Lot Nr. 100


Joseph Heintz II.

[Saleroom Notice]
Joseph Heintz II. - Alte Meister

(Augsburg um 1600–1678 Venedig)
Die Stierhatz auf dem Campo San Polo in Venedig,
Öl auf Leinwand, 61 x 91,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Auktion, Palais Galliera, Paris, 18. Juni 1964, Lot 16;
Auktion, Hôtel Drouot, Paris, 9. Dezember 1976, Lot 2;
Kunstmarkt;
Privatsammlung, Großbritannien;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Ausgestellt:
London, Lampronti Gallery, The Magical Light of Venice. Eighteenth Century View Paintings, 30. November 2017 – 15. Januar 2018

Literatur:
D. D’Anza, Appunti sulla produzione festiva di Joseph Heintz il giovane. Opere autografe e di bottega, in: Arte in Friuli Arte a Trieste, 24, 2005, S. 7, S. 10–14 und Anm. 10, S. 19;
J. Niewind, Joseph Heintz d. J. und die Zeremonien der Serenissima, Dissertation, Universität Trier, 2013, S. 229, Erwähnung unter Anm. 394;
M. di Martino (Hg.), The Magical Light of Venice. Eighteenth Century View Paintings, Ausstellungskatalog, Florenz 2017, S. 4/5

Das vorliegende Gemälde ist in der Fototeca Zeri als ein Werk von Joseph Heintz d. J. verzeichnet (Nr. 56815).

Das vorliegende Gemälde stellt ein während des Karnevals von Venedig stattfindendes Spektakel dar, das sich bis zu seiner Abschaffung im 19. Jahrhundert großer Beliebtheit erfreute. Bei der Caccia ai Tori oder Stierhatz handelte es sich um eine Art gemäßigte Corrida, die auf mehreren Plätzen in ganz Venedig abgehalten wurde. Die Stiere oder vielmehr Ochsen wurden losgelassen und von abgerichteten Hunden angestachelt. Entkamen sie den sie festhaltenden tiratori, verursachten sie Panik unter den Umstehenden, sehr zur Belustigung der Zuschauer oben auf den Balkonen.

Bereits ab dem 15. Jahrhundert hatten unterschiedliche Künstler diesen venezianischen Festtagsbrauch auf großen Gemälden festgehalten, doch Joseph Heintz d. J., ein deutscher Künstler, der den Großteil seiner Laufbahn in Venedig zubrachte, war der Erste, der das Bildthema dank des kleinen Formats seiner Bilder unter private Sammler brachte, die an diesen ungewöhnlichen und lebendigen Szenen immer mehr Gefallen fanden.

Das vorliegende Gemälde gehört zu einer Serie von vier Leinwandbildern von handlichem Format, die speziell für eine solche Klientel entstanden waren und unterschiedliche venezianische Feierlichkeiten darstellten. Neben der hier besprochenen Caccia ai Tori waren darauf dargestellt: Il Doge nel Pozzetto [Der Doge im Brunnen], Lo Sposalizio del Mare [Die Vermählung mit dem Meer] und La Regata sul Canal Grande [Die Regatta am Canal Grande] (derzeitiger Aufbewahrungsort unbekannt; siehe D’Anza 2005).

Im vorliegenden Gemälde erstreckt sich die festliche Szene wie auch in einer weiteren Fassung des Künstlers im Museo Correr in Venedig (Inv. 2059) auf dem Campo San Polo. Hier ist sie jedoch von der gegenüberliegenden Seite dargestellt und zeigt die Kirche San Polo im Zentrum und rechts den Palazzo Garzoni mit seinen durchbrochenen Zinnen, der im 19. Jahrhundert abgerissen wurde. Im Vordergrund belebt eine brodelnde Menge die Szene: maskierte Figuren, nervöse Stiere, die ihren Bewachern zu entkommen suchen, aufgeregte Hunde, zu Boden geworfene Zuschauer und andere, die vor der Raserei der Tiere die Flucht ergreifen. In der Zwischenzeit hat in der Platzmitte mit dem Wettkampf der rivalisierenden Castellani und Nicolotti schon eine andere für den Karneval Venedigs typische Vorführung begonnen. Bei diesem Ereignis, genannt Forze d’Ercole [Streitkräfte des Herkules], bildeten geschickte Turner mithilfe mehrerer langer Stangen Menschenpyramiden.

