Lot Nr. 194 -


Georg Gärtner II.


Georg Gärtner II. - Alte Meister II

(Nürnberg 1575/80–1654)
Anbetung der Hirten,
Öl auf Holz, 89 x 63 cm, gerahmt

Wir danken Rainer Stüwe, der den Künstler auf Grundlage einer Fotografie identifiziert hat (schriftliche Mitteilung).

Bei der vorliegenden Tafel, die durch ihren guten Erhaltungszustand und ihre kräftige Farbigkeit besticht, handelt es sich um eine charakteristische Arbeit Georg Gärtners des Jüngeren, eines deutschen Malers und Stechers, der in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Nürnberg tätig war. Nach dem Tod von Hans Hoffmann 1591/92 stieg Georg Gärtner der Jüngere zu einem der führenden Vertreter der sogenannten Dürer-Renaissance auf. Es handelte sich um das Phänomen eines gesteigerten Interesses an Werken Albrecht Dürers, das sich im späten 16. Jahrhundert in ganz Europa ausbreitete, sich jedoch insbesondere in Dürers Heimatstadt Nürnberg und am Kaiserhof in Prag bemerkbar machte. Gärtner wurde in der Werkstatt seines Vaters ausgebildet, die er 1612 übernahm und die in der Folge eine der führenden in Nürnberg wurde. Der Künstler beschäftigte stets die Höchstzahl der von der Gilde erlaubten Mitarbeiter, bisweilen sogar mehr, was auf eine gute Auftragslage schließen lässt. Gärtner stand der örtlichen Malergilde von 1620 bis 1624 und erneut zwischen 1638 und 1642 vor. Er und seine Werkstatt, gepriesen als „felicissimus Düreri imitator“, schufen Varianten nach Werken Dürers und anderer berühmter Künstler, indem sie deren Stil zwar nachahmten, aber dabei dennoch eine höchst individuelle künstlerische Handschrift entwickelten. Das vorliegende Gemälde ist ein charakteristisches Beispiel für Gärtners Schaffen sowie eine bedeutende Hinzufügung zum Werkkorpus des Meisters.

Diese Anbetung der Hirten basiert auf einem Kupferstich des Hendrick Goltzius, der um 1599 von Jacob Matham herausgegeben wurde. Gärtner musste die von Goltzius darin weitgehend ausgesparten Teile der Komposition originell ergänzen und die Motive zu einem einheitlichen Ganzen zusammenführen. Dies gelingt Gärtner in beeindruckender Art und Weise, insbesondere mittels der von Josef gehaltenen Kerze, deren Schein nun alle fünf Figuren sehr gleichmäßig überzieht und auch die Stallruine im Hintergrund hervortreten lässt. Stüwe schreibt: „Zwischen grafischer Vorlage und Gemälde finden sich auch in den unmittelbar kopierten Bereichen Differenzen, die auf die eigene Handschrift des Malers hindeuten. So sind alle Gesichter um wenige Grade stärker in die Senkrechte ausgerichtet und wirken damit weniger zugewandt und eher theatralisch. Gleichzeitig sind die stark an den Kopftypen und Gesichtsausdrücken von Albrecht Dürer orientierten Pendants im Kupferstich von Goltzius im hier vorliegenden Gemälde „freundlicher“ und weicher dargestellt. Darüber hinaus erinnert die in Öl ausgeführte Darstellung des bei Goltzius nur angedeuteten Bogens im Hintergrund an Motive aus Dürers Paumgartner-Altar. Der Maler scheint daher ein Kenner der Werke Albrecht Dürers gewesen zu sein. Auffällig sind die kugelförmigen Augen der Madonna. Diese finden sich häufig bei Werken Georg Gärtner des Jüngeren, ebenso die rötlichen Wangen und weich verriebenen Inkarnate. Die von Goltzius nur in den Konturen angedeuteten Partien musste der hier tätige Maler in seiner eigenen Formensprache ausführen. Hier finden sich deutliche Unterschiede zu den üblichen Faltenstrukturen von Goltzius. Im Gemälde sind an diesen Stellen weich gestaltete Varianten der üblichen partiell stark geknickten Faltenstrukturen der süddeutschen Malerei um 1500 zu sehen. Darüber hinaus ist die Farbpalette des Gemäldes zu beachten. Hier fällt eine erdige Farbwahl im Hintergrund auf. Farbliche Schwerpunkte finden sich im Bereich von Rot, von Hellblau zu nahezu Weiß changierenden Lichtern und einem hellen Violett. Vergleichbare Kolorite finden sich auch bei Jobst Harrich und Daniel Fröschl, allerdings in Kombination mit herberen Gesichtstypen. Alleinstellungsmerkmal innerhalb des Kreises dieser Maler sind die auffällig kugeligen Augen bei Georg Gärtner dem Jüngeren.“ Stüwe sieht in dem vorliegenden Gemälde eine Arbeit Gärtners aus dem frühen 17. Jahrhundert.

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

10.11.2022 - 17:22

Schätzwert:
EUR 10.000,- bis EUR 15.000,-
Startpreis:
EUR 10.000,-

Georg Gärtner II.


