zwei Heiligen im selben Museum (siehe Benati/Paolucci 2008, Nr. 23, S. 166–169), das auch eine ähnliche Lichtführung erkennen lässt und ebenfalls nach dem Modell gemalt wurde, oder bei der in zwei Fassungen bekannten jugendlichen Madonna mit der Rose (Pinacoteca Nazionale, Sammlung Ferrara und Luigi Koelliker, Mailand; siehe Benati/Paolucci 2008, Nr. 25–26, S. 172–175). In allen diesen Werken, die Benati zufolge um 1625 zu datieren sind, wurde die caravaggeske Komposition einer malerischen Intensivierung unterzogen, was darauf hinweist, dass Cagnacci in Rom auch der Malweise Orazio Borgiannis besondere Beachtung entgegengebracht hatte.

Ein besonders eindrückliches Merkmal von Cagnaccis Gemälden aus dieser Zeit (siehe auch die Büßende Magdalena in der Galleria Nazionale di Palazzo Barberini, Rom, abgebildet bei Benati/Paolucci 2008, Nr. 20, S. 154/155) ist die Betonung einer anrührenden Sinnlichkeit, die der Künstler seinen Bildern reuevoller und büßender weiblicher Heiligengestalten verlieh, bei denen sich zum Gefühl der Sünde der Schmerz der Buße gesellt. Hier wie dort scheute er nicht davor zurück, den Weg eines harten Realismus zu gehen, um die Reaktionen einer Frau zu beschreiben, der Leid auferlegt wurde: Das Weinen, durch das sich der schöne Mund verzerrt, die geröteten Wangen, der pochende Hals – all dies sind Details, die er mit einer nahezu morbiden Genugtuung ins Blickfeld rückt. Diese Seite seiner Kunst, der das Vorbild Guido Renis, dem sich Cagnacci erst später annähern sollte, noch abgeht, lässt sich nicht unbedingt mit den Florentiner Malern vergleichen, die Kunsthistorikern oft in den Sinn kommen und deren Lösungen feierlicher und künstlich erotisiert waren, sondern mit dem großen Lombarden Francesco Cairo. Er war der Protagonist eines spirituellen Wagnisses, das in mancher Hinsicht jenem Cagnaccis glich und in dem Theatralik und Sentiment untrennbar miteinander verbunden sind.

Im Jahr 2008 war Benati der Erste, der die vorliegende Büßende Magdalena Cagnacci zurückgab. Das Gemälde war ihm nur durch eine Fotografie als zum Verkauf angebotenes Werk des aus Rieti stammenden Malers Antonio Gherardi bekannt (Finarte, Mailand, 28. March 1980, Lot 89), das man danach aus den Augen verloren hatte. Zwei Kopien des vorliegenden Werks sind bekannt: eine in der Pinacoteca di Varallo Sesia (55 x 66 cm, siehe P. Vanoli, in: S. Amerigo/C. Falcone [Hrsg.], Dipinti, sculture e oggetti di arte decorative dal XV al XX secolo. La collezione Remogna, Borgosesia 2015, S. 86–89) und die andere in der Sammlung Luigi Koelliker, Mailand (47 x 58,5 cm, siehe M. Pulini, La Madonna col Bambino di Cagnacci. Un dipinto per Santarcangelo dalla collezione Koelliker, Ausstellungskatalog, Recanati 2006).

Eine weitere eigenhändige Fassung, in der die Heilige jedoch nackt und im Freien dargestellt ist, war 1996 in der Galerie Fondantico, Bologna, ausgestellt und befindet sich heute in der Sammlung Spadoni, Ravenna (siehe Benati/Paolucci 2008, S. 180-181, Nr. 29).


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
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+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 17.10.2017 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 07.10. - 17.10.2017


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer(für Lieferland Österreich)

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