Lot Nr. 25


Andrea Meldola, gen. lo Schiavone


(Zadar um 1510–1563 Venedig)
Vesta, Hymen, Mars und Venus – Allegorie der Ehe,
Öl auf Holz, 92,5 x 126,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Auktion, Semenzato, Rom, 26. Oktober 1990, Lot 13 (als venezianische Schule, 16. Jahrhundert);
europäische Privatsammlung

Wir danken Mauro Lucco, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes nach Prüfung im Original bestätigt hat.

Zudem danken wir Bernard Aikema, die die Zuschreibung unabhängig von diesem ebenfalls nach Prüfung im Original bestätigt hat.

Bei dem vorliegenden unveröffentlichten Gemälde handelt es sich um eine bedeutende Hinzufügung zum Werk Andrea Meldolas, genannt „lo Schiavone“. Die Komposition mit den fließend ineinandergreifenden Figuren und verwischten Konturen ist ein Beispiel des Schaffens dieses Künstlers aus den 1540er-Jahren. Zu dieser Zeit pries Pietro Aretino, einer der einflussreichsten Dichter und Schriftsteller seiner Zeit, Schiavones „prestezza saputa“, seine schnelle und virtuose Maltechnik, die ihn nicht nur zu einem Pionier des freien Umgangs mit der Farbe machte, sondern auch Tizian beeinflusst haben könnte.

Schiavones frühe expressionistische Pinselführung wird auf dem vorliegenden Gemälde offenkundig, wobei Stellen pastos aufgetragener Farbe ein bewegtes Ineinanderfließen erzeugen. Verstärkt wird dies noch durch den Einsatz der Farbkontraste Rot und Grün. Die Gesichter von Mars und Vesta mit dem geflochtenen Haar und dem gewundenen Haarschmuck finden sich in der Darstellung Jupiters und einer Göttin in dem Gemälde Die Hochzeit von Amor und Psyche wieder, das sich im Metropolitan Museum of Art in New York (Zugangsnr. 1973.116) befindet. Die Ausführung der Faltenwürfe und des Gefäßes sind mit der Anbetung der Könige in der Biblioteca Ambrosiana in Mailand (Inv.-Nr. 198) vergleichbar.

Obwohl seitenverkehrt, bezieht sich das Gemälde kompositorisch auf die Darstellung desselben Bildthemas Tizians im Pariser Louvre (Inv.-Nr. 754), das um 1530–1535 datiert ist.
Tizians Gemälde wurde traditionell für eine Darstellung des Abschieds von Alfonso d’Avalos, des Marchese del Vasto, von seiner jungen Frau Maria von Aragón gehalten, die ihr Haupt traurig senkt. Bei den anderen Figuren handelte es sich, wie man vermutete, um Vesta, die Beschützerin des häuslichen Friedens, den bereits domestizierten Amor, welcher der Braut sein Pfeilbündel überreicht, und Hymen mit einem Blumenkorb, dem Symbol der Ehe (siehe H. E. Wethey, Titian. The Mythological & Historical Paintings, London 1975, S. 127).

Eine komplexere Interpretation lieferte Erwin Panofsky, der die Protagonisten nicht nur als Braut und Bräutigam identifizierte, sondern auch als Mars und Venus. Die andere weibliche Figur ist eine Personifikation der ehelichen Treue, und die dritte Figur, die einen Korb hochhebt, verkörpert die Hoffnung (siehe E. Panofsky, Studies in Iconology, New York 1939, S. 160–166).

Im Gegensatz zu Tizians Gemälde hält die weibliche Figur in der vorliegenden Komposition nicht den Globus, sondern ein Gefäß. Zudem ist ihr Kopf nicht gesenkt, sondern dem Betrachter direkt zugewendet. Traditionell werden Gefäße oder Kelche mit Fruchtbarkeit assoziiert. In der griechischen Mythologie kommen das Leid und das Böse aus der Büchse der Pandora auf die Erde. Im Hohelied der Liebe heißt es über die himmlische Braut positiv: Dein Schoß ist ein wohlgerundeter Kelch. In der vorliegenden von Schiavone oder seinen Auftraggebern ersonnenen Komposition nimmt die weibliche Figur eine viel wichtigere Rolle ein. Darüber hinaus verrät sie auch den Einfluss von Vorbildern Francesco Salviatis auf den jungen Schiavone.

Andrea Meldola, genannt Schiavone, wurde in der venezianisch regierten Stadt Zara in Dalmatien, dem heutigen Zadar in Kroatien, geboren; seine Familie stammte jedoch ursprünglich aus Meldola, einem kleinen Ort in der Nähe von Forlì in der Romagna. In den späten 1530er-Jahren scheint sich Schiavone in Venedig niedergelassen zu haben, wo er das vorliegende Gemälde in den 1540er-Jahren ausführte, als sein manieristischer Malstil voll entwickelt war.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

24.04.2024 - 18:00

Schätzwert:
EUR 120.000,- bis EUR 180.000,-

Andrea Meldola, gen. lo Schiavone


(Zadar um 1510–1563 Venedig)
Vesta, Hymen, Mars und Venus – Allegorie der Ehe,
Öl auf Holz, 92,5 x 126,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Auktion, Semenzato, Rom, 26. Oktober 1990, Lot 13 (als venezianische Schule, 16. Jahrhundert);
europäische Privatsammlung

Wir danken Mauro Lucco, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes nach Prüfung im Original bestätigt hat.