An der Ausführung dieser lebendigen Figuren, die die Schwerkraft herauszufordern scheinen, mag ein Mitarbeiter beteiligt gewesen zu sein: ein weiterer Hinweis, dass Joseph Heintz mehr und mehr auf die Unterstützung seiner Werkstatt angewiesen war, um die wachsende Nachfrage nach derartigen Gemälden zu befriedigen, die eine anspruchsvolle Klientel, die möglicherweise auch aus dem Ausland kam, an ihn herantrug.

Der deutsche Maler war der Sohn von Joseph Heintz d. Ä. (1564–1609) und erhielt seine erste Ausbildung in Augsburg. Doch schon 1625 ist er in Italien fassbar, wo er zunächst zwischen Rom und Venedig pendelte. Ab 1632 ließ er sich endgültig in der Lagunenstadt nieder, wo er sich in die Malergilde, die fraglia dei pittori, einschrieb. Sein abwechslungsreiches und eklektizistisches Schaffen reichten von Darstellungen venezianischer Festtagsbräuche mit von Jacques Callot angeregten Possenreißern bis zu einem volkstümlichen Naturalismus, den Monsù Bernardo nach Venedig gebracht hatte. Heintz’ Erfolg war auch seinen stregozzi oder Hexensabbaten geschuldet – bizarren, von grotesken und monströsen Wesen bevölkerten Gemälden, die bei seinen venezianischen Auftraggebern, die damals insbesondere das Schaffen Boschs für sich wiederentdeckt hatten, sehr geschätzt waren.

Saleroom Notice:

Wir danken Bernard Aikema für seinen Hinweis, dass es sich beim vorliegenden Gemälde um ein vollständig eigenhändiges Werk von Joseph Heintz II. (ca. 1600–1678) handelt.

24.04.2018 - 17:00

Schätzwert:
EUR 100.000,- bis EUR 120.000,-

Joseph Heintz II.

[Saleroom Notice]

(Augsburg um 1600–1678 Venedig)
Die Stierhatz auf dem Campo San Polo in Venedig,
Öl auf Leinwand, 61 x 91,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Auktion, Palais Galliera, Paris, 18. Juni 1964, Lot 16;
Auktion, Hôtel Drouot, Paris, 9. Dezember 1976, Lot 2;
Kunstmarkt;
Privatsammlung, Großbritannien;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Ausgestellt:
London, Lampronti Gallery, The Magical Light of Venice. Eighteenth Century View Paintings, 30. November 2017 – 15. Januar 2018

Literatur:
D. D’Anza, Appunti sulla produzione festiva di Joseph Heintz il giovane. Opere autografe e di bottega, in: Arte in Friuli Arte a Trieste, 24, 2005, S. 7, S. 10–14 und Anm. 10, S. 19;
J. Niewind, Joseph Heintz d. J. und die Zeremonien der Serenissima, Dissertation, Universität Trier, 2013, S. 229, Erwähnung unter Anm. 394;
M. di Martino (Hg.), The Magical Light of Venice. Eighteenth Century View Paintings, Ausstellungskatalog, Florenz 2017, S. 4/5

Das vorliegende Gemälde ist in der Fototeca Zeri als ein Werk von Joseph Heintz d. J. verzeichnet (Nr. 56815).

Das vorliegende Gemälde stellt ein während des Karnevals von Venedig stattfindendes Spektakel dar, das sich bis zu seiner Abschaffung im 19. Jahrhundert großer Beliebtheit erfreute. Bei der Caccia ai Tori oder Stierhatz handelte es sich um eine Art gemäßigte Corrida, die auf mehreren Plätzen in ganz Venedig abgehalten wurde. Die Stiere oder vielmehr Ochsen wurden losgelassen und von abgerichteten Hunden angestachelt. Entkamen sie den sie festhaltenden tiratori, verursachten sie Panik unter den Umstehenden, sehr zur Belustigung der Zuschauer oben auf den Balkonen.