(Nürnberg 1575/80–1654)
Anbetung der Hirten,
Öl auf Holz, 89 x 63 cm, gerahmt

Wir danken Rainer Stüwe, der den Künstler auf Grundlage einer Fotografie identifiziert hat (schriftliche Mitteilung).

Bei der vorliegenden Tafel, die durch ihren guten Erhaltungszustand und ihre kräftige Farbigkeit besticht, handelt es sich um eine charakteristische Arbeit Georg Gärtners des Jüngeren, eines deutschen Malers und Stechers, der in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Nürnberg tätig war. Nach dem Tod von Hans Hoffmann 1591/92 stieg Georg Gärtner der Jüngere zu einem der führenden Vertreter der sogenannten Dürer-Renaissance auf. Es handelte sich um das Phänomen eines gesteigerten Interesses an Werken Albrecht Dürers, das sich im späten 16. Jahrhundert in ganz Europa ausbreitete, sich jedoch insbesondere in Dürers Heimatstadt Nürnberg und am Kaiserhof in Prag bemerkbar machte. Gärtner wurde in der Werkstatt seines Vaters ausgebildet, die er 1612 übernahm und die in der Folge eine der führenden in Nürnberg wurde. Der Künstler beschäftigte stets die Höchstzahl der von der Gilde erlaubten Mitarbeiter, bisweilen sogar mehr, was auf eine gute Auftragslage schließen lässt. Gärtner stand der örtlichen Malergilde von 1620 bis 1624 und erneut zwischen 1638 und 1642 vor. Er und seine Werkstatt, gepriesen als „felicissimus Düreri imitator“, schufen Varianten nach Werken Dürers und anderer berühmter Künstler, indem sie deren Stil zwar nachahmten, aber dabei dennoch eine höchst individuelle künstlerische Handschrift entwickelten. Das vorliegende Gemälde ist ein charakteristisches Beispiel für Gärtners Schaffen sowie eine bedeutende Hinzufügung zum Werkkorpus des Meisters.

Diese Anbetung der Hirten basiert auf einem Kupferstich des Hendrick Goltzius, der um 1599 von Jacob Matham herausgegeben wurde. Gärtner musste die von Goltzius darin weitgehend ausgesparten Teile der Komposition originell ergänzen und die Motive zu einem einheitlichen Ganzen zusammenführen. Dies gelingt Gärtner in beeindruckender Art und Weise, insbesondere mittels der von Josef gehaltenen Kerze, deren Schein nun alle fünf Figuren sehr gleichmäßig überzieht und auch die Stallruine im Hintergrund hervortreten lässt. Stüwe schreibt: „Zwischen grafischer Vorlage und Gemälde finden sich auch in den unmittelbar kopierten Bereichen Differenzen, die auf die eigene Handschrift des Malers hindeuten. So sind alle Gesichter um wenige Grade stärker in die Senkrechte ausgerichtet und wirken damit weniger zugewandt und eher theatralisch. Gleichzeitig sind die stark an den Kopftypen und Gesichtsausdrücken von Albrecht Dürer orientierten Pendants im Kupferstich von Goltzius im hier vorliegenden Gemälde „freundlicher“ und weicher dargestellt. Darüber hinaus erinnert die in Öl ausgeführte Darstellung des bei Goltzius nur angedeuteten Bogens im Hintergrund an Motive aus Dürers Paumgartner-Altar. Der Maler scheint daher ein Kenner der Werke Albrecht Dürers gewesen zu sein. Auffällig sind die kugelförmigen Augen der Madonna. Diese finden sich häufig bei Werken Georg Gärtner des Jüngeren, ebenso die rötlichen Wangen und weich verriebenen Inkarnate. Die von Goltzius nur in den Konturen angedeuteten Partien musste der hier tätige Maler in seiner eigenen Formensprache ausführen. Hier finden sich deutliche Unterschiede zu den üblichen Faltenstrukturen von Goltzius. Im Gemälde sind an diesen Stellen weich gestaltete Varianten der üblichen partiell stark geknickten Faltenstrukturen der süddeutschen Malerei um 1500 zu sehen. Darüber hinaus ist die Farbpalette des Gemäldes zu beachten. Hier fällt eine erdige Farbwahl im Hintergrund auf. Farbliche Schwerpunkte finden sich im Bereich von Rot, von Hellblau zu nahezu Weiß changierenden Lichtern und einem hellen Violett. Vergleichbare Kolorite finden sich auch bei Jobst Harrich und Daniel Fröschl, allerdings in Kombination mit herberen Gesichtstypen. Alleinstellungsmerkmal innerhalb des Kreises dieser Maler sind die auffällig kugeligen Augen bei Georg Gärtner dem Jüngeren.“ Stüwe sieht in dem vorliegenden Gemälde eine Arbeit Gärtners aus dem frühen 17. Jahrhundert.

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

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Auktion: Alte Meister II
Auktionstyp: Online Auction
Datum: 10.11.2022 - 17:22
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 22.10. - 09.11.2022