Zudem danken wir Bernard Aikema, die die Zuschreibung unabhängig von diesem ebenfalls nach Prüfung im Original bestätigt hat.

Bei dem vorliegenden unveröffentlichten Gemälde handelt es sich um eine bedeutende Hinzufügung zum Werk Andrea Meldolas, genannt „lo Schiavone“. Die Komposition mit den fließend ineinandergreifenden Figuren und verwischten Konturen ist ein Beispiel des Schaffens dieses Künstlers aus den 1540er-Jahren. Zu dieser Zeit pries Pietro Aretino, einer der einflussreichsten Dichter und Schriftsteller seiner Zeit, Schiavones „prestezza saputa“, seine schnelle und virtuose Maltechnik, die ihn nicht nur zu einem Pionier des freien Umgangs mit der Farbe machte, sondern auch Tizian beeinflusst haben könnte.

Schiavones frühe expressionistische Pinselführung wird auf dem vorliegenden Gemälde offenkundig, wobei Stellen pastos aufgetragener Farbe ein bewegtes Ineinanderfließen erzeugen. Verstärkt wird dies noch durch den Einsatz der Farbkontraste Rot und Grün. Die Gesichter von Mars und Vesta mit dem geflochtenen Haar und dem gewundenen Haarschmuck finden sich in der Darstellung Jupiters und einer Göttin in dem Gemälde Die Hochzeit von Amor und Psyche wieder, das sich im Metropolitan Museum of Art in New York (Zugangsnr. 1973.116) befindet. Die Ausführung der Faltenwürfe und des Gefäßes sind mit der Anbetung der Könige in der Biblioteca Ambrosiana in Mailand (Inv.-Nr. 198) vergleichbar.

Obwohl seitenverkehrt, bezieht sich das Gemälde kompositorisch auf die Darstellung desselben Bildthemas Tizians im Pariser Louvre (Inv.-Nr. 754), das um 1530–1535 datiert ist.
Tizians Gemälde wurde traditionell für eine Darstellung des Abschieds von Alfonso d’Avalos, des Marchese del Vasto, von seiner jungen Frau Maria von Aragón gehalten, die ihr Haupt traurig senkt. Bei den anderen Figuren handelte es sich, wie man vermutete, um Vesta, die Beschützerin des häuslichen Friedens, den bereits domestizierten Amor, welcher der Braut sein Pfeilbündel überreicht, und Hymen mit einem Blumenkorb, dem Symbol der Ehe (siehe H. E. Wethey, Titian. The Mythological & Historical Paintings, London 1975, S. 127).

Eine komplexere Interpretation lieferte Erwin Panofsky, der die Protagonisten nicht nur als Braut und Bräutigam identifizierte, sondern auch als Mars und Venus. Die andere weibliche Figur ist eine Personifikation der ehelichen Treue, und die dritte Figur, die einen Korb hochhebt, verkörpert die Hoffnung (siehe E. Panofsky, Studies in Iconology, New York 1939, S. 160–166).

Im Gegensatz zu Tizians Gemälde hält die weibliche Figur in der vorliegenden Komposition nicht den Globus, sondern ein Gefäß. Zudem ist ihr Kopf nicht gesenkt, sondern dem Betrachter direkt zugewendet. Traditionell werden Gefäße oder Kelche mit Fruchtbarkeit assoziiert. In der griechischen Mythologie kommen das Leid und das Böse aus der Büchse der Pandora auf die Erde. Im Hohelied der Liebe heißt es über die himmlische Braut positiv: Dein Schoß ist ein wohlgerundeter Kelch. In der vorliegenden von Schiavone oder seinen Auftraggebern ersonnenen Komposition nimmt die weibliche Figur eine viel wichtigere Rolle ein. Darüber hinaus verrät sie auch den Einfluss von Vorbildern Francesco Salviatis auf den jungen Schiavone.

Andrea Meldola, genannt Schiavone, wurde in der venezianisch regierten Stadt Zara in Dalmatien, dem heutigen Zadar in Kroatien, geboren; seine Familie stammte jedoch ursprünglich aus Meldola, einem kleinen Ort in der Nähe von Forlì in der Romagna. In den späten 1530er-Jahren scheint sich Schiavone in Venedig niedergelassen zu haben, wo er das vorliegende Gemälde in den 1540er-Jahren ausführte, als sein manieristischer Malstil voll entwickelt war.

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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 24.04.2024 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 13.04. - 24.04.2024