Bereits ab dem 15. Jahrhundert hatten unterschiedliche Künstler diesen venezianischen Festtagsbrauch auf großen Gemälden festgehalten, doch Joseph Heintz d. J., ein deutscher Künstler, der den Großteil seiner Laufbahn in Venedig zubrachte, war der Erste, der das Bildthema dank des kleinen Formats seiner Bilder unter private Sammler brachte, die an diesen ungewöhnlichen und lebendigen Szenen immer mehr Gefallen fanden.

Das vorliegende Gemälde gehört zu einer Serie von vier Leinwandbildern von handlichem Format, die speziell für eine solche Klientel entstanden waren und unterschiedliche venezianische Feierlichkeiten darstellten. Neben der hier besprochenen Caccia ai Tori waren darauf dargestellt: Il Doge nel Pozzetto [Der Doge im Brunnen], Lo Sposalizio del Mare [Die Vermählung mit dem Meer] und La Regata sul Canal Grande [Die Regatta am Canal Grande] (derzeitiger Aufbewahrungsort unbekannt; siehe D’Anza 2005).

Im vorliegenden Gemälde erstreckt sich die festliche Szene wie auch in einer weiteren Fassung des Künstlers im Museo Correr in Venedig (Inv. 2059) auf dem Campo San Polo. Hier ist sie jedoch von der gegenüberliegenden Seite dargestellt und zeigt die Kirche San Polo im Zentrum und rechts den Palazzo Garzoni mit seinen durchbrochenen Zinnen, der im 19. Jahrhundert abgerissen wurde. Im Vordergrund belebt eine brodelnde Menge die Szene: maskierte Figuren, nervöse Stiere, die ihren Bewachern zu entkommen suchen, aufgeregte Hunde, zu Boden geworfene Zuschauer und andere, die vor der Raserei der Tiere die Flucht ergreifen. In der Zwischenzeit hat in der Platzmitte mit dem Wettkampf der rivalisierenden Castellani und Nicolotti schon eine andere für den Karneval Venedigs typische Vorführung begonnen. Bei diesem Ereignis, genannt Forze d’Ercole [Streitkräfte des Herkules], bildeten geschickte Turner mithilfe mehrerer langer Stangen Menschenpyramiden.

An der Ausführung dieser lebendigen Figuren, die die Schwerkraft herauszufordern scheinen, mag ein Mitarbeiter beteiligt gewesen zu sein: ein weiterer Hinweis, dass Joseph Heintz mehr und mehr auf die Unterstützung seiner Werkstatt angewiesen war, um die wachsende Nachfrage nach derartigen Gemälden zu befriedigen, die eine anspruchsvolle Klientel, die möglicherweise auch aus dem Ausland kam, an ihn herantrug.

Der deutsche Maler war der Sohn von Joseph Heintz d. Ä. (1564–1609) und erhielt seine erste Ausbildung in Augsburg. Doch schon 1625 ist er in Italien fassbar, wo er zunächst zwischen Rom und Venedig pendelte. Ab 1632 ließ er sich endgültig in der Lagunenstadt nieder, wo er sich in die Malergilde, die fraglia dei pittori, einschrieb. Sein abwechslungsreiches und eklektizistisches Schaffen reichten von Darstellungen venezianischer Festtagsbräuche mit von Jacques Callot angeregten Possenreißern bis zu einem volkstümlichen Naturalismus, den Monsù Bernardo nach Venedig gebracht hatte. Heintz’ Erfolg war auch seinen stregozzi oder Hexensabbaten geschuldet – bizarren, von grotesken und monströsen Wesen bevölkerten Gemälden, die bei seinen venezianischen Auftraggebern, die damals insbesondere das Schaffen Boschs für sich wiederentdeckt hatten, sehr geschätzt waren.

Saleroom Notice:

Wir danken Bernard Aikema für seinen Hinweis, dass es sich beim vorliegenden Gemälde um ein vollständig eigenhändiges Werk von Joseph Heintz II. (ca. 1600–1678) handelt.


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 24.04.2018 - 17:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 14.04. - 24.04.2018